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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Der Admiral war sehr freundlich gegen mich und bot mir sogar, ehe ich ihn verließ, die Hand. Ich kehrte an Bord der Manilla zurück, verabschiedete mich von dem Wundarzte, dem Schiffsmeister und anderen Offizieren, dann von meinen Tischgenossen, und nun wurde ein Boot bemannt, um Bob Croß und mich an Bord des Firefly zu bringen. Nachdem wir abgefahren waren und uns eine Strecke von der Fregatte entfernt hatten, hoben die Matrosen plötzlich ihre Ruder in die Höhe.

»Was fällt euch ein, ihr Leute?« fragte ich.

»Schauen's dorthin, Sir,« versetzte Bob Croß, auf die Fregatte deutend.

Ich wandte mich um und sah die ganze Mannschaft im Takelwerk, welche mir unter Begleitung der Hochbootsmannspfeife drei Hurrahs nachrief – ein Kompliment, von dem ich mir nichts träumen ließ und das mich bis zu Thränen rührte. Ich stand auf und nahm meinen Hut ab, während die Leute in meinem Boot die Hurrahs erwiederten, die Ruder wieder in's Wasser fallen ließen und dann nach dem Schooner fuhren. Ich trat an Bord und berief die Matrosen nach hinten, wo ich ihnen meine und Bob's Ernennung vorlas. Dann begab ich mich in die Kajüte hinunter, da ich allein zu sein wünschte.

Obgleich noch nicht zwanzig Jahre alt, hatte ich jetzt doch schon den Befehl über ein Fahrzeug. Ich erwog, welche Laufbahn mir bevorstand, wenn mir das Glück gewogen blieb, und ich nie eine Gelegenheit verabsäumte, mich auszuzeichnen. Dieß gelobte ich denn auch feierlich, indem ich den Himmel anflehte, mein eifriges Streben zu unterstützen, Lord de Versely's Wohlwollen gegen mich hatte mich tief gerührt, und es war mein angelegentlichster Wunsch, ihm Ehre zu machen. Dann bedachte ich auch die Möglichkeiten für und gegen mich. Er konnte heirathen und Kinder zeugen – jedenfalls der schlimmste Umstand, der mir zuzustoßen vermochte; heirathete er aber nicht, so hatte sein Bruder eine große Familie, und der Titel mußte auf dessen ältesten Sohn übergehen; doch daran war mir so viel nicht gelegen.

Während ich in meinem Geiste alle diese Zufälligkeiten überlegte, wurde an die Kajütenthüre geklopft.

»Herein!« rief ich. »Ah, Sie sind's, Croß? Freut mich, Sie zu sehen. Setzen Sie sich. Endlich habe ich einmal das Kommando eines Fahrzeugs, Bob.«

»Ja, Sir, und 's wird hoffentlich nicht lange anstehen, bis Sie ein größeres kriegen. Nun, daß Sie einen Schooner kommandiren, nimmt mich eben nicht Wunder, wohl aber meine Ernennung zu einem wohlbestallten Hochbootsmann – so was wär' mir entfernt nie eingefallen. Ich muß doch meinem kleinen Mädel mein gutes Glück schreiben; es wird sie und ihre Mutter überglücklich machen.«

»Ich muß ein Gleiches thun, Croß. Meine Mutter wird auch sehr erfreut sein, wenn sie Alles erfährt, was ich ihr zu sagen habe.«

»Nun, ich hab's auch noch nicht gehört, Mr. Keene, und deßhalb bin ich hereingekommen,« versetzte Bob. »Ich weiß, Sie brauchen jetzt keinen Rath von mir, aber doch kann ich mich des Wunsches nicht erwehren, zu wissen, was zwischen Ihnen und Seiner Herrlichkeit stattgefunden hat.«

»Niemand ist so sehr berechtigt, es zu erfahren, Croß, als Sie, da Sie sich stets als einen so aufrichtigen Freund gegen mich erwiesen haben. So hören Sie denn –«

Ich theilte ihm nunmehr Alles, was zwischen mir und Lord de Versely vorgegangen, deßgleichen auch, was mir der Admiral gesagt hatte, umständlich mit.

»Recht so, Mr. Keene,« entgegnete Bob. »Der Admiral soll uns nur Etwas zu thun geben, und Sie werden mir, denk' ich, wohl glauben, wenn ich Ihnen sage, daß der Hochbootsmann des Firefly mithelfen wird, so lang' er einen Stumpf hat, um darauf zu stehen.«

»Davon bin ich überzeugt, Bob; Sie werden stets meine rechte Hand sein. Wie ich bemerke, sind auch zwei Midshipmen an Bord. Was ist's für ein Jungenschlag?«

»Hab' noch keine Zeit gehabt, es ausfindig zu machen; doch sind Sie, dem Zeugnis des Geschützmeisters und des Zimmermanns zufolge, mit einer Kapitalmannschaft versehen.«

»Auch haben wir ein sehr schönes Fahrzeug, Bob.«

»Ja, Sir; es soll ein eigentlicher Flieger sein, wenn es gut gehandhabt wird. Sie haben nie auf einem Schooner gedient, Mr. Keene, aber ich – und zwar drei Jahre lang, weßhalb ich so gut als irgend einer damit umzuspringen weiß.«

»Um so besser, Croß, denn ich verstehe noch nicht viel von der Behandlung eines Schooners. Na, ich will klingeln; vermutlich wird Jemand kommen.«

Ich that so, und ein Knabe erschien.

»Bist du Mr. William's Diener gewesen?«

»Ja, Sir.«

»Bring' mit eine Flasche Wein und einige Gläser. – So, Bob, wir wollen uns jetzt gütlich thun und auf das Glück des Firefly trinken.«

»Top, Mr. Keene, und gut Glück seinem Befehlshaber. Möge es ihm wohl ergehen in seinem Schifflein, und er es bald wieder verlassen!«

»Danke, Bob. Ihre Gesundheit! Mögen wir lange zusammen segeln!«

Bob und ich tranken die Bouteille mit einander aus, worauf wir uns trennten.

Des anderen Tages beschäftigte ich mich eifrig mit Musterung meines Fahrzeugs und der darauf befindlichen Mannschaft. Es war ein schöner Schooner, sehr breit im Gebälk und nicht tief im Wasser gehend, vorn mit einer langen im Kreise beweglichen Zweiunddreißigpfünderkanone, die sich nach allen Richtungen drehen ließ, während hinten vier Neunpfünderkarronaden aufgestellt waren. Die Mannschaft bestand aus sechzig Köpfen, worunter zwei Midshipmen, der Hochbootsmann, ein Geschützmeister und ein Zimmermann. Die Midshipmen, welche Brown und Black hießen, waren lange, linkische, sechszehnjährige Jungen, denen Hände und Füße weit über die Jackenärmel und Hosen hinausgewachsen waren – Aufschüßlinge, die, als Söhne von Schiffsunteroffizieren, von ihren Eltern aus nichts zuzusetzen hatten. Da sie einen sehr gutartigen Charakter besaßen, so beschloß ich, sie unter meine besondere Obhut zu nehmen, was ich damit begann, daß ich jedem eine neue Uniform und einige andere nothwendige Artikel schenkte, um ihnen ein respektableres Aussehen zu verschaffen – eine an Bord unerhörte Großmuth, weßhalb ich mich um derselben willen noch jetzt belobe. Der Grund lag darin, daß ich meinen Schooner achtbar erscheinen lassen wollte. Die Mannschaft bestand aus sehr schönen, meist großen und kräftigen Leuten, denen von dem invaliden Offizier das beste Zeugniß ertheilt worden war. Letzterem hatte ich auch sämmtliche Schiffsausstattung und Proviantvorräthe abgekauft, da es mir nicht an Geld gebrach, und ich sogar mehr hatte, als ich brauchte.

Sobald ich meine Leute gemustert hatte, hielt ich eine Rede, an sie, mit der ich, obgleich sie meine Untergebenen anhören mußten, meine Leser nicht beleidigen will; dann begab ich mich hinunter und untersuchte alle Theile des Schiffs, um mich zu überzeugen, was vorhanden war, und wo sich Alles befand. Bob Croß begleitete mich bei letzterer Dienstverrichtung, mit welcher ich erst um Mittagessenszeit zu Ende kam.

Am andern Morgen erhielt ich das Signal, vor dem Admiral zu erscheinen.

»Mr. Keene,« begann er, »hier sind Depeschen, die an den Gouverneur von Curaçao zu überbringen sind. Wann können Sie abfahren?«

»Auf der Stelle, Sir,« entgegnete ich. »Und wenn Sie gleich das Signal zum Abfahren an den Firefly erlassen wollen, so ist auch die Zeit, welche meine eigene Besorgung erfordert gewonnen.«

»Sehr gut, Keene; sagen Sie, man solle das Signal geben, Sie müssen sich nach Kräften beeilen, da die Papiere von hoher Wichtigkeit sind. Hier sind Ihre Befehle; wenn Sie die Depeschen verabfolgt haben, ist es Ihnen gestattet, in jener Gegend zu kreuzen, da sich, dem Vernehmen nach, dort einige sehr gefährliche Fahrzeuge befinden. Ich hoffe, Sie werden mir über eines oder das andere gute Kunde zugehen lassen, wenn Sie damit zusammentreffen.«

»Ich will mein Bestes thun, Sir,« entgegnete ich.

»Gut; ich habe mit Absicht Sie erwählt und dem ältesten Offizier zu Curaçao Auftrag ertheilt, die Rückantwort auf die Depeschen durch den Mosquito besorgen zu lassen, damit Sie die Gelegenheit benützen können. Ich will Sie nicht zum Mittagessen bitten, da die Sache dringend ist; Sie werden deßhalb mit vollem Drucke fahren. Guten Erfolg – und Gott befohlen!«

Ich verabschiedete mich von dem Admiral und eilte nach der Stadt hinunter. Eine Stunde nachher fuhr der Firefly unter einer schönen Kühlte in ihrer Windvierung dahin, und lange vor Einbruch der Nacht konnten wir kein Schiff im Hafen mehr unterscheiden. Nach Sonnenuntergang wurde der Wind steifer, und ich blieb auf dem Decke, die flüchtige Fahrt bis auf den letzten Augenblick fortsetzend. Bob Croß erlaubte sich zwar, mir einigemale bemerklich zu machen, daß es gerathen wäre, die Segel zu kürzen; aber ich erwiederte ihm, daß dem Admiral ungemein viel an schleunigster Bestellung seines Auftrags liege.

»Ja, Mr. Keene; aber wenn eine Schildkröte umgedreht wird, so hat's mit der Geschwindigkeit ein Ende, es müßte denn sein, daß es hurtig in eine andere Welt geht, und dahin will wohl der Admiral seine Depeschen nicht bestellt haben. 's ist ein schönes Fahrzeug, Sir, aber auch ein gutes Schiff kann zu viele Segel führen. Die Leute sagen, es habe nie zuvor so starken Druck aushalten müssen.«

»Gut; Sie haben Recht, Bob. Wir wollen's ihm ein Bischen leichter machen.«

»Ja, Sir. Die Wache kömmt jetzt an mich, und ich will ihm alle Segel lassen, die es mit Sicherheit führen kann. Auch denk' ich, 's wird eben so schnell vorwärts gehen, als jetzt. Verlassen's sich d'rauf, wir kriegen noch mehr Wind.«

»Nun, so lange er günstig ist, mache ich mir nichts aus seiner Stärke,« entgegnete ich. »Schicken Sie die Wache nach hinten.«

Wir verminderten die Segel, worauf ich mich zu Bette begab.

Ich erwachte mit Tagesanbruch und begab mich auf das Deck. Der Zimmermann hatte die Wache, denn auf unserem Schooner wurde dieser Dienst durch die Unteroffiziere versehen, die lauter gute Seeleute und an das Fahrzeug gewöhnt waren. Ich fand, daß der Wind sich sehr verstärkt hatte, obgleich er noch immer aus der gleichen Richtung blies. Der Schooner schoß mit furchtbarer Geschwindigkeit durch das Wasser.

»Er segelt gut, Mr. Hayter,« begann ich.

»Ja, wahrhaftig, Sir,« lautete die Antwort; »und nie besser, als eben jetzt. Ich fürchtete gestern Nacht ein wenig für meine Krücken, bis Sie die Segel kürzten.«

»Des Admirals Befehl lautet, mit vollem Druck zu fahren, Mr. Hayter.«

»Nun, beim Element, dann muß man Ihnen nachsagen, daß Sie Ordre pariren, Sir. Die Leute sind nicht wenig unruhig geworden, obgleich Sie schon lange auf dem Firefly sind.«

Aus den Worten des Zimmermanns entnahm ich, daß ich mich wirklich übereilt hatte, denn weder er, noch Bob Croß würden sich andernfalls so viel herausgenommen haben. Da sie indeß das Schiff besser kannten, als ich, so beschloß ich, mich von ihnen leiten zu lassen, bis ich im Stande wäre, meinem eigenen Urtheile zu folgen. Obgleich die Segel nachher behutsamer gehandhabt wurden, so hatten wir doch eine merkwürdig schnelle Fahrt. Die Kühlte begleitete uns auf dem ganzen Wege, auf welchem wir auch nicht einem einzigen Schiff begegneten. Uebrigens hatte ich auch noch einen andern Beweggrund für meine Ungeduld; ich wollte mich nämlich überzeugen, ob Mr. Vanderwelt und Minnie die Insel verlassen hatten.

Nach meiner Ankunft begab ich mich zuerst zu dem kommandirenden Flottenoffizier, und dann zu dem Gouverneur, um ihm mein Beglaubigungsschreiben auszuhändigen. Man machte mir Komplimente über meine Behändigkeit, und ich erhielt eine Einladung zu dem Diner des Gouverneurs; dann schickte ich mich aber an, über Mr. Vanderwelt Erkundigungen einzuziehen. Zuvörderst begab ich mich nach seiner Wohnung, die ich jedoch im Besitze eines schottischen Kaufmanns fand, welcher mich sehr höflich empfing. Er theilte mir mit, daß er ein alter Freund von Mr. Vanderwelt sei, und mir jede Auskunft geben könne, da er erst kürzlich Briefe von ihm erhalten habe. In besagten Briefen werde ihm angedeutet, ich habe Vanderwelt in meinem letzten Schreiben gemeldet, daß ich mich wieder auf der westindischen Station befinde; wenn ich ihn daher besuche, so solle er mir jede mögliche Aufmerksamkeit erweisen. »Ich hoffe daher, mein theurer Sir,« fuhr Mr. Fraser fort, »Sie werden mich in die Lage setzen, dem dringenden Wunsche meines Freundes Vanderwelt zu entsprechen, indem Sie während Ihres Aufenthalts auf Curaçao dieses Haus als das Ihrige betrachten.«

Ich nahm Mr. Frasers Anerbieten mit Dank an; sandte nach meinem Koffer und übernachtete bei meinem Gastfreunde, nachdem ich bei dem Gouverneur dinirt hatte. Bei der Tafel des Letzteren traf ich Kapitän C–, welcher mir sagte, er habe Ordre, mich auf einen Kreuzzug auszuschicken, und mich dann fragte, wann ich bereit sei. Ich antwortete, daß ich wohl noch ein paar Tage hier liegen bleiben möchte, um mein Takelwerk zu mustern, da es auf der Herfahrt scharf mitgenommen worden sei.

»Ist auch kein Wunder,« versetzte er. »Ihrem Log nach müssen Sie wahrhaftig geflogen sein. Nun, Sie sollen ausfahren, sobald Sie können. Die Schaluppe Najas und die Brigg Driver lauern drei Fahrzeugen auf, die schon viel Unheil gestiftet haben. Das eine davon ist eine französische Brigg von vierzehn Kanonen, die sehr schnell segelt, und gut bemannt ist. Zum Kameraden hat sie einen großen Schooner; der gleichermaßen ein tüchtiger Kipper ist. Das dritte Schiff ist eine Brigantine, ein sehr schönes Fahrzeug, das zu Baltimore gebaut wurde – natürlich auch unter französischer Farbe; diese kreuzt allein. Ich weiß nicht, wie viele Kanonen sie führt, vermuthe aber, daß sowohl sie als die Brigg zu stark für Ihre Bewaffnung ist. Wenn Sie daher nicht den Schooner von seiner Kamerädin wegfangen können, wird für den Firefly nicht viel zu machen sein.«

»Ich werde mein Bestes thun, Sir,« entgegnete ich. »Mein Schooner hat treffliches Volk und, wie ich glaube, auch sehr gute Offiziere.«

»Nun, wenn Sie nicht fechten können, so haben Sie jedenfalls ein Paar gute Fersen, um Reißaus zu nehmen,« erwiederte Kapitän C–. »Doch das Diner ist angekündigt.«

Ich entfernte mich früh, um noch mit Mr. Fraser Zwiesprache halten zu können. Wir setzten uns zusammen, steckten Cigarren an, und nun erzählte mir mein Wirth, daß Mr. Vanderwelt Curaçao vor ungefähr neun Monaten verlassen habe; mein letzter Brief sei ihm nach Holland nachgeschickt worden. Vanderwelt hatte ihm oft erzählt, wie er und seine Tochter auf dem Piratenschiff durch mich gerettet worden, »und,« setzte Mr. Faser bei, »Sie wissen gar nicht, mit welcher Achtung der alte Herr, der am liebsten Sie zum Gegenstand seines Gespräches macht, Ihnen zugethan ist.«

»Und die kleine Minnie, Sir?« fragte ich. »Es ist nun bald fünf Jahre, seit ich sie nicht mehr gesehen habe.«

»Ich kann Sie versichern, daß die kleine Minnie keine kleine Minnie mehr ist, Mr. Keene. Sie war fünfzehn, als sie die Insel verließ, und ist zu einem großen, sehr schönen Mädchen herangewachsen. Alle jungen Männer hier herum waren völlig in sie vernarrt, und würden ihr, glaube ich, nicht nur nach Holland, sondern bis an's Ende der Welt nachgefolgt sein, wenn sich nur die mindeste Aussicht für sie geboten hätte. So viel ich übrigens aus meinem Umgang mit der Familie entnommen habe, kann ich Ihnen offen gestehen, daß ich glaube, wenn Sie wieder mit dem Mädchen zusammentreffen, dürfte sich das Spiel hübsch zu Ihren Gunsten gestalten, da sie unablässig mit ihrem Vater von Ihnen spricht. Doch ich darf Familiengeheimnisse nicht ausplaudern.«

»Ich fürchte, daß ich wenig Hoffnung habe, sie je wieder zu sehen,« versetzte ich. »Ich habe mir in meinem Berufe einen Weg zu bahnen, und bei diesem Kriege gewinnt es nicht den Anschein, als ob er bald ein Ende nehmen würde. Allerdings gebe ich zu, daß ich wohl gerne mit ihr und ihrem Vater wieder zusammentreffen möchte, denn ich habe im Laufe meines Lebens nur wenige Freundschaften angeknüpft, und den Verkehr mit dieser Familie zähle ich zu den angenehmsten Augenblicken meines Lebens. Wo hat sich Mr. Vanderwelt niedergelassen?«

»Nicht in Holland, sondern in Hamburg. Nun, es gibt ein Sprüchwort, daß Berge nicht zusammen kommen, wohl aber die Menschen, wie es ja auch auf dem Piratenschiff der Fall war – und so hoffe ich, daß sich eben der Zufall in's Mittel legen wird.«

Bald nachher begaben wir uns zu Bette. Ich muß gestehen, die Schilderung, die er mir von Minnie gemacht hatte (allerdings weit ausführlicher, als ich sie dem Leser gegeben), ließ mich geraume Zeit nicht schlafen. Man wird bemerkt haben, daß Frauenzimmer nie meine Gedanken beunruhigten, denn ich lebte in einer einzigen, Alles verzehrenden Idee, welche meine Anerkennung durch Kapitän Delmar zum Zwecke hatte; sie war der Beweggrund und die Quelle aller meiner Handlungen, der ausschließliche und tägliche Gegenstand meines Brütens. Sie zu verwirklichen, war das Ziel meines Ehrgeizes, und der Ehrgeiz, in welcher Form er auftreten, nach welcher Richtung er sich erstrecken mag – ist unter allen Umständen eine Leidenschaft, mächtig genug, um jede andere, die im menschlichen Herzen wurzelt, zu verdrängen. Demungeachtet bewahrte ich aber eine warme Zuneigung zu Minnie – das heißt, zu der kleinen Minnie, wie ich sie zum erstenmale gesehen – mit den schönen großen Augen und dem Madonnengesichtchen sich an den Vater anklammernd. Außer meinen Verwandten, die um Vieles älter waren als ich, hatte ich Niemand, dem ich meine Zuneigung schenken konnte, und ich darf wohl sagen, daß ich nie die Bekanntschaft eines Frauenzimmers gemacht hatte, wenn man nicht allenfalls meinen gelegentlichen Verkehr mit Bob's Mary hieher zählen will. Die Leidenschaft für das schöne Geschlecht war mir daher etwas Neues, aber trotz der Neuheit doch angenehm, und vielleicht um so angenehmer, da sie in gegenwärtigem Falle einem idealen Gegenstande galt, denn ich hatte von Minnie's dermaligem Aussehen nur eine Schilderung, die ich mit meinen Erinnerungen aus früherer Zeit vergleichen konnte. Aus beiden konnte ich mir daher das schönste Ideal weiblicher Vollkommenheit zusammensetzen, was von meiner Seite wieder und wieder geschah, bis die Nacht um war und ich endlich gegen Morgen ermattet in Schlaf sank.

Des andern Tages begab ich mich an Bord des Schooners, um Bob Croß meine Befehle zu geben, worauf ich zu Mr. Fraser zurückkehrte, um bei ihm einen Brief an Mr. Vanderwelt zu schreiben; auch an Minnie legte ich ein Blatt bei, was ich früher nie gethan hatte. Daß die Träumereien der letzten Nacht sehr auf mich gewirkt hatten, war klar, denn ich schrieb sehr viel, während ich vor meiner Ankunft zu Curaçao mir nicht zu helfen gewußt haben würde, wenn ich ihr nur zehn Zeilen hätte schreiben sollen. Ich sagte ihr, daß ich in dem nämlichen Stuhle sitze und in demselben Zimmer schlafe, daß mir meine ganze Umgebung ihr liebes Gesichtchen und die glücklichen Stunden, die wir hier gemeinschaftlich verbracht, vergegenwärtigten, daß mir Mr. Fraser gesagt habe, wie sie herangewachsen und nicht mehr die kleine Minnie sei, die mich sonst zu küssen pflegte u. s. w. Kurz, mein Brief trug eben so sehr den Charakter der Zärtlichkeit, als den der Romantik, und als ich ihn wieder überlas, konnte ich mich nicht genug über meine eigene Beredsamkeit wundern. Ich bat Mr. Vanderwelt, mir sobald als möglich zu schreiben und ausführlichen Bericht über ihr ganzes Thun und Treiben zu erstatten. Dann siegelte ich meinen Brief, warf mich in meinen Stuhl zurück, und erging mich abermals in den Träumereien der vorigen Nacht. In meinem Herzen war plötzlich ein neues Gefühl aufgeschossen, das ein furchtbarer Nebenbuhler meines Ehrgeizes zu werden drohte.

In zwei Tagen war der Firefly fahrfertig, wovon ich Kapitän C– Meldung erstattete. Er gab mir den Befehl, sechs Wochen zu kreuzen und mich dann zu dem Admiral in Port-Royal zurückzubegeben, wenn es nicht allenfalls die Umstände räthlich machen sollten, an Curaçao zu landen. Die Kriegsboote erhielten Auftrag, den Firefly vermittelst des Schlepptau's aus dem Hafen zu bringen, und ich befand mich abermals auf der weiten blauen See, auf welcher mein Schooner wie ein Delphin dahinschoß.

Wir kreuzten vierzehn Tage, ohne eines anderen Fahrzeugs, als der Najas ansichtig zu werden. Ich hatte gefürchtet, der Kapitän möchte meine Beihülfe verlangen; er hielt jedoch sein Schiff für stark genug, um im Falle eines Zusammentreffens die Brigg sammt dem Schooner zu meistern, und wünschte nicht, daß die Prisengelder mit der Mannschaft des Firefly getheilt würden, weßhalb er mir gestattete, meinen eigenen Weg zu gehen, indem er, als ich über Bord steigen wollte, lachend zu mir sagte:

»Trifft man Sie, so werden Sie gekapert, und dann ist's unsere Aufgabe, dem Feinde Ihren Schooner wieder abzujagen.«

»Je nun, so hoffe ich, daß Sie Ihres Versprechens eingedenk bleiben, Sir,« versetzte ich. »Ich werde mich auf Sie verlassen.«

Während der ersten vierzehn Tage meiner Fahrt hatte ich mir alle Mühe gegeben, die Leute auf das Geschütz und namentlich auf die große Kanone recht einzuüben. Auf letzterer hatte ich ein treffliches Visir angebracht, das sie recht gut brauchen konnte. Wir hatten zwei oder drei Tage Windstille, während welcher mehrere Stunden des Tages nach einem Ziele geschossen wurde; und nun unsere Kanone mit einem Absehen ausgestattet war, fand ich, daß in Folge vorgenannter kleiner Uebung meine Leute ihr Geschütz so geschickt zu behandeln wußten, daß sie auf ziemliche Entfernung sehr kleine Gegenstände treffen konnten. Die Gewandtesten unter der ganzen Mannschaft blieben jedoch der Geschützmeister und Bob Croß.

Die Nacht, nachdem wir uns von der Najas getrennt, lief ich südwärts, denn ich hatte von dem Kapitän gehört, daß sich der Driver noch weiter nördlich befände. Des nächsten Tages kam uns nichts zu Gesicht. Als sich mit dem einbrechenden Abend der Wind legte und die Meeresfläche ebnete, sagte ich zu Croß: –

»Was meinen Sie – sollten wir nicht über Nacht die Segel beschlagen? Jedenfalls ist es eben so gut, als wenn wir umherfahren. Kömmt uns etwas in den Weg, so sehen wir's, während dann wir nicht so gut bemerkt werden können.«

»Ein ganz guter Einfall, Mr. Keene; wir brauchen dann bloß einen guten Lugaus zu halten.«

Ich ließ sofort die Segel beschlagen, beauftragte den Wachoffizier, mit zwei Mann scharf Acht zu haben, und erlaubte dem übrigen Schiffsvolk, die ganze Nacht in den Hängematten zu bleiben.

Mit dem Anbruch des Tages hatten wir zwei Ausluger in dem Mastkorb; unsere Segel blieben jedoch beschlagen, damit wir ein Schiff an seinen Segeln erkennen möchten, ehe es ihm möglich wurde, uns zu entdecken. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr überzeugte ich mich von den Vortheilen, welche durch Befolgung dieses Planes zu erzielen waren. Ich befand mich gerade auf dem Kreuzergrunde, nach dem ich verlangt hatte, weßhalb ich, so lange das Wetter so schön blieb, nichts Besseres thun konnte.

*

 


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