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Vierundzwanzigstes Kapitel

So trieben wir's vier Nächte und drei Tage, während welcher Zeit sich meine Mannschaft bloß mit Uebungen an ihrem Geschütze abgab, und ich trug Sorge dafür, daß sie mir nicht müssig blieben. In der vierten Nacht wurde der Wind ein wenig frischer, obgleich das Wasser noch immer glatt war. Ich hatte mich um zwölf Uhr zu Bette begeben und kaum eine Stunde geschlafen, als Bob Croß in die Kajüte kam und mich weckte.

»Was gibt's, Croß?« fragte ich.

»Sie sind da, Sir.«

»Wer? – die Kaper?«

»Ja, Sir. Die Brigg und der Schooner kommen gerade vor dem Winde herunter, sie sind auf unserer Luvseite und werden in der Entfernung von etwa zwei Meilen, vielleicht auch näher, an uns vorbei kommen.«

Ich sprang von meinem Bette auf und war in einem Nu angekleidet. Dann begab ich mich mit meinem Fernglase auf das Verdeck, konnte aber die Fahrzeuge schon mit bloßem Auge sehen.

»Löschen Sie das Licht im Compaßhäuschen aus, Croß, damit wir nicht entdeckt werden,« sagte ich zu meinem Begleiter.

Die Brigg, das vorderste der beiden Schiffe, stand jetzt fast quer gegen unsern Stern, während der Schooner ungefähr um eine Meile zurück war.

»Die Matrosen sollen aufstehen, Croß. Sorgen Sie dafür, daß Alles zum Gefecht und zum Beisetzen der Segel bereit gehalten werde.«

»Aber doch jetzt noch nicht, Sir?«

»Nein, jetzt noch nicht; wir wollen sie zwei oder drei Meilen todt leewärts laufen lassen und ihnen dann folgen, bis es Tag wird, oder bis sie uns sehen. Dann wird natürlich die Jagd gegen uns ihren Anfang nehmen.«

»Es ist ein wahres Glück, Sir, daß wir die Segel beschlagen haben, denn wären sie unter andern Umständen zu uns 'runter gekommen, so hätten sie uns gesehen, während wir in ihrem Lee lagen, und daraus wäre uns wohl eine armselige Aussicht erblüht. So kriegen wir aber den Vortheil des Windes und haben die Wahl. Wir sehen vielleicht, ob unsere Fersen so gut oder wohl gar besser sind, wie die des Feindes, welche sich vermuthlich auch nicht schlecht finden lassen.«

»Verlassen Sie sich darauf, Bob, daß es unter allen Umständen zu einem Kampfe kommt.«

»Das will ich doch auch meinen, Mr. Keene, sonst würden's ja uns Allen den Spaß verderben. Das Schiffsvolk hat großes Vertrauen auf Sie, kann ich Ihnen sagen.«

»Das habe ich wahrscheinlich Ihren langen Garnen Garn abwinden: Seemannslatein sprechen oder aufschneiden. zu danken.«

»Nein, sondern bloß meiner Darstellung der Wahrheit, Mr. Keene. Der Schooner ist jetzt ganz hinter uns. So – den Vortheil des Windes hätten sie gehabt, Gott sei Dank!«

Wir blieben so lange liegen, bis die beiden Schiffe meiner Ansicht nach hinlänglich leewärts waren; dann ließ ich auf dem Firefly die Segel beisetzen, lief Anfangs gegen Osten, um den Wind unmittelbar vom Feinde her zu haben, hob das Steuer und folgte ihnen. Wir waren etwa eine Stunde ihrem Kielwasser gefolgt, als der Morgen grauete. Der Schooner bemerkte uns und machte die Brigg durch das Signal eines Kanonenschusses aufmerksam.

»So – witterst du endlich etwas?« sagte Bob Croß. »Wir halten einen besseren Lugaus, als du, alter Knasterbart.«

Bald nach Lösung der Kanone holten beide Schiffe auf dem Backbordgange gegen den Wind um, und wir thaten ein Gleiches. Da wir ungefähr vier Meilen windwärts von dem Schooner, und fünf oder sechsthalb von der Brigg entfernt lagen, so konnten wir jetzt mit Muße unsere Gegner mustern. Der Schooner mochte wohl eben so viel Tonnenlast führen, als der Firefly; er war ein schönes Fahrzeug, mit gegen den Stern geneigten Masten und schwarz gemalt. Wie viele Kanonen er führte, konnten wir Anfangs nicht unterscheiden, da die Stückpforten geschlossen waren; bald nachher wurde jedoch, als Vorbereitung zum Gefecht, die Ausfütterung derselben herausgenommen, und nun entdeckten wir, daß zwölf Stück vorhanden waren, darunter aber keine bewegliche Feldschlange oder Drehbasse, wie die, welche wir an Bord des Firefly hatten. Ich machte Bob darauf aufmerksam, welcher mir zur Antwort gab:

»Dann haben wir vorderhand weiter nichts zu thun, als unsere Segelgeschwindigkeit mit ihnen zu messen, und wenn wir schneller sind, als sie, so haben wir nicht viel zu fürchten, es müßte denn sein, daß wir eine Spiere verlören – nun, und da müssen wir uns eben auf's Glück verlassen, Mr. Keene. Der Schooner hat mehr Segel als wir; sollten wir nicht die gleiche Anzahl aussetzen?«

»Nein, Croß, denn ich glaube, wir sind ihm bereits vorangeeilt, und wenn wir ihn mit weniger Tuch übersegeln, so ist's nur um so besser. Ich glaube, daß die Kühlte sich nachhaltig erweisen wird, und dann haben wir vielleicht eher zu viel, als zu wenig Wind.«

Eine Stunde liefen wir mit dem Feinde im gleichen Gange fort, nach welcher Zeit wir fanden, daß wir den Schooner nicht nur um einen Strich backstags hinter uns gebracht, sondern daß wir ihn auch wenigstens eine halbe Meile luvwärts umsegelt hatten. Wir waren daher völlig überzeugt, daß wir schneller liefen, als der Schooner. Mit der Brigg verhielt es sich anders. Obgleich wir den Schooner zwei Striche backstags hinter uns gebracht hatten, so befand sie sich doch noch ziemlich in ihrer vorigen Lage, nämlich einen halben Strich backstags hinter uns, und war außerdem dem Schooner um so viel näher gekommen, daß wir, wie wir wohl sahen, sie weder umluvt, noch überholt hatten. So weit wir urtheilen konnten, war unsere Segelfertigkeit so ziemlich die gleiche. Nachdem wir uns über diesen Punkt durch den Versuch einer weiteren Stunde genügende Ueberzeugung verschafft hatten, entließ ich die Mannschaft zu ihrem Frühstück, während ich mich mit den Offizieren in gleicher Weise erging. Sobald dieses Geschäft abgethan war, ließ ich den Firefly abhalten und näherte mich den feindlichen Fahrzeugen bis auf die Schußweite unseres Zweiunddreißigpfünders – das heißt auf etwa anderthalb Meilen; dann braßten wir die Segel wieder beim Winde und hißten die englischen Farben auf. Im Augenblick zeigte sich auch das Tricolor auf den beiden französischen Schiffen, und der Schooner löste ein Stück auf uns. Die Kugel fiel matt eine halbe Kabelslänge vor uns in's Wasser.

»Nun, Croß,« sagte ich, »wir wollen sehen, ob wir das Kompliment nicht mit besserem Erfolge erwiedern können.«

Croß, der die Drehbasse gerichtet und sein Absehen genommen hatte, wartete ein paar Augenblicke und feuerte ab. Wir sahen, wie die Kugel durch das erste Reef des großen Segels fuhr und auf der Leeseite des Gegners in's Wasser fiel.

»Sehr gut, Croß; aber jetzt wo möglich eine in den Rumpf.«

Der Schooner erwiederte nun unser Feuer mit einer ganzen Lage von Zwölfpfündergeschütz, wie es schien; dieses trug jedoch nicht so weit als unser Zweiunddreißigpfünder, und wir wurden nicht getroffen, obschon eine der Kugeln dicht unter unserm Stern niederfiel. Zu unserer gegenwärtigen Entfernung stand daher Alles zu unseren Gunsten, und mein Zweck war, den Schooner abzutakeln, ehe es der Brigg möglich wurde, ihm Beistand zu leisten. Wir machten daher eine Stunde lang mit unserem Feuer fort, gaben uns alle Mühe, gut zu zielen, und gewannen dabei die lohnende Ueberzeugung, daß wir mehr als einmal den Rumpf getroffen, deßgleichen auch in Spieren und Takelwerk ziemliche Verwüstungen angerichtet hatten. Der Schooner fuhr fort, unser Feuer zu erwiedern, aber ohne Erfolg. Ein paar Kugeln trafen uns zwar, ihre Gewalt war aber durch die Entfernung so gedämpft, daß sie nicht in die Seiten einschlugen. Endlich führte ein Schuß des Geschützmeisters einen Hauptschlag: seine Kugel traf den Fockmast des Feindes, der bald nachher auf den Bord fiel. Die Fireflyer begrüßten dieses glückliche Ereigniß mit einem dreifachen Hurrah.

»Dem ist's dafür gethan, Sir,« sagte Croß. »Nun gilt's der »Brigg – wir müssen doch probiren, was sie für Metall führt.«

»Noch eine kleine Geduld, Croß,« versetzte ich. »Wir müssen dem Schooner noch ein Bischen mehr geben, ehe er sich davon macht. Sie haben dort das große Segel niedergelassen und beabsichtigen jetzt wahrscheinlich, ein Hauptsegel aufzuziehen, damit sie sich in das Lee der Brigg flüchten können. Das Steuer auf, und hinabgefahren, daß der Schooner etwa zwei Striche vor unserem Backbordbug steht! Die Kanone gedreht und den Feind tüchtig begrüßt!«

Wie wir vermuthet hatten, holte der Schooner vom Bugspriet zum großen Masttop ein Stag auf, an welches er ein Vor- und Hintersegel hißte, um Reißaus nehmen und bei seiner Gefährtin Beistand suchen zu können. Wir liefen aber dreimal so geschwind und steuerten jetzt geradenweges auf ihn zu, bei welcher Gelegenheit es uns möglich wurde, ihm ganz aus der Nähe etliche schwere Kugeln aus unserer Drehbasse in den Rumpf zu jagen. Er versuchte nicht, gegen uns umzuholen und uns eine Lage zu geben, was uns vermuthen ließ, daß unsere Schüsse tüchtige Wirkung gethan haben mußten. Als wir ihm auf eine halbe Meile nahe gekommen waren, wandten wir uns und begrüßten ihn mit unserem Breitseitenfeuer, denn hätten wir ihn weiter verfolgt, so würden wir wohl der Brigg näher gekommen sein, als uns lieb gewesen wäre. Freilich hatten wir sie auch jetzt schon schärfer auf der Haube, als wir glaubten, denn sie hatte bisher dicht beim Winde und so gut Luv gehalten, daß sie, als wir wieder gegen den Wind umholten, nicht weiter als zwei Meilen leewärts von uns stand. Als wir umholten, lavirte die Brigg; wir thaten alsbald das Gleiche, und nun hatten wir hübsch Gelegenheit, mit ihr in die Wette zu segeln.

»Croß, die Leute mögen hinuntergehen und zusehen, was sie zu essen kriegen können,« sagte ich. »Auch muß Grog herauf geschafft werden. Ich sehe, ehe die Nacht vorüber ist, einem hübschen Stück Arbeit entgegen.«

»Wir müssen wohl ein durchgehendes Feuer eröffnen, Sir, denn sie ist zu schwer für uns.«

»Ich will's auf dieselbe Weise mit ihr versuchen, wie mit dem Schooner, Croß,« entgegnete ich. »Kann ich nur einige ihrer Spieren abknicken, ohne die meinigen zu verlieren, so werde ich wohl im Stande sein, Etwas zu thun. Trifft uns aber das Unglück, daß wir von ihr geentert werden, so müssen wir uns wehren bis auf den letzten Blutstropfen.«

»Jenen Schooner dort betrachte ich als unser Eigenthum,« entgegnete Bob. »Er muß seine Farben herunterlangen, wenn er nicht mehr von der Brigg beschützt wird.«

»Ich fürchtete, er möchte sich leewärts flüchten; aber wie ich jetzt bemerke, hat er umgeholt und will wahrscheinlich einen Stumpenmast aufpflanzen.«

Ich erlaubte meinen Leuten eine Stunde für das Mittagessen, nach deren Abfluß ich sie wieder zum Dienst berief. Während dieser Zeit fanden wir, wie die Brigg dem Firefly im Segeln so sehr das Gleichgewicht hielt, daß es rein unmöglich war, dem einen oder dem andern Fahrzeuge die Palme zuzuerkennen.

»Nun, meine Jungen, wir wollen jetzt gegen den Wind umwenden und dem Kerl ein wenig näher rücken, damit wir sehen, was mit ihm anzufangen ist.«

Das Schiffsvolk, muthig und voll Hoffnung, war eben so begierig auf die Entscheidung der Frage, als ich. In zehn Minuten kamen wir aus dem entgegengesetzten Gange etwa eine Meile weit an der Brigg vorbei, begrüßten sie dreimal mit unserer Drehbasse, und nahmen dafür ihre volle Geschützlage entgegen.

»Sie hat, glaube ich, lange Zwölfpfünder, Sir,« sprach Croß; »jedenfalls ein braves Geschütz. Da ist ein Fockwandtau und eine Pardune zum Henker – hat aber nicht gerade viel zu bedeuten.«

Sobald die Brigg drei Striche backstags hinter uns war, lavirten wir und begannen auf's Neue zu feuern. Meine Leute thaten keinen Schuß vergebens, und ich glaube, daß unsere Kugeln kein einziges Mal den Rumpf der Brigg verfehlten, obschon auch das Feuer des Feindes nicht ganz ohne Rückwirkung auf uns blieb. Unser Takelwerk wurde häufig zerrissen, mehrere seiner Kugeln durchbohrten unsere Segel, und von der Mannschaft waren zwei Individuen verwundet. Letzteres war mir namentlich um deßwillen verdrießlich, da wir keinen Wundarzt an Bord hatten, denn der Chirurgengehülfe, der zum Schooner gehört hatte, lag im Spital, und als wir aussegelten, war Niemand vorhanden, der dessen Stelle hätte ersetzen können. Indeß hatten wir doch so eine Art Spitalanhängsel, einen Arzneikoch bei uns, der mit nicht allzu gefährlichen Verletzungen gar nicht übel umspringen konnte.

Die Kühlte hatte allmählig nachgelassen, und wir gingen nicht weiter als drei Meilen durch das Wasser; auch hielten unsere zerrissenen Segel nicht mehr so gut Wind. Die Folge davon war, daß sich gegen zwei Uhr die Entfernung zwischen uns und unserem Gegner um eine halbe Meile verminderte, wodurch das Gefecht noch hitziger wurde. Unser Breitseitengeschütz wurde nun auch mit in's Spiel gerufen und that uns sehr gute Dienste, da wir es hauptsächlich auf das Segel und das Takelwerk des Feindes richteten, während unser langer Zweiunddreißigpfünder ausschließlich auf den Rumpf unter der Wasserlinie abgefeuert wurde. Die Brigg hatte allerdings einen Vortheil hinsichtlich der Zahl der Kanonen, aber die großen Kugeln unserer Drehbasse thaten doch eine verheerendere Wirkung.

Um drei Uhr schossen wir ihre Fockstange ab, was uns in den Stand setzte, ihr um eine Viertelmeile voraus zu schießen und unsere Entfernung zu vergrößern, was uns um so mehr zu Statten kam, da wir in der letzten Zeit gleichfalls namhaft gelitten hatten. Einer meiner armen Midshipmen war gefallen, acht Matrosen hatten größere oder geringere Beschädigungen erlitten, und auch unser Rumpf war da und dort von einer Kugel beschädigt; bei unserer nunmehrigen größeren Entfernung gestaltete sich jedoch unsere Lage besser, da unsere lange Kanone noch sehr nachdrücklich wirkte, wenn auch von dem Geschütze der Brigg nicht mehr sonderlich viel zu fürchten war. Um fünf Uhr trat eine todte Windstille ein und beide Schiffe lagen mit ihren Schnäbeln in entgegengesetzten Richtungen des Compasses. Auch dieß war zu unsern Gunsten, da wir unsere bewegliche Kanone nach Belieben drehen konnten, obschon es der Brigg gleichfalls gelang, durch Einsetzen der Riemen in die Rojepforten uns die Breitseite zu bieten. Das Gefecht dauerte fort, bis die Nacht einbrach.

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