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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Ich hatte Croß meine Beförderung mitgetheilt, und ihm geschrieben, daß auch er auf der Diligente angestellt worden sei.

Nachdem ich mich vierzehn Tage in Port-Royal aufgehalten, langte die Najas mit den Prisen an. Meine Wunde war jetzt geheilt, weßhalb ich vom Admiral die Erlaubniß einholte, hinunterzugehen, um die Ausstattung meines neuen Schiffes zu überwachen. Da man von England aus überzählige Mannschaft erwartete, so gestattete mir der Admiral auf mein Gesuch, als Kern meiner Brigg die Mannschaft des Firefly mitzunehmen, und die zur völligen Ausstattung noch fehlenden Leute von seinem eigenen Schiffe mir abgeben zu lassen.

In zwei Monaten war ich wieder segelfertig, und es verlangte mich sehnlich, auszufahren. Der Admiral bemerkte meine Ungeduld; da aber kein anderes Schiff im Hafen lag, so wollte er mich nicht ziehen lassen, bis irgend ein größeres Fahrzeug angelangt wäre, über das man im Nothfall verfügen konnte. Die Langeweile eines dermaßen verzögerten Aufenthalts fand jedoch eine kleine Unterbrechung in einem Umstande, der, wenn ich ihn erzähle, den Leser wohl auf die Vermuthung bringen wird, daß mein Hang zu Schwänken doch noch nicht ganz mit der Wurzel ausgerottet war.

Ich wohnte in einer Art von Hotel, das einer stattlichen Mulattin, Namens Christobella, oder, wie sie die Neger nannten Crissobella, gehörte. Sie war aus der Havannah eingewandert, hatte einen Spanier zum Vater, und trug sich gar stolz und würdevoll, indem sie von den Fremden, die sich in ihrem Hause einmieteten, dieselbe Aufmerksamkeit verlangte, zu welcher eine Dame von Stand, die Gäste bei sich aufnimmt, berechtigt ist; wenn man daher in ihrem Gasthause nicht nur Quartier erhalten, sondern auch unvertrieben bleiben wollte, so mußte man nicht nur eine große Rechnung bezahlen, sondern die Wirthin auch eben so freigebig bekomplimentiren. Sie war sehr reich, besaß viele Sklaven und hatte durchaus nicht nöthig, ein Hotel zu halten, da Letzteres nur eine Liebhaberei von ihr war, weil sie vielleicht sich und ihre Sklaven beschäftigen wollte; wahrscheinlich sah sie auch außerdem ein, daß man sie, wenn sie für sich lebte, für eine sehr unbedeutende Person halten würde, während man ihr in ihrer dermaligen Stellung sehr viele Aufmerksamkeit erwies. So viel war wenigstens Thatsache, daß sie sich gegen diejenigen ihrer Kost- und Miethsleute, welche sehr höflich gegen sie waren, und ihr, wenn sie von anderen Orten zurückkehrten, kleine Geschenke mitbrachten, sehr gnädig in Anbetracht der Rechnung benahm, wie denn namentlich für ihre Lieblinge ihre Börse stets offen war, und im Nothfalle Dublonen händevollweise freigebig an dieselben gespendet wurden.

Man lebte bei ihr wie in einem andern Kosthause. Von neun Uhr an konnte man in der großen Halle frühstücken, und man blieb daselbst bis Jeder zur beliebigen Stunde sein Morgenmahl eingenommen hatte. Um fünf Uhr wurde dinirt, und Crissobella präsidirte an der Tafel. Außer den Zivilisten hatten Truppen- und Marineoffiziere bis zum Midshipman herab Zutritt; dagegen waren Unteroffiziere und Kapitäne von Kauffahrteischiffen, als zu gemein, ausgeschlossen. Im Ganzen war es ein recht angenehmes Etablissement, da es viele Privatzimmer hatte und man von den zahlreichen Sklaven sehr gut bedient war. Auch konnte man die Eßwaaren nach den auf der Insel gangbaren Preisen nicht für zu hoch angesetzt betrachten, obgleich die Weine und dergleichen am Ende des Monats eine furchtbare Rechnung ausmachten.

Dieses Prinzip der Ausschließlichkeit von Seiten der Signora Crissobella brachte das Hotel ganz in die Mode, wie es denn auch entschieden das beste in der Stadt war. Zur Zeit bestanden die Gäste des Hauses, nebst mir, aus den Lieutenants Tomas Dott und William Maxwell, welche beide der Diligente zugezählt waren, drei oder vier junge Civilisten, welche Handelsspekulationen von New-York hergeführt hatten, drei Midshipmen, die wegen des Fiebers zurückgelassen worden, und deren jeweilige Lebensweise schönstens in Aussicht stellte, daß sie sehr bald wieder in's Spital geschickt würden, ferner noch aus ein paar Pflanzern von den benachbarten Inseln. Letztere benahmen sich, wie auch ich, sehr ruhig, die Civilisten waren aber sehr lärmend, und unterhielten sich vom Morgen bis in die Nacht mit Trinken und Rauchen. Die Midshipmen waren gleichfalls lästige Kunden, wie sich denn auch die neugebackenen Lieutenants so befehlshaberisch, wichtigthuend und widerwärtig benahmen, daß Mammy Crissobella, wie sie von ihren Sklaven genannt wurde, ganz entrüstet erklärte, sie habe nie eine so unordentliche Bande in ihrem Hause gehabt.

Sie führte Beschwerde bei mir, und machte auch den Frevlern selber Vorstellungen, aber das fruchtete nicht viel. Ich hatte keine Gewalt über die jungen Kaufleute, und die drei Midshipmen gehörten nicht zu meinem Schiffe. Auch konnte ich, soweit meine Lieutenants zur Sprache kamen, nichts über ihr hochtrabendes Wesen sagen, denn sie befanden sich in einem Gasthause, wo sie für ihre Bedürfnisse bezahlten, und ihre Wichtigthuerei war kein Vergehen, worüber ihnen ein Kapitän hätte Verweis ertheilen können. Ich beschränkte mich daher auf die einfache Vorstellung, Mammy Crissobella werde sie nicht mehr in ihrem Hause behalten, wenn sie die Sklaven nicht anders behandelten, oder überhaupt fortführen, ihr so viele Mühe und Widerwärtigkeiten zu bereiten. Endlich wollte sich unsere Wirthin ihr Benehmen nicht länger gefallen lassen, und sie erklärte sämmtlichen Uebertretern der Hausordnung neben Einsendung der Rechnung, daß sie ihr Hotel verlassen müßten. Dagegen erfolgte nun die einstimmige Rückantwort, daß sie nicht gehen wollten, und bei solchen Gelegenheiten Gewalt zu gebrauchen, war doch eine verfängliche Sache. Ich versuchte nach Kräften, die Mißhelligkeiten wieder auszugleichen, ohne jedoch viel auszurichten. Endlich wurde Mammy Crissobella ganz wüthend. Hinsichtlich der Mahlzeiten nahm sie zwar keine Veränderung vor, da wir Alle dadurch gestraft worden wären, dagegen weigerte sie sich aber, Wein und Branntwein abzugeben. Indeß war damit nicht viel geholfen, denn ihre eigenen Sklaven mußten jetzt Getränk anderswoher holen, und den ganzen lieben Tag hörte man nichts als Tumult und Lärmen. Mammy kam oft zu mir, und wollte auch zu dem Gouverneur gehen, was ich ihr jedoch ausredete; und so währte die Meuterei fort, indem es jeden Tag über Tisch nichts als Hader und Wortwechsel gab.

»So wahr mir Gott helf', Gentlemen, Sie sind keine Gentlemen. Sie entleid' mir das Leben, daß ich wünsch', ich möcht' todt sein. Ich nehm' dieser Tage noch Obeawasser. So kann ich nimmer leben,« sagte Mammy Crissobella. »Ich bring' mich mit Pfefferkörner um.«

»Bitte, lassen Sie doch das bleiben,« versetzte Tommy Dott; »wir werden ja sonst in die Unkosten eines Traueranzugs versetzt.«

»Und ich weine mir die Augen aus,« fügte einer der Herren aus dem Handelsstande bei.

»Was, die Augen ausweinen – sonst nichts? Ich zerrenne mir den Schädel an der Wand,« sagte ein Anderer.

»Und ich will mich auf ihrem Grabe niederlegen und sterben,« versicherte der Dritte.

»Das Alles ganz gut, Gentlemen; Sie sag' das und lach' – aber ich keine Sklavin. Angenomm', ich krieg' Sie nicht aus mein' Haus, so will ich doch Rache hab'; daß sag' ich Ihnen jetzt, seh' Sie zu. Ja,« fuhr Mammy Crissobella fort, indem sie mit der Faust auf den Tisch schlug, »ich will Rach' hab'.«

»Ich dachte eben darüber nach,« sprach einer der Midshipmen, »was ich anfangen will, wenn Mammy Crissobella Pfefferkörner nimmt. Ja, ich heirathe Leila, und führe das Hotel fort. Mammy, Sie werden mir doch das Silberzeug und die Möbel vermachen?«

Leila war die erste Sklavin, ein recht artig gestaltetes Mulattenmädchen und der allgemeine Liebling, da sie stets lachte, immer eine heitere Laune blicken ließ, und gegen Jedermann freundlich und zuvorkommend war. Diese Bemerkung entlockte Leila ein Lachen, und Mammy Crissobella, welche bemerkte, daß sie ihre weißen Zähne zeigte, rief:

»Du lachst, du Hex'! Warum lachst du, Leila? Pack' dich – hinaus aus dem Zimmer. Ich lass' dich peitsch'. Du unterstehst dich, zu lachen – und nimmst Partei gegen mich, du Negerbetz'!«

Ich muß hier bemerken, daß ich vor dieser Scene mit Mammy Crissobella eine Besprechung gehabt hatte, und daß Leila nebst den beiden Pflanzern in das Geheimniß eingeweiht waren. Davon wußte man natürlich nichts, und der Zorn der Wirthin schien sich auch auf mich und die Pflanzer auszudehnen, obschon sie zu uns früher in einem freundlichen Einvernehmen gestanden hatte. Bald nachher stand Mammy auf und verließ das Zimmer. Ich machte nun der Gesellschaft Vorstellungen und erklärte den Spottvögeln, daß sie die arme Frau zum Aeußersten trieben. Die Pflanzer gaben mir Recht, und wir erörterten den Fall ein weiteres, hatten aber natürlich die Majorität gegen uns; namentlich schienen die jungen Kaufleute sehr geneigt zu sein, persönlich gegen mich zu werden. Endlich entgegnete ich:

»Sehr gut, meine Herren – halten Sie's, wie es Ihnen beliebt. Da ich aber zufälliger Weise sowohl dem Admiral als dem Gouverneur genau bekannt bin, so sage ich Ihnen unverholen voraus, daß ich, wenn es länger so fortgeht, die Sache zur Meldung bringen werde. Ich schreite zwar ungerne zu einer solchen Maßregel, aber im Hause ist zur Zeit kein Auskommen mehr, und Sie haben kein Recht, zu bleiben, wenn die Wirthin darauf besteht, daß Sie sich entfernen.«

Auf diese meine Erklärung verstummte der zur Flotte gehörende Theil der Gäste, aber die Civilisten wurden noch unverschämter, als zuvor. Ich wünschte nicht, mit ihnen in offenen Krieg zu gerathen, weßhalb ich nichts mehr sagte, sondern nur die Tafel verlies. Nach meiner Entfernung brach jedoch unter den widerspenstigen Parteien ein noch größerer Lärmen los. Unmittelbar vor der Dinerstunde des folgenden Tages ließ Mammy Crissobella ein Circulair an die jungen Leute ergehen, daß sie dieselben bei Tafel nicht empfangen könne. Sie lachten darüber, und gingen wie gewöhnlich hinunter. Das Diner war besser, wie gewöhnlich, und sie machten Mammy Komplimente darüber. Diese hatte mit finsterem Stirnrunzeln ihren Sitz eingenommen, und ließ ihre Antworten auf diese Bemerkungen der Gäste nur bei einer Verbeugung des Kopfes bewenden.

Nachdem die Tafel vorüber war, erließ Mammy an Leila den Befehl, aus einem Seitenschrank einen Becher und aus dem Büffet eine kleine weiße Flasche zu holen. Sie machte eine sehr betrübte Miene, hielt den Becher an ihre Lippen und setzte ihn dann wieder, ohne davon gekostet zu haben, auf den Tisch. Dieses Benehmen war so auffallend, daß wir keinen Blick von ihr verwandten. Endlich erhob sie den Becher wieder, seufzte tief auf, und trank den ganzen Inhalt auf einen Zug aus. Ein paar Sekunden hielt sie ihre Hand an ihre Stirne, während sie die Ellbogen auf dem Tische ruhen ließ. Dann aber blickte sie auf und sprach:

»Gentlemen, ich hab' eine kleine Red' zu halt' – ich bin sehr leid, daß ich nicht trink' Ihre Gesundheit; aber es hilft nichts. Sie hab' mich trinken sehen. Ich hab' schon lang' gesagt, daß Sie mich toll mach', – daß Sie mich veranlass', Obeawasser zu trinken und mich umzubring'. Nun hab' ich's gethan – ich eben jetzt Giftwasser getrunken. In zwei Stunden bin ich eine todte Frau.«

Auf diese Mittheilung, deren Wahrheit augenscheinlich durch das Benehmen der Frau bestätigt wurde, fuhren alle Anwesenden von ihren Sitzen auf.

»Gentlemen, ich hab' gesagt, es werd' Sie sehr reuen, und jetzt wird Sie's noch mehr reuen. Kapitän, ich bitt' um Verzeihung; Mr. W. – Mr. G. (die beiden Pflanzer) ich bitt' um Verzeihung. Ihnen wollt' ich nichts thun, aber ich konnt's nichts änder'. Die ganz' Gesellschaft mag jetzt wiss', daß Sie Alle hab' getrunken das Giftwasser – weil ich nicht mag am Galgen sterb', hab' ich auch getrunken das Giftwasser. Gentlemen, Ihr Diner ist gewesen lauter Gift, und Sie Alle sein vergiftet. Ja, Alle vergiftet!« rief Mammy Crissobella im höchsten Tone ihrer Stimme, worauf sie zum Zimmer hinauseilte.

Bei dieser Erklärung sprang ich vom Stuhle auf und schlug, wie im höchsten Entsetzen, meine Hände zusammen. Ich blickte umher – nie habe ich solche Abschattirungen von Schrecken mit angesehen, als sich auf den verschiedenen Gesichtern der Hotelgäste ausdrückten. Der alte Pflanzer, Mr. W., welcher neben mir saß, und, wie auch Mr. G., mit in's Geheimniß eingeweiht war, legte stöhnend seinen Kopf auf den Tisch.

»Der Herr habe Barmherzigkeit mit meinen Sünden!« rief Mr. G. Der Lieutenant Maxwell sah mich an und brach dann in Thränen aus, während Lieutenant Dott und noch drei oder vier Andere die Finger in ihre Kehle steckten, um so bald als möglich ihres Diners wieder los zu werden.

Endlich sprang ich auf und zog die Klingel. Niemand antwortete. Ich klingelte nochmals, und zwar noch wüthender. Endlich erschien ein Sklave.

»Wo ist mein Diener?«

»Nicht hier, Sär.«

»Wo sind alle die Leute des Hauses?«

»All' bei Missy, Sär; Mammy Crissobella sterben.«

»Laufe hurtig nach dem Hafen hinunter und sage, der Wundarzt der Brigg soll auf der Stelle heraufkommen.«

»Ja, Sär,« versetzte der Neger und verließ das Zimmer.

»O ich fühle – es ist Alles hier,« rief ich, die Hand auf meine Brust legend. »Ich ersticke!«

»Und ich gleichfalls,« entgegnete einer der Midshipmen weinend.

Das Mädchen Leila trat jetzt mit Thränen in's Zimmer.

»Mammy todt,« sagte sie. »O! Kapitän Keene, ich sehr leid um Sie. Kommen Sie mit – ich Ihnen etwas geben, denn ich weiß, wie Gift stopfen. «

»Wirklich, Leila? So gib – hurtig, hurtig!«

»Ja, ja; säume nicht, auch uns zu geben.«

»Ich hab' nickt genug Stoff, aber will machen mehr, wenn ich geben, was ich hab', Kapitän Keene. Ihr Alle sollt bleiben, nicht rühren. Wenn Sie umhergehen, machen Sie das Gift wirken. Ich komme so bald zurück, als ich kann.«

Leila nahm sodann meinen Arm und führte mich wankend aus dem Zimmer. Während ich zu Mammy Crissobella hinausging, lachte ich, bis mir die Thränen in die Augen traten; aber die Züchtigung war noch nicht vorüber. Nachdem diejenigen, welche im Speisesaal geblieben, Leila's Rath zufolge, mit der größten Verzweiflung in ihren Gesichtern, und ohne zu sprechen oder sich zu rühren, einander angesehen hatten, heiterten sie sich wieder auf, als das Mädchen mit einem großen Kruge zurückkehrte, aus welchem sie Jedem der Anwesenden ein Glas voll irgend eines garstigen Gemisches einschenkte. Ich sah an der Thüre zu und fand es ungemein unterhaltlich, Zeuge zu sein, mit welcher Hast sie sich herandrängten und einander bei Seite stießen, um zuerst die Portion Gegengift abzufangen. Nie hatten sie wohl zuvor was immer ein Getränk mit solcher Gier verschluckt, und doch ließen sie sich wenig träumen, daß sie, statt einer Arznei, eben jetzt erst nahmen, was ihnen sehr übel machen mußte. Dieß war indeß wirklich der Fall, und ein paar Minuten nachher gestaltete sich der Speisesaal zu einem gar kläglichen Schauplatz von Stöhnen, Weinen, Kreischen und schmerzvollem Krümmen.

Nach einer Weile kamen die Sklaven herein und führten sämmtliche Patienten nach ihren Betten, wo sie dieselben ihren Betrachtungen und den gewaltsamen Einwirkungen der genommenen Arznei überließen, die in der That auch so eingreifend waren, daß die armen Teufel die ganze Nacht über keine Ruhe hatten und am Morgen sich in einem Zustande völliger Erschöpfung befanden.

Sobald es Tag wurde, begab ich mich mit dem Wundarzt, den ich in das Geheimniß eingeweiht hatte, auf Mr. Dott's Zimmer. Tommy bot einen jammerwürdigen Anblick.

»Dem Himmel sei Dank, da ist noch Einer am Leben,« sagte der Wundarzt zu mir.

»O Kapitän Keene,« rief Tommy, »es freut mich, zu sehen, daß Sie so wohl sind; aber Sie haben auch lange vor uns das Gegengift erhalten.«

»Ja,« entgegnete ich, »es wurde mir in guter Zeit gereicht; indeß hoffe ich nicht, daß es bei dir zu spät sein wird.«

»Ich fühle mich ganz erbärmlich,« versetzte Tommy. »Doktor, glauben Sie, daß ich mit dem Leben davon kommen werde?«

Der Doktor fühlte seinen Puls und machte ein gar ernstes Gesicht. Endlich antwortete er:

»Wenn Sie die nächsten zwölf Stunden überlebt haben, so glaube ich, daß es gehen wird.«

»Wie Viele sind todt?« fragte Tommy.

»Ich weiß es nicht; Sie sind der Erste, den wir besuchen. Das ist eine schreckliche Geschichte.«

»Ich habe freilich immer gedacht, daß wir sehr Unrecht hätten,« sagte Tommy. »Es war nicht gut, daß wir die arme Frau zur Verzweiflung trieben. Wann ich je davon komme, wird mir ihr Tod schwer auf dem Gewissen liegen.«

»Freut mich, dieß von dir zu hören, Tommy,« erwiederte ich. »Der Doktor sagt übrigens, daß du dich ganz ruhig verhalten müssest, weßhalb ich dich allein lassen will. Gott befohlen, ich besuche dich gegen Abend noch einmal.«

»Gott befohlen, Sir, und ich hoffe, Sie werden mir verzeihen, wenn ich mich nicht mit dem gebührenden Respekt benommen habe.«

»Schon gut, Tommy; wir sind dafür schon zu lange Freunde gewesen.«

In der That hatte auch Mammy Crissobella's Dosis allem Widerspruchsgeiste von Seiten Tommy's ein Ende gemacht. Alle Uebrigen, welche die Opfer unseres Komplottes gewesen, wurden über den wahren Thatbestand im Dunkeln gelassen; sie zahlten, sobald sie fortgeschafft werden konnten, an Leila ihre Rechnungen und betraten das Haus nicht wieder.

*

 


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