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Dreizehntes Kapitel.

Herr Turnbull bringt sein Hauswesen in Ordnung. – Madame Turnbull findet ein solches Betragen durchaus nicht in der Ordnung. – Der Kapitän greift zu seiner Harpune. – Er befahlt die Ehrenschulden seiner Gemahlin und gibt dem Einzieher die Quitwng aä posteriola. Monsieur und Madame Tagliabue ziehen sich aus der Gesellschaft de ces barbares les Anglais zurück.

Ich fühlte, daß ich Kapitän Turnbull vernachlässigt hatte, und daß er es ungütig aufnehmen könnte, wenn ich ihn gar nicht mehr besuchte; ich machte mich deßhalb an dem auf die Piknikpartie folgenden Sonntage, nachdem ich Marie zur Kirche begleitet hatte, auf den Weg nach seiner Villa, bei Brentford. Ich zog die Glocke an der Pförtnerwohnung und fragte, ob Herr Turnbull zu Hause sei. »Ja, Sir,« antwortete die alte Pförtnerin, welche sehr mittheilsam und freundlich gegen mich war, »und Madame ist auch zu Hause.«

Ich ging die hundert Ellen lange Einfahrt hinauf, welche zur Hausthüre führt, und als ich läutete, öffnete mir ein Diener, den ich früher nie unter den Mitgliedern des Haushaltes gesehen hatte.

»Wo ist Herr Turnbull,« fragte ich.

»In seinem Zimmer, Sir,« erwiederte der Mann; »aber es wird nöthig sein, daß ich Sie anmelde: er läßt nicht Jedermann vor.«

Ich muß dem Leser bemerken, daß ich nicht in Jacke und Schifferhosen erschien. Das Geld, welches ich verdiente, war mehr als hinreichend für alle meine Bedürfnisse, und ich hatte mir eine Kleidung angeschafft, wie man sie in den Städten trägt. Der Diener hielt mich offenbar für einen Gentleman, und vielleicht hatte ich wenigstens in Betreff des Anzuges ein Recht auf diese Auszeichnung. Leute von weit weniger Ansprüchen, als ich machen konnte, werden in dieser Welt oft als Gentlemen empfangen. Ich gab meinen Namen an; der Bediente ließ mich an der Thüre stehen und kehrte bald darauf zurück, um mich hinaufzuführen. Ich muß sagen, ich war etwas erstaunt. Wo waren Mortimer und die beiden Diener in schimmernden Livreen und langen Baumwollenepauletten mit Stiften, die wie Merlpfriemen daran herunter hingen? Sogar die Livree war verändert, sie bestand in einem einfachen braunen Rock, mit hellblauen Kragen und Aufschlägen von derselben Farbe. Ich wurde jedoch bald mit Allem bekannt gemacht, was hier vorgegangen war. Der Diener führte mich in Herrn Turnbulls Zimmer – sein Studierzimmer, wie es Madame Turnbull nannte, wiewohl Herr Turnbull darauf bestand, es seine Kajüte zu nennen: ein Name, der bei weitem geeigneter war, denn es enthielt nur zwei schmale Breiter mit Büchern; der übrige Theil des Gemachs war voll von seinen Lieblingsharpunen, Braunfischschädeln, Haifischrachen, Korallen, verschiedenen braunen und weißen Bärenfellen, ein paar Modellen von den Schiffen, die seinem Bruder und ihm gehört hatten und zur Grönlandfischerei verwendet worden waren u. s. w. Es war in der That eine Art Museum von Allem, was er auf seinen Reisen gesammelt hatte: Geräthschaften, Schmucksachen, Kleidungsstücke der Eskimo's lagen in den Ecken herum, und Felle von seltenen Thieren, die er selbst erlegt hatte, z. B. von schwarzen Füchsen u. s. w., lagen auf dem Fußteppich umhergestreut. Auch sein Seekoffer, der mit verschiedenen Gegenständen angefüllt war, bildete eine von den Zierden des Zimmers, und vergebens hatte Madame Turnbull, welche durchaus nicht gut dazu sah, schon oft ihren Einfluß aufgeboten, um denselben zu entfernen. Das Möbelwerk bestand bloß aus zwei Sopha's, einem großen Tisch in der Mitte des Gemachs, und drei oder vier plumpen Sesseln, so wie der einzige Schmuck in einem Dutzend kolorirter und unter Glas und Rahmen gebrachter Kupferstiche von Wallroßjagden u. s. w., die aus den Folioausgaben der Reisen Cook's und Mulgrave's genommen waren. Außerdem bemerkte man noch ein paar Entwürfe von seinem Bruder, wie z. B. den Zustand des William am Morgen des 25. Januars –, Breite –, Länge –, wie er von einem Eisberge eingeklemmt war.

Kapitän Turnbull war noch in seinem Morgengewande; er befand sich offenbar nicht ganz wohl; wenigstens sah er sehr abgemattet und bleich aus.

»Mein lieber Jacob, das ist sehr freundlich von dir,« begann er. »Ich hatte im Sinne mit dir zu schelten, weil du so lange ausbliebst; aber jetzt freut es mich so sehr, dich zu sehen, daß ich nicht mehr das Herz dazu finde. Aber warum bist du so lange nicht gekommen?«

»Ich bin sehr viel beschäftigt gewesen, Sir; Stapleton hat mir den Kahn übergeben, und ich durfte seine Interessen nicht vernachlässigen, wäre es mir auch nicht um die meinigen gewesen.«

»Du hast recht gethan, Junge; und wie treibst du's?«

»Ich bin sehr glücklich, Sir – in der That sehr glücklich.« »Freut mich, dieß zu hören, Jacob; möge es immer so sein.« Und nun setze dich auf den andern Sopha, wir wollen einen langen Palaver halten, wie die Indianer sagen. Ich habe dir etwas mitzutheilen. Vermuthlich hast du eine Veränderung bemerkt – nicht wahr?«

»Ja, Sir; ich bemerkte, daß Herr Mortimer nicht sichtbar war.«

»Ganz recht. Herr Mortimer, oder John Snobbs – der Schurke ist gegenwärtig zu Newgate in Untersuchung, und ich gedenke, ihn zum Besten seiner Gesundheit auf eine Reise zu schicken. Ich habe endlich den Spitzbuben ertappt und will ihm nicht mehr Barmherzigkeit angedeihen lassen, als ich einem Haifische widerfahren ließe, der den Köder angebissen hat. Aber dieß ist noch nicht Alles. Wir haben eine eigentliche Meuterei entdeckt, denn man machte den Versuch, mir das Schiff zu nehmen: ich ließ sie jedoch Alle in Eisen legen und verlange Bestrafung. Jacob, ich versichere dich, das Geld ist nur zu oft ein Fluch.«

»Sie werden nicht viele Leute finden, Sir, die Ihre Meinung theilen,« versetzte ich lachend.

»Es ist wohl möglich; denn diejenigen, welche es besitzen, sind mit der Wichtigkeit zufrieden, die es ihnen verleiht, und wollen die fluchenswerthe Thatsache nicht zugeben; und diejenigen, welche es nicht besitzen, seufzen immer danach, als wäre es das Einzige in der Welt, was der Mühe lohnte, sich danach umzusehen. Aber nun will ich dir sagen, was sich ereignet hat, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, und dann sollst du urtheilen.«

Da indessen die Erzählung Kapitän Turnbulls einen Zeitraum von beinahe drei Stunden ausfüllte, so will ich den Gegenstand zur Belehrung des Lesers kurz zusammen fassen. Es scheint, daß Madame Turnbull den Kreis ihrer Staatsfahrten immer weiter ausdehnte, die Zahl ihrer Bekanntschaften und ihrer mannigfaltigen Ausgaben immer mehr vergrößerte, und Herr Turnbull es ihr endlich in den strengsten Ausdrücken verwies. Seine Vorstellungen fanden indeß die Beachtung nicht, die er erwartet hatte, und überdieß kam er durch Zufall darauf, daß das Geld, womit er sie beständig versehen hatte, um ihre wöchentlichen Rechnungen zu bezahlen, auf eine andere Weise verwendet worden war, ja daß seit den beiden letzten Vierteljahren noch gar keine Rechnung bezahlt war. Dieß veranlaßt eine Erörterung. Er wünschte zu wissen, auf welche Weise diese Summen ausgegeben worden seien, und Frau Turnbull fand es räthlich, auf ihrem Sinne zu bestehen und sich wo möglich das erforderliche Uebergewicht zu sichern; deßhalb antwortete sie anfangs bloß mit einem verächtlichen Aufwerfen des Kopfes, um die drei gelben Straußfedern auf ihrem Hute in eine zierliche, wellerförmige Bewegung zu setzen, während sie das Zimmer verließ und in ihren Wagen stieg. Herr Turnbull war einer von denjenigen, weiche gern wissen, woran sie sind, weßhalb ihn dieß nicht sehr befriedigen konnte. Er wartete, bis der Wagen zurückkehrte, und bat dann um eine bestimmtere Antwort. Madame Turnbull nahm einen hohen Ton an, sprach von Ausgaben, die der Anstand erfordere, sagte, sie müsse wissen, was sie ihrem Charakter schuldig sei u. s. w. Herr Turnbull sprach von Ausgaben, welche das Bedürfniß erfordere, und sagte, wie es seinem Charakter vor Allem anstehe, seine Kaufmannsrechnungen zu bezahlen. Madame Turnbull sprach ferner von guter Erziehung, von auserlesener Gesellschaft und ihren Menge Pläsih's, Meuns plaisirs wie sie es nannte. Herr Turnbull wußte nicht, was Menge Pläsih's im Französischen bedeutete, aber er meinte, sie hätte seit ihrem Ankaufe der Villa eine so große Menge Vergnügungen genossen, wie irgend eine Dame. Doch zur Frage: Warum wurden die Rechnungen nicht bezahlt, und was hatte sie mit dem Geld angefangen?

Als Nadelgeld ausgegeben. Nadelgeld! Dreißig Pfund wöchentlich für Nadeln! man hätte damit Harpunen genug auf eine dreijährige Reise kaufen können. Sie sollte die Wahrheit sagen; allein sie mochte nicht, rief nach ihrem Riechfläschchen und nannte ihn einen Barbaren. Jedenfalls wollte er sich nicht für einen Narren halten lassen. Er gab ihr Bedenkzeit bis an den andern Morgen. Am andern Morgen liefen sämmtliche Rechnungen ein, weil sie gefordert worden waren. Sie betrugen sechshundert Pfund und wurden bezahlt und quittirt. »Nun werden Sie mich verbinden, Madame Turnbull, wenn Sie mich wissen lassen, was Sie mit diesen sechshundert Pfund angefangen haben?« Madame Turnbull hatte keine Neigung. Auf diese Art dürfe sie nicht behandelt werden, meinte sie. Herr Turnbull sei jetzt nicht an Bord eines Wallfischfängers, wo er schalten und walten könne, wie er wolle; sie verlange Gerechtigkeit, Trennung, H'Alimentation und Scheidung. – Das könne sie Alles haben, sobald es ihr beliebe, nur kein Geld mehr, das sei fest beschlossen. Auf dies bekam sie hysterische Zufälle. Sie lag den ganzen Tag auf dem Sopha und erwartete, Herr Turnbull werde sie aufrichten; Herr Turnbull aber kam auf keinen solchen Gedanken. Er ging zu Bette, und weil er keinen Schlaf hatte, stand er sehr frühe auf, um zum Fenster hinaus zu sehen. Ein Karren fuhr zu der Mauer heran; die Leute, welche mit demselben gekommen waren, überstiegen die Mauer, traten in's Haus und kehrten mit zwei großen Packkörben zurück. Er ergriff eine von seinen Harpunen, ging auf einem andern Wege hinaus und kam gerade bei dem Karren an, als die Packkörbe geladen wurden und die Leute im Begriff standen, fortzufahren. Er gebot ihnen Halt; aber statt einer Antwort trieben sie das Pferd mit der Peitsche und hätten ihn bald überfahren. Da schleuderte er seine Harpune nach dem Pferd. Es stürzte; auch die beider Männer, die im Karren saßen, flogen heraus, stürzten ebenfalls und verloren das Bewußtsein. Er versicherte sich ihrer, rief nach der Pförtnerwohnung um Beistand, schickte nach der Polizei und übergab sie derselben. Ihrer Aussage zufolge waren die Packkörbe von Herrn Mortimer befördert, der dieß schon seit einiger Zeit in der Gewohnheit hatte. Sie enthielten Flaschen von Herrn Turnbulls bestem Wein und verschiedene andere Gegenstände, welche ebenfalls bewiesen, daß Herr Mortimer im Besitze falscher Schlüssel sein müsse. Herr Turnbull ließ die Schuldigen sammt seinem Eigenthume bei zwei Konstabeln zurück und ging in Begleitung des dritten in das Haus. Herr Mortimer öffnete ihm die Thüre, folgte ihm in sein Studierzimmer, erklärte ihm, er werde augenblicklich das Haus verlassen, denn er habe früher stets bei Gentlemen gelebt, und bat um seine rückständige Gebühr.

Herr Turnbull fand diese Bitte sehr vernünftig, und übergab ihn dem Konstabel. Ziemlich verwirrt über dieses ungentlemänische Benehmen zog Herr Snobbs mit den Uebrigen nach Bow-Street. Herr Turnbull schickte nach den beiden andern Livreebedienten und erklärte ihnen, er bedürfe ihrer Dienste nicht weiter, denn er meinte, die Bestehlung müsse ihnen bekannt gewesen sein. Er bezahlte ihnen ihren Lohn mit dem Ersuchen, sie möchten ihre Livreen ausziehen und sein Haus verlassen. Beide waren dazu bereit. Auch sie hatten früher stets bei Gentlemen gelebt.

Herr Turnbull nimmt den Schlüssel zur Vorrathskammer, damit ihn nicht etwa auch das Silbergeschirr für zu gemein halten möge, um in seinem Hause zu bleiben. Dann geht er in die Ställe; die Pferde wiehern, als wollten sie an ihr Frühstück mahnen; aber die Thür ist verschlossen. Er ruft den Kutscher – keine Antwort! Wie er von den Ställen zurückkehrt, steht er ihn ziemlich staubig zum Einfahrtthore hereinkommen und fragt ihn, warum er nicht zu Hause schlafe und nach seinen Pferden sehe. Er sei der Kutscher der Madame, aber nicht des Herrn; ihr wolle er Antwort geben, Herrn Turnbull nicht. Herr Turnbull bezahlt ihm seinen Lohn, zieht ihm die Livree aus und schickt ihn den Uebrigen nach; auch der Kutscher geht mit Freuden, er hatte vorher stets bei Gentlemen gelebt. Herr Turnbull begegnet dem Kammermädchen, welches ihm sagt, Madame Turnbull sei zu krank, um zum Frühstück zu kommen. Um so besser, denn es ist gar kein Frühstück bereitet. Er kleidet sich an, steigt in eine zweispännige Kutsche, hält am White-Horse-Cellar, verschlingt sein Frühstück, geht nach Bow-Street und übergibt Herrn Mortimer, alias Snobbs, und seine Verbündeten der gerichtlichen Untersuchung, miethet einen Makler, seine Pferde zum Verkauf aufzustellen, läßt sein Gefährt bei einem Wagenmacher stehen, nimmt einen Bedienten auf unbestimmte Zeit an und kehrt in seine Villa zurück. Eine hübsche Morgenarbeit. Im Wohnzimmer findet er Madame Turnbull, höchst erstaunt und empört über sein Benehmen – kein Herr Mortimer – kein Diener – ihrem Kammermädchen für eine Tasse Thee verpflichtet – das ist zu arg! Neue Vorwürfe – neue Leidenschaftlichkeit – neue Drohung mit der H'Alimentation ..... Der Wagen wird bestellt, um bei dem Rechtsfreunde vorzufahren. Kein Kutscher – kein Wagen – keine Pferde – kein Nichts, wie ihr Kammermädchen sagt. Madame Turnbull schließt sich in ihr Zimmer ein, und ein zweiter Tag wird verlebt, der so arm an Ehefreuden ist, als man sich nur immer denken kann.

Mittlerweile fliegt die Neuigkeit nach allen Seiten. Brentford ist voll davon. Herr Turnbull hat zu flott gelebt – er ist zu Grunde gerichtet – er ist in Bow-Street gewesen – Gläubiger sind mit Rechnungen herbeigeströmt – die Diener sind entlassen – Wagen und Pferde sind mit Beschlag belegt. Madame Turnbull, die arme Frau, in hysterischen Krämpfen, und – Niemand ist darüber erstaunt; wahrhaftig Jedermann hat das erwartet. Die Peters von Petercumb-Hall hören es und schütteln die Köpfe über die vielen Emporkömmlinge in der Welt. Herr Smith ersucht den Sehr Ehrenwerthen Lord Viscount Babbleton, sich doch ja gegen seinen Vater, den Sehr Ehrenwerthen Marquis von Springguns, nichts verlauten zu lassen, daß er ihn je zu Turnbull's mitgenommen, sonst würde er, Herr Smith, unfehlbar seine Stellung in Esse und seinen Lebensunterhalt in Posse verlieren. Noch größer ist das Entsetzen von Herrn und Frau Tagliabue; aber sie haben ein tiefes Gefühl und beschließen, am nächsten Morgen einen Besuch abzustatten; wenigstens geschieht dies von Seiten Monsieur Tagliabue's, und Madame hat nichts gegen die Schicklichkeit desselben einzuwenden.

Am andern Morgen war wieder einige Ordnung hergestellt; dem neu angenommenen Bedienten war das erforderliche Tafelgeräthe übergeben worden, das Uebrige blieb verschlossen. Die Köchin wollte ihren Monat vollends ausdienen, die Magd verlangte nicht auszutreten, und das Kammermädchen wünschte so lange als möglich zu bleiben, um ihre arme Gebieterin zu trösten und was sie ihr etwa an Kleidungsstücken, Weißzeug u. s. w. abzugeben geneigt war, in Empfang zu nehmen; allein zu lange konnte sie natürlich aus Schonung für ihren Charakter nicht bei einer Herrschaft bleiben, die keinen Wagen und keine Livreebediente hatte. Diesmal erhielt Herr Turnbull ein Frühstück, und hatte es so eben beendigt, als Monsieur Tagliabue angemeldet und vorgelassen wurde.

»Ah! Monsieur Turnbull, ik' offe, Madam sinn besser. Madame Tagliabue weint' die ganz' Nak', als sie 'ört die bös' Neuigkeit' von Schuld' und dem All'.«

»Sehr verbunden,« versetzte Turnbull mürrisch; »und nun bitte ich Sie, was steht Ihnen zu Diensten?«

»Ah! Monsieur Turnbull, ik fühl' sehr viel für Sie; aber ik mein', ein Gentleman nik' verlier' sein' Ehr', was das Geld.« (Herr Turnbull machte große Augen.) Sie wiß', Monsieur Turnbull, Ehr iß' Alles für ein' Gentleman. Wenn ein Gentleman iß' schuldig Geld an ein schurkisch' 'Andwerksmann, und nik ihn befahlt', das nik viel mak', aber er immer sahlt Ehr'schuld. Jeder Gentleman sie besahlt. Jer, Monsieur Turnbull,« (und der kleine Franzose zog ein Stück Papier aus seiner Tasche) »iß' ein' klein' Not' von Madame Turnbull, welk' sie gab an Madame Tagliabue, in welk' sie erkennt, sie iß' schuldig zwei 'under' 'Fund, verlor' im Ecarte. Sie se'ne Monsieur Turnbull, was Gentlemen nenn' Ehr'schuld, die jeder Gentleman besahlt, oder er verlier' den Charakter, und iß' genannt ein 'Undsfott von aller Welt. Madame Tagliabue und ik sinn zu viel Freund von Ihn' und Madame Turnbull, für nicht retten Ihr' Charakter, und es iß warum ik komm' auf Ihr' Wunsch für bitt' Sie zu 'onorir' dies klein' Not' – dies klein' Ehr'schuld.« Und Herr Tagliabue legte mit einer sehr höflichen Verbeugung die Note auf den Tisch.

Herr Turnbull nahm Einsicht und fand, daß sie mit Monsieur Tagliabue's Angabe übereinstimmte. Jetzt ist also Alles am Tag, dachte er bei sich selbst; sie ist von diesen Schurken von Franzosen um ihr Geld betrogen worden. »Nun, Monsieur Tagliabue,« sagte er, »erlauben Sie mir ein Paar Fragen, bevor ich dieses Geld bezahle, und wenn Sie mir dieselben aufrichtig beantworten, so mache ich nicht die geringste Einwendung. Ich glaube, Madam Turnbull hat schon früher gegen sechshundert Pfund im Ecarté verloren?« (Herr Tagliabue, welcher voraussetzte, Madame Turnbull habe ihn mit der Wahrheit bekannt gemacht, bejahte.) »Und ich glaube, vor zwei Monaten wußte sie noch nicht, was Ecarté sei.«

»Das iß' wahr; aber die Dam' lern' sehr schnell.«

»Gut, aber da sie das Spiel nicht verstand, und Sie und Ihre Frau mit demselben vertraut waren, halten Sie es für ehrenvoll, sie so viel Geld verlieren zu lassen?«

»Ah, Monsieur! wenn ein' Dam' sag', sie will spiel', comment faire, was mak?«

»Aber warum spielten Sie nie in diesem Hause, Monsieur Tagliabue?«

»Ah, Monsieur Turnbull, es iß' die Dam' von dem 'Aus, die vorschlag' das Spiel.«

»Sehr wahr,« versetzte Herr Turnbull, eine Anweisung von zweihundert Pfund schreibend, »hier ist Ihr Geld, Monsieuer Tagliabue, und nun Sie bezahlt sind, erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß ich Sie und Ihre Frau für ein Paar Betrüger halte; und ich bitte Sie, mein Haus nicht wieder zu betreten.«

»Was sag' Sie, Sar? Behtrügehr? God dem! Sar, ik will 'hab' Satisfacsion.«

»Sie haben Ihr Geld – ist das hinreichend, oder verlangen Sie sonst noch etwas?« versetzte Herr Turnbull, vom Stuhle aufstehend.

»Ja, Sar, ik verlang mehr, ik will 'ab' mehr.«

»Das soll Ihnen werden – hier,« versetzte Turnbull, ihn mit Fußtritten zum Zimmer hinaus, den Gang hindurch und vor die Hausthüre stoßend.

Monsieur Tagliabue wandte sich von Strecke zu Strecke um und drohte, sobald er aber den aufgehobenen Fuß Herrn Turnbulls erblickte, floh er weiter. Als er vor dem Hause angekommen war, wandte er sich noch einmal und rief:

»Monsieur Turnbull, ik will 'ab' Satisfacsion, furk'bar' Satisfacsion für das. Sie soll sahl'. Bei Gott, Sar, Sie soll' sahl' Geld für das.«

Am Abende ward Herr Turnbull geladen, wegen dieser Realinjurie am folgenden Morgen zu Bow-Street zu erscheinen. Er traf Monsieur Tagliabue mit seinem Rechtsbeistand und gestand zu, daß er ihn wegen Betrugs, den er an seiner Frau verübt, zum Hause hinausgestoßen habe, wollte aber nichts von einer gütlichen Beilegung hören, und erklärte sich bereit, seinen Bürgen zu stellen. Monsieur Tagliabue lärmte und stürmte und sprach von seiner Bekanntschaft mit dem Adel; aber der Beamte kannte solche Ausländer zu gut, um auf ihre Angaben viel Gewicht zu legen.

»Wer sind Sie, Monsieur?«

»Sar, ik bin Gentleman.«

»Welches Gewerbe treiben Sie, Sir?«

»Sar, ein Gentleman treib' kein Gewerb'.«

»Aber wie leben Sie denn, Monsieur Tagliabue!«

»Wie der Gentleman leb' immer, Sar.«

»Sie nannten, glaube ich, Lord Scrope als Ihren besondern Freund.«

»Ja, Sar, ik sehr vertraut mit Lord Scrope; ik pasfirt' zwei Monat' zu Scrope-Castle mit Lady Scrope, Mylady Scrope sinn gut' Freund von Madame Tagliabue.«

»Ganz recht, Monsieur Tagliabue; wir müssen jetzt eine andere Sache vornehmen, bis Herrn Turnbulls Bürge kommt. Setzen Sie sich ein wenig, wenn es Ihnen gefällig ist.«

Eine andere Sache wurde verhandelt, was ungefähr eine halbe Stunde dauerte; aber vorher hatte der Beamte, welcher wußte, daß Lord Scrope in der Sadt war, einen Gerichtsdiener mit einem Billet an Seine Lordschaft geschickt, und die Antwort kam so eben an. Er las sie, lächelte, fuhr in seiner Verhandlung fort, und sagte, als sie zu Ende war:

»Nun, Monsieur Tagliabue, Sie sagen, Sie wären sehr vertraut mit Lord Scrope?«

»Ja, Sar, sehr vertraut.«

»Gut, ich habe das Vergnügen, Lord Scrope zu kennen – und weil er eben in der Stadt ist, schrieb ich ein Billet an ihn. Hier ist die Antwort – ich will sie lesen.«

Monsieur Tagliabue erbleichte, und der Beamte las folgende Zeilen:

»Wertester Herr!

Ein Bursche des Namens, den Sie anführen, kam als mein Kammerdiener mit mir aus Rußland. Ich entließ ihn wegen Unredlichkeit; nachdem er uns verlassen hatte, entfernte sich auch Lady Scorpe's Kammermädchen, die, wie es schien, ohne unser Wissen mit ihm verheirathet war; und bald machte ich die Entdeckung, daß ihre Betrügereien von einem solchen Belang waren, daß ich das Paar, wenn mir sein Aufenthalt bekannt gewesen wäre, hätte verhaften und vor Gericht stellen lassen. Jetzt ist die Sache vergessen, aber einen größeren Schurken gab es nie.

Der Ihrige

Scrope.

»Nun, Sir, was haben Sie für sich anzuführen?« fuhr der Beamte in strengem Tone fort. Herr Tagliabue siel auf die Kniee und bat den Beamten, Lord Scrobe und zuletzt auch Herrn Turnbull um Gnade. Er erbot sich sogar, den Wechsel auf die 200 Pf. zurückzugeben. Herr Turnbull weigerte sich, ihn anzunehmen, aber der Beamte sagte:

»Nehmen Sie doch ohne Weiteres Ihr Geld zurück, Herr Turnbull; schon das Anerbieten ist ein Beweis, daß er es auf unredliche Weise an sich gebracht hat, und 600 Pfund verloren zu haben, ist genug.«

Herr Turnbull nahm den Wechsel und zerriß ihn; und der Beamte ließ Monsieur Tagliabue auf's Fremdenamt führen, das ihn sammt seiner Frau auf die andere Seite des Kanals schickte, um Ecarté zu spielen, mit wem es ihnen belieben würde. Also endete die Episode von Monsieur Tagliabue.


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