Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel.

Im Buch als “Eilftes Kapitel.” überschrieben. Re.

»Das Fest der Vernunft und der Flug der Seele.« – Stapleton beweist das erste an der Menschennatur, der Domine den letztern durch seine schmachtenden Gefühle. – » Sally's Schuh besonders notirt, und das ächte »leichtgemachte Lesen« eines leichten Herzens vom alten Tom.

Am folgenden Nachmittag hörte ich den muntern Gesang einer wohlbekannten Stimme, wahrend Marie ihre Bücher zusammenraffte und abräumte; denn es war gerade die Zeit, wo ich ihr Unterricht gab.

»Sah manche seltsame Dinge,
War lang auf der Streiferei,
Durchkreuzte die Welt im Ringe,
Doch jetzt sind die Kriege vorbei;
War unter der Linie Gluthen,
Durch die man die Nase verliert,
Fuhr durch des Eismeeres Fluthen,
Wo man seine Zehen erfriert.
Fale ra, fale ra, falera la la.

»Voran, Tom, laß mich langsam nachstumpeln. s' ist mit mir wie mit 'm Schiff, das gegen Wind und Fluth gezogen wird – ich komme so schnell hinauf, wie ein Advokat in den Himmel.«

Beim ersten Anblicke Tom's kam es mir vor, als hätte er sich ungewöhnlich viel Mühe gegeben, sein Aeußeres so vorteilhaft als möglich herauszuheben, und gewiß sah man selten ein hübscheres, offeneres, heitereres Gesicht. Tom war um einen Zoll größer, als ich, und hatte eine schöne und athletische Gestalt. Er ging rasch und freudig auf Marie zu, aber sei es, daß sie ihn wegen meiner zurückhalten wollte, oder daß sie sich ihrer gewöhnlichen Laune überließ, sie wich vor ihm zurück und trat auf den alten Tom zu, dem sie mit Wärme die Hand drückte.

»Puh! was ist im Wind, Jacob? Wir schieden doch als die besten Freunde von der Welt,« sagte Tom auf Marie blickend.

»Tritt nur zurück, Tom,« erwiederte ich lachend; »und du wirst sehen, daß sie wieder näher kommt.«

»O, ho! bläst der Wind aus diesem Strich?« versetzte Tom, »da bin ich schon dabei – ich kann auch falsche Farben aufziehen, so gut, als sie. Aber, Jacob, ehe ich meine Manöuvres eröffne, sag' mir, ob ich die neutrale Flagge aufziehen soll, denn ich möchte dir nicht gerne in die Quere fahren.«

»Hier meine Hand darauf, Tom, die Küste ist klar, soweit es mich betrifft; aber nimm dich in Acht, sie ist ein Klipper und könnte dir leicht durch die Finger schlüpfen, wenn du sie auch schon bis in die Rufweite unter dein Lee gebracht hast.«

»Dafür laß du mich sorgen, Jacob.«

»Noch mehr aber, Tom, wenn du sie einmal im Besitz hast, sie will einen geschickten Seemann am Steuer haben.«

»Dann ist sie gerade das Fahrzeug nach meinem Geschmack. Ich hasse die steten Langsamsegler, die sich beinahe selbst steuern, und möchte daher ein Fahrzeug, das einen Mann braucht, und zwar einen Seemann.«

»Gut bemannt thut sie Alles, darauf verlaß dich, Tom, denn im Kielraum ist sie fest; und wenn sie auch auf den ersten Windstoß in den Strich fällt, so legt sie sich doch nicht weiter auf die Seite.«

»Dann ist Alles in Ordnung, Jacob. Nun du mir gesagt hast, wie sie lavirt, will ich schon sehen, wie ich ihr den Strich abschneide.«

»Jacob, mein guter Junge, du bist also wieder unter'm Wasser gewesen? Dachte, du hättest damals genug bekommen, als dir Fleming den Streich spielte; wiewohl, dießmal thatest du's, um einen Freund zu retten, und das war ganz recht. Meinen dienstlichen Gruß, Meister Stapleton,« fuhr der alte Tom fort, als Stapleton eintrat. »Ich sprach da mit Jacob über sein letztes Untertauchen.«

»Nichts, als Menschennatur,« versetzte Stapleton.

»Nun, nun,« meinte der alte Tom, »ich denke, so in den Strom hineinplumpen, wenn er mit Eis bedeckt ist, sei gerade das Gegentheil von Menschennatur.«

»Aber nicht, einen Freund zu retten, Vater.«

»Doch – von wegen weil es Jacobs-Natur ist; ihr seht also, eine Natur überwand die andere, und das ist der langen Rede kurzer Sinn.«

»Aber wie wär's, wenn wir uns niedersetzten und es uns bequem machten?« fragte Stapleton; »doch 's kommt noch Jemand; wer mag das sein?«

»Nun, alter Feger, in Betracht, daß Ihr taub seid, wie ein Thürpfosten, hört Ihr ziemlich gut,« bemerkte der alte Tom.

»Ja, im Hause höre ich ganz gut, vorausgesetzt, daß die Leute nicht laut reden.«

»Nun, das ist eine seltsame Art von Taubheit; ich denke, an dem Uebel leiden wir alle,« rief Tom lachend.

Während dieser Bemerkung erschien der Domine.

» Salve Domine!« sagte ich bei seinem Eintritt, und faßte die Hand meines würdigen Erziehers.

» Et du quoque, fili mi, Jacobe! aber wen haben wir hier? den tauben Mann, das Mädchen, und – eheu! den Alten, genannt der alte Tom, und gleicherweise den jungen Tom.« Dabei machte der Domine ein gar ernstes Gesicht.

»Je nun, Sir,« sagte der junge Tom, auf den Domine zutretend, »ich weiß, daß Sie uns noch zürnen, weil wir beide zu viel tranken, als wir das letzte Mal in ihrer Gesellschaft waren; aber wir versprechen – nicht wahr, Vater, wir versprechen? – es soll nicht mehr vorkommen.«

Diese schonende Anrede des jungen Toms benahm dem Domine seine Befangenheit; was er am meisten fürchtete, waren Anspielungen und Neckereien von ihrer Seite.

»Ja gewiß, alter Herr, Tom und ich strafften unsere Beisegel etwas zu stark, als wir das letzte Mal beisammen waren, – doch was ist's denn? – Grog war da, und zu thun hatten wir nichts.«

»Ganz Menschennatur,« bemerkte Stapleton.

»Ei, Sir, Sie haben ja noch kein Wort mit mir gesprochen,« sagte Marie auf den Domine zugehend. »Sie müssen sich zu mir setzen und mich unterhalten, dabei aber auch Acht haben, daß sich alle ordentlich aufführen und nüchtern bleiben.«

Der Domine warf einen Blick auf Marie, der auf sie allein berechnet war, aber vom jungen Tom und mir nicht unbemerkt blieb. »Wir werden unsern Spaß haben, Jacob,« flüsterte er mir zu, während wir uns um den Tisch setzten, der gerade sechs Personen faßte, wenn man eng zusammenrückte. Der Domine saß auf der einen Seite Marien's, Tom auf der andern, Stapleton neben Tom, dann kam ich und der alte Tom, der auf der einen Seite den Domine zum Nachbar hatte, und sogleich dem alten Herrn eine seiner Stelzen auf die Hühneraugen setzte, so daß dieser eiligst sein Bein in die Höhe zog und seinen Stuhl näher zu Marien hinrückte, um eine Wiederholung dieses Unfalls zu vermeiden, während der alte Tom um Verzeihung bat, und Stapleton den Beweis führte, es sei nichts weiter als Menschennatur, wenn auf der einen Seite der alte Tom mit seinem hölzernen Bein nicht fühle, und auf der andern der Domine mit einem bösen Hühnerauge fühle. Endlich saßen wir alle, worauf Marie, die sich auf den Abend vorgesehen hatte, einige Krüge Bier nebst einer Flasche Branntwein aufstellte, deßgleichen auch Pfeifen und Tabak brachte.

»Freiheitshalle – ich rauche,« sagte Stapleton, seine Pfeife anzündend und sich in seinen Stuhl zurücklehnend.

»Ich will auch so 'nen Thonstummel in meinen Mund stecken,« meinte der alte Tom, »'s macht einen durstig und würzt den Branntwein.«

»Und ich malze,« sagte Tom, einen Krug Porter ergreifend und einen Zug nehmend, bis ihm der Athem ausging. »Was thust du, Jacob?«

»Ich will noch ein wenig warten, Tom.«

»Und was thun Sie, Sir?« fragte Marie den Domine. Der Domine schüttelte den Kopf. »Nein? – aber Sie müssen, oder ich glaube, unsere Gesellschaft behagt Ihnen nicht. Kommen Sie, ich will eine Pfeife für Sie stopfen.«

Marie füllte eine Pfeife und reichte sie dem Domine, welcher zögerte, das Mädchen ansah und überwunden war. Er zündete sie an und dampfte entsetzlich.

»Das Eis thaut auf – wir bekommen andere Witterung – morgen ist Mondswechsel,« bemerkte der alte Tom, zwischen jeder Bemerkung puffend; »und dann kann der ehrliche Mann doch auch wieder was verdienen. Böse Zeiten für Euch, alter Feger, nicht wahr!« fuhr er fort, sich an Stapleton wendend. Stapleton nickte durch den Rauch Beifall, was der alte Tom zuerst bemerkte. »Nun, er ist am Ende gar nicht taub,« sagte er, »ich dachte mir's gleich, er verstelle sich etwas. Jacob, das gibt Wetter für dich, dir die Finger zu blasen und die Augen zu hellen.«

»Oder vielmehr Rauchwolken zu blasen und die Augen zu beizen,« erwiederte Tom, den Krug ergreifend; »ich bin so durstig vom Rauchschlucken, als bisse ich selbst auf ein Stück Thon, – auf jeden Fall beißen mich die Augen. Jacob,« fuhr er leise zu mir fort, »sieh einmal, wie der alte Herr Marie verräuchert und seine Schafsaugen durch das Gewölke auf sie heftet.«

»Scheint, als wolle er sie im Rauch entern,« versetzte ich.

»Ja, und sie, als wolle sie gar nicht kämpfen, sondern sich sogleich ergeben,« sagte Tom.

»Glaub' es nicht, Tom – ich kenne sie besser, sie lacht ihn nur aus. Eben wirft sie mir einen Seitenblick zu, aber mir ist's nicht zum Lachen, denn es gefällt mir gar nicht, daß sie mit diesem alten Herrn ihr Spiel treiben will. Ich werde ihr morgen scharf den Text lesen.«

Während dieser ganzen Zeit rauchte der alte Tom und Stapleton stillschweigend fort. Der Domine machte Gebrauch von seinen Augen zu einer stummen Unterredung mit Marien, und diese antwortete ihm mit ihren hellen, glänzenden Blicken, während Tom und ich uns höchlich zu langweilen begannen. Endlich ging dem alten Tom die Pfeife aus; er legte sie auf den Tisch und begann:

»Da – ich rauche nicht mehr – das Schlimmste an einer Pfeife ist, daß man nicht rauchen und sprechen zugleich kann. Marie, nimm deine Augen von des Domine Nase weg und gib mir die Flasche Stoff. Und auch ein Glas zum Mischen – nicht wahr, das ist vornehmer, als wir's an Bord haben, Tom?«

Tom füllte ein Glas Grog, leerte es in Einem Zug bis auf die Hälfte und stellte es auf den Tisch. »Wollen Sie nicht auch, Sir?« sagte er, sich an den Domine wendend.

»Nein, Freund Dux, nein – bitte, redet mir nicht zu – weg!«

Der Domine wandte sich mit einer Art von Schauder von der Flasche ab, die ihm der alte Tom hinhielt.

»Gar nichts trinken?« fragte Marie, den Domine mit Verwunderung ansehend; »aber nein, Sie müssen, oder ich glaube, Sie verachten uns und denken, wir seien Ihrer Gesellschaft nicht würdig.«

»Nein, Mädchen, dränge mich nicht; fordere Alles von mir, nur das nicht,« erwiederte der Domine.

»›Fordere Alles, nur das nicht‹ – das ist so die rechte Entschuldigung, wenn man etwas abschlägt,« erwiederte Marie. »Würde ich etwas anderes fordern, so hieße es wieder – ›fordere Alles, nur das nicht‹. Wenn Sie nicht mir zu Gefallen trinken wollen, so werde ich mit Ihnen schmollen. Sie müssen ein Glas trinken, und ich will es für Sie mischen.«

Der Domine schüttelte den Kopf. Marie mischte ein Glas Grog und setzte es an die Lippen.

»Wenn Sie jetzt nicht trinken, nachdem ich ihn gekostet habe, so spreche ich keine Sylbe mehr mit Ihnen.«

Mit diesen Worten hielt sie dem Domine das Glas hin.

»Wahrhaftig, Mädchen, ich muß es durchaus abschlagen, denn ich habe ein Gelübde gethan in meinem Herzen.«

»Was war das für ein Gelübde? Wurde es auf die Bibel beschworen?«

»Nein, nicht auf die heilige Schrift, aber in meinen Gedanken, höchst feierlich.«

»O! dergleichen Gelübde thue ich alle Tage und halte keines davon; damit langen Sie also nicht aus. Jetzt merken Sie, ich gebe Ihnen noch einmal Gelegenheit. Ich trinke etwas mehr, und wenn Sie nicht sogleich Ihre Lippen an dieselbe Stelle des Bechers setzen, so bringe ich's Ihnen nie wieder.«

Marie setzte den Becher wieder an den Mund und trank ein wenig, während sie ihre Augen fest auf den Domine heftete, der sie mit aufgesperrten Nasenflügeln und krampfhaft zuckendem Gesichte beobachtete. Mit ihrem süßesten Lächeln reichte sie ihm den Becher; der Domine streckte die Hand etwas aus, zog sie wieder zurück, streckte sie abermals aus und nahm endlich das Glas. Marie siegte, und ich bemerkte den boshaften Ausdruck ihres Gesichts, als die Flüssigkeit in die Kehle des Domine hinabrann. Tom und ich wechselten Blicke. Der Domine stellte den Becher auf den Tisch, sah sich schuldbewußt im Kreise um, und erröthete bis über die Augen; aber Marie, welche gewahrte, daß ihr Sieg nur halb errungen war, legte die Hand auf seine Schulter, und bat ihn, sie den Grog noch einmal kosten zu lassen. Um ihn etwas zu beruhigen, ergriff ich selbst ein Glas; Tom that das Gleiche, und der alte Tom sprach mit mehr Rücksicht auf die Gefühle des Domine, als ich seinem ungebildeten Wesen zugetraut hätte, in ruhigem Tone: »Der alte Herr fürchtet den Grog, von wegen weil er mich einen Tropfen zu viel trinken sah, aber das ist kein Grund, warum der Grog nicht ein gut Ding sein sollte, und gesund, das heißt mit Mäßigkeit genossen. Ein Glas oder zwei ist sehr gut, und noch besser, wenn er von den Lippen eines hübschen Mädchens gewürzt wird, und selbst im Falle, daß der Domine kein Freund davon ist, so hat er doch zu viel von einem Gentleman, um seine Abneigung, einer Dame zu Gefallen, nicht aufzugeben. Um so größer ist das Verdienst; denn wenn er ein Freund davon wäre, so wäre es kein Opfer, das ist doch gewiß. Meint Ihr nicht auch so, alter Kamerad?« fuhr er fort, sich gegen Stapleton wendend, der schweigend seine Pfeife rauchte.

»Menschennatur,« versetzte Stapleton, die Pfeife aus dem Munde nehmend und unter den Tisch spuckend.

»Ganz richtig, Meister; und so trinke ich also auf Ihre Gesundheit, Herr Domine, und möge es Ihnen nie an einem hübschen Mädchen fehlen, um mit ihr zu sprechen, oder an einem Glas Grog, um auf ihre Gesundheit zu trinken.«

»O, der Domine kümmert sich nicht um hübsche Mädchen, Vater,« versetzte Tom; »er ist zu gelehrt und geschickt; er denkt an nichts, als an den Mond, an Latein und Griechisch, an die Philosophie und alles das.«

»Wer kann es errathen, was unter der Haut steckt, Tom? 's weiß Niemand, was ist, und was nicht ist – das beweist Sally's Schuh.«

»Hörte noch nie von Sally's Schuh, Vater – das ist mir was ganz Neues.«

»Hab' ich es dir nie erzählt, Tom? – Gut, so sollst du es jetzt hören – das heißt, wenn es der ganzen Gesellschaft recht ist.«

»O ja,« rief Marie, »bitte, erzählt uns.«

»Wollen Sie es auch hören, Sir?«

»Hörte noch nie von Sally Su, möchte wohl ihre Geschichte vernehmen,« versetzte der Domine; »beginne Freund Dux.«

»Gut also, Ihr müßt wissen, als ich an Bord der Terp-sy-chore war, da war ein Vortopmatrose, der hieß Bill Harneß, 's war ein guter Bursche, aber etwas bornirt im Oberwerk. Nun, wir waren mehrere Jahre auf der Jamaikastation, und kamen heim, und trieben 's lustig und waren guter Dinge, das heißt diejenigen, die noch von uns übrig waren, und brachten unser Geld durch auf eine teufelmäßige Weise. Bill Harneß hatte ein Weib, das war ganz vernarrt in ihn und er ganz vernarrt in sie, 's war aber eine Schlumpe, niemals ordentlich getakelt, es hing Alles nur so um sie herum; sie trat jeden Schuh nieder, und so hieß man sie nur die Schlappschuh-Sally, und der erste Lieutenant, der gar ein pünktlicher Mann war, konnte sie nie auf'm Verdeck sehen, denn Ihr müßt wissen, ihr Haar wickelte sie am Neujahrstag und so blieb's, bis das Jahr um war. Aber sei dem, wie ihm wolle, sie liebte Bill und Bill liebte sie, und sie lebten mit einander wie im Himmel. Im Ganzen kommt's nicht darauf an, ob ein Weib außen schön geputzt ist, das macht den Mann nicht glücklich, sondern nur darauf, wie's innen aussieht, das heißt, ob sie ein gutes Temperament hat, und ob sie gefällig und höflich und nachgiebig ist und so weiter. Nach den ersten paar Tagen denkt man nicht mehr an die Schönheit – die Augen werden matt, wie der Kapstan, wenn der Anker aufgewunden ist; aber was 'nem Mann gefällt, ist, daß ihn keine Kaprizen und keine Donnerwetter plagen. Gut, Bill war glücklich – aber eines Tages war er teufelmäßig unglücklich, von wegen weil Sally ihren einen Schuh verloren hatte, was kein Wunder war, wenn man daran denkt, daß sie immer in Schlappschuhen ging. ›Wer hat meines Weibes Schuh gesehen?‹ fragt er. ›Hol' der Teufel deines Weibes Schuh,‹ sagt Einer, ›er war nicht des Ansehens werth!‹ Er schrie wieder, ›wer hat meines Weibes Schuh gesehen?‹ ›Ich hab' ihn gesehen,‹ sagt ein Anderer. ›Wo?‹ sagt Bill. ›Ich sah ihn unten am Absatz,‹ sagte der Bursche. Aber Bill schrie immer um seines Weibes Schuh, der ihr wahrscheinlich vom Fuß gefallen war, wie sie in der Finsterniß auf der Vorschiffleiter hinauf stieg, um ein bischen frische Luft zu schöpfen. Kurz, Bill machte ein solches Wesen daraus, daß ihn die ganze Mannschaft auslachte und alle einander zuriefen: ›Wer hat Sally's Schuh gesehen‹ – ›Habt Ihr Sally's Schuh gefunden?‹ Und den ganzen Abend lief das Geschrei um, bis die Leute in ihre Hängematten gingen. Sally's Schuh kam aber nicht zum Vorschein. Am nächsten Morgen geht Bill auf's Hinterdeck und klagt dem ersten Lieutenant, wie daß Sally's Schuh verloren gegangen sei. ›Verflucht sei deines Weibes Schuh,‹ sagt der, ›hab' ich nicht genug zu thun ohne deines Weibes verwetterten Schuh, der keine zwei Pfennige werth ist?‹ Gut, Bill sagt, sein Weib habe nur noch einen einzigen Schuh, und der könne zwei Füße nicht trocken halten; er bittet daher den ersten Lieutenant, eine Nachsuchung anstellen zu lassen. Aber dieser dreht sich um, und sagt, er solle zum Teufel gehen, und die ganze Mannschaft verhöhnt den Bill, daß er so viel Lärm um nichts macht. Endlich geht Bill auf den ersten Lieutenant zu und will ihm etwas in's Ohr flüstern; der erste Lieutenant jedoch wehrt ihn mit seinem Sprachrohr ab, als nehme er sich zu viel heraus, daß er seinem kommandirenden Offizier etwas in's Ohr sagen will, und dann schickt er nach dem Profos. ›Köhler,‹ sagt er, ›dieser Mann hat seines Weibes Schuh verloren: laßt sogleich eine Nachsuchung anstellen und die Schiffsjungen alle Winkel durchsuchen. Wenn Ihr ihn findet, so bringt ihn mir.‹ Der Profos geht mit seinem Stock und ruft alle Jungen zusammen, um nach Sally's Schuh zu sehen – und sie durchstöbern das ganze Hauptdeck, gucken unter die Kanonen, unter die Hühnergatter, in die Schafhürden, und überall hin; und dann und wann bekommen sie eine kleine Aufmunterung mit dem Stock auf den straffen Theil ihrer Hosen, damit und daß sie recht scharf gucken sollen, bis sie Alle Sally's Schuh zum Klaus wünschten und Sally dazu und Bill hintendrein. Endlich gabelte ihn einer von den Jungen im Schweinstalle auf, wo er die ganze Nacht gelegen hatte, und von den Rüsseln der Schweine hin und her gestoßen wurde, denn sie fanden nichts Eßbares daran, wiewohl er nach Menschenhaut gerochen haben mag. Die Sache war, daß ihn derselbe Junge fand, der ihn aufhob, wie ihn Sally fallen ließ und ihn in's Vorderschiff geschleudert hatte. Der Schuh sah gar nicht darnach aus, als ob er all' des Lärmens werth wäre, aber deßwegen nahm ihn der Profos doch, trug ihn auf's Hinterdeck und legte ihn auf den Kapstankopf. Dann kommt Bill, nimmt den Schuh, geht mit vor den ersten Lieutenant, schneidet ihn auf, und zieht zwischen dem Futter vier Zehnpfundnoten heraus, welche Sally Sicherheit halber hineingenäht hatte; und der erste Lieutenant sagt zu Bill, er sei ein ausgemachter Narr, daß er sein Geld dem Schuh eines Weibes anvertraue, das immer so schlampicht einherkomme, und sagt ihm, er soll seinem Geschäft nachgehen und sein Geld ein andermal an einem sicheren Platz aufheben. Nachher wenn ein Ding besser war, als es aussah, sagte allemal die Mannschaft: 's ist, wie Sally's Schuh. Da habt Ihr die ganze Geschichte.«

»Gut,« sagt Stapleton, die Pfeife aus dem Mund nehmend; »und ich weiß eine Geschichte, die dieser viel gleich sieht; sie passirte mir, als ich auf dem Strome war und bei Scheerneß ein Schiff besorgte – denn damals, müßt Ihr wissen, hatte ich meinen Nachen dort, 's war ein altes Fünfzigkanonenschiff, hieß der Diamant, wenn mir's recht ist. Nun, der erste Lieutenant, der wie der Eurige, ein gar pünktliches Menschenkind war, geht einmal auf dem Hauptdeck herum, und findet ein altes Paar Segeltuchhosen, die unter der Lafette einer Kanone versteckt find. ›Wem gehören die?‹ ruft er. Kein Mensch gibt Antwort, dieweil sie alle wohl wissen, daß es so viel wäre, als vierzehn Tage auf die schwarze Liste. Auf das hin stupft sie der erste Lieutenant durch die Schießlucke hinaus, und sie treiben mit der Strömung fort, 's war ungefähr eine halbe Stunde darnach, daß ich mit der Milch an Bord komme, und ein Mann, Namens Will Heaviside, sagt zu mir: ›Stapleton,‹ sagt er, ›der erste Lieutenant hat meine Segeltuchhosen über Bord geworfen, und darum hole ihn der Teufel, ich muß sie wieder haben.‹ ›Aber wo sind sie?‹ sag' ich; ›vermuthlich gegenwärtig auf dem Grund, wo die Plattfische darin herumschnüffeln.‹ ›Nein, nein,‹ sagt er, ›die sinken nicht und bleiben flott bis in alle Ewigkeit; sie find mit der Ebbe hinunter und werden mit der Fluth wieder heraufkommen. Habt nur ein scharfes Auge darauf, ich geb' Euch fünf Schillinge, wenn Ihr mir sie bringt.‹ Gut; ich hatte wenig Aussicht, die Hosen zu finden, oder meine fünf Schillinge zu sehen; aber wie sich's so trifft, mit der Fluth kommen diese nämlichen Hosen herauf und fallen mir gerade in's Auge. Ich ziehe sie aus dem Wasser und trage sie zu Will Heaviside; der hat eine mächtige Freude und gibt mir das Geld. ›Hätte sie nicht für zehn, nein, nicht für zwanzig Pfund verlieren mögen,‹ sagt er. ›Auf jeden Fall habt Ihr mir mehr bezahlt, als sie werth sind,‹ sag' ich. ›Meint Ihr?‹ sagt er; ›aber da halten wir.‹ Er zieht sein Messer heraus, schneidet das Hosenpreis auf, zieht ein Stück Leinwand hervor, und aus dem Stück Leinwand kömmt eine Kindsblase zum Vorschein. ›So,‹ sagt er, ›jetzt wißt Ihr, warum die Hosen nicht sinken wollten, und nun urtheilt, ob sie nicht fünf Schillinge werth sind.‹ Das ist meine Geschichte.«

»Nun, ich sehe nicht ein, wie daß eine Kindsblase die Leute soll auf dem Wasser halten,« bemerkte der alte Tom.

»Auf jeden Fall aber kann man mit einer Blase Hier ein nicht übersetzbares Wortspiel zwischen Caul und Call, die im Englischen gleich ausgesprochen werden. Call heißt die Bootsmannspfeife, Caul das Ammon, welches, wenn es ein Kind auf dem Kopfe mit auf die Welt bringt, »Glückshaube« genannt wird. die Mannschaft schnell genug auf's Verdeck eines Kriegsschiffes blasen, Vater.«

»Das läßt sich nicht streiten, aber ich sprach von einer Kindsblase, nicht von einer Bootsmannblase, Tom.«

»Will Euch sagen, wie das ist,« versetzte Stapleton, der wieder zu rauchen angefangen hatte: »'s ist Menschennatur

»Was ist Ihre Meinung, Sir?« fragte Marie den Domine.

»Mädchen,« versetzte der Domine, seine Pfeife aus dem Mund nehmend, »ich meine, das ist ein gemeiner Volksirrthum. Sir Thomas Brown hatte, glaube ich, dieselbe Vorstellung; mancherlei und seltsam waren die Ausgeburten des Aberglaubens, die uns unsere weniger aufgeklärten Vorfahren hinterlassen haben, aber alle diese Nebel sind durch die siegreichen Strahlen der Wahrheit zerstreut worden.«

»Ganz recht; aber Herr, wenn ein solcher Volksirrthum im Stande ist, einen aus den Klauen Freund Hain's zu retten, ist's dann nicht am Platz, ihn in's Hosenpreis zu nähen?«

»Sicherlich, guter Dux, wenn es einen wirklich vom Tode rettet; aber wie ist das möglich? Es widerspricht den ersten Elementen der Wissenschaft.«

»Was macht's, – wenn es einen nur auf dem Wasser hält!«

»Freund Dux, du bist ein Obscurant.«

»Das mag wohl sein, denn ich weiß nicht, was das ist.«

»Aber, Vater, erinnert Ihr Euch nicht,« fiel Tom ein, »was der Pfarrer am letzten Sonntag sagte – daß der Glaube den Menschen rette? Nun, Herr Domine, könnte es nicht auch der Glaube an eine Kindsblase sein, der einen Menschen rettet?«

»Junger Tom, du bist astutus

»Das mag wohl sein, wie der Vater sagt, denn ich weiß nicht, was das ist. Sie schlagen uns alle wieder mit Ihrem Wörterbuche.«

»Nun, ich höre es gern, wenn die Leute so fremde Wörter bringen,« sagte Marie, den Domine anblickend. »Wie gelehrt müssen Sie nicht sein, Sir! Möchte wissen, ob ich solche Wörter je verstehen lernte?«

»Nun, wenn du willst, so will ich dich einweihen, süßes Mädchen – will eine Stunde stehlen, um deinen Geist mit der Saat der Gelehrsamkeit zu imprägniren, welche in einem so schönen Boden nothwendig gute Früchte bringen müßte.«

»Das ist ein schönes Wort, imprägniren,« sagte der junge Tom zum Domine, »wollen Sie es uns nicht übersetzen?«

»Es ist englisch, Tom, der alte Herr hat's nur 'n wenig zugeschnitten. Das dritte Linienschiff in dem Leeflügel der Kanalflotte führte achtzig Kanonen und hieß Impregnable, aber der alte Herr weiß mehr von Büchern, als von Seesachen.«

»Wunderbare Mißconception!« sprach der Domine.

»Da haben wir wieder ein anderes,« rief Tom lachend; »das muß ein Dreidecker sein. Kommt, Vater, da ist die Flasche, Ihr müßt ein neues Glas trinken, um es hinunter zu schwemmen.«

»Bitte, was bedeutet das lange letzte Wort, Sir?« sagte Marie, den Domine am Arm fassend, »Miß –«

»Das Wort,« versetzte Domine, »ist zusammengesetzt aus Conception, das aus dem Lateinischen entlehnt ist und so viel heißt als ›begreifen‹, und aus der Vorsetzsylbe miß, welche die Bedeutung verneint, oder umkehrt; Mißconception bedeutet also soviel, als › nicht begreifen‹. Ich kann Euch noch mit vielen andern Wörtern der Art bekannt machen, so zum Beispiel Mißverständniß, Mißgriff, Mißdeutung, Miß – «

»Hilf Himmel, welch eine Menge Miß,« rief Marie, »und die kennen Sie alle?«

»Ganz gewiß,« erwiederte der Domine, »und noch viele andere, die in meinem Gedächtniß aufgespeichert sind, quod nunc describere longum est

»Hatte keinen Begriff davon, daß der alte Herr den Mädels so nachstreicht,« sagte der alte Tom zu Stapleton.

»Menschennatur,« versetzte der Andere.

»Ich ließ mir's auch nicht träumen,« bestätigte Marie; »werde aber auch jetzt nichts mehr mit ihm sprechen.«

Dabei schob sie ihren Stuhl einige Zoll vom Domine weg.

»Mädchen,« sprach der Domine, »du mißkennst mich.«

»Wahrhaftig, noch eine Miß,« rief Tom lachend.

»Welch' ein alter Türke!« sagte Marie, noch weiter von ihm wegrückend.

»Nun denn, so will ich gar nicht mehr antworten,« sprach der Domine, unwillig seine Pfeife hinlegend. Dann lehnte er sich in seinen Stuhl zurück, zog sein großes rothes Taschentuch hervor, führte es an seine Nase und entlockte dieser einen Ton, bei dem die Fenster der kleinen Wohnstube mehrere Secunden lang erzitterten.

»Meister Tom, nimm dir nicht zuviel heraus mit Leuten, die besser sind, als du,« sagte der alte Tom, als er sah, daß sich der Domine beleidigt fühlte.

»Nun,« sprach der Domine, »'s gibt ein altes Sprüchwort, das heißt, ›wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen‹; warum hast du ihm das Beispiel gegeben?« –

»Haben ganz Recht, alter Herr, und ich bitte um Verzeihung. Da ist meine Hand darauf.«

»Und so auch ich, Sir; da ist gleichfalls meine Hand darauf,« sagte der junge Tom, seine Hand auf der andern Seite nach dem Domine ausstreckend.

»Freund Dux, und du, junger Tom, ich nehme gern die dargebotene Versöhnungshand an; denn ich weiß, daß, wenn auch viel Muthwillen in deinem Blut steckt, doch keine Bösartigkeit zu Grunde liegt.«

Der Domine schüttelte die dargebotenen Hände der beiden Tome mit Wärme.

»So,« entgegnete der alte Tom, »jetzt ist mein Herz leicht, wie der alte Pigtown sagte.«

»Ich kenne den Autor nicht, den du da anführst, guter Dux.«

»Autor? – habe nie gesagt, daß er ein Autor war; 's war nur der Kapitän eines Schooners, der zwischen den Inseln kreuzte, und an dessen Bord ich einige Wochen lang in Westindien war.«

»Ihr werdet also der gegenwärtigen Gesellschaft vielleicht die Umstände erzählen, welche stattfanden, um des alten Peptop's – (ich irre mich vielleicht im Namen) doch wie dem immer sei –«

»Pigtown, Herr.«

»Nun, denn – des alten Pigtown's Herz leicht zu machen – denn deine Erzählungen sprechen mich wunderbar an, guter Dux; die Zeit verstreicht dabei so angenehm hin.«

»Von Herzen gern, alter Herr; aber zuerst laßt uns unsere Gläser füllen. Ich weiß nicht, wie es kommt, aber mich dünkt, der Grog trinke sich besser aus Glas, als aus Metall; und wenn Tom nicht so achtlos wäre – und der Hund nicht vor zerbrechlichen Waaren eben so wenig Respekt hätte, wie vor Menschen, so würde ich auch ein paar Gläser an Bord führen zum besondern Gebrauche; aber ich will mir's überdenken und hören, was meine Alte dazu sagt. Nun zu meinem Faden. Also der alte Pigtown befehligte einen kleinen Schooner, der zwischen den Inseln kreuzte; er trieb dieß schon seine vierzig Jahre, und war so bekannt wie der Port-Royal-Tom.«

»Wer ist dieser Port-Royal-Tom?« fragte der Domine; »ein Verwandter von Euch?«

»Ich hoffe nicht, Herr, denn ich sehne mich nicht nach seiner Bekanntschaft; »'s war ein Haifisch von ungefähr zwanzig Fuß Länge; der hielt Wache im Hafen, auf daß Niemand von den Kriegsschiffen desertiren konnte, und bezog einen Gehalt von der Regierung.«

»Einen Gehalt von der Regierung? nein, aber das klingt seltsam. Ich habe gehört, daß man mit den Gehalten verschwenderisch umgeht, aber noch nie, daß man es soweit treibt. Wahrlich, das muß eine Sinecure gewesen sein.«

»Weiß nicht, was das ist,« versetzte der alte Tom, »aber ich hörte unsern Bootsmann auf der Minerva oft sagen – er sprach ein bischen gern von Politik – der sagte oft, wie daß die Hälfte von den Gehalten von einem Pack verdammter Haifische verschlungen werden; aber was diesen Haifisch betrifft, so bezahlte man ihn nicht mit Geld, Herr, sondern er hatte seine regulären Rationen Ochsenleber, um ihn zu bewegen, daß er im Hafen bleibe, und da durfte Keiner an's Land zu schwimmen wagen, wenn er zwischen den Schiffen kreuzte. Gut, der alte Pigtown, mit seinen weißen Hosen und weißem Strohhut, rother Nase und dickem Bauch, war so gut bekannt, als er sein konnte, und war ein Kapitalbursche, was das Ausrichten von Kommissionen und das Mahnen daran betraf – das heißt, vorausgesetzt, daß man ihm das Geld zum Voraus gab; denn wenn dieß nicht der Fall war, so trug er immer Sorge, sie zu vergessen. Der alte Pigtown hatte einen Sohn; er war ein bischen angeschwärzt, was bewies, daß seine Mutter nicht ganz so weiß war, wie eine Lilie; und dieser, sein Sohn, war angestellt auf einem Drogher – das ist ein kleines Fahrzeug, welches auf den Inseln von Bucht zu Bucht fährt und den Zucker für die Westindienfahrer holt. An einem schönen Tage wurde der Drogher in die See verschlagen, und man hörte nachher nichts mehr von ihm. Nun war der alte Pigtown sehr begierig, was wohl aus seinem Sohne geworden sein möge, und er wartete jeden Tag, daß er zurückkäme; aber er kam nicht, und zwar aus guten Gründen, das werdet Ihr seiner Zeit hören. Weil nun Jedermann den alten Pigtown kannte, und er kannte auch Jedermann, so wurde er wohl fünfzigmal des Tages gefragt: ›nun, Pigtown, habt Ihr nichts von Euerm Sohn gehört?‹ und fünfzigmal des Tags antwortete er: › nein, und 's macht mir 's Herz ganz schwer.‹ Gut, 's war zwei oder drei Monate nachher, daß ich bei ihm auf dem Schooner war; wir lagen unter Windstille zwischen den Inseln, die Sonne verbrannte unsere Perücken, und die Planken waren so heiß, daß man nicht barfuß d'rauf gehen konnte – da fingen wir einen großen Haifisch, der unter unsern Bug kam, zogen ihn an Bord und schnitten ihn auf. Wie wir sein Gedärmwerk öffnen, was sah ich? Nichts anderes, als etwas Glänzendes. Ich nahm's heraus, und was war's? eine silberne Uhr. Ich gebe sie dem alten Pigtown. Er betrachtet sie aufmerksam, öffnet das Gehäuse, liest den Namen des Meisters und macht sie wieder zu. ›Diese Uhr hier,‹ sagt er, ›gehörte meinem Sohn Jack. Ich kaufte sie von einem Burschen auf einem Südwalfischfänger um drei Dollars und eine Rolle Kautabak, und 's war eine sehr gute Uhr, ob ich gleich bemerke, daß sie gegenwärtig steht. Nun, Ihr seht also, 's ist jetzt Alles klar; der Drogher ging in einem Stoßwind unter. – Der Haifisch muß meinen Sohn Jack aufgeschnappt und seinen Leib verdaut haben, aber die Uhr hat er nicht verdauen können. So, jetzt weiß ich, was aus ihm geworden ist, und mein Herz ist wieder leicht.‹«

»Gut,« bemerkte der alte Stapleton, »ich halt's mit dem alten Poptown, oder wie er heißen mag: 's ist besser, das Schlimmste auf einmal zu wissen, als sein ganzes Leben lang in der Klemme gehalten zu werden. Ich schätze wohl, 's ist nichts als Menschennatur. Wenn Einer 'nen faulen Zahn hat, was ist's Beste? mit Einem Ruck 'raus, oder das ganze Jahr durch Tag und Nacht Qual?«

»Du sprichst weise, Freund Stapleton, und wie ein Mann von Entschlossenheit, – die Angst ist oft, wenn auch nicht immer, peinlicher, als die Wirklichkeit. Du weißt, Jacob, wie oft ich einen Knaben mit aufgeknöpften Hosen eine Stunde lang im Schulzimmer stehen ließ, ehe ich das Birkenreis applicirte – es geschah in der Absicht, den Eindruck auf sein Gemüth stärker zu machen, als den auf seine posterioria. Von allen Gefühlen in der menschlichen Brust ist die Spannung –«

»Schlimmer, als Hängen,« unterbrach ihn der junge Tom.

»Ganz gut, Junge (gluck, gluck), ein passender Vergleich, denn bei der Spannung hängen wir gleichsam in der Region der Zweifel, ohne den Fuß auch nur auf eine Muthmaßung setzen zu können. Ja wir können noch eine weitere Aehnlichkeit auffinden, obgleich sie nicht völlig so gut paßt, nämlich, daß der Krampf der Spannung den Athem des Menschen auf einige Zeit, das Hängen aber auf immer stockt, so daß man mit Wahrheit sagen kann, die Spannung wird durch das Hängen vollendet. (Gluck, gluck.)«

»Und nun, da Sie dieß Alles losgegeben haben, Herr, wie wäre es, wenn Sie Ihre Pfeife füllten?« bemerkte der alte Tom.

»Und ich will Ihr Glas füllen, Sir,« sagte Marie, »denn Sie müssen ganz trocken geworden sein bei den schweren Wörtern, die Sie gesprochen haben.«

Dießmal machte der Domine keine Einwendung, und hüllte Marie und sich wieder in eine Rauchwolke, durch welche seine Nase hervorschimmerte, wie ein Ostindienfahrer durch einen Kanalnebel.


 << zurück weiter >>