Hermann Marggraff
Fritz Beutel
Hermann Marggraff

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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Es kann darüber kein Zweifel sein, daß man in früheren Zeiten sowohl die Zähmungs- als die Reitkunst besser verstanden hat als heutzutage; denn bekanntlich ist der heilige Pachomius auf einem Krokodil aus der Wüste gen Alexandrien geritten. Das sollte auch der beste Reiter in unsern Tagen wohl bleiben lassen. Zum leichten Cavalleriedienst möchten sich übrigens die Krokodile, Nilpferde und Nashorne wohl zu keiner Zeit geeignet haben.

Fürst Pückler-Muskau.

Der Vicekönig hält auch einen Marstall und einen Harem, die beide mit den vorzüglichsten aus Kreuzung der Racen hervorgegangenen Exemplaren ausgestattet sind. Der allgemeinen Fütterung im Marstall wohnte ich bei, zu der im Harem wurde ich nicht zugelassen.

Derselbe.

Wer von meinen Lesern sich im Jahre 18.. in Cairo auf Besuch befunden haben sollte, wird sich erinnern, welches Aufsehen daselbst in jenem Jahre ein stattlicher Mann erregte, den auf seinen Gängen durch die engen und winkeligen Gassen der Stadt ein Nilpferd, ein Rhinoceros und ein Krokodil wie dressirte Hunde begleiteten.

Dieser Mann war kein Anderer als ich, und es konnte auch kein Anderer sein.

Daß ich mich zu jener Zeit in Cairo befand, weiß der Leser nun, aber noch nicht, wie ich dorthin kam; er weiß im Allgemeinen nur, daß ich vor der Pyramide in der lybischen Wüste einen gesattelten Strauß bestieg und auf ihm davon sprengte.

Der Strauß leidet in Folge der furchtbaren Hitze nicht selten an einer Krankheit, deren Endresultat ist, daß sich das Fleisch allmälig von seinen Knochen abblättert, mir nichts dir nichts, wie Blätterteig. Leider wurde mein Strauß während des Ritts von dieser eigenthümlichen Unpäßlichkeit befallen, doch ließ er sich davon nicht stören, sondern setzte seinen Trab gleichmäßig fort. Zuletzt war er nur noch ein bloßes Geripp, da er aber einmal im Schusse war, trug er mich weiter und weiter, bis mir endlich durch dunkles Sycomorengebüsch der Spiegel eines Flusses entgegenglänzte, der nach meiner Annahme kein anderer sein konnte, als der alte heilige Nil, und es auch war. Der Schimmel, der ihn längs seiner Uferwände bedeckte, bezeugte sein Alter. Hier hielt das Gerippe meines Straußes still, ich stieg ab und errichtete mir zwischen einigen Dattelpalmen ein Zelt und eine Hängematte, wozu ich das nöthige Material im Reisekoffer mit mir führte.

Es dauerte gar nicht lange, so versammelten sich vermöge der Anziehungskraft, welche ich auf die Thierwelt ausübte, Schaaren von Nilpferden und Rhinocerossen um mich und leckten mir die Hände, und zu Hunderten kamen die Krokodile an das Ufer und wechselten mit mir die freundlichsten Blicke. Ich erlaube mir hierbei die gelehrte Bemerkung, daß in der Gegend von Aegypten und Nubien die Urwelt gestanden haben muß; denn diese Ungeheuer sind offenbar nach dem Muster der urweltlichen Thiere angefertigt und ihre nächsten Nachkommen und Vettern.

Nach einigen Tagen brach ich von diesem Ruheplatz auf, indem ich ein sehr sauberes Rhinoceros als Reitpferd benutzte und mich außerdem von einem Nilpferde begleiten ließ, welches mir besondere Anhänglichkeit bewiesen hatte und mir überall hin folgte wie ein Hündchen. Die Krokodile versammelten sich um mich und vergossen die reichlichsten Thränen – zwar Krokodilsthränen, aber nicht in der gewöhnlichen gehässigen Bedeutung; denn sie stammten aus dem reinsten Gemüth. Ich warf ihnen mein ostindisches Taschentuch zu und sie trockneten sich damit ihre Thränen, indem sie es eins dem andern mit ihren Tatzen darreichten und so die Runde machen ließen. Während ich auf dem linken Nilufer vorwärts ritt, begleiteten sie mich noch eine lange Strecke, ja ein hübsches liebenswürdiges Krokodil, welches auf den Namen »Mimili« hörte, ließ sich nicht zurückweisen; es begleitete mich schwimmend, bis wir gen Cairo kamen. Es war ein Abkömmling jenes gefühlvollen Krokodils, auf dessen schuppigem Rücken sich der heilige Pachomius nach Alexandria tragen ließ, als er hierher kam, um die schöne Sünderin Thais fromm zu machen.

In Cairo fiel es mir allerdings wegen meiner sonderbaren Suite schwer, Unterkunft in einem Gasthofe zu erhalten. Endlich fand ich einen Gastwirth, der sich dazu verstand, nachdem ich von meinem Schuppenpanzer eine Reihe Goldpiaster abgebrochen und ihm für ein Vierteljahr die Miethe vorausbezahlt hatte. Auch später habe ich Alles, was ich verzehrte, mit den Goldpiastern bezahlt, die ich sofort von meinem Schuppenpanzer ablöste. Die Lücken, die dadurch entstanden, ersetzte ich (den Münzstempel hatte ich vorsichtigerweise aus Macomaco mitgenommen), mit falschen Goldpiastern, die ich selbst prägte, so daß mein Panzer immer vollständig blieb, und ich dadurch in den Geruch kam, ein Schwarzkünstler und Goldmacher zu sein. Zuweilen mag ich mich wohl vergriffen und ein unächtes Goldstück statt eines ächten ausgegeben haben; indeß geschah dies gewiß wider meine Absicht; denn ich bin ein rechtlicher Mann.

Mit meiner thierischen Begleitung brachte ich die ganze Stadt Cairo in Aufruhr; wo ich mich mit meinen Ungethümen sehen ließ, liefen die Kinder heulend, die Frauen die Hände ringend davon, und selbst die Männer suchten das Weite. Namentlich war es das Krokodil, dem sie aus dem Wege gingen; denn es machte so fürchterliche Augen, daß sich Jedermann vor ihm entsetzte.

Der Lärm darüber erreichte nach einigen Tagen einen Grad, daß es die Oberpolizeibehörde für nöthig erachtete, mich citiren zu lassen, unter der ausdrücklichen Verwarnung, daß ich ohne die Thiere erscheinen solle.

Der Polizeipräsident selbst war es, der mich ins Verhör nahm.

Mein Herr! fuhr er mich an, obschon Ihre Papiere nicht ganz in Ordnung sind, steht doch bei unsern nur allzuliberalen Grundsätzen Ihrem Aufenthalte in dieser Hauptstadt nichts im Wege; aber den Ungeheuern, die Sie mitgebracht haben, können wir keine Aufenthaltserlaubniß ertheilen. Niemand wagt mehr in Cairo auszugehen wegen dieser ganz und gar polizeiwidrigen Ungeheuer.

Ach, Sie beziehen sich auf meine kleinen Schooßhündchen, Herr Präsident! erwiederte ich. Darf man hier in Cairo keine Hunde halten?

Was, Hunde! brauste der Polizeichef auf, schöne Hunde das, diese Bestien!

Ich bitte, nicht so wegwerfend und beleidigend von meinen Hündchen zu sprechen, entgegnete ich in einem Tone, der seines Eindrucks auf den dicken und brutalen Polizeichef nicht verfehlte. Uebrigens will ich gern die hier gebräuchliche Hundesteuer bezahlen und zwar um soviel erhöht, als meine Köter größer sind als die gewöhnlichen Hunde.

Der Polizeichef grinste nach diesen Worten sehr freundlich, murmelte etwas mit den neben ihm sitzenden Unterchefs, die ebenfalls möglichst freundlich grinsten, und nun machten sie mir eine Hunderechnung, daß ich nicht nur meinen ganzen goldenen Schuppenpanzer bis auf die Drähte entleeren, sondern mir auch noch die beiden Piesackod'Ors von meinen Stiefeln abschnallen mußte. Glücklicherweise bestand bereits mein Panzer zur Hälfte aus falschen Piastern, auch hatte ich schon früher die gewiß nur zu billigende Vorsicht gebraucht, die beiden Piesackod'Ors von meinen Sporen durch nachgemachte zu ersetzen; denn die betrügerische Unersättlichkeit der Beamten in diesen Ländern war mir schon längst bekannt.

Nachdem dies geschehen, fragte ich: Nun haben meine Hunde doch die Erlaubniß, sich hier aufhalten zu dürfen?

Ja, im Hundestall gehalten zu werden, sagte trocken der Präsident, aber nicht, sich auf der Straße sehen zu lassen.

Das ist ja ganz orientalisch-ägyptische Justiz, rief ich entrüstet. Was haben Ihnen meine Hunde gethan? Sie haben noch Keinem so vielen Schaden zugefügt, als die hochlöbliche Polizei von Cairo Tausenden von Leuten, die sich hier ruhig ernähren wollten, von ihr aber aus der Stadt gewiesen und um ihre Existenzmittel gebracht wurden. Meine Hunde haben noch Keinen aus der Stadt herausgebissen, und nun will hochlöbliche Polizei sie herausbeißen. Wer ist da mehr Hund, meine kleinen Köter oder hochlöbliche Polizei?

Mein Herr! rief der Polizeipräsident, solche Beleidigungen gegen die Polizei von Cairo werden mit einer Strafe von 1000 Piastern gebüßt, die Sie morgen erlegen werden, widrigenfalls die sämmtliche bewaffnete Macht der Hauptstadt gegen Sie aufgeboten werden wird, um Sie sammt Ihren Ungeheuern zu verhaften. Wir haben hier so gewisse Vorrichtungen, um Raisonneurs wie Sie zu der Vernunft zu bringen, wie sie hier zu Lande vorgeschrieben ist.

Meinen Grimm hinunterschluckend begab ich mich hinweg, denn ich hatte keine große Lust, das Wortgefecht mit diesen brutalen Burschen weiter fortzusetzen; ich warf ihnen beim Abschiede nur einen so niederschmetternden Blick zu, daß sie sich vor Schreck aufs eiligste unter dem Tische verkrochen. Ich brütete nun über einem furchtbaren Plan; ich beschloß, an den Ober-Nil zurückzukehren, hier alle Nilpferde, Rhinocerosse und Krokodile um mich zu sammeln, soviel ich auftreiben konnte, und dann mit ihnen gegen die Stadt zu rücken, diese mit Sturm zu nehmen und die ganze Brut, die sie bewohnt, vom Erdboden zu vertilgen. Der Plan hatte gewiß etwas Großartiges, er sollte jedoch nicht zur Ausführung kommen.

Denn als ich Abends in meinem Hotel beschäftigt war, meinen Panzer wieder mit neuen Goldpiastern zu versehen (unter denen, beiläufig bemerkt, sich jetzt keine ächten mehr befanden, da ich den Rest der ächten in Verwahrung gebracht hatte, um nicht gänzlich ausgeplündert zu werden), als ich also mit dieser künstlichen und nicht wenig mühsamen Arbeit beschäftigt war, wurde mir der Secretär des Vicekönigs gemeldet, der mir den Auftrag überbrachte, mich folgenden Tages um 11 Uhr Vormittags zu dem Vicekönig zu verfügen, um eine Angelegenheit zu besprechen, die, wie der Secretär hinzufügte, ein für uns Beide hoffentlich erfreuliches Ergebniß haben werde. Da ich eigentlich schon längst gewünscht und beabsichtigt hatte, eine Audienz beim Vicekönig zu erhalten, so sagte ich unbedenklich zu.

Folgenden Tags Schlag 11 Uhr befand ich mich im Vorsaale des Vicekönigs und wurde auch unverweilt in sein Geheimcabinet eingelassen, während mehrere Gesandte europäischer wie afrikanischer Staaten genöthigt waren zu warten, was ihnen gar nicht sehr angenehm zu sein schien.

Der Vicekönig nickte mir freundlich zu, winkte mir, mich auf einen Divan niederzulassen und befahl, mir eine Tasse starken Kaffees und den Tschibuck zu bringen, wie das in jenen Ländern gebräuchlich ist. Nun that er erst einen Zug, dann ich einen, dann wieder er einen, dann wieder ich, und nachdem wir so etwa sechzig Züge abwechselnd und ohne zu sprechen aus der Pfeife gethan hatten, öffnete er den Mund, um mich zu fragen, welcher Nation ich angehöre?

Ich gehöre derjenigen Nation an, welche keine ist, Hoheit! erwiederte ich.

Eine Nation, welche keine ist! murmelte er, den Kopf schüttelnd; aha, jetzt weiß ich's; Sie sind ein Deutscher, mein Herr!

Allerdings, Hoheit! sagte ich, und ich habe alle Ursache, deshalb um Verzeihung zu bitten.

Ohne Zweifel sind Sie auch Schriftsteller, fuhr der Vicekönig fort, denn alle Deutsche, welche Aegypten besucht haben, waren Schriftsteller und kamen hierher, um ein Buch über Aegypten zu schreiben. Gewiß sind auch Sie in derselben Absicht hierher gekommen, und ich setze voraus, daß Sie mich und meine Regierungsweise gehörig herausstreichen werden. Mein Kaffee ist gut, mein Tabak ist gut, und was mich betrifft, so mache ich Ihnen ein so freundliches Gesicht, als es immer nur möglich ist. Sie werden diese Winke verstehen. Sollten Sie für deutsche Blätter correspondiren, so werde ich Ihnen mit Vergnügen dazu die nöthigen Materialien verschaffen. Ich will hoffen, daß es Ihnen in Cairo gefällt.

Außerordentlich, wenigstens in Ihrer Gesellschaft, Hoheit! sagte ich. Und nun erzählte ich ihm meinen Conflict mit der obersten Polizeibehörde.

Entrüstet fuhr der Vicekönig auf. Beim Propheten! rief er, das ist empörend! Man soll Ihnen Abbitte leisten! Diese Leute sind geschworne Feinde aller genialen Männer, aller aus der Art schlagenden Erscheinungen. Und ich will Ihnen nur gestehen, daß ich gerade wegen Ihrer gezähmten Ungeheuer Sie zu mir bescheiden ließ. Würde es Ihnen schwer fallen, diese liebenswürdigen Geschöpfe, von denen ich so vieles Interessante gehört habe, mir zu überlassen?

Ich trenne mich sehr ungern von ihnen, denn ich habe sie lieb gewonnen. Wenn ich Ihnen jedoch einen Gefallen damit erzeigen kann, Hoheit, so stehen Sie Ihnen zu Diensten.

Oh, ich verlange sie nicht umsonst, sagte der Vicekönig. Ich überlasse Ihnen dafür drei Weiber aus meinem Harem, die ich ausrangirt habe.

Der Mund wässerte mir. Zwar ausrangirt, aber doch Weiber aus des Vicekönigs Harem! Der Harem eines Vicekönigs von Aegypten, dachte ich mir, wird doch ohne Zweifel die schönsten Perlen des Morgenlandes bergen, und selbst die Perlen, die er wegwirft, werden noch gut genug sein für Unsereinen. Der Handel schien mir nicht übel.

Ich erklärte mich bereit, auf den Tauschhandel einzugehen, worauf er bemerkte, er habe eins der Weiber zur Probe im Nebengemache und werde dasselbe sogleich herbeirufen. Er pfiff und sofort öffnete sich die Thür des Nebenzimmers, und ein verschleiertes Frauenzimmer trat ein, das auf sein Geheiß den Schleier zurückschlug, um mir ihr Gesicht zu präsentiren.

Jemand, der bei wolkenlosem Himmel vom Blitz erschlagen wird, kann davon nicht so überrascht sein als ich bei dem Anblick dieser Person – denn sie war keine andere, als meine frühere Ehehälfte oder besser Eheviertel, Beate Regina Cordula Veronica, die Erbschulzenstochter aus Schnipphausen. Auch sie stand wie versteinert und starrte mich mit gläsernen Augen und offenem Munde an.

Diese Zeichen der Ueberraschung mochte der Vicekönig auf ganz andere Gefühle deuten, denn er fuhr ganz ruhig fort: Dieses Weib hat meinen Erwartungen nicht entsprochen, ich habe sie nicht wegen ihrer Jugend und Schönheit, denn Beides fehlt ihr, sondern wegen ihrer Corpulenz in meinen Harem aufgenommen; ich beabsichtigte, sie der Curiosität wegen zu einer Art Monstrum aufzufüttern; ich habe mich dieses Experiment etwas kosten lassen; aber es war Alles vergebens. Statt noch mehr zuzunehmen, magerte sie von Monat zu Monat mehr ab, indem sie behauptete, an einer Krankheit zu leiden, die man bei ihr zu Lande das Heimweh nennt; denn sie ist eine Deutsche. Eine Landsmännin wird Ihnen doppelt willkommen sein, Herr Beutel! Ich trete sie Ihnen mit Vergnügen für Ihr zahmes Krokodil ab!

Dieses treulose verrätherische Krokodil, rief ich entsetzt, für mein liebes gutes Krokodil, das mir so anhänglich ist? Nein, Hoheit, bei einem solchen Tausch würde ich zu sehr im Nachtheil sein.

Kaum hatte ich diese harten Worte ausgesprochen, als Beate in Thränen und in ein krampfhaftes Schluchzen ausbrach. Gegen Weiberthränen bin ich widerstandslos; ihr Anblick rührte mich, und ich sagte:

Hoheit, dieses Weib da nannte ich vordem meine Gattin!

Wäre es möglich? rief der Vicekönig. Ja, lieber Herr Beutel! das ändert die Sache; da muß ich Sie wohl allein lassen, um die Freude des Wiedersehens, die mir freilich nicht allzugroß zu sein scheint, nicht zu stören. Jedenfalls werden Sie wünschen, sich mit Ihrer ehemaligen Frau auszusprechen.

Der gutmüthige alte Herr begab sich nach diesen Worten hinaus, und ich stand der Person, die ehemals die Ehre gehabt hatte, sich meine Gattin nennen zu dürfen, allein gegenüber. Ich suchte zur Herrschaft über meine tumultuarischen Gefühle zu gelangen und sagte:

Beate, müssen wir uns so und an dieser Stelle wiedersehen? Wie kommst du hierher? Bist du deinem Manne, dem Prinzen Knitschogarsk, oder ist er dir entlaufen?

Ach, rief sie, der Schwindler! Denke dir nur, Fritz! Als wir eine Zeitlang verheirathet waren, mußte ich zu meinem Entsetzen wahrnehmen, daß er den Thran, der den Soldaten geliefert wurde, um ihre Stiefel geschmeidig zu machen, alle Morgen früh selbst mit größter Begierde hinunter schlürfte. Zuletzt wollte er mich zwingen, das Gleiche zu thun. Er versicherte, es gäbe kein köstlicheres Labsal als Thran, und er bestand mit Hartnäckigkeit darauf, daß ich mich bei Zeiten an diesen Nahrungsstoff gewöhnen solle; denn bei ihm zu Hause gebe es zum Frühstück, zum Mittag und Abendbrod nichts als Fisch, und zur Abwechselung auch wohl Seehundsthran. Dies war mir zu stark; ich sah mich in meinen schönsten Hoffnungen betrogen, aufs empörendste getäuscht, schiffte mich eines Morgens in Algier auf einer ägyptischen Feluke nach Alexandrien ein, gerieth hier in die feingelegten Schlingen eines Sklavenhändlers und so in den Harem des Vicekönigs, der mich gut behandelte, aber mich, des dir bekannten Experiments wegen, mästen wollte, wie man in Pommern eine Gans mästet. Diese Entwürdigung ging mir zu Herzen; ich fühlte mich einsam und verlassen; mit den ungebildeten orientalischen Haremsweibern war einer Person von meiner Bildung jede Unterhaltung unmöglich; das Heimweh ergriff mich und zehrte mich so ab, daß es mich nur wundert, wie du mich sofort doch wieder erkanntest. O Fritz, ich verspreche dir, ich will jetzt eine ganz ordentliche Person werden; bringe mich nur nach Schnipphausen zurück; ich habe weiter keinen Wunsch, keine Hoffnung mehr!

Du hättest aber doch deinen Mann nicht verlassen sollen, trotz des Thrans, bemerkte ich in väterlichem Tone.

O, sagte Beate hierauf, darüber brauche ich mir nicht die geringsten Gewissensbisse zu machen. In Alexandrien erzählte mir ein alter Bekannter von der Fremdenlegion –

Ach so – ein alter Bekannter! warf ich dazwischen.

Oder ein junger, wenigstens einer in seinen besten Jahren, fuhr Beate fort. Nun, der erzählte mir, die erste Frau des Prinzen Knitschogarsk sei noch am Leben, habe ihn reclamirt und bei den Gerichten zu Algier wegen Bigamie verklagt. Knitschogarsk habe nun erklärt, wie er nicht glauben könne, daß die Kax noch am Leben sei, denn er habe sie mit eignen Augen im »Werther«, da wo er am tiefsten sei, nämlich zwischen Seite 100 und 200, untergehen und sich in den Tiefen der Dichtung verlieren sehen, worauf ihm jedoch bemerkt wurde, ein Goethe-Interpret habe sich mit der Taucherglocke in den »Werther« hinabgelassen und die ganz und gar im Buche Versunkene wieder heraufgeholt.

Knitschogarsk ist ein Flunkerer und Schwindler, bemerkte ich hierauf; da es mir jedoch in meiner Kindheit mit dem Robinson ganz ähnlich gegangen ist, so weiß ich keinen Grund, weshalb ich diesen allerdings merkwürdigen Fall nicht für möglich halten sollte.

Währenddem war mein guter dicker Vicekönig wieder hereingetreten, worauf Beate nach Art der Haremsweiber ihre Arme über der Brust kreuzte, sich verbeugte und in das Nebenzimmer zurücktrat. Auf sein Verlangen mußte ich nun dem Vicekönig über mein Verhältniß und meine Erlebnisse mit Beate berichten, worüber er in ein so herzliches Lachen ausbrach, daß ihm der Bauch schütterte. Allah ist groß, rief er am Schlusse meiner Erzählung, und die Schicksale der Menschen sind wunderbar! was ich ihm nur bestätigen konnte.

Plötzlich wurde er ernst und sagte: Sie sind nicht der, der Sie hier scheinen wollen; ich habe bisher Ihr Incognito geachtet, aber ich weiß recht gut, daß Sie Sr. Durchlaucht der Fürst von Quiquamqui sind, dessen Heldenthaten gegen die Nebus ganz Mittelafrika mit ihrem Schalle erfüllen. Sie sollten sich mir gegenüber doch ja nicht geniren! Allah ist groß! wie ich mir schon erlaubte zu bemerken, und ich glaube, Sie sind nicht viel kleiner. Es würde mir zur höchsten Freude gereichen, wenn Durchlaucht – natürlich gegen ein angemessenes Gehalt – in meine Dienste treten und den Oberbefehl über meine Landmacht übernehmen wollten. Die orientalische Frage wird immer verwickelter und nimmt von Tage zu Tage größere Dimensionen an. Ich glaube, daß Durchlaucht von der Vorsehung bestimmt sind, in dieser Frage eine wichtige entscheidende Rolle zu spielen, und ich bin fest überzeugt, daß Sie dem Schicksal unter die Arme greifen würden, wenn Sie sich entschließen könnten, in meine Dienste zu treten. Ueberlegen Sie sich mein Anerbieten, Fürst von Quiquamqui!

Ich drückte ihm meine Ueberraschung, wie meinen Dank für sein ehrenvolles Anerbieten aus, blieb jedoch auf meinem einmal gefaßten Entschluß bestehen, für jetzt in Begleitung Beatens nach meiner Heimath zurückzukehren.

Wunderliche Leute seid ihr Deutschen doch, bemerkte hierauf der Vicekönig; ihr klagt, daß ihr kein Vaterland habt, und doch sehnt ihr euch nach diesem Vaterland, welches doch keins ist, immer wieder zurück. Aber nicht wahr, Sie versprechen mir, sobald Sie es möglich machen können, wieder hieher zurückzukehren? Ich habe in Ihnen den Mann erkannt, der fähig ist, die Krokodile meines Landes auf eine höhere Stufe der Civilisation zu erheben und meinen Nilpferden und Rhinocerossen eine geachtetere sociale Stellung zu verschaffen.

Nachdem ich ihm dies beim Barte des Propheten und da dies ihm nicht genügte, bei meinem eigenen zugeschworen, ihm auch einige sehr wichtige Fingerzeige in Betreff der orientalischen Frage gegeben hatte, verabschiedete ich mich von ihm, um die nöthigen Vorbereitungen zur Abreise zu treffen.

In meinen Gasthof zurückgekehrt, ließ ich es meine erste Sorge sein, dem Vicekönig meine Thiere unter Aufsicht eines verläßlichen Mannes zuzuschicken. Sie dauerten mich, denn die Thiere waren sehr gerührt und ließen den Kopf hängen und »Mimili«, das Krokodil, vergoß auf dem ganzen Wege einen Strom von Thränen. Indeß den höheren politischen Zwecken müssen alle Privatsympathien weichen.

Eine halbe Stunde darauf erschien ein Cawaß oder Sendbote des Vicekönigs, und überbrachte mir ein prachtvolles Reitpferd aus dessen Marstall, eine Kassette mit Piastern gefüllt und den höchsten Orden des Landes. Eine halbe Stunde später ließ sich eine Deputation von Stadträthen melden, die mir das Diplom als Ehrenbürger der Stadt überreichte. Noch eine halbe Stunde später, und es erschienen die Spitzen der städtischen Polizei, um mir Abbitte zu leisten und mir das Geld, um das sie mich übervortheilt hatten, zurückzuerstatten. Die Rückzahlung geschah in ehrlichen ägyptischen Piastern, was mir sehr lieb war, aus Gründen, die dem Leser nach dem Vorhergegangenen einleuchten werden.

Eine Ehrenescorte begleitete mich bis Alexandrien. Es lag mir sehr wenig daran, die ganze Seereise in Begleitung meiner ehemaligen Frau zu machen; ich bestieg also ein nach Neapel bestimmtes Segelschiff, während Beate mit einem am folgenden Tage abfahrenden Lloyd-Dampfer nach Triest absegeln sollte. Ich selbst löste ihr ein Billet und überreichte es ihr in Begleitung einer wohlgefüllten Börse. Sie wollte mir dafür mit einem Kusse danken, ich aber erklärte, davon keinen Gebrauch machen zu können. Damit schieden wir.


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