Hermann Marggraff
Fritz Beutel
Hermann Marggraff

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Zwölftes Kapitel.

Die Eskimos sind ein Volk, welches leichter als die Deutschen in den Fall kommt, in den Thran zu treten.

Karl Ritter.

Es ist recht schlimm, daß sie Prinzessin ist –
Die Leonore mein' ich, lieber Tasso!
Wenn sie ein Mädchen wär' aus niederm Stand,
Das sich mit Sticken, Flicken oder Stricken
Ihr Brod verdiente, ja, dann rieth ich selbst:
Greif zu, mein Tasso!

Goethe's Torquato Tasso.

Nach kurzer Wanderung erblickte ich eine kegelförmige Anhöhe, die ich erstieg, um eine Umschau über das Gelände zu halten. Auf dem Gipfel angelangt, empfand ich eine angenehme Wärme und erblickte mich am Rande eines Kessels, in dessen Innerm eine kleine Flamme brannte. Lange hatte kein Feuer meine gefrornen Gebeine erwärmt, und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mich in den Schlund des kleinen Vulkans herabzulassen, um auf einem großen Felsblocke meinen Sitz aufzuschlagen und mich ein wenig zu wärmen.

Es war hier ganz behaglich, und ich beschloß den arktischen Winter hier zuzubringen, wobei mir der Block zugleich als Kochherd dienen sollte, da die Flamme an der einen Seite desselben unmittelbar am Rande hervorschlug. Zwar war mir in dieser höchsten Nordregion seit einigen Tagen schon kein lebendes Geschöpf mehr zu Gesicht gekommen; aber ich hatte mich für diesen Fall vorgesehen und in der innern Seite meines Eisbärenpelzes Säcke und Taschen in großer Zahl angebracht und sie auf dem Schiffe, ehe ich es verließ, mit Speisevorräthen allerlei Art gefüllt, so daß ich mich mit Recht als eine wandelnde Speisekammer betrachten durfte. Auch einiges Geflügel, das ich in den ersten Tagen meiner Wanderung erlegt hatte, befand sich darunter, durch den Frost wohl conservirt. Bei sparsamer Eintheilung konnte ich mit Recht darauf rechnen, den Winter über auszureichen.

Es ist so schön, wenn man nach langem Umherschweifen wieder an einem Herde sitzt, den man sein nennen kann. So war auch mir zu Muthe, und ich pflog sofort mit mir »Unterhaltungen am häuslichen Herd«, welche Gutzkow, dem ich sie später mittheilte, die erste Anregung zu seinem unter diesem Titel laufenden Journale gegeben haben.

Indeß hatten die ungewohnte Wärme und der unablässige heiße Qualm auf meine Gebeine, deren Mark ohne Zweifel bereits in Schnee verwandelt sein mußte, eine eigenthümliche Wirkung. Nach einem ziemlich reichlichen Mahle versank ich in Betäubung, in eine Art Halbschlaf, ich fühlte wie ich mich, gleich den Bären im Winterschlaf, auf meinem Felsblock unwillkürlich zusammenkrümmte. In dieser Stellung lag ich da, Monate lang; nur zuweilen wurde mein Schlaf von Momenten eines aufdämmernden Bewußtseins unterbrochen, das aber bald wieder erlosch. Ich weiß nicht, ob es so sich wirklich verhielt oder ob ich nur davon träumte: kurz ich glaube während meines Winterschlafs an meinen eigenen Tatzen wie ein echter Bär gesogen zu haben. Ich will das zwar gerade nicht behaupten, aber auch nicht in Abrede stellen, wenn ein Gelehrter behaupten sollte, daß es so der Fall gewesen.

Ein entsetzlicher Stoß weckte mich plötzlich auf, ich fühlte mich, indem ich mir verwundert die Augen rieb, unter donnerähnlichem Getöse emporgehoben und mit dem Steine, auf dem ich saß, hoch in die Luft geschleudert. Der Vulcan hatte explodirt und zwar mit so furchtbarer Gewalt, daß ich mit dem Felsblock wohl hundert Stunden weit nach Süden fortgetragen wurde. Hier fiel mein Flugwerk, der Block, auf einer abschüssigen Schneeebene nieder, auf der ich wohl wieder hundert Stunden weit mit erstaunlicher Schnelle rutschend hinunterglitt, denn der Schnee war festgefroren wie Eis.

Jenseits des unermeßlichen Schneefeldes angekommen, erblickte ich mich in einer etwas minder rauhen Gegend, ja wer beschreibt mein Erstaunen, in der unmittelbaren Nähe eines Eskimodorfes. Der arktische Sommer war inzwischen angebrochen; die Sonne stand am Himmel und hatte sogar schon ganze Streifen Landes vom Schnee bloßgelegt. Ich schritt lustig auf das Dorf los und fand mich bald von einer Schaar klein gestalteter, wunderlich in Rennthierfelle gekleideter Eskimos umgeben. Sie machten auf mich Jagd und suchten mich einzufangen, weil sie mich für einen leibhaftigen Eisbären ansahen. Ich schlug das Bärenhaupt wie eine Mönchskaputze zurück, um mich in meiner menschlichen Gestalt zu zeigen; ich rief ihnen auf deutsch zu: Leute, kennt ihr mich nicht? Ich bin ja der Fritz Beutel aus Schnipphausen! Aber sie fuhren in ihren drohenden Bewegungen fort, indem sie unablässig Kax, Kax! und dann wieder Kux, Kux! riefen. Bald merkte ich, daß diese armseligen Creaturen in ihrer Sprache nur diese beiden Worte hatten, und meine Situation begreifend, rief ich mit ihnen zur Wette Kax, Kax! und Kux, Kux!

Die Eskimos, offenbar erstaunt und erfreut darüber, daß ich ihre Sprache so schnell weghatte, nahten sich mir nun freundlich, begrüßten mich, indem sie mit ihrer Nasenspitze die meinige berührten, und reichten mir zur Besiegelung ihrer Freundschaft ein Gefäß mit Thran, den ich, grimmige Grimassen schneidend, hinunterschluckte, um es mit ihnen nicht zu verderben. Wir wanderten nun gemüthlich und kameradschaftlich dem Dorfe zu.

Ehe ich in meiner Erzählung fortfahre, will ich einige den deutschen Gelehrten ohne Zweifel sehr willkommene Notizen über diesen am weitesten nach Norden vorgeschobenen Vorposten des Menschengeschlechts mittheilen. Der Stamm der Eskimos, unter den ich gerathen war, heißt die Kuxusen, und führt den Namen daher, weil diese Leute für alle Dinge, Personen, Oertlichkeiten und Begriffe nur jene beiden Worte Kax und Kux haben. Kax bedeutet alles Helle, Freudige, Gesunde, Lebendige, Farbige, Kux alles Dunkele, Traurige, Kranke, Todte und Farblose; Kax bedeutet Licht oder Tag, Kux Finsterniß oder Nacht, Kax Schönheit, Kux Häßlichkeit, Kax Tugend, Kux Laster, Kax Gesundheit und Leben, Kux Krankheit und Tod, Kax Reichthum, Kux Armuth, Kax unverdorbenen, Kux verdorbenen Thran, Kax frische, Kux faule Fische. Hier zwei Conversationsproben. Zwei Kuxusen begegnen einander. Erster Kuxuse: Kax (d. h. es freut mich Sie bei guter Gesundheit zu sehen); zweiter Kuxuse: Kux (d. h. nicht so ganz, leider habe ich Kopfweh); erster Kuxuse: Kux (d. h. bedauere; Kopfweh ist eine üble Angewohnheit; wie haben Sie sich's zugezogen?); zweiter Kuxuse: Kux (d. h. ich habe gestern zu Mittag Fische gegessen, die leider faul waren, und keinen Nordhäuser darauf gesetzt); erster Kuxuse: Kax (d. h. damit kann ich Ihnen dienen; nehmen Sie hier einen Schluck!); Zweiter, indem er aus der ihm dargereichten Flasche einen Schluck thut, und dann wieder einen und dann noch einen: Kax (d. h. ei, der ist von vortrefflicher Qualität); Erster: Kux (d. h. zum Henker! der Mensch läßt ja keinen Tropfen darin!). Oder ein kuxusischer Jüngling trifft eine kuxusische Jungfrau auf der Straße und es entspinnt sich folgendes Gespräch. Jüngling: Kax (d. h. etwa: schönes Fräulein, darf ich wagen, Arm und Geleit Ihnen anzutragen?); Jungfrau: Kux (d. h. etwa: Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehen); Jüngling: Kux (d. h. Sie zerreißen mein Herz; seien Sie nicht so grausam); Jungfrau: Kax (d. h. grausam will ich nicht sein; aber bitte, sprechen Sie recht bald mit meiner Mutter!) Jüngling (für sich): Kux (d. h. da bin ich in eine schöne Geschichte gerathen). Die Braut redet ihren Verlobten an: Kax! (d. h.: Angebeteter! oder süßes Leben! oder Herz meines Herzens!); nach ihrer Verheirathung schilt sie ihn: Kux! (d. h. Lump! oder Faullenzer! oder Tagedieb!). Diese wenigen Proben werden genügen, um von der Grammatik der Kuxusensprache einen Begriff zu geben. Wie es hiernach scheint, würde es den Missionären nur wenig Mühe machen, die Bücher der heiligen Schrift in die Landessprache dieses Völkleins zu übertragen, da ja die Uebersetzung aus lauter Kaxen und Kuxen zu bestehen haben würde. Aber man darf nicht vergessen, daß die Eingebornen in diese zwei einfachen Worte durch Dehnung, Kürzung, Schärfung, Dämpfung oder Verstärkung eine unendliche Menge durch Regel und Gebrauch festgestellter Nüancen zu legen wissen. Kux, in einem gewissen Tone und mit einem gewissen Accente ausgesprochen, enthält vielleicht nur einen sehr harmlosen Scherz; anders accentuirt und ausgesprochen dagegen eine Injurie, für die der Beleidigte seinen Beleidiger beim obersten Landesgerichtshof belangen oder ihn auf einen Gang scharfgeschliffener Eiszapfen fordern darf.

Die Kuxusen tragen nämlich an ihrer Seite statt der Degen mehrere Fuß lange Eiszapfen, die sie durch künstliche Mittel so zu verdicken und zu verhärten wissen, daß sie selbst im Sommer nicht schmelzen und gegen nicht allzuharte Gegenstände angewendet einigermaßen den Dienst einer Waffe verrichten. So sind auch die Spitzen der Spieße und Pfeile aus Eis verfertigt. Man wählt dazu recht alte Eiszapfen, wie sie von Gießbächen und Wasserstürzen gebildet, an den Felsen des Landes hängen, oft in der Stärke und Dicke eines Mannesschenkels und nach dem Muster des meinigen. Man kann in allen Reisebeschreibungen, welche von den arktischen Regionen handeln, von dem ewigen Eise lesen, welches sich dort befindet. Es ist also logisch, daß ewiges Eis auch nicht im Sommer schmilzt, obschon man allerdings in den dortigen Gegenden der größeren Vorsicht wegen im Sommer entweder nur im Schatten kämpft, zu welchem Zwecke jeder Krieger einen Sonnenschirm mit sich führt, um dahinter die Eiswaffe zu verbergen, oder das Kriegführen lieber ganz bleiben läßt. Man spricht daher dort in militärischer Hinsicht von Sommerquartieren, wie man bei uns von Winterquartieren spricht oder wenigstens zu einer Zeit sprach, wo man noch nicht so grausam dachte, die Soldaten den Kampf mit den Elementen selbst bestehen zu lassen, wie dies jetzt geschieht. Ich muß bemerken, daß das Eis im Kuxusenlande ein sehr wohlfeiler, Holz und Metall dagegen ein sehr theurer Artikel ist. Die Garde der Kuxusen führt übrigens Spieße und Pfeile, deren Spitzen aus Splittern der Seehundknochen verfertigt werden.

Ueberhaupt könnte der Kuxuse ohne den Seehund gar nicht bestehen. Aus seinem Felle bereitet er seine Kleidung wie seine Zelte, aus seinen Sehnen verfertigt er Zwirn, aus seinen Knochen drechselt er allerlei kunstvolle Gegenstände und Hausgeräthschaften, mit seinem Thran versorgt er sein Nachtlämpchen, mit seinen Knochenüberresten speist er das Herdfeuer und als Fenster bringt er in oval zugeschnittenen Oeffnungen die Augenhäute des Thieres an, die dazu in eigenthümlicher Weise zubereitet und gegerbt werden. Der Seehundsthran dient theils zur Erleuchtung, theils ist er bei den Kuxusen Nationalgetränk wie das Bier bei den Deutschen, und mit Talg vermengt, bereitet man daraus ein sehr schönes Gebäck, welches Wind und Wetter trotzt und wie man sogar im Conversationslexikon lesen kann, Pemmikan genannt wird. Ich vermuthe wenigstens, daß dieser kuxusische Kuchen sehr vortrefflich schmeckt, denn die Kuxusen und die Kuxusinnen machten, wenn sie ihn aßen, immer ganz eigenthümlich vergnügte, ich möchte sagen verliebte Gesichter, gerade wie die Leipziger, wenn sie sich im großen oder kleinen Kuchengarten an einer Portion Streuselkuchen gütlich thun. In solchen Augenblicken hätte ich wetten mögen, ich befände mich unter einem Trupp junger Leipziger Dandies und ihrer Schönen, die für Kuchen Alles wagen und thun. Was mich betrifft, so habe ich den Pemmikan, so oft ich auch von liebenswürdigen Kuxusinnen dazu eingeladen wurde, niemals berührt; er war wider meine Natur. Ich versicherte den Schönen, daß ihr reizender Anblick mich vollkommen gesättigt habe, und sie waren von diesem Compliment stets außerordentlich bezaubert. Sie konnten mir nicht oft genug Pemmikan anbieten, um nur recht oft dies Compliment zu hören. Ich sprach dann das Kax mit jener Weichheit aus, die dazu gehört, um den Kuxusinnen klar zu machen, was ich damit sagen wollte. Nur dies eine muß ich noch bemerken, daß das Wort Pemmikan aus der allgemeinen Eskimosprache in die Sprache der Kuxusen übergegangen, mithin eine wesentliche Bereicherung der Kuxusensprache ist. Bei feierlichen Gelegenheiten wird dazu möglichst viel Nordhäuser, eine Sorte starken gebrannten Wassers, getrunken. Es ist zwar nicht der gewöhnliche Nordhäuser, aber ich nannte ihn so, weil wir doch hier so recht im Norden hausten.

Ich hatte sehr bald Gelegenheit durch den Augenschein zu erfahren, was die Eiswaffen der Kuxusen in militärischer Anwendung werth sind. Die Kuxusen lagen gerade im Kriege mit den Gurkchusen, einem mehr südlichen Eskimostamme. Es fand ausnahmsweise ein Sommerfeldzug statt, und unser Dorf, die Hauptstadt des Landes, erwartete einen Ueberfall. Man hatte mir das Vertrauen geschenkt, das ich verdiene, und mir die Anordnung der Vertheidigungsanstalten übertragen. Ich ließ nun große mächtige Schnee- und Eiswälle um das Dorf aufwerfen, Schießscharten darin anbringen und Bastionen aufwerfen, die einander deckten, ich ließ Eiskanonen und Eiskugeln, die für diese Geschütze bestimmt waren, anfertigen, ich ließ eine große Zahl Schneemänner auf den Eiswällen aufrichten und mit Pelzen aus Seehundsfell und Pelzmützen versehen, damit der Feind sie für lebende kuxusische Krieger und uns für stärker halte als wir wirklich waren; endlich errichtete ich eine Schwadron Kuirassiere, die mit Eiskeulen bewaffnet und mit Eispanzern und Eishelmen versehen waren und auf einer Gattung Bisamochsen ritten, welche in jener Gegend heimisch ist. Und so erwarteten wir den Angriff.

Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten. Die Gurkchusen rückten an, zwar auch meist nur mit Eisspießen, dann aber auch mit Schwertern aus Seehundsknochen bewaffnet, und drei- oder viermal an Zahl den Unsrigen überlegen. Ich ließ nun einen Theil unserer Mannschaft einen Ausfall aus unserm Sebastopol machen, obschon, ehrlich gestanden, im Grunde nur, um zu sehen, wie es bei einem solchen Kampfe der Eskimos Mann gegen Mann hergehe. Die Eispfeile und Eislanzen thaten freilich den Leibern weniger als den Pelzen Schaden, worauf auch die Bulletins vorzüglich Rücksicht nehmen, indem es z. B. in diesen heißt: »Den Feinden wurden in dieser denkwürdigen Schlacht zwölf Pelze beschädigt und sechs gänzlich unbrauchbar gemacht.« Kurz, nachdem beide Parteien einander so und so viele Pelze verdorben hatten, zogen sich die Unsrigen in ziemlich ungeordneter Flucht hinter die Eiswälle zurück, um nicht von der Uebermacht der Feinde erdrückt zu werden.

Die Gurkchusen drängten nach, stutzten aber, als sie unsere vielen Schneemänner auf den Wällen erblickten. Diesen Augenblick benutzend protzte ich rasch hinter einander meine Eiskanonen ab, und die Gurkchusen erstaunten nicht wenig, als diese 32pfündigen Eiskugeln in ihre dichtgedrängten Glieder fuhren und einige Dutzend der ihrigen todt oder verwundet zu Boden streckten. Daß es so an das Leben, statt an die Pelze ging, war ihnen doch zu viel; ihre Reihen wankten und lösten sich. Jetzt ließ ich meine Gardekuirassiere einhauen. Ich bemerke hier, daß das Fell der Bisamochsen, auf welchen sie ritten, einen so penetranten Geruch von sich gibt, daß nur diejenigen, die wie die Kuxusen und ich sich daran gewöhnt hatten, ihn vertragen können. Die Gurkchusen jedoch konnten ihn nicht vertragen; sie nahmen vor ihm Reißaus oder fielen nach rechts und links ohnmächtig und betäubt zu Boden, so daß wir sie haufenweise vom Schnee auflesen konnten. Nachdem sie wieder von ihrer Betäubung sich erholt hatten, sperrten wir sie in das allgemeine Landesgefängniß, einen sehr geräumigen, aber nicht gerade sehr gemüthlichen Eiskeller.

Als Trophäen brachten die Unsrigen eine Menge Pelzmützen zurück, von denen die schönste mir verehrt wurde, sammt einem edeln Rennthier und einem sehr wohlerzogenen Seehund. Man ernannte mich zum Generalissimus und schmückte mich mit dem Orden der Treue zum Nordpol, der aus einem runden Eisstück bestand, welches an einem Streifen Seehundsfell auf der linken Seite der Brust getragen wird und bei den Kuxusen in eben solcher Achtung steht, wie in Oesterreich das Theresienkreuz oder in Preußen der schwarze Adler.

Hierauf wurde zur Feier des Siegs das ganze Dorf mit Thranlämpchen erleuchtet und ein festlicher Schmaus gehalten. Den ersten Gang bildete eine Suppe aus abgekochtem Thran, den zweiten ein Gericht getrockneter Fische mit Thran, den dritten gedörrte Seehundsleber mit Thran, den vierten Rennthiercottelete mit Thran, den fünften gerösteter Wallfischspeck mit Thran, und das Desert bildete das genannte Gebäck aus Talg mit Seehundsthran. Es war ohne Zweifel ein sehr köstliches Diner, denn alle Anwesende, Kuxusen sowohl als Kuxusinnen, schnalzten dabei mit der Zunge und streichelten sich den Magen. An die beutelländische feine Küche gewöhnt, genoß ich jedoch davon nichts, practicirte vielmehr mit großer Geschicklichkeit alle Speisen, die mir vorgesetzt wurden, in die weiten Taschen, was mir um so leichter wurde, da der reichlich genossene Nordhäuser sehr bald die Speisenden in eine Stimmung versetzte, in der sie auf meine Taschenspielerkunststücke nicht Acht hatten. Den Nordhäuser ließ ich mir jedoch sehr wohl behagen; auch entging mir nicht, daß Prinzessin Kax, die Tochter des Häuptlings Kux (jeder Häuptling wird als eine gefürchtete Person Kux, jede Häuptlingstochter als eine ungefürchtete Kax genannt) mir ganz eigenthümliche Blicke zuwarf, die ich wohl zu deuten wußte. Sie war, wie ich bemerkte, für eine Kuxusin keine ganz üble Person, obschon bereits etwas ältlich.

Aufgefordert, wie es bei solchen feierlichen Gelegenheiten immer der Fall ist, das Wort zu ergreifen, hielt ich folgende Anrede: Kax! (Allgemeine Spannung). Kax! (Freudiger Zuruf). Kax! (Enthusiastischer Beifall). Kax! (Wüthender Beifall). Kux! (Unterbrechung vom entgegengesetzten Ende der Tafel, Zischen). Kax! (Augenniederschlagen der Damen). Kax! (Donnernder Jubel. Allgemeine Umarmung).

In unsere etwas weitläufigere deutsche Sprache übersetzt, lautet diese Rede: »Verehrte Herren und Damen! Es ist nicht zu leugnen, und die Weltgeschichte wird es in ihre Tafeln einzeichnen, daß wir einen glänzenden Sieg erfochten haben, gegen welchen die Siege von Marathon und Salamis, Arbela und Gaugamela, Cannä und Zama, Leuthen und Austerlitz wie eine bloße Wirthshausschlägerei erscheinen. Ich glaube nur bescheiden zu sein, wenn ich mich einem Cyrus und Alexander dem Großen, einem Scipio und Hannibal, einem Karl und Otto dem Großen, einem Friedrich dem Großen und Napoleon einfach nur gleich und nicht über sie stelle. Und mit welchem geringen Verlust haben wir diesen weltgeschichtlichen Sieg erkauft! Doch muß ich auch dieser Opfer in Betrübniß gedenken! Die Pelze dreier Gemeinen sind zu Grunde gerichtet, der Pelz unseres verehrten Oberstlieutenants erhielt zwei und mein Eisbärenpelz sogar drei Löcher!«

Hier kam von der entgegengesetzten Tafel, wie schon angedeutet, eine Unterbrechung, indem eine Stimme rief: Kux! d. h. der Unteroffizier Kux der Fünfhundertste (die Gemeinen und Unteroffiziere heißen nämlich bei den Kuxusen sämmtlich Kux und sind, um sie von einander zu unterscheiden, numerirt) hat in der Bastion Gustav Adolf die rechte Ohrenklappe an seiner Pelzmütze durch einen Pfeil verloren. Ueber diese Unterbrechung entstand allgemeines Zischen, das ich jedoch beschwichtigte, indem ich mit großer Fassung und Geistesgegenwart fortfuhr:

»Ehre auch diesem Tapfern! Ich ernenne ihn hiermit zum stellvertretenden Major in meinem Generalstabe. Ich trage nun darauf an, daß dieser Schade auf dem Wege der Nationalsubscription wiederhergestellt und eine allgemeine Landestrauer angeordnet werde. Was mich betrifft, so würde ich so erhabene Thaten nicht haben vollbringen können, wenn nicht die Augen der schönen Kuxusinnen auf mir geruht und mich mit Begeisterung und Todesverachtung erfüllt hätten. Ich werde nun die schändlichen Feinde in ihrem eigenen Lande angreifen, schlagen, vernichten und mich ihrer Thranvorräthe bemächtigen. Dann aber laßt uns an die Interessen der Civilisation denken, deren Vorkämpfer ich bin, und Kunst und Wissenschaft in unsere Pflege nehmen, damit wir uns rühmen dürfen, nicht blos im Kriegswesen die Ersten zu sein, sondern auch an der Spitze der Civilisation zu schreiten. Ich leere dieses Glas auf die Wohlfahrt des edeln und großen Volkes der Kuxusen!«

Diesen meiner Bescheidenheit Ehre machenden Worten folgte, wie schon bemerkt, allgemeiner Jubel. Alle Männer und Damen kamen der Reihe nach zu mir und berührten mit ihren Nasenspitzen die meine, küßten und umarmten mich. Da die Kuxusischen Damen keine Taschentücher mit sich führen, um sie schwenken zu können, so zogen sie ihre Brustlätzchen, in Seehundsfellen bestehend, hervor, und fuhren damit in der Luft umher, während mir die Prinzessin Kax die schmachtendsten und verführerischsten Blicke zuwarf wie buntbefiederte Liebespfeile. Die Augensprache ist ja die überall verständliche, und in dem in dieser Sprache verfaßten Universalwerke, an welchem jedes Frauenzimmer der Welt Mitarbeiterin ist (weßhalb es auch der dickste Foliant ist, den es gibt) kann Jeder selbst ohne Brille lesen, sollte er auch für seine eigene Person nicht fähig sein, in dieser an den verwickeltsten Constructionen reichen Sprache ein Gespräch zu führen. Merkwürdig, daß noch keine Grammatik und kein Wörterbuch dieser Universalsprache besteht! Das wäre doch noch eine Aufgabe für die Gebrüder Grimm und Compagnie!

Indeß ließ ich für heute Abend die Prinzessin noch sitzen, indem ich selbst aufstand und mich heimlich entfernte. Es war gerade ein Augenblick allgemeiner Verwirrung eingetreten, die Tafel war aufgehoben worden und das allgemeine Zechgelage begann. An diesem pflegen sich auch die Kuxusischen Damen sehr lebhaft zu betheiligen, und wenn man die Oede und Einförmigkeit jener Regionen bedenkt, so wird man es ihnen billigerweise nicht verdenken können, wenn sie auf diesem Wege ihrer innern Welt bunte Bilder, Phantasien und Vorspiegelungen zuführen, die ihnen die äußere nicht bietet. In der That hatten die Augen der Damen bereits einen etwas eigenthümlichen gläsernen Ausdruck angenommen, als ich mich entfernte, wie große Herren in solchen Augenblicken immer zu thun pflegen.

Ich muß freilich gestehen, daß ich mich auf dem Wege nach meinem Hotel – welches allerdings auch nur aus Seehundsfellen bestand und Schlaf-, Wohn- und Putzzimmer, Studierstube, Küche und Speisesalon Alles in einem Raume umfaßte – nicht gerade sehr als großer Herr fühlte. Das genossene geistige Getränk, die Aufregung, das Bombardement, dem ich aus den Augen der liebenswürdigen Prinzessin Kax fortdauernd ausgesetzt war, hatten ihre Wirkung nicht verfehlt: ich, der ich sonst in allen Stürmen des Lebens und der Elemente feststand, schwankte und fühlte mich diesem Sturm der verschiedenartigsten Eindrücke nicht gewachsen. Ich schwankte nach rechts und nach links, ich schwankte sogar nach vorwärts, ich glaube selbst nach oben; ich schwankte nach allen vier Himmelsgegenden; ich fühlte mich aus dem Norden nach dem Süden, aus dem Süden nach dem Westen und aus diesem nach dem Osten geworfen und begann dann wieder von neuem durch die ganze Windrose hin- und herzuschwanken. Einen Mittelpunkt gab es für mich nicht mehr. Meine Beine gehorchten mir nicht, oder ich gehorchte meinen Beinen nicht, und ich wußte kaum noch, ob sie zu mir gehörten, und ob ich noch ein körperliches Anrecht an sie hätte. Glückliches Volk der Kuxusen, welches sich einem solchen Zustande naiv hingibt, während wir Repräsentanten der europäischen Civilisation nicht umhin können, Betrachtungen darüber anzustellen, die, weil sie selbst keinen Mittelpunkt haben, uns erst recht nach allen vier Weltgegenden hin und her werfen!

Diese Reflexionen waren denn auch schuld, daß ich plötzlich in eine wenig feste, gallertartig hin und her schlappende Masse gerieth, die ich allmälig als wirklichen Seehundsthran erkannte. Ich muß nämlich bemerken, daß der Thran in diesen Regionen nicht auf dem gewöhnlichen Wege durch Zersetzung der Fettheile gewonnen wird, sondern daß die weiblichen Robben den Thran mit sich führen und gemolken werden, wie bei uns die Kühe, nur daß sie dann nicht Milch, sondern Thran geben. Ich war nun auf einen freien Platz des Dorfes gerathen, wo die Seehundsmelkerinnen, die hier wie die Sennerinnen in der Schweiz eine eigene Corporation bilden, ihr Werk am Morgen verrichtet hatten. In diesen Thran trat ich, und seitdem ist für gewisse Zustände der Ausdruck: »er hat in den Thran getreten« in Deutschland gang und gebe geworden.

Mit den Zuständen des andern Tages will ich mich nicht beschäftigen, da sie sich hinlänglich mit mir beschäftigt haben, ja mit dem ganzen Dorfe. Alle Einwohner des Dorfes lagen krank, und selbst Prinzessin Kax meldete sich krank. Niemand sprach heute das Wort Kax aus, wohin man kam hörte man in sehr abgedämpftem Laute das Wort Kux, was an diesem Tage nichts Höheres und nichts Geringeres als Katzenjammer bedeuten wollte. Es wurde nun ein großer marinirter Wallfisch in das Dorf geschleppt und an diesem entäußerte man sich seines Katzenjammers, immer in Begleitung des naturgemäßen Quantums von Liqueur, bis man sich wieder in dem Zustande befand, in welchem man gestern war. So ging es mehrere Tage fort.

Als die Kuxusen sich endlich ernüchtert und eben so viele Tage und Nächte geschlafen als vorher gezecht hatten, trieb ich mit der mir gewöhnlichen Energie zum Aufbruche gegen die Gurkchusen. Ich stellte den Kuxusen vor, wie die Gurkchusen, schon mehr im Süden wohnend, viel bessere Weideplätze hätten, als wir, und wie es ja doch für uns viel zweckmäßiger und nützlicher sei, daß wir in dem Besitze dieser Weideplätze seien, als die Gurkchusen. Ich machte ihnen deutlich, wie entmuthigt die Gurkchusen durch ihre letzte Niederlage sein müßten und wie sie ohne Zweifel bei meinem Anblicke und bei dem ersten Knalle unserer Eiskanonen davon laufen würden. Da mich die Kuxusen wie ein Wesen höherer Art verehrten, so fiel es mir nicht schwer, sie meinem großartigen Plane geneigt zu machen.

Der ganze Stamm machte sich nun zum Aufbruche fertig. Die Weiber und Kinder und was das Völkchen sonst noch an beweglichem Eigenthume hatte, wurden auf Schlitten geladen, welche mit dressirten Seehunden bespannt waren. Die Männer gingen zu Fuße; ich selbst bestieg mein edles Rennthier. Unsere Eiskanonen von schwerem Kaliber wurden von Bisamochsen, die von leichterem Kaliber von RennthierenFritz Beutel versteht hierunter das Carabou, das nordamerikanische Rennthier. gezogen. Am Tage vor dem Aufbruche hielt ich, umgeben von meinem Stabe, eine glänzende Parade ab, welche den berühmten Paraden der preußischen Garde unter den Linden schwerlich viel nachgab, indem namentlich das von mir errichtete Musikcorps Meisterhaftes leistete. Unsere Trommeln aus Seehundsfellen und unsere Tamtams und Triangeln aus Seehundsknochen, die kunstmäßig gegen einander geschlagen wurden, machten einen gewaltigen Lärm, bei dem es mehr auf kriegerischen Eindruck als auf Tact abgesehen war. Ich bemerke noch, daß ich für militärische Gegenstände den Kuxusen allmälig, wenn auch nicht ohne Mühe, die bei uns üblichen Kunstausdrücke beigebracht hatte, wie denn überhaupt durch mich bei den Kuxusen die Grundlage zu einer höheren Civilisation und selbst literarischen Bildung vorbereitet war.

Folgenden Tages brachen wir auf. Der Marsch ging begreiflicherweise nicht sehr rasch von statten, da namentlich die Seehunde sich zu Lande nur langsam fortbewegen konnten und immerwährend mit aufgethautem Schneewasser übergossen werden mußten. Indeß vorwärts kamen wir trotzdem und am vierzehnten Tage standen wir vor dem Hauptlagerplatze der Gurkchusen.

Ein dichter Nebel hatte diesen unsere Annäherung verborgen und von ihm begünstigt ordnete ich meine Heerschaar zum Angriffe. Plötzlich, es war gerade um die Mittagszeit, zertheilte sich der Nebel, und die Sonne fing an sehr warm auf unsere Pelze zu brennen und die in ihnen vorhandenen Eistheile aufzuthauen, sodaß von jedem Manne eine wahre Rauchsäule in die Luft stieg und die ganze Schaar einer langen Reihe von rauchenden Schornsteinen glich.

Das Zelt des Häuptlings der Gurkchusen hatte ich bald an seiner hervorragenden Größe und an dem auf der Spitze angebrachten Seehundskopfe erkannt. Ich richtete also meine Hauptkanone gerade auf dieses Zelt und protzte los. Die Eiskugel sauste dahin, drang, den Seehundskopf fortreißend, mitten in den Zeltgiebel und fiel, wie ich später erfuhr, gerade in die mit Thran angefüllte Mittagsschüssel, um welche die Familie des Häuptlings versammelt war. Hierauf eröffnete ich aus allen meinen Batterien ein entsetzliches Massenfeuer.

Diese unerwartete und ich gebe zu keineswegs sehr angenehme Begrüßung richtete nicht nur unter den Mittagsschüsseln der Gurkchusen, sondern auch unter diesen selbst eine furchtbare Verwirrung an, die sich noch dadurch steigerte, daß der Häuptling des Stammes, dem von dem Aufschlag der Kugel der heiße Brei in die Augen gespritzt war, längere Zeit nicht sehen konnte, was um ihn her vorging. Es fehlte daher an einer Oberleitung. Eine Anzahl entschlossener Bursche – und an persönlichem Muth fehlt es den Gurkchusen nicht – wagte jedoch einen Ausfall gegen uns. Da aber die Sonne gerade ungewöhnlich heiß schien, so fingen die Eisspitzen ihrer Lanzen an zu thauen und wegzuschmelzen, während unsere, aus unvergänglichem Nordpoleise verfertigt, der Gluth der Sonne Widerstand leisteten. Sie waren daher bald genöthigt sich zu ergeben, und ihr Anführer überreichte mir zum Zeichen der Unterwerfung mit betrübter Miene seinen Degen aus Seehundsknochen. Die Uebrigen streckten die Waffen.

Die Capitulationsbedingungen wurden nun verabredet. Wer von den Gurkchusen bleiben wollte, durfte bleiben als Rennthiertreiber und Seehundsaufsucher. Denen, welche es vorzogen, sich in einer anderen Gegend anzusiedeln, gab ich, dem Zuge meines menschlichen Gefühls folgend, einige ihrer Rennthiere und die nothwendigsten Geräthschaften mit auf den Weg. Das Uebrige wurde von uns als Kriegsbeute betrachtet und in Beschlag genommen, und wir richteten uns nun in ihren Wohnungen, die viel comfortabler eingerichtet waren als die der Kuxusen, recht gemüthlich ein.

Als der Winter anbrach, wurde durch Volksbeschluß in der Mitte des Dorfes mir zu Ehren eine Statue aus Schnee errichtet, welche mich in ganzer Leibesgestalt darstellte. Da sie an einer schattigen Stelle, hinter einer die Sonnenstrahlen abwehrenden Anhöhe, aufgestellt, mit Wasser, welches sofort gefror, häufig übergossen und daher mit einem wahren Erzpanzer belegt wurde, so darf ich annehmen, daß sie noch dort steht, um mein Andenken künftigen Geschlechtern zu erhalten.

Die langen traurigen Winterabende verkürzte ich mir und der Prinzessin Kax mit der Lectüre des Goethe'schen Werther, den ich jetzt zum erstenmale kennen lernte und der mich in gleichem Grade fesselte wie ehemals Robinson Crusoe. Ein Exemplar desselben, freilich nur eine englische Uebersetzung, hatte sich, ich weiß nicht wie, aus des Admirals Roß Bibliothek und Speisekammer zugleich mit einem Schinken in eine meiner vielen Taschen verirrt und war darin stecken geblieben. Jetzt kam mir das Exemplar sehr zu statten, denn ich wäre sonst in der langen Winternacht verzweifelt. Es hatte freilich seine Schwierigkeit, mit der verschiedenen Nüancirung des Kax und Kux der Prinzessin jede Phrase des Buchs deutlich zu machen, aber es gelang mir doch über Erwarten gut. Auch hatte sie – denn die Liebe macht die Frauen ungemein scharfsinnig und gelehrig – sich eine ziemliche Menge deutscher Worte von mir angeeignet, so daß ich mir in manchen zweifelhaften Fällen mit diesen helfen konnte. Thatsache ist, daß wir den Werther lasen und daß die Prinzessin für ihn wie für die deutsche Nation, aus deren Schooße der Mann mit der gelben Weste hervorgegangen war, im reinsten und naivsten Enthusiasmus schwärmte. Ach, sagte sie, welch eine liebenswürdige Nation, die deutsche! Unter uns Kuxusen denkt kein Jüngling daran, sich um eines Frauenzimmers willen todtzuschießen.

Sehr erklärlich, gnädigste Prinzessin! erwiederte ich, da Ihre Nation keine Pistolen hat, sich mithin auch mit keiner Pistole todtschießen kann.

Nun, meinte sie naiv, wenn man den festen und ehrlichen Willen hat, sich um eines Frauenzimmers willen das Leben zu nehmen, so gibt's noch andere Mittel genug. Man kann sich ja vermittelst der gedörrten Gedärme eines Seehunds, die wir als Stricke brauchen, an einen Posten aufhängen oder in einem Thranfaß ertränken oder sich einen Eiszapfen ins Herz bohren!

Dagegen war nichts zu sagen; umsomehr hatte ich gegen ihre glühende Neigung zu mir einzuwenden, denn diese gestaltete sich immer ernster und bedenklicher, während es mir durchaus nicht darum zu thun war, der Gemahl einer Kuxusenprinzessin zu werden, und mein Leben unter Thran, getrockneten Fischen und Seehunden zuzubringen.

Zu selbiger Zeit besuchte uns öfters der Häuptlingssohn eines benachbarten Stammes, der Tschugatschen, den der Ruf unserer glorreichen Kriegsthaten angezogen hatte. Die beiderseitigen Väter beabsichtigten eine Verbindung der beiderseitigen Kinder, und der Vortheil einer solchen Verbindung mußte jedem wahrhaftem Patrioten und Politiker einleuchten. Die Gurkchusen, mächtig an Zahl, sannen ohne Zweifel auf Rache, und es war daher ganz staatsmännisch von dem Häuptlinge der Kuxusen gedacht, wenn er durch eine solche Liaison den mächtigen Stamm der Tschugatschen als seine Verbündeten gewinnen konnte. Knitschogarsk, wie jener junge Mann hieß, bewunderte mich zwar als Feldherrn, aber seine Eifersucht war noch stärker. Er erblickte in mir das einzige Hinderniß, welches der beabsichtigten Verbindung im Wege stand. Außerdem war ich ein Fremdling und ich bemerkte bald, daß, nachdem der erste Rausch der Dankbarkeit vorüber war, die Kuxusen darauf sannen, mich auf gute Manier los zu werden.

Knitschogarsk forderte mich zuletzt auf einen Gang krummer Säbel aus Seehundsknochen. Da mir die Sache lächerlich war und ich mich auch auf diese Waffe nicht verstand, schlug ich den Zweikampf aus. Er verhöhnte und beleidigte mich nun, nannte mich vor Allen einen Feigling und Poltron und wiegelte die Kuxusen gegen mich auf. Sie brachten mir Abends Charivari's und höhnten mich aus, wenn ich mich öffentlich sehen ließ.

Prinzessin Kax, die noch vor kurzem das Ansinnen an mich gestellt hatte, daß ich sie entführen und in das gefühlvolle Vaterland der Werther, Lotten und sentimentalen Butterbrode mitnehmen sollte, stellte mich zur Rede und fragte mich: ob es wahr sei, daß ich mich für sie nicht schlagen wolle?

Nein, antwortete ich, niemals! Ein Angehöriger der Nation, welche das Pulver erfunden hat, schlägt sich nicht mit dem Angehörigen einer Nation, welche nicht das Pulver erfunden hat.

Sie brach in einen Strom von Thränen aus, gestand, daß sie sich in mir geirrt und verrechnet habe, und erklärte, daß sie nun dem ritterlichen Knitschogarsk die Hand reichen werde.

Nach diesen Vorgängen war meine Stellung unter den Kuxusen, wie ich wohl einsah, unhaltbar geworden.

In der nächsten Nacht – der Sommer war darüber herangekommen – sattelte ich mein Rennthier, versah mich mit dem Nöthigsten und sprengte davon, immer dem Süden entgegen. Was ein solches Rennthier laufen kann, wenn es nicht mit einem Seehundsgespann gleichen Schritt halten muß, grenzt ans Unglaubliche, und nach wenigen Tagen langte ich in einer der russischen Niederlassungen an der Westküste von Amerika an.

Hier verkaufte ich mein Rennthier und meinen Eisbärenpelz, den ich bis dahin immer noch getragen hatte, schaffte mir für den Erlös Kleider nach russischem Schnitt an und legte mich dann in die Sonne, um die letzten Eistheile, die in meinem Blute und meinen Gebeinen noch vorhanden waren, aufthauen zu lassen. In der That dunstete ich dabei so, daß ich förmlich wie in eine Dampfwolke gehüllt war, welche von fernwohnenden Leuten für aufsteigender Nebel gehalten und auf bevorstehendes Regenwetter gedeutet wurde. Nachdem der Ausfrierungsproceß nicht ohne Mühe vollzogen war, brach ich plötzlich und unwillkürlich in ein viertelstündiges lautes Gelächter aus. Es hatte sich nämlich unter den Kuxusen unendlicher Lachstoff in mir gesammelt, da aber bis dahin meine Lachmuskeln zusammengefroren waren, hatte ich ihm trotz aller Anstrengungen nicht Luft machen können. Jetzt nach aufgethauten Lachmuskeln entlud sich der in mir zusammengepreßte Lachstoff auf einmal und mit unwiderstehlicher Gewalt.


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