Hermann Marggraff
Fritz Beutel
Hermann Marggraff

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Sechstes Kapitel.

Die Auster ist eine Welt für sich, kühl, tief, gedankenvoll, eine harmonische, ungegliederte, gegensatzlose Einheit. So ist auch ihr Geschmack ein durchaus gegensatzloser, harmonischer, einheitlicher, am reinsten, wenn man sie in ihrem Naturzustande genießt, nicht nachdem sie durch die verschiedenen Stadien der künstlichen Zubereitung, des Schmorens oder Backens hindurch getrieben worden. Mit jeder Auster, die du schlürfst, schlürfst du auch deinen Antheil am Ocean. Ein Denkmal dem Wohlthäter der Menschheit, der zuerst die Austern genießbar fand – ein Denkmal auf einem Piedestal von Austerschaalen! Ich selbst subscribire darauf mit einem Dutzend Austern.

Rumohr's »Geist der Kochkunst.«

Es gibt – und nicht blos in des Himmels Höhen,
Nein, auf der Erde schon – ein Wiedersehen,
Bei dem man halb sich freut und halb erschrickt.

Tiedge.

Die Insel war mir in Folge dieser Entdeckung für die nächsten Tage doch ein wenig verleidet. Sich in der Nähe eines Menschengerippes zu wissen, wenn man sonst von aller menschlichen Gesellschaft abgeschlossen ist, hat etwas Unbehagliches und Unheimliches, zumal sich mir der Gedanke, dereinst vielleicht auch so einsam und verlassen sterben zu müssen, zum ersten Male lebhaft aufdrängte. Mehr als einmal war ich im Begriff, mit einer Kohlenschaufel versehen (denn ein anderes Werkzeug besaß ich für diesen Zweck nicht) mich auf den Weg zu machen, um meinem und meiner Leser unglücklichen Landsmann die letzte Stätte zu bereiten, und immer wieder hielt mich eine geheime Macht davon zurück.

Ich brachte also die nächsten Tage auf dem Schiffe zu, studirte in dem aufgefundenen löschpapiernen Buche deutsche Lyrik, lernte so und so viel Gedichte auswendig, weil ich nichts Besseres zu thun wußte, und begriff damals zuerst, daß die deutsche Poesie doch zu etwas nütze sei. Auch Hector mit seiner Treue und Dienstfertigkeit und die kleine Griseldis mit ihren possierlichen Geberden und Sprüngen, thaten das Ihrige zu meiner Zerstreuung. Noch mehr aber zog mich das Meer mit seiner ewigen rollenden Bewegung und seiner erhabenen Unermeßlichkeit von meinen trüben Vorstellungen ab, deren düsteren Mittelpunkt stets das häßliche bemooste Todtengerippe bildete. –

Die See sah mit ihrem tiefdunkelblauen Auge so verlockend und verführerisch zu mir empor, daß ich endlich der Versuchung nicht widerstehen konnte, einen Ausflug in sie hinaus zu wagen. Ich habe nämlich vergessen zu berichten, daß das große Rettungsboot, und zwar in vollkommen erhaltenem Zustande, ebenfalls an das Land geworfen war. Dieses machte ich flott, versah es mit den nöthigen Lebensmitteln, bestieg es in Gesellschaft meiner beiden Freunde, Griseldis und Hector, und ruderte auf einen entfernten Punkt los, der, soweit ich mit meinem vortrefflichen Gesicht zu erkennen vermochte, ein kleines Felseneiland war.

So etwas Aehnliches war es auch, wenn auch nicht ganz. Die Wirklichkeit entspricht niemals unsern Vorstellungen genau, ich möchte sagen sie deckt sie nicht so, wie in einem Buche das nachfolgende Blatt das vorhergegangene deckt. Was ich für ein Felseneiland gehalten hatte, war nichts als eine Gruppe aus dem Meere hervorragender hoher Klippen mit einer Art kleinem Vorland, welches aber – wer schildert meine freudige Ueberraschung! – im Grunde nichts mehr und nichts weniger war als eine Austernbank von enormer Ausdehnung; ja, als ich die Klippen näher betrachtete, erkannte ich, daß auch sie aus nichts Anderem bestanden als aus thurmhoch über einander geschichteten, zu den wunderlichsten, pittoreskesten Formen gruppirten Austern. Auf der Insel hatte ich vergebens nach ihnen geforscht, und hier traf ich sie in zahlloser Menge, eine ganze Gebirgswelt von Austern. Ihre Schaalen waren so durchsichtig wie zwei mit den innern Flächen aneinander gelegte Glasteller, so daß man durch sie hindurch das süße quabbelige Geschöpfchen in all seiner Appetitlichkeit erblicken konnte. Ja, sie waren so dünn, daß man zu ihrer Oeffnung keines Messers bedurfte und daß es hinreichte, sie mit einem Hauche des Mundes aufzublasen wie Mohnblättchen. Den Geschmack dieser Austern will ich nicht schildern, denn so etwas will eben geschmeckt sein und kann nicht beschrieben werden.

Ueberhaupt halte ich mit allen Koryphäen der Gastronomie und Gastrosophie, mit einem Grafen d'Orsay, Lord Marcus Hill, W. Stuart, Sir Alexander Grant, Lady Morgan, mit den ehrwürdigen Verfasserinnen des Leipziger und des Augsburger Kochbuchs den Geschmack für den höchsten der menschlichen Sinne. Der Dichter kann uns eine Gegend mit aller Anschaulichkeit schildern, er kann uns durch Worte das Rollen des Donners, das Heulen des Sturmwinds, das Brausen des Wasserfalls, das Säuseln der Abendluft vor das Ohr zaubern, er kann uns sogar sagen, wie eine Blume duftet, aber wie eine Auster schmeckt, das zu schildern ist ihm nicht möglich, und wäre er zwanzig Mal ein Dante, Milton oder Klopstock. Daher stehen mir aber auch die Herren von Rumohr und von Vaerst viel höher als diese Dichter, als Shakspeare, Goethe und Schiller, weil sie Priester waren in der allein selig machenden Kirche der feinern ästhetischen Kochkunst, obschon sie zu jenem Volke, dem deutschen, gehörten, von welchem jener französische Koch in Dresden als Erwiderung auf die Frage, warum er während seines Aufenthalts von achtzehn Jahren kein Wort Deutsch gelernt habe, richtig oder unrichtig bemerkte: »A quoi bon apprendre la langue d'un peuple qui ne possède pas une cuisine?« Soviel ist richtig, daß die Eroberungszüge der französischen Sprache mit den Eroberungszügen der französischen Küche im genauesten Zusammenhang stehen, da ja beide es mit der Zunge zu thun haben, und daß die Machtstellung eines Volkes durchaus von der Machtstellung seiner Küche abhängig ist. Man erobert die Welt nicht mit Sauerkraut, aber mit seinen poetischen Saucen, Fricassées und Pasteten.

Nachdem ich meinem Magen mit einigen hundert Stück Austern ein vorzügliches Fest bereitet und auch mein alles nachahmendes kleines Aeffchen unter possierlichen Verzerrungen der Gesichtsmuskeln einige Dutzend geschlürft hatte, schritt ich zur Besitznahme auch dieses köstlichen Fleckchens und nannte es Erzherzogthum Klein-Austria, wozu mir das Wort Auster durch seinen Klang Anleitung gab. So legte ich meinem kaiserlichen Titel einen neuen erzherzoglichen zu.

Eben wollte ich meinen Stock mit der beutelländischen Flagge in einer lockern Schicht Austern aufpflanzen, als ich zu meinem höchsten, in meiner Eigenschaft als Kaiser muß ich sagen allerhöchsten Erstaunen, von der Höhe der einen Austernklippe mir die Worte zurufen hörte:

Alter Junge! Alter Junge! Wie kommt Ihr denn hierher?

Vor Erstaunen ließ ich den Stock mit der Reichsflagge aus der Hand fallen – was mir kein günstiges Omen zu sein schien – und blickte nach der Stelle, von wo diese so zutraulichen Worte herabtönten.

Da stand Krischan Schroop, wie er leibte und lebte, nur ein wenig abgezehrt, bleich und hohläugig.

Indeß war ich niemals der Mann, mich von einer Situation, so unerwartet sie auch sein mochte, überraschen und in Verwirrung setzen zu lassen. Zwei Umstände waren es, die mir die Freude, welche mir dieses Wiedersehen unleugbar gewährte, nicht wenig verbitterten. Zuvörderst mißfiel mir der zu vertrauliche Ton, den ich mir nicht gefallen lassen durfte, ohne mich in meiner jetzigen Stellung erheblich zu compromittiren. Sehr wahrscheinlich glaubte Krischan Schroop, daß gemeinsames Unglück alle Unterschiede der Verhältnisse aufhebe, und daß sein vertrauliches Ihr mir daher ganz angenehm ins Ohr klingen werde, was aber, wie bemerkt, keineswegs der Fall war. Alsdann begriff ich, daß Herr Schroop an sein Schiff Ansprüche erheben würde, die ich der Sachlage nach als erloschen betrachtete und betrachten durfte.

Ich gab mir daher die Miene, als könnte mir der Zuruf Schroop's gar nicht gegolten haben, wendete mich um und bückte mich, um noch einige Austern aufzulesen und zu verspeisen.

Diese erkünstelte Gleichgültigkeit hatte den erwarteten Erfolg; denn mit ängstlicher, fast schmerzlicher Stimme rief Krischan mir zu:

Aber bester, liebwerthester Herr Beutel, kennen Sie mich nicht mehr oder wollen Sie mich nicht kennen? Haben Sie denn meine Ihnen gezeigte Freundschaft ganz und gar vergessen? Bedenken Sie doch die elende Lage, in der ich mich befinde, und thun Sie, ich bitte Sie flehentlich, zu meiner Erlösung, was Sie thun können. Noch ein theures Wesen wird seine holde Stimme mit der meinen vereinen. Warten Sie nur einen Augenblick!

Damit trat er in eine runde Höhlung zurück und erschien bald darauf mit einem zitternden halb ohnmächtigen Frauenzimmer, das bittend, aber unfähig zu sprechen, seine Arme nach mir ausstreckte. Zu meinem ganz besondern Erstaunen erkannte ich in dieser weiblichen Gestalt jenes Frauenzimmer, das, wie schon früher erzählt, ein Anfall von Seekrankheit einmal in meine Arme geführt hatte.

Herr Beutel, rief Schroop, lassen Sie diese Thränen, die aus den reinsten Augen fließen, Ihr so menschenfreundliches Herz rühren! Denken Sie an die Cognac's, mit denen ich Sie, ohne Bezahlung zu fordern, während unserer bis zuletzt so vergnüglichen Seefahrt bewirthet habe. Es ist Marie Windelmeier, es ist meine mir nun verlobte Braut, die ich die Ehre habe Ihnen vorzustellen.

Gegen Damen, zumal wenn sie sich im Unglück befanden, habe ich mich stets mit geziemender Ritterlichkeit benommen. Ich verbeugte mich aufs artigste, zog sogar meine Mütze und sagte:

Gratulire! Indeß, Herr Kapitän, die Verhältnisse haben sich ein wenig geändert, seit ich zum letzten Male die Ehre hatte, Sie zu sehen. Ich bin nicht mehr der einfache Fritz Beutel, als welchen Sie mich kennen lernten; ich bin jetzt einer von »Gottes Gnaden«, kaiserliche Majestät, Erbkaiser von Beutelreich, Erzherzog von Klein-Austria, und Selbstherr aller Beutelreicher. Ich muß Sie daher ersuchen, Herr Kapitän, mich in allen Reichsangelegenheiten – zu denen ich Ihre und Ihrer Mamsell Braut Ansässigmachung in meinen Reichslanden rechne – mit dem mir geziemenden Titel »Sire« oder »Ew. Majestät« anzureden!

Auf diese im Gefühle meines Rechts und meiner kaiserlichen Würde mit fester Stimme vorgetragene Ansprache riß Krischan Schroop zwar die Augen weit auf, aber da er wußte, daß mit mir nicht zu spaßen sei, und da ihm vor Allem daran lag, aus seiner kläglichen Lage befreit zu werden, antwortete er mit kluger Fassung:

Sire, ich werde mich glücklich schätzen, mich zu Ihren Unterthanen rechnen zu dürfen, aber damit ich dies kann, bitte und beschwöre ich Ew. kaiserliche Majestät, mich aus diesem verdammten Winkel zu befreien, in dem ich nun bereits seit vierzehn Tagen das elendste, nur durch die Gegenwart dieses himmlischen Geschöpfes (auf Marie Windelmeier weisend) etwas versüßte Leben geführt habe – ein Leben wie nie ein Schiffskapitän es geführt hat. Ich begreife ganz Ew. Majestät Stellung, haben Sie aber auch, Sire, die Gnade, meine ganz erbärmliche Lage zu begreifen.

Gut, Herr Kapitän! erwiederte ich, ich bin durchaus nicht abgeneigt, Sie Ihrer übeln Lage zu entreißen und Ihnen auf meinem Boote einen Platz zu gönnen. Vorher aber müssen Sie versprechen, unter Zusicherung künftiger Eidesleistung, keinen Anspruch zu erheben auf Alles, was auf der Insel liegt!

Ich brauche wohl nicht erst hinzuzufügen, daß Krischan Schroop sich höchst bereitwillig dazu finden ließ, mir diese Zusicherung zu geben, worauf ich ihm winkte, von der Austernklippe herabzusteigen, was er dann auch in Begleitung seiner Herzallerliebsten that.

Als er unten angekommen war, ging ich ihm aufs freundschaftlichste entgegen, forderte an Eidesstatt seinen Handschlag und sagte dann:

Krischan! Es freut mich herzlich, Euch gerettet zu erblicken und mich in Eurer mir so lieb gewordenen Gesellschaft, wie in Ihrer, Fräulein Windelmeier! wiederzufinden. Wir wollen jetzt das Ceremoniell ablegen, und ich nehme Euer zutrauliches »Ihr« an, aber wohl bemerkt, nur für den gewöhnlichen Verkehr. In allen Reichsverhandlungen und rein ceremoniellen Angelegenheiten müßt Ihr aber meine Stellung respectiren und die mir gebührenden formellen Rücksichten beobachten. Im Uebrigen bin ich Euer wohlgewogener Herr und Kaiser und ernenne Euch hiermit zu Sr. Excellenz meinem Marineminister, erstem Admiral meines Reichs und Generalinspector meiner Häfen, Schiffswerfte und Seefestungen!

Ich glaube, daß ihm bei diesen Worten ganz wirbelig und schwindelhaft zu Muthe wurde, denn er blickte mich ganz duselig an, meine kaiserliche Gestalt von Kopf bis zu den Füßen musternd, und er würde mich wahrscheinlich so noch längere Zeit angeblickt haben, wenn nicht Hector zu seiner höchsten Freude und Ueberraschung an ihm emporgesprungen wäre und ihm einem alten Herrn, die Freude über dieses unverhoffte Wiedersehen aufs lebhafteste ausgedrückt hätte. Indeß kehrte das Thier, wie von Reue ergriffen, sehr bald wieder zu mir zurück, um mir seine Anhänglichkeit in wo möglich noch lebhaftern Aeußerungen zu bezeugen.

Schroop sah im Ganzen wie im Einzelnen begreiflicher Weise so heruntergekommen aus, daß mich das tiefste Mitleid mit ihm ergriff; aber wie leuchtete sein Auge, wie hob sich seine ganze Gestalt, wie rötheten sich seine Wangen, als ich eine Flasche mit Cognac, seinem Lieblingsgetränk, aus der Tasche zog und sie ihm in Begleitung einiger Schiffszwiebacke mit den Worten darreichte:

Da, nehmt, Krischan! das ist Herzens- und Magenstärkung zugleich! Ihr seht ja ganz miserabel aus, daß es zum Erbarmen ist. Stärkt Euch zu den hohen Functionen, zu denen ich Euch berufen habe!

Der gefühlvolle Mensch träufelte zuvörderst seiner Braut einige Tropfen auf ein Stück Schiffszwieback, was ihr außerordentlich wohl zu bekommen schien, nahm dann selbst einige Schluck, schüttelte sich, nahm wieder einige, schüttelte sich von Neuem, nahm dann noch ein paar, schüttelte sich zum drittenmal – und die Flasche war leer.

Ist mir doch, sagte er schmunzelnd, als wäre das von meinem Cognac. So einen guten alten führte kein anderer als ich auf seinem Schiffe. – Er hatte eine feine Zunge, der wackere Krischan Schroop, und dabei ein ganz besonderes Unterscheidungsvermögen für sein Eigenthum!

Nachdem ich halb scherzhaft gefragt, ob sie auch Habseligkeiten mitzunehmen hätten? und dies von Krischan Schroop mit halb komischer halb weinerlicher Miene verneint worden war, stiegen wir, nachdem wir uns noch mit einer tüchtigen Ladung von Austern versehen, allesammt ins Boot und stießen ab. Die kleine Griseldis schmiegte sich, wie ich sah, sofort sehr herzlich an die Frau Marineministerin an und ich stellte sie ihr als ihre künftige Kammerjungfer vor, was die Ministerin als Scherz aufnahm, ich aber ganz in Ernst gemeint hatte, denn ich kannte die Gelehrigkeit und die mancherlei Talente der kleinen Aeffin, die bei vielen Gelegenheiten ihre Putzsucht dargethan hatte, mithin sich zu einer Kammerjungfer ganz besonders zu qualificiren schien.

Während der Fahrt erzählte mir Krischan Schroop seine letzten Schicksale. Was zuletzt mit und auf dem Schiffe vorgegangen, wußten Beide nicht mehr, denn sie waren von dem Getobe der Elemente, der Angst und Todesfurcht und Krischan Schroop von noch etwas Anderem betäubt. Beide erwachten aus ihrer Ohnmacht mitten in der See und fanden sich zu ihrem Schreck wie zu ihrem Erstaunen, mit den Gesichtern gegen einander gekehrt, rittlings auf einer Tonne sitzen, die wie von einer geheimen Macht auf den Wellen flott gehalten und den Austernklippen entgegengetrieben wurde. Die Tonne wurde an die Austernbank gespült und sie stiegen von ihrem seltsamen Rosse ab, Beide so erschöpft, daß, wie sie versicherten, ihre Kräfte, sich oben zu halten, nur für wenige Minuten noch ausgereicht haben würden. Hier fristeten sie ihr Dasein von Austern und einer Art Seetang, der auch roh genießbar war, etwa wie bei uns der Schnittlauch, und auch nicht viel besser schmeckt. Die größte Wohlthat war für sie die mit Trinkwasser für die Seereise gefüllte Tonne, die aber, eine Viertelstunde vor meiner Ankunft, von einem wüthend gewordenen Haifische, der sich zu lange auf der Oberfläche des Meeres gehalten und dadurch den Sonnenstich bekommen hatte, mit einem furchtbaren Schlage seines Schwanzes in lauter Stücke zertrümmert worden war. Sie selbst hatten gegen Wind, Wetter und Sonnengluth in jener Austernhöhle Schutz gefunden, die sie sich allmälig selbst mit außerordentlicher Mühe gebildet hatten, indem sie die Austern mit größter Vorsicht ablösten, bis eine Höhlung entstanden war, tief genug, um sich darin auszustrecken. Da sie die Austern, welche gerade an dieser Stelle am schmackhaftesten waren, zugleich ausgeschlürft hatten, so kann man mit Wahrheit sagen, daß sie sich in den Austernberg im wörtlichsten Sinne hineingegessen hatten. Die erhabene Stelle hatten sie zur Bereitung der Höhle deßhalb gewählt, weil sie hier vor den Haifischen am sichersten zu sein glaubten. Diese pflegten sich nämlich um die Austernbank in großen Schaaren aufzuhalten und fühlten sich von der köstlichen Witterung von Menschenfleisch so angezogen, daß sie sich mit erstaunlicher Kraft nicht selten auf Entfernungen mehrerer Ellen auf die Austernbank schleuderten, hier furchtbar herumwirthschafteten, aus Wuth, ihr Ziel nicht erreicht zu haben, einige tausend Austern mit ihrem gewaltigen Gebiß zerknackten und sich dann wieder ins Meer zurückschnellten.

Die Fahrt bis zur Insel ging vortrefflich von statten, und wenn ich erwähne, daß ich unterwegs einige Dutzend uns angreifender Haifische mit dem Ruder dermaßen zurichtete, daß sie das Wiederauftauchen vergaßen, so erwähne ich dies nur der historischen Genauigkeit wegen.

Wir legten endlich an der Amphitrite an, die von Krischan Schroop schon in weiter Entfernung mit gespanntester Aufmerksamkeit betrachtet worden war. Als er aber nun nicht mehr in Zweifel sein konnte, das Schiff sei kein anderes als seine verloren geglaubte »Amphitrite«, brach er in einen mehr als Schroop'schen Jubel aus und unter Freudenthränen rief er einmal über das anderemal: Ach, meine Amphitrite! meine Amphitrite! Mehr wußte er nicht vorzubringen, und es war auch vollkommen genug.

Mit gesetzter Würde bemerkte ich ihm: Krischan Schroop! Ihr habt mir Euren Handschlag darauf gegeben, auf nichts Anspruch zu machen, was auf dieser Insel liegt! Und Eure »Amphitrite« liegt, Ihr seht es, auf der Insel!

Ein Mann, ein Wort! sagte, aber seufzend und mit niedergeschlagener Miene, Krischan Schroop.


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