Hermann Marggraff
Fritz Beutel
Hermann Marggraff

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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Die Hieroglyphenschrift ist schon deshalb die geeignetste Schrift für Liebesbriefe, weil sie sich der Bilder bedient und gewissermaßen durch die Blume spricht; sie verdiente daher in weiblichen Erziehungsanstalten eingeführt zu werden.

Champollion.

O wenn eine solche gebräunte Mumie vielleicht die Tochter eines ägyptischen Stadtverordneten oder Bürgermeisters oder gar eines ägyptischen Finanzraths, Ministers oder Dynasten, ihren Mund aufthun könnte, welche Aufklärungen würde sie uns verschaffen können! Man sollte einen Preis aussetzen für die Erfindung eines Mittels, wodurch es möglich wäre, diese Mumien aufzuweichen und dadurch ins Leben zurückzubringen.

Lepsius.

Eine prächtigere Reisemethode als den Ritt auf einem Strauße gibt es nicht. Mein Strauß streifte mit seinen Füßen kaum die Erde, und doch flog er auch nicht; es war eine Mittelbewegung zwischen Fliegen und Laufen und dabei ausnehmend sanft und gleichmäßig. Seiner kurzen Schwingen bediente er sich dabei als Segel und zugleich als Balancirstangen, um sich im Gleichgewicht zu erhalten. Ein besonderer Vortheil für mich war es, daß mein Strauß kein männlicher Strauß, sondern eine Sträußin war und während meines langen Ritts durch die Wüste von Zeit zu Zeit Eier fallen ließ, welche mir in Nothfällen zur Nahrung dienten. Endlich stand er mit mir still vor einer bis dahin unentdeckten Pyramide in der lybischen Wüste, duckte sich, ließ mich absteigen, erhob sich wieder, nachdem ich den kleinen zierlichen Reisekoffer aus feinstem Gazellenleder von seinem Rücken geschnallt hatte, nickte wie zum Abschiede mit seinem langen Halse und wandte sich eiligen Laufes nach der mittelafrikanischen Wüste zurück.

Da stand ich nun und hatte das Nachsehen. Ich sagte mir jedoch, daß dies ganze Verfahren etwas Besonderes zu bedeuten haben müsse, und umging und untersuchte das altehrwürdige Bauwerk. Endlich fand ich eine dreieckige Oeffnung, die als Thür diente, und trat hinein, wobei ich mich jedoch bücken mußte, denn die Oeffnung war sehr niedrig. Ich fühlte daß einige Stufen nach oben führten und stieg und tastete mich hinauf, denn es herrschte völlige Dunkelheit um mich her.

Endlich gelangte ich in einen weiten Raum, der die Gestalt eines Quadrats hatte und durch einige nach Süden sich öffnende Fenster matt und dämmerhaft erleuchtet war. In diesem fast spuckhaften Zwielicht erblickte ich an der einen Wand aufgerichtet einen Sarkophag, in welchem sich eine Mumie befand, die ich sofort als eine weibliche erkannte. Ihre Züge waren, obschon starr, doch sehr fein und reizend und ich fühlte mich zu ihr, ich weiß nicht weshalb, mächtig hingezogen. Ich beschloß daher, hier Station zu machen und mich in diesem stillen ehrwürdigen Raum häuslich einzurichten; denn ich empfand nach einem so stürmischen ruhelosen Leben in der That das Bedürfniß, mich für eine Zeit ruhiger Contemplation hinzugeben. Zu diesem Zwecke beschloß ich, mich dem Studium der Hieroglyphik zu widmen, wozu ich hier die schönste Gelegenheit hatte, denn alle Wände waren dicht mit Hieroglyphen und altägyptischen Symbolen überdeckt.

Lebensmittel hatte ich noch in meinem kleinen Reisekoffer nebst einigen Flaschen Weines von den Weinbergen des Mondgebirges, der sehr stark und von vorzüglicher Qualität ist. Auch erblickte ich einige Schaalen mit eingemachten Früchten umherstehen, die freilich durch ihr Alter von mehreren tausend Jahren ganz und gar eingetrocknet waren. Ich suchte sie mit meinem Wein aufzuweichen, und siehe es gelang mir über die Maßen gut. Die Früchte quollen auf, und es war mir ein eigenthümlich pikanter Genuß, diese vor so vielen tausend Jahren eingemachten, höchst erquicklichen Früchte zu mir zu nehmen, und – so Hunger und Durst zugleich zu stillen.

Zum Nachtlager diente mir der Sarkophag, den ich von der Wand genommen und auf den marmorgetäfelten Boden niedergelegt hatte. Die Mumie bildete somit meine Unterlage und ich schlief tief und fest, außer gegen Morgen, wo ich von meiner Mumie träumte, die mir (im Traume nämlich) als ein liebreizendes Geschöpf entgegentrat und mir mit einer Lotosblume freundlich zuwinkte.

Die Sonne stand schon ziemlich hoch, als ich aus meinem Traum erwachte und mich wieder in meiner höchst eigenthümlichen Umgebung erblickte. Um die Gesichtszüge meiner Mumie besser in Augenschein nehmen zu können, ergriff ich den Sarkophag, in welchem sie lag, und hielt die Mumie gegen die schräg hereinfallenden Sonnenstrahlen. Da begab sich ein unerhörtes Wunder! Die Sonne mochte ihr in der Nase Kitzel erregen und sie nieste – nieste kräftig wie ein lebendes Menschenkind, nieste ein zweites, nieste ein drittes Mal und schien dabei mit den Augen zu blinzeln. Prosit! sagte ich. Danke schön! erwiederte leise meine Mumie.

Ich kann nicht leugnen, daß mich ein wenig schauderte. Indeß nahmen die Gesichtszüge der Mumie wieder ihren starren Ausdruck an, und ich überredete mich, daß ich geträumt hätte. Ich legte meine Mumie wieder hin, suchte nicht mehr an sie zu denken und vertrieb mir die größte Zeit des Tages mit dem Studium der Hieroglyphen, welche die Wand bedeckten. Ich machte bereits im Laufe dieses Tages bei dem mir von Natur angebornen instinctiven Scharfsinn bedeutende Fortschritte in der Erkenntniß dieser geheimnißvollen Schrift.

Gegen Abend begab ich mich zur Pyramide hinaus und machte in den nächsten Umgebungen Jagd auf Strauße und Antilopen, die hier sehr zahlreich sind und von denen ich mehrere erlegte. Diesem Vergnügen, welches mir zugleich zur nöthigen Leibesbewegung diente, habe ich, so lange ich dieses Asyl bewohnte, täglich obgelegen.

Nachts schlief ich wieder im Sarkophage meiner Mumie, ohne an etwas Besonderes zu denken. Gegen Morgen erwachte ich jedoch, früher als sonst, denn es rührte und schüttelte sich etwas unter mir. Nicht wenig erschrocken sprang ich vom Lager auf, und wer beschreibt mein Erstaunen, als ich meine Mumie den Kopf aus dem Sarkophage erheben und sich ängstlich bemühen sah, sich aus ihren Hüllen loszumachen. So überrascht und erschrocken ich auch war, verließ mich meine Courtoisie doch selbst in diesem Augenblicke nicht; ich bückte mich und half ihr, sich aus ihren Hüllen zu befreien, worauf die Schamhafte sofort nach einem Sessel von altägyptischer Form sprang und eiligst in die Gewänder schlüpfte, die auf dessen Lehne hingen.

Eine reizende Jungfrau von höchstens achtzehn Jahren stand sie nun vor mir, die Calantica über Haupt und Schultern mit jenen nach rückwärts gekrümmten Läppchen daran, welche offenbar den Münchner Riegelhäubchen zum Muster gedient haben. Ich war sehr verwirrt, verlegen, und sie war es auch.

Wo bin ich, sagte sie in altägyptischer Sprache, die ich jedoch in Folge meiner hieroglyphischen Studien schon so ziemlich verstand. Wo bin ich? Ich muß recht lange geschlafen haben. Und mit einem Herrn allein? Mein Herr! wie haben Sie wagen können, sich in das Schlafgemach eines jungen unerfahrenen Mädchens einzudrängen?

Befürchten Sie nichts, denn ich bin ein Deutscher, antwortete ich im gebrochenen Altägyptisch, ich habe nur am Lager Ihrer Unschuld gewacht; meine Erfahrenheit soll Ihre Unerfahrenheit in keinerlei Gefahr bringen, wenn Sie selbst nicht wollen. Aber, Fräulein, Sie haben einen langen, einen tausend – tausendjährigen Schlaf gethan; ich darf Ihnen diese Wahrheit nicht verhehlen; und wenn Sie von Ihrem Schlafe aufgewacht sind, so verdanken Sie dies der animalischen Wärme, die von mir während der Nacht auf Sie ausgeströmt ist; denn ich bin sehr elektromagnetischer Natur.

Sie erblickte den Sarkophag – sie begriff, sie schauderte. Tausend Jahre? fragte sie entsetzt.

Tausend Jahre, und noch tausend und abermals tausend Jahre, und ich weiß nicht, wie viel tausend Jahre, erwiederte ich. Indeß es ist vollkommen gleich, ob der Mensch nur eine Nacht oder tausend Jahre schläft, wenn er nur überhaupt erwacht und dann gesund ist.

Ich fragte sie hierauf, ob ich ihr ein Frühstück bereiten solle; denn da sie so viele tausend Jahre nichts zu sich genommen habe, sei vorauszusetzen, daß sie hungrig sein werde.

Ich fühle kein Bedürfniß, erwiederte sie, ich weiß gar nicht, was frühstücken ist. Aber hier herum ist mir so leer, sagte sie und wies dabei auf die Stirn, meine Stirn verlangt nach etwas. Doch da ist ja eine Lotosblume; es wuchsen so viele Lotosblumen in meines Vaters Garten; ich pflückte Sträuße davon und roch an ihnen; das that mir so wohl.

Die Mumie griff nach einer vertrockneten Lotosblume, die im Sarkophage lag und roch daran. Ach, sagte sie traurig, die Blume hat ihren Duft verloren.

Ich begriff den Hergang. Mumien haben, wie ich mich erinnerte, keine Eingeweide; mithin bedurfte das gute Geschöpf keiner Nahrung. Es war Blumenduft, wonach sie verlangte; Blumenduft war die Speise, die sie nöthig hatte, um am Leben erhalten zu werden.

Schnell schlug ich einer Weinflasche den Hals ab und setzte die Lotosblume mit ihrem Stengel in den aromatischen Wein, der, wie ich bereits erfahren, die Kraft hatte, vertrocknete Früchte aufquellen zu machen und mit Saft zu füllen. Ah, mir wird so ohnmächtig zu Muthe, klagte die Mumie. Inzwischen hatte sich die Lotosblume entfaltet und füllte das Gemach mit süßem würzigem Duft.

Die Mumie sog ihn begierig ein; ihr Auge leuchtete. Ach, wie thut das so wohl! sagte sie. Ich bat sie nun, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Die Mumie fuhr mit der Hand über die Stirn und begann:

Mir fangen an einzelne Erinnerungen aufzutauchen; ich will versuchen, sie zusammenzulesen. Es muß lange, sehr lange her sein – mein Vater war der Pharao von Aegypten, Rhamnutis der Dritte, und er hatte mich sehr lieb. Da begab es sich, daß ein jüdischer Jüngling, mit Namen Joseph –

Joseph? rief ich verwundert aus, ich bin sehr begierig.

Ja, er hieß Joseph, war von seinen schlechten Brüdern verkauft worden und ein sehr schöner junger Mensch. Ich sah ihn oft, wenn ich im Garten Blumen pflückte, denn er wohnte neben an, im Hause des Kämmerers Potiphar, der den Joseph gekauft und ein schönes Stück Geld für ihn gegeben hatte. Joseph brachte mir manchen Strauß, unterrichtete mich im Hebräischen und machte mir an meinem sechzehnten Geburtstage ein sehr schönes hebräisches Gedicht; ich könnte es noch hersagen.

Um Vergebung, verehrteste Prinzeß, wann waren Sie geboren? fragte ich.

Im Jahre 10530 vor Christo am 12. August, glaube ich, antwortete die Mumie.

Wie konnten Sie aber nach christlichem Datum rechnen, da ja Christus damals noch gar nicht geboren war?

Unsere Gelehrten hatten diese Zeitrechnung einmal eingeführt, und so kamen wir mit jedem Jahre Christi Geburt näher, antwortete die Mumie.

Und zehntausend Jahre vor Christo? frug ich weiter. Unsere Gelehrten setzen das Datum, wo Joseph lebte, in viel spätere Zeit.

Oh, da sind die jetzigen Gelehrten sehr auf dem Holzwege, antwortete die Mumie. Ich weiß, was ich weiß. Ich bin 10530 vor Christo geboren und starb 10512 vor Christo. Hiernach können Sie ausrechnen, wie alt ich war, als ich starb.

Entschuldigen Sie meine Zwischenfragen, verehrteste Prinzessin, und haben Sie die Güte fortzufahren, sagte ich.

Ich werde es thun, obschon die Erinnerung an jene Zeit für mich eine sehr traurige ist, sagte die Mumie. Der schöne jüdische Jüngling erweckte ganz eigene Gefühle in mir; ich muß es gestehen mit all der Schüchternheit, die man von einem unschuldigen Mädchen bei solchen Geständnissen erwarten darf. Und auch Joseph schenkte mir seine Neigung. Ich weiß eigentlich nicht, wer von uns Beiden damit zuerst angefangen hat; das ist ja auch gleichgiltig; kurz, wir liebten uns mit all der glühenden Schwärmerei, die jungen unentweihten Herzen in solchen Fällen eigen ist. Doch der schöne Traum sollte nur zu bald ein Ende nehmen. Des Kämmerers Potiphar Frau, die sehr häßlich und eine böse Sieben war –

Sie haben also diese Person gekannt? rief ich verwundert aus.

Wer hätte in Aegypten nicht die Madame Potiphar gekannt? Sie hatte schon so viele galante Abenteuer gehabt, daß Jedermann mit Fingern auf sie wies und sich über ihren einfältigen Gatten wunderte, weil er sich nicht von ihr scheiden lassen wollte; aber er stand völlig unter ihrem Pantoffel, wobei ich übrigens bemerke, daß sie Holzpantoffeln trug und damit im Hause treppauf treppab einen gewaltigen Lärm machte. Kurz, sie suchte den unschuldigen Jüngling in ihr Netz zu ziehen, und da er widerstand und den Mantel auf ihrem Lager ließ, beschuldigte sie ihn arger Dinge und Joseph wurde arretirt und ins Stockhaus eingesperrt. Oh, der arme Mensch! wie es ihm später nur ergangen sein mag? denn ich habe seine Befreiung nicht mehr erlebt. Die Mumie weinte, sie weinte so, daß ihre Thränen zuletzt den Kelch der Lotosblume füllten.

Beruhigen Sie sich, verehrteste Prinzessin! sagte ich beschwichtigend; Ihr Joseph wurde später aus dem Gefängniß befreit und gelangte noch zu hohen Würden und Ehren im Aegypterlande.

Oh Isis und Osiris! Wäre es möglich? rief die Mumie erfreut und trocknete sich mit dem rechten Zipfel ihrer Calantica die Thränen ab.

Ganz gewiß! versicherte ich. So steht es im ersten Buch Mose, Kapitel 41. Es ist eine der rührendsten Geschichten in der ganzen heiligen Schrift. Ich habe sie, von wegen der Potiphar, in meiner Kindheit stets sehr gern gelesen; nur malte sich meine Phantasie die Madame Potiphar immer als eine schöne Person aus, und ich dachte dann: Fritz, wenn du an Joseph's Stelle gewesen wärest! Nämlich, Prinzessin, wegen des Mantels! Ich hatte keinen, und ich verdachte es Joseph sehr, daß er seinen Mantel im Stich lassen konnte. Aber wie hätte ich mir jemals träumen lassen, in meinem Leben mit einer jungen reizenden Dame zusammenzutreffen, welche Joseph und Madame Potiphar noch persönlich gekannt hat! Geruhen Sie fortzufahren, schöne Prinzessin! Ihre Geschichte erweckt meinen lebhaftesten Antheil!

Ach! seufzte die Mumie, was nun folgt, wird Ihre vielleicht zu hoch gesteigerten Erwartungen schwerlich befriedigen. Ich will mich kurz fassen. Als ich von des guten Joseph's Verhaftung hörte, war ich untröstlich. Ich wußte, daß er unschuldig war; ich lief zu meinem Vater, dem Pharao, und gestand ihm, daß ich Joseph liebe, daß er ihn freilassen müsse, wenn es kein Unglück geben solle, und daß ich nur Joseph und keinen Anderen zu ehelichen entschlossen sei. Entartetes Geschöpf! brauste mein Vater, der Pharao, auf, schlage dir diese Gedanken aus dem Kopfe oder gewärtige, daß ich dich verstoße! Niemals werde ich darein einwilligen, daß meine Tochter, die Tochter eines Pharao, das Weib eines hergelaufenen Judenjünglings werde. Niemals wird Rhamnutis der Dritte eine solche Mesalliance zugeben! Verzweifelt rannte ich an den Strand des Nils und hoffnungslos, wie ich war, stürzte ich mich in die Fluth. Ich ertrank. Man muß meine Leiche aufgefischt haben, denn sonst wäre ich nicht Mumie. Dort an der Wand erblicke ich die Inschrift: »Der trauernde Rhamnutis, seines Namens der Dritte, seiner geliebten Tochter Pumphitta, dem Opfer eines unglücklichen Mißverständnisses.«

So erzählte Prinzessin Pumphitta, die Mumie.

Ich suchte sie zu trösten, so gut es ging, und es ging besser, als ich dachte, so gut, daß sie ihren Joseph bald gänzlich vergessen hatte. Wenn ich von der Straußenjagd zurückkehrte, ruhte ich in ihren Armen, an ihrem Herzen aus. Sie erzählte mir von den Thaten Djom's, des ägyptischen Herkules, von der Hathor oder der ägyptischen Venus, und andern altägyptischen Gottheiten männlichen und weiblichen Geschlechts, am liebsten aber von der genannten Hathor und ihren vielen Liebesabenteuern; sie weihte mich in die Geheimnisse der Hieroglyphik ein, und das Wenige, was ich davon dem berühmten Gelehrten Lepsius mittheilte, hat diesen in Stand gesetzt, in Aegypten jene Entdeckungen zu machen, mit denen er die gelehrte Welt überraschte.

So verstrich ein halbes Jahr, und so süß mir auch der Verkehr mit diesem naiven reizenden Geschöpfe war, fing ich doch an, mich aus dieser Einsamkeit wieder in die große Welt zurückzusehnen. Als sie dies merkte, wurde sie sehr traurig; sie erklärte, mir folgen zu wollen, wohin ich ginge, und als ich eines Tages von der Jagd zurückkehrte, fand ich sie auf dem Rande ihres Sarkophages weinend sitzen, den Kopf in die Hände gestützt.

Ich richtete ihr Haupt in die Höhe; sie sah mich halb weinend, halb lächelnd an und sagte:

Fritz! Wie steht es mit dem Heirathen?

Das war mir doch zu viel; der Gedanke, durch die Ehe an eine ehemalige Mumie für immer gefesselt zu sein, erregte mir Entsetzen.

Lieben, rief ich, soviel du willst, Pumphitta! Aber heirathen – niemals!

Ich erschrak selbst über meine Worte, so rauh hatte ich sie herausgestoßen. Das zarte Geschöpf konnte diese harte Begegnung nicht ertragen. Pumphitta stieß einen Seufzer aus, so klagend, so durchdringend, daß ich im Innersten erbebte; sie zuckte, sie schrumpfte zusammen; sie wurde von Minute zu Minute mehr und mehr Mumie, sie lag im Sarkophage ausgestreckt, sie war zu braunem Pergament geworden; nur um ihre Lippen spielte ein tiefschmerzliches Lächeln.

Da erwachte meine Liebe von Neuem mit aller Gewalt. Ich beugte mich zu ihr nieder, ich rief: Pumphitta! Pumphitta! Ich will dich ja heirathen – ich will alle weiblichen Mumien Aegyptens und Lybiens heirathen – – nur komm wieder zu dir! Wache! Lebe! Sei glücklich, glücklich als Madame Beutel! Die ganze Nacht brachte ich damit zu, sie zu wärmen und elektromagnetisch auf sie zu wirken – vergebens! In der Morgenfrühe versuchte ich noch das letzte Mittel, ich hielt sie gegen die Sonnenstrahlen – aber sie nieste nicht! Sie war und blieb Mumie!

Nun hielt es mich hier nicht länger. Ich packte meinen Reisekoffer, schwang mich auf einen Strauß, den ich inzwischen dressirt hatte, und trabte auf ihm in der Richtung von dannen, wo, wie ich mir sagte, der Nil fließen mußte.


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