Hermann Marggraff
Fritz Beutel
Hermann Marggraff

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Zwanzigstes Kapitel.

Nach Tombuktu, nach Tombuktu,
Wo die garst'gen Häuser stehen,
Aus den Fenstern nackte schmutz'ge
Mohren und Mohrinnen sehen –
Dahin sehnt mein Herz sich sehr!

Clemens Brentano.

O Königin! und wenn du täglich auch
Das Blut in Eimern schlürftest, dennoch würd' ich
Am Kopf dich fassen und dich herzen müssen.

Friedrich Hebbel.

Begreiflicherweise hatte ich in Constantine nicht Zeit gehabt, darüber nachzudenken, wo ich meine erste Station machen und was ich überhaupt in Centralafrika beginnen solle. Hierüber meinen Entschluß zu fassen, blieb mir während des Rittes ja Zeit genug.

Nun fiel mir nach den ersten gewaltigen Sätzen meines Gelben von ungefähr ein, daß in Tombuktu eine Universität bestehe, auf welcher namentlich die afrikanischen Rechtsstudien florirten; und zu gleicher Zeit fiel mir ein, daß mir zu einem vollkommen gebildeten Manne, der sich dereinst in den anständigen Cirkeln Deutschlands sehen lassen könne, das Doctordiplom fehle. Des Tombuktu'schen war ich ohnehin ziemlich mächtig, da ich in Constantine einen gebornen Tombuktuer zu meinem Stiefelputzer gehabt hatte. Ich beschloß daher, Doctor der afrikanischen Rechte zu werden und auf Tombuktu loszureiten.

Ich rief also meinem Gelben zu: Tombuktu! und mein Löwe verstand mich. Er wußte, wo Tombuktu lag, er hatte mir bereits durch die Augensprache mitgetheilt, daß er aus der Gegend von Tombuktu stamme, daß er aber in früher Jugendzeit mit seinen Eltern ausgewandert sei, um anderwärts bessere Nahrung zu suchen. Auf meine Anrede nickte mein Löwe bejahend mit dem Kopfe, und wir schlugen nun die Richtung nach Tombuktu ein.

Die afrikanische Wüste ist schon so oft geschildert worden, daß man mir erlassen wird, meinen Ritt im Detail zu beschreiben. Sehr angenehm und unterhaltend ist ein Wüstenritt nicht; das kann ich versichern. Die Sonne brennt da gewaltig, und hätte ich nicht aus Vorsorge schon früher an beiden Seiten des Sattels mit Erde gefüllte Kübel angebracht, in welchen mächtige Oleandersträucher wuchsen, die mich in Schatten hüllten, so würde unter meinem Schädel, so graniten er ist, mein Gehirn wahrscheinlich vertrocknet sein. Zuweilen scheuchten wir ganze Heerden von Giraffen, Gazellen und Straußen auf, welche in dichten Rudeln vor uns herstoben, was mir noch die meiste Unterhaltung gewährte, zumal mein Löwe nicht umhin konnte, sich dann und wann einen fetten Bissen herauszuholen und mit gutem Appetit zu verspeisen. Oft war ich kaum im Stande, mich im Sattel zu halten, wenn mein Löwe einer gefleckten Giraffe auf den Nacken sprang, und dann das arme blutende Thier mit uns eine Strecke weit dahin galoppirte, bis es zusammenbrach. Ich habe später Freiligrath's » Löwenritt« gelesen und fand das Gedicht ziemlich hübsch; indeß würde es eine noch viel großartigere Wirkung hervorbringen, wenn er mir als Drittem im Bunde darin eine Stelle gegönnt hätte. Er konnte dies wissen, da mein Ritt später von mir in der Tombuktuer Hofzeitung beschrieben und dann von einem berühmten Tombuktuer Poeten in Form einer Ballade behandelt worden ist, welche in Tombuktu auf allen Gassen gesungen wird. Als meine Schinken und Würste verzehrt oder in der Sonnenhitze verdorben waren, nährte ich mich vorzüglich von Straußeneiern, die zu Tausenden schon gesotten unter der Oberfläche der heißen Wüstenasche lagen, woher es auch kommt, daß an den heißesten Tagen die jungen Strauße meist schon gebraten und gebacken aus den Eiern kriechen. So mütterlich sorgt die Natur überall für ihre ungezogensten Kinder, die Menschen! Bei einem Samum freilich sind diese Eier den Reisenden sehr beschwerlich, da sie ihnen durch den Sturm zu Dutzenden an den Kopf geschleudert werden.

Eines Tages bemerkte ich eine Taube, die in größter Schnelligkeit ihre Richtung ebenfalls nach Tombuktu nahm, und die mir, ich weiß selbst nicht warum, sehr verdächtig, ich möchte sagen polizeimäßig vorkam. Warte! dachte ich, ergriff mein Schießgewehr, drückte ab und mit eingezogenen Flügeln sank der Vogel zu den Füßen meines Löwen nieder. Meine Ahnung hatte mich nicht betrogen. Ich erblickte unter ihrem rechten Flügel ein zusammengefaltetes Papier, das ich sofort entrollte. Es enthielt, wer sollte es denken? einen gegen mich vom Militär-Commando von Constantine erlassenen Steckbrief, worin alle Civil- und Militärbehörden Afrika's aufgefordert wurden, auf mich als einen Fahnenflüchtigen und Kassendieb zu vigiliren und, falls man meiner habhaft werden könnte, mich sofort zu arretiren und nach Constantine abzuliefern, da, wie es zum Schlusse hieß, dem algierischen Gouvernement an meiner Person ungemein viel gelegen sei. Die Dankbarkeit Frankreichs und ein ansehnliches Douceur wurden dem, der mich wieder einbrächte, zugesagt. Aus dieser einen Taube, die sich bis in die Gegend von Tombuktu verirrt hatte, konnte ich auf die Menge von Tauben schließen, welche die oberste Militärbehörde mit ähnlichen unangenehmen Briefen nach allen Richtungen entsandt haben mochte. Am empfindlichsten fühlte ich mich durch die Beschuldigung des Kassendiebstahls verletzt, da ja die Militärbehörde in Anbetracht meiner stets bewiesenen Redlichkeit überzeugt sein mußte, daß die Bataillonskasse sich nur durch einen unerklärlichen Zufall in meinen Reisekoffer verirrt haben könne. Ich erkannte in dieser Beschuldigung den Einfluß des tückischen Generalgouverneurs, meines erbarmungslosen Verfolgers, der in seiner Unmoralität ja sogar soweit gegangen war, unschuldige Tauben als Polizeiagenten zu mißbrauchen und dadurch die Keime des Verderbens in ihr unschuldiges Herz zu legen.

Endlich nach wochenlangem Ritt lag im Scheine der Abendsonne Tombuktu in weiter Ausdehnung vor mir. Wir standen am Thore, und eben war ich im Begriff, mit meinem Löwen hineinzureiten, als mir eine Tafel in die Augen fiel, auf welcher zu lesen war: »Löwen dürfen bei ansehnlicher Geld- oder verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe nicht in die Stadt mitgenommen werden.« Traurig stand ich da und theilte das Gelesene meinem treuen Löwen mit, der darüber ebenfalls traurig den Kopf sinken ließ. In diesem betrübten Augenblicke traten mehrere Löwen aus einem Seitengebüsch, umsprangen meinen Gelben mit den Ausdrücken der herzlichsten Freude und küßten ihn zärtlich auf die Schnauze. Es waren Vettern und Muhmen meines Löwen, die ihn sofort erkannt hatten, weil sie Jugendfreunde gewesen waren. Sie sahen sehr wohlgenährt aus, und dies bewies, daß es den Löwen jetzt in der Gegend von Tombuktu nicht an Nahrung fehlte. Dieses unverhoffte Wiedersehen tröstete meinen Gelben über die Trennung von mir, er drückte die Tatzen seiner Vettern der Reihe nach aufs Herzlichste. Auffallend zärtlich benahm er sich gegen eine Cousine, die ihm einige feurige Blicke zugeworfen hatte und die er nun innig ans Herz preßte. Nachdem ich den Koffer und Sattel von seinem Rücken losgeschnallt hatte, trabte er an der Seite seiner Cousine, mir noch einigemal aus der Ferne freundlich zunickend, einem Palmenwalde zu. Ich zweifle nicht, daß Beide ein glückliches Paar geworden sind.

Wie ich nun so bei meinem Koffer stand und nicht wußte, was ich thun sollte, stürzte plötzlich ein Gewimmel schwarzer Gestalten aus dem Thore auf mich zu, in denen ich bald theils Lohnbediente, theils Packträger erkannte. Es war ein fürchterliches Geschnatter von Stimmen. Der Eine schlug mir dieses, der Andere jenes Hôtel vor; endlich wählte ich den Gasthof: »Zum bayerischen Schöppchen«, weil ich da doch auf einen guten Trank rechnen durfte. Wir zogen mit dem Gepäck in die Stadt. Unterwegs erzählte mir der Lohnbediente auf mein Befragen, daß vor zehn Jahren ein bayerischer Bierbrauergesell nach Tombuktu gekommen sei und angefangen habe, das beliebte Palmbier auf bayerische Art zu brauen, was großen Beifall gefunden habe. Er hätte sich mit einer Bürgerstochter, natürlich einer Schwarzen, verheirathet, sei aber vor einem Jahre gestorben und seine Wittwe führe nun das Geschäft fort.

Ich kehrte also im Hôtel »zum bayerischen Schöppchen« ein, wobei ich jedoch bemerke, daß man sich unter einem Tombuktuer Hôtel kein rheinisches zu denken hat. Es war blos aus Lehm aufgeführt und enthielt in seinem Innern nur einen einzigen Raum, der als Wohn-, Speise- und Schlafzimmer für alle Gäste dienen mußte. Aber der Empfang Seitens der Wirthin, die erfreut war, nach langer Zeit wieder einmal einen Deutschen bei sich zu beherbergen, war herzlich und der Trank ein guter. Man kann sich denken, wie viel ich davon hineinschütten mußte, um meine in Folge des langen Wüstenritts ganz zusammengetrocknete Zunge wieder aufzuweichen.

Andern Tages meldete ich mich beim Rector Magnificus, um mich inscribiren zu lassen. Obschon er nichts weiter am Körper trug, als einen rothen englischen Militärfrack und um den Hals ein paar mächtige Vatermörder, trat er mir doch mit all der Grandezza entgegen, wie sie jedem Rector Magnificus eigen ist, fragte, ob ich mich schon bei der Polizei gemeldet habe, und zuckte, als ich dies verneinte, mit den Achseln, indem er bemerkte, daß dem Acte der Inscription die polizeiliche Meldung vorangehen müsse. Ich erkannte hierin, daß ich mich in einem civilisirten Staate befand.

Ich begab mich also auf das Polizei-Bureau; als ich jedoch den Paß meines Bruders hervorlangen wollte, fand ich, daß er mir fehlte, und mußte annehmen, daß ich ihn während des Ritts leider verloren haben müsse. Auf mein gutes Glück vertrauend, reichte ich also dem Polizei-Officianten meinen Steckbrief hin, und ich bemerkte bald, daß man von einem Steckbriefe in Tombuktu keine Vorstellung habe und daß der Polizei-Officiant nur so viel Französisch wisse, um nothdürftig das Signalement entziffern zu können. Er verglich dieses mit meiner Person. Also:

Haare:  löwenmähnig, ächtes Goldgelb.
Stirn:  majestätisch gewölbt.
Nase:  keck in die Welt hervorspringender Erkerbau auf breitester Grundlage.
Mund:  dictatorisch, imperatorisch, cäsarisch.
Augen:  reinstes Himmelblau, für gewöhnlich sanft, in Augenblicken des Zornes durchbohrend, niederblitzend, gewitterhaft.
Schnurrbart:  dunkelblond, von einer Spitze zur andern 2 Fuß messend.

Das Signalement traf richtig zu. Der Polizei-Officiant heftete den Steckbrief in ein Volumen von Pässen und stellte mir eine Aufenthaltskarte für ein ganzes Jahr aus, worauf ich mich wieder zum Rector Magnificus begab, der mir nun meine Matrikel ohne weitere Bedenklichkeiten ausfertigte. Ich ward somit akademischer Bürger der Alma mater von Tombuktu und hörte Collegien bei dem großen Rechtsgelehrten Ziburri.

Hier seine Hauptgrundsätze:

§. 1. Jedes Recht besteht in demjenigen Unrecht, welches ich habe, jedes Unrecht in demjenigen Recht, welches Andere haben.

§. 2. Wir Afrikaner theilen das Recht in ein wirkliches und in ein problematisches Recht.

§. 3. Das wirkliche Recht ist dasjenige, welches ich habe, das problematische dasjenige, welches alle Uebrigen außer mir haben oder zu haben glauben.

§. 4. Da mithin jedes Recht eines Andern von meinem Standpunkt nur ein problematisches ist, so muß ich soviel zu kriegen suchen, als möglich ist, mich aber selbst nicht kriegen lassen.

§. 5. Von dem Augenblick an, wo ich etwas kriege, habe ich auch ein Recht daran; wenn ich mich selbst aber kriegen lasse, so habe ich auch jenes Recht verloren und man verfährt mit mir, wie Rechtens.

§. 6. Wer sich nicht kriegen läßt, ist auch kein Verbrecher, Verbrecher ist nur, wer sich kriegen läßt.

§. 7. Das Verbrechen des Sichkriegenlassens zieht folgerecht auch die Strafe nach sich.

§. 8. Der Grad der Strafe für denjenigen, welcher gekriegt wird, richtet sich nach dem Grade des Schadens, den er dadurch erlitten hat, daß er sich kriegen ließ. Wer z. B. 10 Ducaten gestohlen hat und sein Recht daran dadurch verliert, daß er sich ertappen und kriegen läßt, wird nicht so hart bestraft, als der Entwender von 100 Ducaten, der sich ertappen und kriegen läßt und dadurch einen Schaden von 100 Ducaten erleidet.

Zu unserm Trost fügte Professor Ziburri hinzu: Es lassen sich freilich gegen diese Bestrafung auch mancherlei Rechtseinwände erheben, wenn man nur einen geschickten Advocaten findet, weshalb ich mich Ihnen, meine Herren! für solche Fälle bestens empfehle.

Mir gefiel dieser Mann außerordentlich, und als ich einmal in einen solchen Fall kam, hatte ich nichts Eiligeres zu thun, als die Rechtshilfe des Herrn Professors Ziburri in Anspruch zu nehmen.

Ich hatte nämlich eines Tages, nach Ziburri's Grundsätzen, das Recht eines Andern an sein Pferd in mein Recht an dasselbe Pferd verwandelt, war aber bedroht, wieder mein Recht daran zu verlieren und für diese Einbuße bestraft zu werden, weil ich mich hatte ertappen lassen. Ziburri bewies nun aber vor Gericht durch allerlei Rechtskniffe, die ich nicht weiter anführen will, daß nicht nur dieses Pferd mein Eigenthum sei und es bleiben müsse, sondern daß der frühere Besitzer mir auch widerrechtlich ein Füllen vorenthalte, welches dem Naturrecht gemäß zu diesem Pferde gehöre. Der Ausgang des Prozesses war der, daß mir das Gericht zuletzt wirklich auch das Füllen zuerkannte. Man kann sich denken, welche Verehrung ich fortan für diesen seltenen Mann hegte!

Auch hörte ich bei Ziburri Collegien über das afrikanische Staatsrecht, welches wenigstens den Vorzug hat, ganz national und dabei sehr einfach und gemeinverständlich zu sein. Der oberste Rechtsgrundsatz lautet: »Der Herrscher von Tombuktu kann in seinem Lande und mit seinen Unterthanen anfangen, was er will; alle Einwohner sind werth, geköpft, gespießt oder gehangen zu werden; wer daher in Tombuktu am Leben bleibt, hat dies, außer seiner gesunden Constitution, der Gnade des Herrschers zu verdanken, und wer Morgens aufsteht, ohne während der Nacht geköpft, gespießt oder gehangen zu sein, empfängt täglich sein Leben gewissermaßen von Neuem aus des Herrschers Hand als ein Gnadengeschenk.«

Schon damals dachte ich: wenn du doch Herrscher von Tombuktu sein könntest! wie gut muß es sich hier regieren lassen! welches patriarchalische Verhältniß muß bei solchen Grundsätzen zwischen dem Fürsten und seinen Unterthanen obwalten!

Ich bemerke übrigens, daß zu der Zeit über Tombuktu die Königin Krikikara regierte, und zwar nach den oben angeführten Grundsätzen, die sie in einer Weise in Anwendung brachte, welche mein ganzes Interesse für diese erhabene Person erregte. Bald da, bald dort in meiner Nachbarschaft hatte Einer Grund sich zu wundern, wenn er Morgens nicht wieder aufstehen konnte, weil ihm in der Nacht im Bette der Kopf abgeschnitten worden war. Ich sehnte mich sehr, sie von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, und eher, als ich glaubte, sollte mein Wunsch erfüllt werden.

Ich kam eben von einem Commersch meiner Landsmannschaft, die »Senegambier« genannt. Ich muß nämlich bemerken, daß es auf der Universität von Tombuktu ganz wie in Deutschland Studentenverbindungen gibt, die sich durch Abzeichen von einander unterscheiden, bei ihren geselligen Vereinen unendlich viel Palmbier trinken, und zwar aus großen Wassereimern, mit denen man möglichst lärmhaft zusammenklappert, und dabei Rundgesänge anstimmen, in denen man sein Liebchen leben laßt, auch wenn sie nicht leben will. Außerdem raucht man bei diesen Commerschen ein betäubendes Kraut, welches soviel Dampf entwickelt, daß Erstickungsfälle gar nicht selten waren. Die Mitglieder dieser landsmannschaftlichen Verbindungen werden von der Regierung von Tombuktu sehr bevorzugt, weil sie meist nicht viel lernen, Körper und Geist bald abnutzen und daher im Staatsdienst am besten zu verwenden sind. Eine andere Verbindung dagegen – mit der wir Landsmannschafter in stätem Hader lagen und täglich Paukereien hatten – zählte meist sehr fleißige und sittliche junge Männer zu ihren Mitgliedern; da sie aber statt des Liebchens das Vaterland hoch leben ließen und im Geheimen den Plan verfolgten, die sich immerdar bekämpfenden Stämme Inner-Afrika's zu Einem Volke zu verschmelzen und ihnen eine liberale Verfassung zu Theil werden zu lassen, so wurden sie in aller Weise zurückgesetzt, relegirt, verfolgt, zuweilen auch ins Gefängniß und von da nach löblichem tombuktuschen Landesbrauch an den Spieß gesteckt. Was kümmerte mich aber die mittelafrikanische Einheit? Ich blieb bei meinen Landsmannschaftern, mit denen es sich äußerst fidel leben ließ.

Also ich komme von unserm Commersch und mache einen Spaziergang in den Promenaden, die sich um die innere Stadt herziehen und denen eine Schattenseite nicht zum Vorwurf zu machen ist, da man sich auf ihnen vergebens nach Bäumen umsieht, obschon es an Platz dazu nicht fehlt. Ich trug die landsmannschaftliche Tracht der»Senegambier«, einen leichten Hut aus Reisstroh mit grünem Bande, eine mächtige Halsbinde, einen bunten Schurz aus Straußenfedern um die Hüften und gewaltige Stulpenstiefeln mit Sporen an den sonst gänzlich nackten Beinen. Wie ich so gehe und eigentlich an nichts denke, sehe ich einen Zug von Hofequipagen auf mich zukommen, die, wie dies hier gewöhnlich der Fall ist, mit sehr fettbäuchigen Schweinen bespannt waren, aber freilich mit Hofschweinen aus den Marställen Ihrer Majestät der Königin. Voraus eilte, ebenfalls auf einem Hofschweine, ein Hofcavalier mit einem langen Schwerte, womit er Allen, welche dem Zuge unversehens in den Weg kamen, ohne Weiteres die Köpfe abhieb. Trotzdem ging ich dem Zuge nicht aus dem Wege, sondern warf dem kopfabschneiderischen Cavalier einen so niederschmetternden Blick zu, daß er das Schwert nicht gegen mich zu erheben wagte. Ich hatte einige Eimer Palmbier zu mir genommen, und so fehlte es mir an Muth und Entschlossenheit nicht.

Der Zug stockte. Die Königin, welche im dritten, mit acht Hofschweinen bespannten Wagen fuhr, den sie wegen ihrer ansehnlichen Leibesstärke ganz ausfüllte, blickte verwundert aus dem Wagenfenster und fragte in ärgerlichem Tone, was es gebe?

Sofort nähere ich mich ihr in der nur mir eigenen ritterlichen Weise, verbeuge mich, ziehe meinen Strohhut, selbst auf die Gefahr, den Sonnenstich zu bekommen, und sage in herzgewinnendem Tone:

Madame, wer Sie sind, weiß ich nicht; denn ich bin Fremdling hier am Orte und ein ehrlicher Deutscher; aber Madame haben ein königliches Ansehen, und so wie Sie, denke ich mir, muß Ihre Majestät die Königin Krikikara aussehen; denn ein solches Aussehen hat kein gewöhnliches Menschenkind – jeder Zoll eine Königin!

Jeder Zoll eine Königin! sagte sie, gut gesagt, wenn es nur nicht aus dem Shakespeare gestohlen wäre. Oh, auch Wir haben den Lear in tombuktu'scher Uebersetzung gelesen! Aber die Anwendung der Stelle ist gut – jeder Zoll eine Königin, ist gut.

Man könnte auch sagen, erwiederte ich, jeder Zoll ist königlich, denn jeder Zoll fließt in die königliche Kasse.

Oh, Sie Schalk, sagte sie, und versetzte mir einen Schlag mit ihrem Palmenfächer. Besuchen Sie mich doch, liebes Herz!

Damit überreichte sie mir eine lithographirte Karte, worauf zu lesen war: »Krikikara, Königin von Tombuktu. Zu sprechen Mitternachts von 12 Uhr an.«

Sie nickte mir noch einmal huldvoll zu, dann trollte der ganze Zug ab.

Ich drehte mehrmals die Karte zwischen meinen Fingern hin und her und wußte nicht, ob ich das Ganze für einen Traum halten sollte. Denn in der That, so etwas, wie diese Schweine und diese Königin, erlebt man nicht, sondern träumt sie nur.

Indem ich so nachdenklich dastehe, kommt einer meiner Commilitonen, ebenfalls ein »Senegambier«, daher, dem ich mein Abenteuer mittheile.

Um Himmelswillen! ruft er, Bruder, laß dich darauf nicht ein. Renne nicht ins Verderben! Eine Einladung zur Königin Krikikara zur Mitternachtzeit ist dein Tod! Schon Hunderte von jungen Leuten haben sich in ihren Armen den Tod geholt. Die Gerippe und Schädel dieser unglücklichen Opfer bilden die Wände und das Pflaster ihres Palastes.

Nachdem er mich noch, wie sich dies von selbst versteht, für seinen guten Rath angepumpt, ergriff er mich beim Arme und zog mich mit sich wieder in das Hôtel »zum bayerischen Schöppchen«, wo unsere Freunde noch versammelt waren. Es wurde wieder gesungen, gelärmt und gezecht, aber ich »bemoostes Haupt« war sehr träumerisch. Verführerische Bilder künftiger Größe umgaukelten mich. Nicht die dicke Königin bezauberte mich – denn so corpulent wie sie war Beate etwa auch, als ich sie zum letzten Male sah – sondern die Aussicht, Landesvater einer solchen Nation zu werden – einer Nation, die sich beglückt fühlte, geköpft, gespießt und gehangen zu werden, wenn dies der Landesmutter gerade Spaß machte. An Witzen und derben Späßen über meine träumerische Stimmung fehlte es nicht, und mehr als einmal ließ man meine dicke Schöne, die Königin Krikikara, hoch leben.

Wir trennten uns etwa gegen Mitternacht. Gerade der Umstand, daß der Königin Palast zum Theil aus den Schädeln ihrer Liebhaber gebaut sein sollte, steigerte mein Interesse an ihr. Ein ungewöhnliches Weib mußte sie jedenfalls sein, und auch ich war ungewöhnlich! Wie sehr paßten wir zu einander!

Ich war – ich muß es zugeben – sehr träumerisch, so träumerisch, daß ich an der nächsten Straßenecke zu Boden sank und plötzlich einschlief. Ich hatte noch niemals so viel Palmbier zu mir genommen. Vergebens rüttelte mich der Nachtwächter – ich schlief. Der Nachtwächter ging von dannen und brummte, und ich brummte auch. Die ganze Welt, glaube ich, brummte; mir wenigstens brummte sie.

Etwa eine Stunde mochte ich geschlafen haben, als ich mich von einem Dutzend roher schwarzer Fäuste ergriffen und trotz meiner Protestationen in einen Wagen oder Karren gehoben fühlte.

Zur Königin Krikikara! befahl der Kutscher.

In diesem Zustande? rief ich, ohne Toilette gemacht zu haben? Ich erhob mich im Wagen, um durch die Thür hinauszuspringen, fühlte mich aber von demselben Dutzend roher schwarzer Fäuste auf meinen Sitz niedergedrückt. Die Fahrt nahm ihren langsamen Verlauf, denn es waren Hofschweine, welche den Wagen zogen.

Wir näherten uns der königlichen Hofburg. Der Mond schien sehr schön, und die Fahrt ging, da die Schweine ungemein fettbäuchig waren, sehr langsam, so daß ich Muße hatte, Alles genau zu unterscheiden und zu beobachten.

Wäre ich ein romantischer Aufschneider, so könnte ich von goldenen mit reichen Teppichen geschmückten Gemächern, von kühlen Marmorhöfen, von plätschernden Springbrunnen, von duftigen Rosen und schattigen Palmengärten, von reizenden Odalisken und anderen prächtigen Ausgeburten der europäischen Phantasie erzählen. Ich berichte jedoch nur die nackte Wahrheit, und in Afrika ist bekanntlich Alles nackt.

Wir geriethen plötzlich auf ein ganz eigenthümlich holperiges Pflaster, und als ich zum Wagenfenster hinausblickte, bemerkte ich, daß der Boden mit lauter Todtenköpfen gepflastert war, die traurig und bemitleidend zu mir hinaufblickten. Es war der Weg, der zur königlichen Hofburg hinaufführte. Ich kann nicht leugnen, daß mich zu schaudern und zu frieren begann, wie bei einem Fieberanfall. Die Gebeine klapperten mir wie die Todtenbeine unter den Rädern der Hofkutsche.

Der Wagen fuhr nun zwischen zwei langen Mauern hin, die ebenfalls aus Todtengebeinen und Todtenschädeln errichtet waren, endlich durch ein Thor, welches aus dem gleichen schauerlichen Material bestand, in den Schloßhof, an dessen gegenüberstehender Seite sich der königliche Palast hinzog, der, wie alle Gebäude in Tombuktu, aus Lehm, nur aus einer feinern und kostbarern Sorte erbaut war. Gedeckt war aber der Palast mit Todtenschädeln, die Säulen des Porticus bestanden aus übereinander geschichteten Todtenschädeln, und alle architektonischen Zierrathen, die Krag- und Schlußsteine an den Thüren und Fenstern waren aus Todtengebeinen höchst künstlich gebildet. Aus ihren Augenhöhlen starrten mich die Schädel von allen Seiten her, ich weiß nicht, mit welchen gedankenvollen Blicken an, und der milchweiße Schimmer des Mondes steigerte den unheimlichen Eindruck zum Entsetzlichen. Vor den Seitenflügeln des Schlosses zog sich eine eigenthümlich schauerliche Allee hin; denn hier hingen an Spießen noch die vollständigen ziemlich frischen Gerippe derjenigen, welche hier vor Kurzem aus irgend einer oder der andern Ursache, vielleicht auch aus gar keiner aufgespießt worden waren. Dieser Anblick war mir besonders unangenehm und erregte in mir den Eindruck, als ob durch meinen Körper bereits ein Spieß hindurchgetrieben würde.

Unmöglich, sagte ich mir jedoch im Stillen, können diese unzähligen Todtenschädel und Gerippe bloß von denjenigen herrühren, welche die Dame zur Mitternachtzeit zu sich geladen hat. Dieses Material konnte nur im Laufe von Jahrhunderten angehäuft worden sein. Auch gab es unter den Todtenschädeln und Todtengebeinen sehr viele, die stark verwittert waren. Diesen Gedanken nachhängend ermannte ich mich allmälig, und mit ziemlicher Fassung folgte ich meinen bewaffneten Führern durch mehrere lange Gänge in das Staatszimmer der Königin, das durch eine an der Decke hängende Ampel matt erleuchtet war.

Einen ganz besondern Geschmack hatte diese würdige Dame freilich. Der Boden war mit langen Reihen von Todtenschädeln gedielt, und die Wände waren ebenfalls mit demselben unheimlichen Material getäfelt. Sie selbst aber empfing mich sitzend auf einem Thron, dessen Hauptmaterial ebenfalls aus solchen Resten unglücklicher Menschen bestand, und um den Hals trug sie eine Kette, deren Glieder höchst fein und zierlich aus Menschenknochen gedrechselt waren. Daß ihr Diadem, gegen dessen blendende Weiße ihr schwarzes Antlitz höchst schauerlich abstach, aus demselben Stoffe verfertigt war, brauche ich nach allem Diesen wohl nicht erst zu sagen.

Sie empfing mich jedoch sehr liebreich, winkte mir, näher zu treten, und lud mich ein, auf dem Rücken einer auf ihren Befehl niederknieenden Sclavin Platz zu nehmen, während eine zweite Sclavin mir in einer aus Todtengebein gearbeiteten Schale ein Getränk reichte, das aus einem heißen Gemisch von berauschendem Palmsaft und Blut – ich sage es mit Schaudern: Menschenblut! – bestand. Indeß überwand ich meinen Widerwillen, leerte die Schaale mit einem einzigen kräftigen Zuge, und ich muß sagen, daß sich hierauf ein ganz eigenes wildes Feuer durch meine Adern ergoß und daß die Todtenschädel umher plötzlich den frühern unheimlichen Eindruck für mich verloren hatten, mir vielmehr für die Stimmung, in welche mich der Trank versetzt hatte, die entsprechendste Umgebung zu sein schienen.

Auch die Herrscherin ließ sich eine Schaale reichen; aber die Sclavin, welche diesen Dienst verrichtete, hatte das Unglück, einige Tropfen auf den Shawl, in welchen Ihre Majestät eingewickelt war, zu vergießen. Sofort winkte die Königin, der Scharfrichter, den Ihre Majestät ihren »lieben Freund« nannte, trat vor und der Kopf der Unglücklichen rollte zu den Füßen der Königin. Einer zweiten und dritten Sclavin fiel das nämliche Loos; denn die armen Geschöpfe zitterten vor Angst wie Espenlaub.

In meiner jetzigen Stimmung erschien mir das Verfahren der Königin ganz natürlich und der Situation entsprechend, und ich würde damals, glaube ich, in gleichem Falle nicht anders gehandelt haben.

Mit süßer wohlwollender Miene begann nun die Königin Krikikara:

Schöner Fremdling! Zittre nicht! Diese Umgebungen werden deinem feinen europäischen Geschmack freilich nicht ganz zusagen, aber du wirst dich daran gewöhnen, und, wenn du dich erst acclimatisirt hast, finden, sowohl wie geschmackvoll, wie künstlerisch vollendet diese Todtenbeine arrangirt sind, als welche Kühlung sich von dieser Wand- und Fußbodenbekleidung über die Gemächer verbreitet. Auch kann ich dich versichern, daß es bei uns kein wohlfeileres Material gibt als dieses, was vom nationalöconomischen Standpunkte ja auch nicht zu verachten ist. Man hat mir übrigens gesagt, daß mehrere deutsche Nationalöconomen bereits einen Standpunkt erreicht haben, der ihnen erlaubt, diese Wahrheit einzusehen, zu begreifen, daß dieses Material wegen seiner Wohlfeilheit sich für den Chausseebau und die Straßenpflasterung ganz vorzüglich eignet.

Majestät! sagte ich, so weit ich unsere Nationalöconomen kenne, werden sie mit größtem Vergnügen ihre Knochen im Interesse des Chausseebaus und der Straßenpflasterung herleihen. Sie sind gewohnt, den Werth des Menschen nur nach dem Quantum Kalk und Mörtel abzuschätzen, das in seinen Gebeinen enthalten ist, und wenn irgend ein Umstand sie bewegen kann, die Kriege trotz ihrer Kostspieligkeit nicht ganz verwerflich zu finden, so ist es der, daß durch sie die Felder gedüngt werden.

Da sind diese trefflichen Nationalöconomen ganz meiner Ansicht, erwiederte die Königin, eine bessere und wohlfeilere Felderdüngung als die mit Blut und Knochen gibt es nicht. Indeß, mein theurer Freund, brechen wir von diesen sehr langweiligen nationalöconomischen Erörterungen ab und kommen wir zur Sache.

Ich war so gespannt, daß man mich als Darmsaite auf eine Violine hätte aufziehen können.

Die Königin Krikikara, die während der ganzen Unterhaltung mit den herabhängenden Ohren ihres Favoritschweines anmuthig spielte, fuhr nun fort:

Ich habe dich rufen lassen, Fremdling, weil ich in dir einen Repräsentanten der europäischen Civilisation erblicke, für die ich, wie du auch aus allen meinen Maßregeln erkennen magst, stets ein großes Interesse gefühlt habe. In frühern Jahren, als ich noch Prinzessin war, befand sich in Tombuktu ein würdiger Repräsentant eurer Civilisation, der bayerische Bierbrauer Franz Xaver Schindelmaier. Dieser besaß ein Exemplar eines Trauerspiels, welches ein Landsmann von dir, ein gewisser Schiller, geschrieben hat. Dieses Trauerspiel hieß »Die Räuber« und hat mir einen großen Respect vor eurer Civilisation eingeflößt, so daß ich die Zeit nicht mehr fern glaube, wo diese westliche Civilisation geharnischt und mit eingelegter Lanze gegen die Barbarei des Ostens in die Schranken reiten wird. Sie ist es werth, daß Ströme Blutes um sie vergossen werden und Mord und Zerstörung ihren Weg bezeichnen. Ein blutdürstiger Bandit, der eine große Stadt einäschert, der nach Herzenlust sengt und brennt, mordet und würgt, plündert und stiehlt, und dabei so zarten Gefühls ist, daß er die Sonne nicht untergehen sehen kann, ohne in Thränen hinzuschmelzen – oh es ist ein rührendes, herz- und nierenergreifendes Bild eurer Civilisation! Ich habe mir diesen Karl Moor zum Vorbild genommen und handle ganz nach seinen Grundsätzen. Wenn Jemand z. B. in einer Stadt meines Reiches eine königliche Kasse bestiehlt, so lasse ich sofort allen Einwohnern die Köpfe abschlagen, weil ich doch dann sicher weiß, daß der Dieb von der Strafe mitgetroffen wurde. Mein sehnlichster Wunsch ist erfüllt; ich sehe den würdigsten Repräsentanten der wackern gemüthvollen deutschen Nation vor mir und werde ihm zu Ehren sofort decretiren:

Erster und einziger Artikel: Die weltberühmte deutsche Gemüthlichkeit ist fortan in meinen Reichen eingeführt; wer nicht gemüthlich sein will, wird geköpft! – Lebt euer wackerer Karl Moor noch?

Nein, erhabene Königin! erwiederte ich; Karl Moor, der Edle, hat, so viel ich weiß, auf dem Rade seine gemüthliche Seele ausgehaucht.

Schade um ihn! Er war eines bessern Looses würdig! klagte die Königin. Lebte er noch, so würde ich ihm die Hand reichen. In Ermangelung eines Karl Moor kann ich nichts Anderes thun, als dich, schöner Fremdling, zu meinem Gemahl zu erheben.

Dieser Antrag machte mich ein wenig bestürzt; ich wußte nicht, ob ich nein oder ja sagen sollte, zumal ein etwas penetranter Blutgeruch aus den Nebenzimmern drang und meine Geruchsnerven afficirte.

Ich stammelte einige Entschuldigungen von »zu großer Ehre«, »daß ich armer Wurm nicht würdig sei, ein so hohes Glück aus der Königin Hand in Empfang zu nehmen«, »daß ein gewisser Duft aus den Nebenzimmern meinen Sinn betäube« u. s. w.

Kinderei! fiel sie gereizt ein; es werden eben nur einige Dutzend Sclaven und Sclavinnen geschlachtet, um aus ihrem Blut das nöthige Hochzeitsgetränk zu bereiten. Fremdling! Geliebter Fritz! du hast den Bluttrank mit mir getrunken; du bist mein! Im Uebrigen – und ihre Stimme nahm ihren schmelzendsten Ton an – hier steht der Ober-Hofconsistorialrath, und dort der Hofscharfrichter. Wähle! Doch zuvor noch einen Trunk!

Es wurde mir nun abermals eine Schaale heißen Getränks gereicht, die ich hastig leerte. Ein unheimliches Feuer begann sofort in meinem Innern aufzulodern. Ich erhob mich von meinem lebenden Sitz, näherte mich der Königin, ließ mich vor ihr auf meine Kniee nieder und rief:

Blutmensch! Ich bin dein! Laß uns zusammen in Blut durch's Leben waten!

Sofort wickelte sie mich in ihren Shawl mit ein, die Trompeter bliesen auf ihren Wink einen lustigen Tusch, und der Ober-Hofconsistorialrath segnete unsere Ehe, indem er einen Eimer Menschenbluts über unsern beiderseitigen Häuptern entleerte. Ueberhaupt floß bei unserer Hochzeit zwar nicht Wein, aber Blut in Strömen, und ich befand mich acht Tage lang darauf in einer so blutdürstigen Stimmung, daß ich, um meinen Blutdurst einigermaßen zu stillen, während dieser acht Tage Tausende von Fliegen und Mosquitos mit meinem Pantoffel massacirt habe. Die Mosquitos fielen wie Helden, die Fliegen wie Fliegen – die Elenden! Acht weitere Tage bedurfte es, um die Leichen der Gefallenen auf Karren aus den königlichen Gemächern fortzuschaffen.


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