Hermann Marggraff
Fritz Beutel
Hermann Marggraff

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Dreizehntes Kapitel.

Meist zieren nur die Orden den Mann, und äußerst selten sind die Fälle, wo der Mann die Orden ziert. Ich kenne nur Einen, einen Deutschen, Namens Fritz Beutel, der die drei höchsten russischen Orden, welche ich ihm anbot, mit einer Ungenirtheit und einem Selbstbewußtsein einsteckte, wie ich niemals zuvor und niemals später erlebt habe. Dieses Selbstbewußtsein wäre einer bessern Sache würdig gewesen.

Mémoires de M. Michailowitsch
Andrejewitsch Karabatchew.

Man hüte sich vor dem kalifornischen Golde! Es kommt uns sehr verdächtig vor und scheint uns nicht ganz echt zu sein.

Leitartikel der Times vom
1. Sept. 1849.

Der russische Gouverneur, Michailowitsch Andrejewitsch Karabatschew, hatte schon von meinen gegen die Gurkchusen ausgeübten Thaten gehört und lud mich zu einem splendiden diplomatischen Diner ein. Gewiß war es ein diplomatisches, dieses Diner, wenn auch nur tête-à-tête. Der Russe suchte mich während desselben über die Verhältnisse und die Zustände bei den Kuxusen und Tschugatschen auszuholen, sprach über die allgemeine Weltlage und über die politische Zukunft der Eskimos und ließ nicht undeutlich merken, daß es der Regierung in St. Petersburg und der russischen Compagnie ungemein angenehm sein würde, einen Mann wie mich zu einer politischen Function bei den Eskimos zu verwenden. Er ging nämlich mit dem großartigen Plane um, alle Eskimos unter dem Banner einer untheilbaren Republik zu vereinigen, um in ihnen ein Gegengewicht gegen die englische Herrschaft in Nordamerika zu haben. Die Eskimos sollten ein Nationalparlament erhalten und wer nicht hinein wollte, sollte von einigen dazu dressirten Seehunden hineingehetzt werden. Niemand sollte in diesem Parlament den Mund aufthun dürfen; die Deputirten sollten alljährlich drei oder vier Monate stumm dasitzen und dann wieder auseinander gehen. Aber die republikanische oder wenigstens parlamentarische Form hielt er für nothwendig, damit es aussähe, als verwalteten die Eskimos sich selbst und die Engländer somit keinen Anlaß hätten, zu interveniren. Ich selbst sollte Präsident dieser untheilbaren Republik der Eskimos werden, und als Präsidentengehalt verbürgte mir der Gouverneur zehn Tonnen Seehundsthran, ebensoviel Tonnen Fischthran, drei Tonnen Wallfischspeck und täglich ein Quart Wutky, Prügel außerdem soviel ich haben wollte.

Die russischen Diplomaten sind wegen ihrer außerordentlichen Schlauheit bekannt. Michailowitsch Andrejewitsch Karabatschew machte von ihnen keine Ausnahme. Denn als beim sechsten Gang neue Teller servirt wurden und ich die Serviette aufhob, fand ich auf dem Teller nichts Geringeres als den St. Annenorden erster Klasse liegen. Bitte, bedienen Sie sich! sagte Michailowitsch Andrejewitsch Karabatschew; langen Sie zu! Thun Sie Ihrem Appetit keinen Zwang an! Da der Orden in Brillanten gefaßt war, that ich allerdings meinem Appetit keinen Zwang an, sondern steckte den Orden in die Tasche.

Der siebente Gang kam; ich lüftete die Serviette und fand darunter zu meiner Ueberraschung den St. Wladimirorden. Darf ich bitten? sagte verbindlich Michailowitsch Andrejewitsch Karabatschew. Es wird fast zu viel, Excellenz! erwiederte ich, und that den St. Wladimirorden zu dem andern.

Nun kam das Desert, darunter köstliche Apfelsinen. Ich langte, wie sich von selbst versteht, nach der größten, denn ich war immer für das Größte und bin es noch heutzutage. Wie überrascht war ich, als die Apfelsine sofort in zwei Hälften zerfiel und zwischen beiden der Alexander-Newsky-Orden lag! Geniren Sie sich nicht, mein Herr! sagte Michailowitsch Andrejewitsch Karabatschew. Kaum bin ich's noch im Stande, Excellenz; erwiederte ich, indessen – –, und damit that ich auch den Alexander-Newsky-Orden, der einige tausend Rubel werth zu sein schien, zu den andern.

Das Diner war zu Ende; wir erhoben uns und ich machte dem Gouverneur einige Schmeicheleien über sein kostbares Diner.

Ach, erwiederte er, wir speisen so alle Tage, es ist Hausmannskost. Aber was sagen Sie zu meinem Vorschlage, Herr Beutel? fügte er lauernd hinzu, dürfen wir auf Sie rechnen?

Ich hätte nur das eine Bedenken, bemerkte ich, daß man bei den Eskimos gar nicht aus dem Thrane herauskomme, ich wolle jedoch die Sache in Erwägung ziehen und bäte mir drei Tage Bedenkzeit aus.

Daß man so Etwas in Ueberlegung zieht, erwiederte Michailowitsch Andrejewitsch Karabatschew, versteht sich von selbst, schon der Form wegen. Wenn indessen Andere zu überlegen wissen, so wissen wir Russen überzulegen – er machte eine Pantomime, die nicht mißzuverstehen war – und ich fühle mich verpflichtet, Sie freundschaftlichst darauf aufmerksam zu machen. Im Ueberlegen leisten wir Russen etwas.

Ich danke unterthänigst für den Wink, Excellenz! antwortete ich, und empfahl mich.

Die Sache ging mir im Kopfe herum. So viel stand freilich bei mir fest, unter die Eskimos und ihre Seehunde nicht wieder zurückzukehren; aber was mir Michailowitsch Andrejewitsch Karabatschew durch seine Pantomime in Aussicht stellte, war doch auch zu bedenken. Wie nun dieser Alternative entgehen?

Glücklicherweise war gerade ein dänischer Wallfischfänger im Hafen eingelaufen. Ich machte die Bekanntschaft des Kapitäns, Jens Magnussen, und accordirte mit ihm. Er ließ sich um so bereitwilliger finden, mich mitzunehmen, da er aus meinen Gesprächen bald merkte, wie genau ich die Natur der Wallfische aus näherem vertrauteren Umgange mit ihnen kannte und wie ich der Mann sei, ihm in zweifelhaften Fällen guten Rath zu ertheilen.

Folgenden Morgens, um es kurz zu machen, befand ich mich bereits auf hoher See. Zwar schickte uns der Gouverneur ein russisches Linienschiff nach, um meiner wieder habhaft zu werden, wir hatten aber einen bedeutenden Vorsprung und unser Schiff war ein Schnellsegler.

Die Fahrt ging am ersten Tage ganz glücklich von statten; aber am zweiten geschah ein Unglück.

Hatte ich durch meine Sympathie für die schleswig-holsteinische Sache, die ich schon damals bekundete, den Zorn der dänischen Matrosen erregt; oder waren sie nach meinen russischen Orden lüstern, die sie immerfort in meiner Tasche klappern hörten – kurz, als ich gerade meine Cigarre rauchend auf dem Deck spazieren ging, sah ich sie mit Messern bewaffnet und wüthendes Geschrei erhebend, auf mich losstürzen. Der Anführer trat drohend auf mich zu und forderte mir meine russischen Orden ab.

Nicht einen Stüber sollst du erhalten, rief ich, aber einen Nasenstüber! Damit gab ich ihm einen und zwar einen so mächtigen, daß er rücklings auf das Verdeck niederstürzte.

In demselben Augenblicke fühlte ich, wie das Fahrzeug plötzlich durch eine unbekannte Macht am Vordercastell in die Höhe gehoben wurde. Im nächsten Augenblicke kugelte es um, so daß die Masten nach unten ins Wasser tauchten und wir alle ein sehr unfreiwilliges Bad nehmen mußten.

Das Fahrzeug war von einem colossalen Wallfisch unterlaufen und umgestürzt worden.

Ich behielt noch Geistesgegenwart genug, meine Flinte, die ich gegen den Mast gelehnt hatte, zu ergreifen, auf den Schwanz des Fleischcolosses zu klettern und von hier aus seinen Rücken zu besteigen, der wie ein Berg sich aus den Wellen erhob. Da saß ich nun, zwar gerettet, aber doch in einer sehr bedenklichen Lage, wie jeder Leser zugeben wird, der sich jemals in einer gleichen Situation befunden haben sollte. Die Moral davon ist, daß sich Niemand, der schleswig-holsteinische Sympathien im Herzen und drei russische Orden in der Tasche trägt, mit einem dänischen Wallfischfänger einlassen soll. Die Sache hat ihr sehr Bedenkliches.

Den Verschwörern bekam übrigens das Bad sehr schlecht; ich sah sie sämmtlich unter den Wellen verschwinden.

Der Wallfisch trieb fort nach Süden, und da dieses Thier bekanntlich schneller schwimmt als ein Vogel fliegt, so kam ich sehr rasch mit ihm vorwärts. Als einzige Nahrung diente mir sein Speck, den ich ihm streifenweise aus den Seiten herausschnitt, was das Thier gar nicht zu merken schien, denn es that keinen Muck. Wenn das Ungethüm, wie der Wallfisch gern thut, einen Satz über die Oberfläche der See machen wollte, so griff ich schnell in die Saiten meiner Guitarre und beschwichtigte das gute Geschöpf mit ihren himmlischen Klängen. Wer mich so gesehen hätte, würde wahrscheinlich geglaubt haben, Arion und seinen Delphin zu erblicken; nur daß sich Arion gegen mich verhalten haben mag, wie sein Delphin gegen meinen Wallfisch. Das Schlimmste war, daß ich mich hüten mußte, einzuschlafen, um nicht von dem breiten, aber gewölbten Rücken des Thieres auszugleiten und ins Wasser zu fallen. Endlich aber, in der dritten Nacht – an der warmen Lufttemperatur merkte ich, daß wir schon in sehr südliche Breitegrade gelangt sein mußten – vermochte selbst meine sonst Alles was sie will durchsetzende Natur nicht länger dem mächtigen Bedürfniß des Schlafs Widerstand zu leisten. Die Flinte in den Arm nehmend, streckte ich mich auf den Rücken des Thieres hin, ergab mich in mein Schicksal und entschlummerte.

Plötzlich bei Tagesanbruch fühlte ich, wie ich durch einen entsetzlichen Ruck hinabgeschleudert wurde und gerade mitten in ein von mehreren Männern besetztes Boot niederfiel.

Mein Erstaunen war aber noch größer, als mich einer der Männer mit den Worten begrüßte: Alter Freund! alter Freund! wo kommt Ihr denn her? Es war dieselbe Stimme und es waren dieselben Worte, welche mich früher von der Austernklippe her in gleicher Weise überrascht hatten – Krischan Schroop stand vor mir.

Unsere Freude war, wie sich denken, aber nicht in Worten schildern läßt, beiderseits sehr groß. Er theilte mir in aller Kürze mit, daß wir uns hier in der Nähe der kalifornischen Küste befänden, wo er eine Farm besitze. Er sei gerade mit Männern aus der Nachbarschaft auf den Wallfischfang ausgegangen, den er sehr liebe, zumal da seine Gattin Marie, geborne Windelmeier, immer erkläre, daß sie der Welt keine bessern Seiten abzugewinnen vermöge, als Speckseiten.

Krischan Schroop und seine Begleiter hatten, während ich schlief, den Wallfisch harpunirt und sprangen nun mit dem getödteten Riesenthiere um, wie dies immer der Fall ist. Das Thier wurde in Stücke zerlegt, die Stücke wurden in Fässer verpackt, die Fässer ins Unterdeck gebracht, und nachdem dies geschehen, die Segel gelichtet. Wir steuerten der kalifornischen Küste zu.

Bald hatten wir diese und mit ihr die nahe an der Küste gelegene Farm des ehrenwerthen Herrn Schroop, »Krischansruhe« genannt, erreicht, um seiner inzwischen recht behaglich und rundlich gewordenen Frau die einzigen Seiten zu überbringen, die sie dem Leben abzugewinnen vermochte. Hänschen, ein derber, deutsch aussehender flachshaariger Bube, sprang uns entgegen und bald darauf trat auch Mariechen, ein kleines Töchterchen an der Brust, in die Thür und hieß uns willkommen. Ueber mein plötzliches Wiedererscheinen sich zu wundern hatte sie keine Zeit, da sie darüber zu wachen hatte, daß sie bei der Vertheilung der mitgebrachten Speckvorräthe von den andern Männern nicht übervortheilt würde. Ich fragte sie schalkhaft, ob sie ihren ehemaligen Verlobten Bernhard angetroffen habe; sie aber antwortete zerstreut: »Speck ist mir lieber!« und damit rannte sie nach dem Schiffe, um bei der Ausladung und Vertheilung der Vorräthe gegenwärtig zu sein.

Ein recht herzliches Wiedersehen fand zwischen mir und Hector statt. Er war inzwischen etwas fettleibig geworden und schien sich, wie alle allzucorpulenten Personen, vor zu heftigen Gemüthsbewegungen in Acht zu nehmen, denn er begab sich nach den ersten conventionellen Begrüßungsförmlichkeiten auf sein Lager zurück. Also auch bei einem Hunde hält der schöne ideale Schwung und der hingebende naive Enthusiasmus der Jugend nicht Stich! Alle ihm sonst so eigene lyrische Erregbarkeit schien von ihm gewichen und zur behaglichen epischen Breite und Ruhe abgedämpft zu sein. Er war nicht mehr Goethe, der den Werther, sondern Goethe, der Hermann und Dorothea dichtet. Sein schönes wohlwollendes Gemüth sprach sich freilich immer noch in einzelnen rührenden Zügen aus, namentlich in seinem Verhältniß zu dem kleinen Hans. Dieser konnte sich auf ihn setzen, ihn an den Vorderbeinen hin und herziehen, kurz, alle mögliche Kurzweil mit ihm treiben, und er ließ sich Alles gefallen; er knurrte höchstens, denn das Bellen schien seine Nerven sehr anzugreifen.

Abends (wie sich bei Krischan von selbst versteht, bei einem Glase Grog) theilten wir uns unsere Schicksale mit. Da ich jedoch in diesem Buche die Hauptperson bin und es in meinem Interesse liegt, die große Theilnahme, welche der Leser für mich empfindet, nicht auf andere Personen allzusehr abzulenken, auch Krischan Schroop über das, was hinter ihm lag, niemals viel Worte zu machen pflegte, so beschränke ich mich hier nur auf das Hauptsächlichste, so viel gerade nöthig scheint, um in meiner Erzählung keine Lücke zu lassen.

Als ich am Morgen nach der Entführung meiner Gemahlin Rache brütend in das Innere von Beutelland aufgebrochen war, hatte Krischan mich aufsuchen wollen und war dabei auf den wie todt hingestreckten Hector gestoßen. Er rief nun meinen Minister der Medicinalangelegenheiten, den ehemaligen Schiffswundarzt Winkerle herbei, und dieser erklärte, daß Hector wohl noch nicht völlig zu seinen Vätern hinübergeschlummert und noch Aussicht auf Rettung sei. Hector habe zwar, erklärte Winkerle weiter, Gift erhalten, dieses ihn aber nur betäubt. Nun habe Winkerle ihm eine Ader geöffnet, Umschläge um den Kopf gemacht und ihm ein Gegengift eingeflößt, welches er aus einer Pflanze der Insel gewonnen habe, deren Saft gegen Alles gut sei. Gleich darauf sei Hector zur Besinnung gekommen und habe sich auf seinen vier Beinen wieder emporgerichtet; doch habe er seine alte Lebhaftigkeit nie wieder gewonnen und, wie ich wahrnehmen könne, seitdem eine besondere Anlage zum Fettwerden entwickelt. Bald darauf sei jene furchtbare Katastrophe eingetreten, welche die Insel Beutelland in die Tiefe des Meeres versenkte. Der entsetzliche Tornado und das Erdbeben hätten die Uferstrecke, worauf sich Krischan und seine Familie nebst dem Hunde Hector und dem Minister Winkerle befanden, von der Insel abgelöst und ein entsetzlicher Windstoß habe dieses Land sammt Bäumen und Gesträuchen übers Meer, über die Austernklippe hinweg bis nach Pipermannland getragen, wo es an einer Anhöhe hängen geblieben. Auch hier hätten sie Alles in Verwirrung angetroffen, denn alle Berge der Insel hätten, offenbar im Zusammenhange mit der Beutelländischen Katastrophe, ihre Schlünde und Schlote geöffnet, Feuer und Dampf ausgeworfen und einen Lärm gemacht, daß er noch lange Zeit an Schwerhörigkeit gelitten habe. Rackerino Rackerini sei mit seinen getreusten Anhängern, zum gerechten Lohne für seine und der Seinen schwarze Thaten, ins Meer hinaus geschleudert worden und wahrscheinlich seien sie Alle in den Wogen des Meeres umgekommen; denn man habe von ihnen niemals wieder etwas gehört oder gesehen; Peter Silje und meine Gattin Beate Regina Cordula Veronica geborne Pipermann, nebst der kleinen Prinzessin Guitarria Cichoria Cigarretta seien am Leben erhalten worden. Erst nach acht Tagen hätten die Vulkane der Insel ihr Feuer eingestellt, und nun habe er, Krischan Schroop, ein noch vorhandenes großes Boot seefertig gemacht und mit diesem seien sie nach der Richtung des Festlands von Amerika losgesteuert; denn auf der ausgebrannten Insel Pipermannland sei für sie kein Bleibens gewesen; alle Metallmassen hätten sich in glühendem Flusse befunden und der Boden noch fortdauernd rumort. Sie seien endlich auch glücklich auf der Küste von Florida gelandet, nur meiner Gemahlin Beate sei unterwegs ein Unglück zugestoßen. Von Reue gefoltert und nach mir sehnsüchtig verlangend, habe sie immer am Rande des Bootes gesessen, die Hände nach mir ausgestreckt, und in herzzerreißenden Tönen gerufen: »Fritz, Fritz, vergib mir! ich komme! ich bin die Deine!« und so sei sie eines Tages mit der kleinen Prinzessin im Arme in das Meer gestürzt. Dank den weiten Kleidern, die sie gerade getragen, sei sie jedoch nicht untergesunken, sondern eine weite Strecke von den Wellen fortgeführt und von einem Schiffe, das eine ihm unbekannte Flagge geführt, in dem er jedoch ein nach der afrikanischen Küste segelndes, zum Sclavenhandel bestimmtes spanisches Schiff zu erkennen gemeint habe, nebst der kleinen Prinzessin aufgefischt worden. Das Schiff habe sich alsdann entfernt, und er könne nicht sagen, was aus ihr geworden. Die Uebrigen hätten nach ihrer Landung auf der Küste von Florida verschiedene Richtungen eingeschlagen und er wisse nicht, wo Peter Silje und Winkerle ein Ende genommen; er selbst habe mancherlei Schicksale durchgemacht und habe endlich, wie der Augenschein lehre, hier einen festen Wohnsitz gefunden, den er auch nicht wieder zu verlassen gedenke.

Hieraus erfuhr ich wenigstens, daß meine Gemahlin und mein Töchterchen, insofern ihnen später kein Unglück zugestoßen, gerettet waren. Aber wo sollte ich sie suchen, da das Schiff, welches sie aufgenommen, eine ganz entgegengesetzte Richtung und zwar der Aussage Schroop's gemäß die nach der afrikanischen Küste eingeschlagen hatte? Ich that, was mir unter diesen Umständen das Zweckmäßigste zu sein schien: ich schickte an das Leipziger Tageblatt eine Annonce, worin ich meine mir abhanden gekommene Gemahlin aufforderte, mir durch dasselbe berühmte Organ Kunde von ihrem gegenwärtigen Aufenthalt zu geben. Da nämlich anzunehmen ist, daß Leipziger Stadtkinder über alle Welt zerstreut sind, ein Leipziger aber ohne Speckkuchen und Schweinsknöchelchen nicht wohl leben kann, und das Leipziger Tageblatt als das einzige officielle Organ für diese Genüsse ohne Zweifel von jedem Leipziger in der Welt gehalten wird, so konnte ich wohl darauf rechnen, auf diesem Wege sicherer als auf jedem andern die gewünschte Auskunft zu erhalten.

Im Uebrigen konnte ich freilich nicht wissen, ob sich Alles so verhielt, denn die Schiffskapitäne pflegen fürchterlich aufzuschneiden. Ich habe Schiffskapitäne kennen gelernt, die so viel Wind machten, daß er sich förmlich in die Segel setzte und zur Beschleunigung der Fahrt wesentlich beitrug.

Von meinem Aufenthalt auf diesem Punkte der Welt habe ich sonst nicht gerade viel zu berichten. Wir besuchten unter andern unsern Nachbar (denn in diesem damals noch sehr dünn bevölkerten Lande nennt jeder Farmer den andern seinen Nachbar, und wenn sie Hunderte von Meilen von einander entfernt wohnen), den auch in Reisebeschreibungen viel genannten Badner Sutter auf seiner weitläufigen und wohleingerichteten Farm. Ein kleiner Spaß, den ich mir mit ihm erlaubte, hat später eine welthistorische Wichtigkeit erlangt. Ich hatte nämlich aus einem eigenthümlichen Mineral, welches sich dort in großen Massen vorfindet, durch Zufall eine Tinctur ausziehen gelernt, von der einige Tropfen hinreichen, einem Centner Blei oder Eisen das vollkommene Ansehen von Gold zu geben. Auf die Leichtgläubigkeit Sutters bauend, hatte ich einige Tonnen mit dieser Tinctur gefüllt, sie auf Büffeln an verschiedene Punkte Kaliforniens geführt, und dann ihren Inhalt in die Flüsse und Bergbäche auslaufen lassen.

Diese Tinctur hat dem Märchen von dem kalifornischen Golde seine Entstehung gegeben; denn sie durchdrang das kalifornische Erdreich nach allen Richtungen und verwandelte alle metallischen Bestandtheile desselben anscheinend in Gold. Wenige Tage darauf schöpfte Sutter auf einer Jagdparthie Wasser in seinen Trinkbecher und war nicht wenig überrascht, als auf dem Boden des Bechers eine Schicht von Goldkörnern übrig blieb. Sutter, zu erfreut um das Geheimniß für sich zu behalten, machte Lärm von der Sache, und so geschah es, daß seitdem Tausende und aber Tausende nach Kalifornien strömten, um dort nach Golde zu graben, was aber nichts weiter ist als elendes durch meine Tinctur gelb gefärbtes Blei oder Galmei. Man wird meiner Mittheilung keinen Glauben schenken, aber es verhält sich so wie ich gesagt habe. Ich gebe den aus diesem vermeintlichen Golde geprägten Ducaten und Sovereigns höchstens noch zehn Jahre Zeit; dann werden sie in ihrer natürlichen Gestalt erscheinen als bloße Bleistücke und außer Cours gesetzt werden müssen. Es möge sich daher Jeder, der solche Goldstücke besitzt, bei Zeiten warnen lassen!

Das Hauptvergnügen, dem wir zu unserer Zerstreuung oblagen, war die Büffeljagd. Diese ist aber in der Weise, wie sie in der Regel betrieben wird, sehr umständlich und beschwerlich. Daher sann ich darauf, die Methode des Einfangens zu erleichtern und zu vereinfachen. Dies bewerkstelligte ich auf folgende Art. Da ich in den arktischen Breiten, wie schon erzählt, in der Bereitung von Spiegeln eine große Meisterschaft erlangt hatte, legte ich eine Glashütte an, die erste in jenen Landstrichen und daher den Farmern begreiflicherweise sehr willkommen. Ich verfertigte nun gewaltige Hohlspiegel von mehreren Fuß im Durchmesser, in denen sich jeder Gegenstand in umgekehrter Stellung abspiegelte. Mit diesen Spiegeln betrieb ich nun die Büffeljagd, nämlich so:

Ich trat mit meinem Hohlspiegel dem Büffel, der durch die zu Pferde ihn verfolgenden Jäger gegen mich gehetzt wurde, ruhig entgegen und hielt ihm meinen Hohlspiegel vor die Augen. Da nun das dumme Thier seinen Kopf sammt den Hörnern im Hohlspiegel in umgekehrter Lage erblickte, bildete es sich ein, es liege auf dem Rücken. Um, wie es vermeinte wieder auf seine Beine zu kommen, warf es sich zu Boden, lag nun wirklich auf dem Rücken und streckte seine vier Beine in die Luft, die dann ohne alle Mühe und Beschwerde mit Stricken gefesselt werden konnten. Sutter nannte mich vor Freuden einen Blitzkerl und meinte, es sei doch lächerlich, daß noch Niemand vor mir auf eine so höchst einfache und unfehlbare Jagdmethode gerathen sei. Bei allen Thieren möchte diese Methode freilich nicht angewandt sein, aber der Büffel ist von Geburt wie von Erziehung dumm, und auf die Dummheit muß der Pfiffige stets speculiren.

Indeß durch den häufigen Erfolg sicher und verwegen gemacht, versah ich eines Tages den richtigen Moment. Der gehetzte Büffel war mir zu nahe gekommen, zertrümmerte mit seinen gewaltigen Hörnern den Hohlspiegel und senkte nun sein viereckiges Haupt, um mich von unten auf in die Höhe zu heben. Es blieb mir nun nichts anders übrig, als mich über seine Hörner hinweg auf seinen Rücken zu schwingen und mich an seinen dicken über seinen Nacken sich der Länge nach hinziehenden Haarwulst festzuhalten. In gewaltigen Sprüngen raste nun das Thier, von einer ganzen Büffelheerde gefolgt, über weite endlose Prairieen, immer nach Westen dahin und immer weiter und weiter. Es war ein entsetzlicher Ritt, bei dem dem Büffel die Haarwulst und auch mir die Haare zu Berge standen und dessen Ausgang und Ende das folgende Kapitel erzählen wird.


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