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GG.
Die Affaire Condé.

Da wir die Memoiren Sullys nicht haben vergleichen können, müssen wir uns hier auf die Mitteilung dessen beschränken, was Berville-Barrière zu dieser Note Linguets bemerkt haben.

»Die betreffenden Worte,« heißt es bei ihnen, »sind von Linguet ziemlich genau angeführt worden, die Thatsachen aber sind durchaus andere. Die Leidenschaft Heinrichs IV. für Fräulein de Montmorency, die er seinem Neffen, dem Prinzen Condé, zur Frau gegeben hatte, wurde von Tag zu Tag heftiger und offenkundiger. Bei einer Zusammenkunft mit Sully hatte der Prinz diesem Minister eröffnet, daß er die Absicht hege, Frankreich zu verlassen. Sully teilte dies dem König mit, dieser aber wollte dem keinen Glauben schenken. Nach der Flucht des Prinzen, der so zu sagen seine Frau entführte, ließ der König noch um elf Uhr abends Sully aus dem Arsenale zu sich rufen.

»Ich komme im Louvre an,« erzählt Sully, »und finde den König im Zimmer der Königin mit gesenktem Kopfe und auf dem Rücken verschränkten Armen auf- und abgehen. Außerdem waren bei der Königin noch die Herren de Sillery, de Villeroy, de Gèvres, de la Force, la Varenne und einige andere anwesend, die an der Wand lehnten, aber so weit voneinander entfernt standen, daß sie nicht leise miteinander sprechen konnten. ›Nun, da haben wir's,‹ sagte Heinrich, indem er mich, so wie ich eintrat, bei der Hand nahm, ›unser Neffe ist davongegangen und hat alles mitgenommen. Was sagen Sie dazu?‹ – ›Sire,‹ erwiderte ich, ›weiter nichts, als daß mich das durchaus nicht überrascht, und daß ich, seitdem er im Arsenal mit mir gesprochen hatte, immer auf diese Flucht gefaßt war, die Sie verhindert haben würden, wenn Sie mir hätten Glauben schenken wollen.‹«

»Das sind ohne jeden Zweifel die Worte, auf welche die Note Linguets Bezug nimmt, wie man indessen sieht, sagte Sully mit diesen Worten keineswegs: Ich würde Ihnen den Burschen in die Bastille gesteckt haben, wo ich Ihnen schon für ihn gutgesagt haben würde. Das Wort Bastille mehr oder weniger in einem Satze ändert den Sinn und den Ton desselben ganz beträchtlich. Linguet, der diese Stelle in den von de L'Ecluse zurecht gestutzten Memoiren Sullys gelesen hatte, hätte gleicher Weise auch das lesen und behalten sollen, was in diesen Denkwürdigkeiten noch außerdem über diese Affaire vorkommt. Dann würde er gesehen haben, daß Sully eine ›unendliche Bekümmernis‹ ( peine infinie) über die Liebe des Königs zur Prinzessin Condé an den Tag legte, und daß er in Voraussicht der Folgen dieser Heirat, des wütenden Zornes eines Gatten und des Grolles einer beschimpften Familie alle Mittel angewandt hatte, Heinrich IV. zu einer Willensänderung zu bewegen. ›Ich bat, ich argumentierte, ich warf mich Heinrich zu Füßen, ich belästigte ihn nicht bloß, ich langweilte, ich verfolgte ihn – die verhängnisvolle Heirat wurde nichtsdestoweniger geschlossen.‹«

»Das ist sicher nicht die Sprache eines Schmeichlers, der gleich bereit ist, den Neigungen des Fürsten, dem er als Minister dient, entgegenzukommen. Der Freund Heinrichs IV. war stets der strenge Kritiker und niemals der Vertraute der Ausschweifungen des Königs. Wenn er geraten hatte, den Prinzen Condé in Frankreich festzuhalten, so war dies augenscheinlich geschehen, weil er als Staatsmann die Folgen seines Fehlers erwog und fühlte, von welcher Wichtigkeit es war, daß nicht der erste Prinz von Geblüt im Auslande ein Asyl suche.« Berville-Barrière , p. 228.

Wie bemerkt, können wir in diesem Falle kein Urteil abgeben, nur scheint uns, daß Linguets Irrtum auch nach der obigen Darstellung sehr entschuldbar ist. Sully hatte geraten, den Prinzen in Frankreich »festzuhalten« ( retenir) – was war natürlicher, als daß Linguet, dessen ganze Gedanken in diesen Kreis gebannt waren, auf die Meinung verfiel, dieser Rat hätte durch eine Einsperrung in die Bastille zur That werden sollen? Übrigens wäre dies auch fast das einzige Mittel gewesen, wenn der König nicht auf seine Absichten hätte verzichten und den Prinzen trotzdem hätte behalten wollen.

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