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CC.
Der Fall Debure.

(Vgl. Charpentier V, 40-50, Carra, III, 191-205.)

Der Sieur Guillaume Debure senior, Buchhändler zu Paris, wurde auf Befehl des Königs am 23. Januar 1778 in die Bastille geführt. Die Ursache war folgende.

Am 30. August 1777 erschienen zwei Beschlüsse des Staatsrats, von denen der eine Bestimmungen über die Dauer des Druckprivilegiums enthielt, der andere aber die Nachdrucke betraf.

Das erste von diesen beiden Dekreten bestimmte,

1. daß die Privilegien, die in Zukunft für den Druck neuer Werke erteilt werden würden, zum mindestens eine Dauer von zehn Jahren haben sollten;

2. daß nach dem Erlöschen des Privilegiums für ein Werk und nach dem Tode des Verfassers desselben jeder Buchhändler und Buchdrucker die Erlaubnis zur Veranstaltung einer neuen Ausgabe sollte erhalten können, ohne daß die bereits einem oder mehreren andern erteilte Erlaubnis ihn hindern könnte, eine gleiche zu erlangen;

3. daß indessen S. Majestät, damit die Erlangung dieser Genehmigungen nicht durch die Nicht-Benutzung derselben illusorisch gemacht würde, anordne und verfüge, daß solche nur denen erteilt werden sollten, die die von dem Groß-Siegelbewahrer bestimmte Steuer entrichten würden.

Der zweite Beschluß, der auf noch größern Widerspruch stieß, besagte, daß, da Sr. Majestät vorgestellt worden wäre, daß es eine große Anzahl von nachgedruckten Büchern gäbe, und daß diese Bücher das Vermögen eines großen Teils der Buchhändler in der Provinz ausmachten, die nur dies Mittel hätten, um ihren Verpflichtungen nachzukommen, S. Majestät es seiner Huld und Güte für angemessen erachteten, die Besitzer besagter Nachdrucke von den durch das Gesetz bestimmten Strafen zu befreien, in der Erwartung, daß dieser Akt der Nachsicht sie für die Zukunft zu größerer Bedachtsamkeit bestimmen würde.

Demzufolge verordnete der Beschluß des Staatsrats bezüglich der Nachdrucke, daß alle diejenigen, welche im Besitze solcher wären, von den durch das Gesetz verhängten Strafen befreit sein sollten, wenn sie die vorgeschriebenen Formalitäten erfüllten.

Durch diese Vorschriften waren die Besitzer von Nachdrucken, die aus der Zeit vor dem in Rede stehenden Beschlusse herrührten, gehalten, dieselben binnen zwei Monaten dem Inspektor und einem Mitgliede der Bücher-Kommission des Arrondissements, in welchem sie ansässig waren, zur Stempelung und Unterzeichnung auf dem Titelblatte vorzulegen.

Die Herren Le Noir und Le Camus de Néville forderten nun den Sieur Debure auf, diese Stempelung zu übernehmen; er weigerte sich jedoch, dem Andringen der beiden Beamten Folge zu geben. Nichtsdestoweniger beharrte der Sieur Le Camus de Néville auf seiner Forderung und schrieb ihm am 9. Januar 1778, er habe sich am folgenden Tage in der Staatskanzlei zu Versailles einzufinden. Debure fügte sich dem Befehle des Ministers ebensowenig wie dem der beiden Unter-Beamten. Er begab sich aber doch zur bestimmten Stunde nach Versailles, weigerte sich aber auch dort den lebhaftesten Aufforderungen des Groß-Siegelbewahrers Hue de Miromesnil gegenüber, zur Ausführung des vorgedachten Beschlusses die Hand zu bieten. »Versetzen Sie sich in meine Lage, mein Herr,« erklärte er dem Justizminister. »Was Sie mir da zumuten, widerstreitet den Gesetzen über den Buchhandel, den Interessen meiner Kollegen, dem Eide, den ich geleistet habe, und schon einer dieser Gründe würde hinreichen, um meinen Widerstand zu rechtfertigen.«

Der Groß-Siegelbewahrer versuchte einige Einwürfe zu machen, und der Sieur Cordonne, der bei dieser Unterredung zugegen war, gab sich alle Mühe, den Buchhändler zu überreden. »Thun Sie dem Herrn Minister den Willen,« sagte er, indem er Debure am Rocke zerrte. Dieser aber war unerschütterlich. »Ich berufe mich auf Ihr eigenes Beispiel,« fuhr er zu Miromesnil gewendet fort. »Was thaten Sie, als Herr de Maupeou Ihnen im Jahre 1771 die Stelle des ersten Präsidenten bei dem neuen Parlement von Rouen antrug? Sie schlugen sie aus! Und warum? Weil Sie Ihren Eid verletzt haben würden, wenn Sie sie angenommen hätten.« Debure wollte daraus noch mehrere Folgerungen ziehen, aber der Justiz-Minister unterbrach ihn mit den Worten: »Ich gebe Ihnen noch vierzehn Tage Bedenkzeit.« – »Das ist unnütz,« erwiderte der Buchhändler. »Sie werden in vierzehn Tagen bei mir noch die nämliche Gesinnung, das nämliche Ehrgefühl finden wie heute.«

Am 20. Januar erhält Debure einen königlichen Befehl, gegen den er mit einem Mute und einer Entschlossenheit protestiert, die ihm alle Ehre machen. Wir lassen hier eine getreue Kopie des Befehls wie des Protestes folgen.

»Im Namen des Königs!

Dem Sieur Debure senior, Mitglied der Bücher-Kommission, wird hiermit befohlen, in Gemeinschaft mit dem Sieur Cordonne und auf die Mitteilung hin, die ihm von diesem Befehle gemacht werden wird, auf dem er unverzüglich das Angelöbnis der Folgsamkeit zu vermerken hat, die Stempelung der Nachdrucke vorzunehmen, die sich in Unserer Stadt Versailles finden werden, und das in Gemäßheit des Beschlusses Unseres Staatsrates vom letzten 30. August, und ohne dagegen zu verstoßen, bei Strafe des Ungehorsams und der Widerspenstigkeit gegen Unsere Befehle.

Gegeben zu Versailles am 20. Januar 1778.

Gezeichnet: Louis.
Amelot.«

»Ich, der unterzeichnete Polizei- und Bücher-Inspektor, habe gegenwärtigen Befehl Sr. Majestät dem Sieur Debure senior kundgethan und vorgelesen mit der Aufforderung, sich demselben zu fügen und das Angelöbnis der Folgsamkeit hier unten zu vermerken, worauf der Sieur Debure senior mir hier unten Antwort erteilt und unterzeichnet hat, wie folgt:

Ich, der Endesunterzeichnete, anerkenne hiermit, daß der Polizei- und Bücher-Inspektor Herr Goupil mir gegenwärtigen Befehl des Königs mitgeteilt und kundgethan hat: da aber das, was er mich weiterhin zu thun aufgefordert hat, mir unvereinbar erscheint mit dem Eide, den ich vor dem Herrn Ober-Polizei-Direktor abgelegt habe, so erhoffe ich von der Güte und Gerechtigkeit des Herrn Groß-Siegelbewahrers, daß er auf meine strenge Gewissenhaftigkeit Rücksicht nehmen und mir den Schmerz ersparen wird, widerspenstig zu erscheinen gegen die Befehle des Königs, gegen den ich mich zur unumschränktesten Unterwürfigkeit, gleichwie zur vollkommensten und ehrfurchtsvollsten Ergebenheit gegen seine geheiligte Person bekenne und stets bekannt habe.

Paris, am 23. Januar 1778.

Gezeichnet: Debure.
Goupil.«

Wer das alte Regime auch nur einigermaßen kennt, wird ohne besondere Mühe die Folge dieses kühnen Protestes erraten: der Sieur Debure wurde in die Bastille gesteckt.

Diese Einsperrung erregte indessen ungemeines Aufsehen in Paris. Die Zunft der Buchhändler versammelte sich und sandte am 25. Januar zwölf ihrer Mitglieder nebst dem Syndicus als Deputierte an den Justiz-Minister ab, um die Rücknahme der Beschlüsse vom 30. August 1777 und die Freilassung Debures zu erbitten. Hue de Miromesnil aber erklärte diesen Herrn in dürren Worten: » Wenn der König seinen Willen kundgethan hat, so verlangt er Gehorsam, und Gehorsam wird ihm werden

Nun legte sich jedoch das Parlement ins Mittel. Der erste Präsident desselben machte dem Groß-Siegelbewahrer einen Besuch und erklärte ihm, wenn der Sieur Debure nicht ungesäumt aus der Bastille entlassen würde, so würde das Parlement von der Sache Kenntnis nehmen und den Sieur Le Noir vor seine Schranken fordern, um Rechenschaft von ihm zu verlangen.

Das wirkte. Miromesnil ließ sich durch dies energische Auftreten ins Bockshorn jagen, und Debure wurde noch am selben Tage, den 29. Januar 1778, in Freiheit gesetzt.

*


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