Ludwig Huna
Die Kardinäle
Ludwig Huna

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Dreißigstes Kapitel

Vor dem Vatikan steht Ascanio Aleandi, leichenblaß, das Auge starr auf die massiven Torflügel gerichtet, die sich von Zeit zu Zeit öffnen, um irgend einen Würdenträger herauszulassen. Unter dem Ärmel hält er den Dolch verborgen, der nach dem Herzen des Verruchten zielen soll.

Es vergehen zwei, drei Stunden – Petrucci 337 kommt nicht. Er und de Sauli waren durch eine Hintertür des Vatikans in bereitgestellten Sänften hinausgetragen und in die Engelsburg gebracht worden.

Endlich entschließt er sich, nach dem Quirinalpalast des Kardinals zu gehen. Dort stellt er sich vor dem Marmorportal auf. Hier mußte er einmal dem Kardinal begegnen. Er sieht erregte Diener aus dem Tor eilen, Personen mit gespannten Mienen hin und her gehen und wußte nicht, was er davon halten sollte. Endlich fragt er einen Diener nach dem Kardinal. Dieser antwortet bleich und leise: »Seine Exzellenz ist auf Befehl Seiner Heiligkeit in die Engelsburg abgeführt worden.«

Da will der verkrampften Hand der Dolch entfallen. Das Auge des Verstörten wird weit und starr. Der Kardinal – in der Engelsburg? Sein Hirn sucht nach einem Sinn der von ihm immer wieder zerstückelten Worte. Heilige Jungfrau! stammelt er vor sich hin. Betrogen um mein Rächeramt! Ich wollte vergelten – ein anderer hat mir den rächenden Dolch entwunden. Ein gütiger Gott hat ins Werk meiner Gedanken gegriffen und ein Engel hielt meine Hände rein, die sich mit Blut beflecken wollten. Unbegreifliche Vorsehung! Wer kann dich durchschauen? Mir bleibt nur, vor Deiner Herrlichkeit in die Knie zu sinken.

338 Die Sinnfülle des Geschehens war für ihn überwältigend. Gott selbst stellte sich in seine kleine Menschenwelt hinein und rief einen, der im Begriffe war, schuldig zu werden, durch einen wunderbaren Anhauch seiner Liebe an sein Herz.

Mit Tränen in den Augen schleicht Ascanio Aleandi heim, seinem toten Liebchen die letzten Ehren zu erweisen. Die Leute, die ihm begegnen, schütteln bei seinem verstörten Anblick den Kopf. Er ist wohl ein Narr, denken sie.

Dieser Narr aber trug wenige Tage später seine müde Schwermut in ein Tal, wo der Bach über Steine rauschte und die Einsamkeit die Melodie des Lebens war. An der Klosterpforte der Mönche von Vallombrosa klopfte er an und fragte, ob sie einen Heiligenmaler brauchten, er trüge den Abglanz der wunderschönsten Madonna in sich und Raffael habe seine Hand für das Sanktuarium seines Herzens gesegnet. Er wolle ihnen für Altäre und Zellen in weihevollen Stunden Bilder schaffen, wie sie Fra Angelico da Fiesole für die Brüder von San Marco gemalt hatte. Da ließ ihn der Bruder Pförtner ein und führte ihn vor den mild blickenden Abt, dem er sein zerrissenes Herz vor die Füße legte.

Und schon tags darauf begann Ascanio Aleandi in einer Zelle, die ihm die Mönche ganz allein nahe im Walde zugewiesen hatten, den Madonnenkopf der schönen Lucia zu malen. Es lag vom 339 ersten Pinselstrich an Weihe über dem wunderbaren Werk.

 


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