Ludwig Huna
Die Kardinäle
Ludwig Huna

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Vierzehntes Kapitel

Im Landhaus des deutschen Supplikenreferendars Goritz, genannt Gorycius, auf dem Kapitolshang, hatte der Gastherr die Plautuskomödie Amphitrio in italienischer Bearbeitung von Collenuccio aufführen lassen. Die besten Gelehrten wirkten als Schauspieler mit, viele Kardinäle und Prälaten waren Zuschauer, das Stück gefiel mäßig, man war zu sehr an die lateinischen Aufführungen gewöhnt, die römischen Damen langweilten sich und schielten nach den geistlichen Herren und den Baronen hinüber, die mit der Komödie nichts anzufangen wußten.

Nach der Vorstellung hatte Petrucci die Kardinäle Sanseverino und Carvajal in ein Nebenzimmer zu einer vertraulichen Besprechung 202 geladen. Er hatte sich mit ihnen an den Abacus, einem altertümlichen Spieltisch gesetzt, den Goritz aus einer Ausgrabung in einem Senatorenhaus erworben hatte, und unter dem Vorwand des Schachspiels hatte er sie über ihre Stimmung gegenüber dem Papst ausgehorcht. Aber er mußte erkennen, daß es vergebens war, die beiden Kardinäle für sich zu gewinnen. Sie hatten ihre einstige Gegnerschaft vergessen, hatten mea culpa gerufen und waren in sich zusammengekrochen. Petrucci hatte sich erbittert von ihnen wenden müssen, denn nun war seine Feindseligkeit gegenüber Leo offenbar geworden und er mußte sich nun auch gegenüber andern Kardinälen Zurückhaltung auferlegen.

Einige Tage später kam der Reiter aus Urbino zurück, der dem Kardinal meldete, daß er den Brief dem Herzog Francesco Maria übergeben habe.

Vergebens aber wartete Petrucci auf die Rückkehr des mantuanischen Reiters. Bis endlich eine verhängnisvolle Meldung eintraf.

Ein fahrender Kaufmann hatte vor einigen Tagen einen Überfall von Banditen auf einen Reiter auf der Via Flaminia von einem Seitenweg aus beobachtet. Die Räuber hatten den Mann vom Pferd gerissen, übel behandelt und in ein Gebüsch geschleppt. Als sie sich entfernt hatten, war der Kaufmann gleich nach dem 203 nächsten Weiler geeilt, um Leute zu holen, die den besinnungslosen Schwerverletzten in ein Landhaus trugen, das einem Herrn Carducci gehörte, einem Anhänger der Orsini. Dort sei er gepflegt worden, doch habe er die Sprache verloren, und es sei nicht herauszubringen gewesen, welchem Herrn der überfallene Reiter gehöre, der auf dem Pferd kein Geschlechterwappen getragen. Er sei ein kleiner Mann mit langem Bart und grauen, etwas schillernden Augen. Das alles war in der Nähe von Rom, eine Meile vom alten Ponte Milvio, geschehen. Der Knecht sei noch nicht so weit genesen, um heimreiten zu können.

Nino wußte sofort, um wen es sich handelte. »Beppo, der Langbart, ist überfallen worden,« meldete er Petrucci.

»Überfa –? Beraubt?« Der Kardinal erschrak.

Nino nickte. »Es waren sicherlich gedungene Leute, die nach verdächtigen Personen fahndeten. Man kennt unsere ständigen Boten. Nach dem Bankett bei Kardinal de Sauli soll sich allerlei verdächtiges Volk in den lukullischen Gärten herumgetrieben haben.«

»Man soll Beppo mit der Sänfte abholen.« Petrucci war ergrimmt. So hetzte man schon Bravi gegen ihn. Wenn man den Brief bei Beppo gefunden hatte, dann war die Konspiration mit Urbino aufgedeckt. Gott gebe, daß es nicht so weit gekommen war.

204 Die ausgeschickten Leute brachten den heulenden Reitknecht in der Sänfte. Er hatte während der Überführung nach Rom die Stimme wiederbekommen. Nun erzählte er den Hergang.

Er wurde bei hellichtem Tag von einem Trupp Räuber überfallen und vom Pferd gerissen. Er glaubte unter den Angreifern einen Diener des Kardinals Giulio de' Medici erkannt zu haben. Man habe ihm trotz verzweifelter Gegenwehr den Kopf wundgeschlagen und ihm die Tasche geraubt, in der der Brief –

Hier brach Beppo mit dem Langbart in Tränen aus.

Der Kardinal beruhigte ihn, es solle ihm nichts Böses widerfahren, denn das alles sei wohl ein Unglück, aber keine Übeltat seinerseits. Beppo wurde sofort ins Bett gebracht und pflegenden Händen übergeben.

Der Brief in Händen, die ihn mißbrauchen können! Nun gnade mir Gott! Der Kardinal schloß sich in sein Zimmer ein. – –

In Malliano, fünf Meilen von Rom, lag das Buenretiro des Papstes, ein Landgut, aus festen Quadern gebaut, umgeben von wohlgepflegten Gärten, die ihren Duft über die weite Ebene verströmten, über die der Salzatem des Meeres strich.

Hier ging der Papst nur soweit den Tagesgeschäften nach, als es unbedingt notwendig war. 205 Er hatte sich die Kardinäle Giulio, Bibbiena und seine unentbehrlichen Spaßmacher Fra Mariano und Camillo Querno mitgenommen, doch kamen auch Würdenträger der Kirche für ein paar Stunden nach dem Landgut, um über wichtige Dinge zu beraten. Der jüdische Leibarzt Sarfadi hatte weitgehende Schonung für den Papst angeordnet. Seit dem Korsarenstreich befand sich Leo außerhalb Roms immer in einer gewissen Angstspannung. Er hatte auch einen Teil seiner Schweizergarde mitgenommen, schmucke Kerle mit der gelb-grün-weißen Schärpe, die mit der geschulterten Hellebarde den Wachdienst versahen.

Zwischen Rosenhecken und exotischen Sträuchern, im Schatten verschiedener Fruchtbäume, erging sich Leo und pflückte Früchte von den Zweigen, die er in Körben sammelte. Sie sollten wie alljährlich der von ihm hochverehrten Donna Bianca Rangone, Tochter des Tyrannen Giovanni Bentivoglio, die ihn einst als Gefangenen der Franzosen in Modena auf der Durchreise betreut hatte, übergeben werden. Sie hatte ihre Geschmeide verkauft, um sich aus dem Erlös die Mittel zu seiner Verpflegung zu verschaffen. Als Papst entgalt er ihr die rührende Fürsorge, indem er ihr ein Unterkommen in Rom besorgte. Und wenn sie Fürsprecherin für andere wurde, ließ der Papst immer Gnade walten.

206 Der Papst hatte seine schlechte Laune über die gestrige magere Jagdbeute wieder verloren, er sah gut aus und hatte ein fröhliches Gemüt. Der Rektor der römischen Akademie Beroaldus hatte ihm mitteilen lassen, daß die fünf ersten Bücher des Tacitus von der Abtei Corvei in Westfalen nach Rom gebracht und erworben wurden und daß er sie nun zu kommentieren und in Druck zu geben gedenke. Da mußte freilich Leo wieder tief in die mageren Taschen greifen. Der Hofnarr Querno machte annehmbare Spaße mit Leo, und so schien der Tag im besten Gange zu sein.

Leo hatte einen Brief von dem deutschen Gelehrten Erasmus erhalten, der den Papst sehr schätzte. Der Deutsche wünschte ihm Glück bei der Erledigung des Handels mit Urbino.

Der Papst überdachte die bisherigen Erfolge. Pesaro, Sinigaglia und andere urbinatische Städte hatten sich Lorenzo nach Urbinos Vertragsschließung unterworfen. Lorenzo selbst wurde zum Herzog von Urbino ernannt. Die Kardinäle, gewohnt, sich der Entschließung ihres Oberhauptes zu fügen, unterzeichneten diese recht weltliche Urkunde sozusagen im Namen des Kirchenstaates. Nur der Bischof von Urbino, Domenico Grimani, der seinem Herrn die Treue nicht brechen wollte, verweigerte die Unterschrift. Aber er verließ zugleich eiligst Rom, um etwaigen Nachstellungen seitens Leos zu entgehen.

207 Aber nicht alle urbinatischen Städte hatten sich ergeben. Die Festungen San Leo und Maiuolo leisteten Widerstand. In Pesaro verteidigte sich der Feldhauptmann Mondolfo gegen eine zwei Tage lange Beschießung, und dann versprach er die Burg zu übergeben, wenn binnen zwanzig Tagen kein Entsatz komme. Aber er brach den Waffenstillstand und ließ seine Geschütze auf die Belagerer feuern. Not und Entbehrung verursachten einen Aufruhr der Besatzung gegen ihren Feldhauptmann, die Mannschaften verließen ihn nicht nur treulos, sondern lieferten ihn sogar an die Belagerer gegen ein hohes Lösegeld aus. Mondolfo wurde zum Dank für seine Treue zum Herzog und für seinen Wortbruch unter dem Jubel der Papsttruppen gehenkt. Da ergaben sich auch die restlichen Festungen.

Leo hielt nun das Schicksal des Unglücksstaates in seinen Händen. Auch sonst standen die Dinge um Italien herum günstig. Der Kaiser, von den Franzosen getäuscht, hatte sich ohne Geldmittel aus der Lombardei zurückziehen müssen, von den Pasquillen und Karikaturen der Italiener verfolgt, die ihn auf einem Krebs reitend darstellten, mit der Unterschrift: Tendimus in Latium. Oder man ging bei Tag mit Lichtern auf den Gassen herum und suchte Maximilian. Verona wurde noch von den kaiserlichen Feldherrn Marcantonio Colonna gegen die 208 Venezianer und Franzosen gehalten, aber auch hier mußte bald eine Entscheidung fallen. Leo hatte schon mit dem Kaiser und Spanien unterhandelt, um Franz I. im günstigen Augenblick aus Mailand zu vertreiben und Sforza wieder einzusetzen. Darüber donnerte der Franzosenkönig Flüche auf den Papst, der den Vertrag mit ihm so umging.

Der Papst rieb sich vergnügt die Hände. Sein christlicher Sinn hatte sich nicht einen Augenblick lang bedacht, gegenüber dem Herzog von Urbino unchristlich zu handeln. Herzog und Mensch waren für ihn ausgetilgt. Francesco Maria hatte ein Bittschreiben eingereicht, worin er wenigstens um Aufhebung des päpstlichen Bannes bat. »Niemals!« hatte Leo ausgerufen. Vergebung mochte für christliche Alltagsgemüter Geltung haben, das Oberhaupt der Kirche nahm sich von dieser Gnadenerteilung aus. Der Bann sollte den Herzog bis an die Pforten der Hölle begleiten. So sehr verkroch sich Leo in seinen Haß.

Aber heute war der Tag zu schön, um sich mit solchen Widerwärtigkeiten das Gemüt zu beschweren. Der Himmel strahlte im kostbarsten Azur, ein leichter Zephir wehte, Störche blitzten hell durch die Luft, Lieder klangen von nahen Feldern – nein, Leo wollte sich heute nicht vergrämen.

209 Da kam Kardinal Alexander Farnese aus Rom geritten. Er habe Seiner Heiligkeit Wichtiges zu überbringen.

»Was ist für mich jetzt wichtig?« drohte ihm der Papst lächelnd mit dem Finger. »Meine Ruhe, mein Wohlbefinden, meine Nervenberuhigung. Die Welt behelfe sich ohne mich.«

»Ich muß dennoch bitten, allerheiligster Vater –«

»Seid Ihr Lustigmacher geworden? Kommt, setzt Euch –« Er schob ihm eine Gartenbank hin. »Mein Jugendlehrer Poliziano hat mir genügend platonische Weisheit eingeflößt, sie ist mir ein Panzer gegen Stürme von außen her geworden.«

»Ich wünsche herzlichst, daß diese Ruhe und Weisheit Euch auch jetzt nicht verlasse. Ein glücklicher Zufall hat mir diesen Brief in die Hand geweht. Auf der Flaminischen Straße hatten Banditen einen Bedienten des Kardinals Petrucci überfallen und ausgeplündert. Einen der Strauchdiebe erwischte man und fand bei ihm eine Tasche, in der sich ein Brief des Kardinals an den – Herzog von Urbino befand. Der Stadthauptmann übergab ihn mir.«

Leo nahm den Brief und las. Mit jedem Wort wurde er bleicher, seine Froschaugen rundeten sich in namenloser Bestürzung. »Petrucci –? o Gott – das ist – Farnese – das ist – eine Verschwörung!«

210 Farnese berichtete:«Meine Häscher erkundeten, daß unlängst im Landhause des Kardinals de Sauli ein Abendmahl stattgefunden habe, an dem die in dem Briefe genannten Kardinäle teilgenommen hatten. Spät nachts ritten die Herren nach Hause. Das Fenster im Landhaus des Kardinals Petrucci war bis in den Morgen hinein erleuchtet. Ich bitte Euch, allerheiligster Vater, nur jetzt keinen übereilten Entschluß. Er würde die Sache nur schlimmer machen. Es ist eine Nichtswürdigkeit, geboren aus dem Haß eines ungeistlichen Gemüts gegen Eure Person, aber zugleich gegen andere ehrwürdige Mitbrüder, deren Namen dieses abscheuliche Dokument nennt. Ich will nicht von mir reden, der hier als einer der größten Feinde des Kardinals gebrandmarkt wird, aber es stehen so ansehnliche Namen darin, daß es den Gerechten erschüttert, sie von solchem Haß bedroht zu sehen. Doch wenn diese greulichen Dinge offenbar werden, müßte die Welt schaudernd vor einem Bild der Verderbtheit stehen, das sich mit dem Geist des Christentums nicht mehr vereinbaren läßt.«

Der Papst atmete schwer. »Das – mir?! Einer, der mich einst selbst gewählt – als Papst gewählt – ist nun im Begriff, mich zu verraten! Fürchterlicher Lauf des Schicksals! Wo bleibt Nemesis? Legt sie ihr rächendes Amt in meine Hände?« Die Anrufung der heidnischen Göttin 211 lag ihm näher als die irgend eines Heiligen. »Petrucci – gegen meine Sippschaft, mein Geschlecht!«

Farnese verschluckte den Gedanken, daß des Papstes Gier nach dem Geschlecht der Petrucci gegriffen, daß er es zugrunde gerichtet und verjagt hatte. »Wir müssen, ohne Aufsehen zu erregen, handeln. Noch ist erst alles im Werden. Man greife erst zu, wenn alles ausgereift ist und sich die Verschwörer in Sicherheit fühlen.«

»Wenn es aber dann zu spät ist?«

»Keine Angst. Man muß so tun, als lebte man im besten Einvernehmen mit den Widersachern, ja, als liebte man sie. Verstellung ist in diesem Fall eine unabweisbare Waffe. Je ahnungsloser wir uns verhalten, um so sicherer wird sich Petrucci mit seinen verräterischen Kardinälen fühlen. Und in diesem Sicherheitsgefühl werden sie die größten Dummheiten begehen. Die erste hat Petrucci schon begangen: Er hat diesen Brief geschrieben. So was verhandelt man mündlich. Nur der bodenlose Haß konnte ihm diese Torheit einflüstern. Aber jetzt keine Gnade, keine Milde. Ihn ja nicht durch Güte zur Reue zwingen. Sein leidenschaftliches Temperament würde sich nie dazu verstehen. Sein wachsender Grimm soll ihn selbst verzehren, bis er endlich nach einem letzten Ausweg sucht.«

»Diese Verkommenheit ist wie ein fressendes 212 Geschwür, das das ganze Kollegium ergreifen kann.« Der Papst atmete schwer.

»Die jüngeren Kardinäle sind es vor allem, die da beteiligt sind. Die älteren sind Euch treu, mit Ausnahme Riarios, der aus dem Ehrgeiz heraus, Papst zu werden, in das Garn der Missetäter geraten ist. Anders ist seine Haltung nicht zu erklären. Außer Giulio de' Medici darf niemand in die Sache eingeweiht werden. Gebt acht, wir fangen die Vögel noch, die uns zu fangen meinen. Euer Herz, allerheiligster Vater, kann nun wieder ruhig schlagen, denn wir werden eine schärfere Wacht stehen als die Schweizergarde vor Euren Fenstern.«

»Giulio – ja, ich will den getreuen Vetter einweihen – o bleibt, Farnese, zum Essen, ich will keine Possenreißer um mich sehen –«

»Im Gegenteil. Sie sollen Euch zum Lachen bringen wie noch nie. Vergeßt nicht: Frohe Laune, Unbefangenheit, Ahnungslosigkeit sind Trumpf –«

»Der Tag hat einen grauen Schein bekommen. Meine Kardinäle! Ja, weg mit allen liebenden, vergebenden Gedanken! Hervor du grimmer Streiter Haß!«

»Tragt nun Politik in die Sphäre Eures persönlichen Lebens. Seid klug wie die Schlange –«

»Und ohne Falsch wie die Tauben!« lachte Leo bitter auf. »Der Herbst kommt, ich will auf 213 die Jagd. Aber man jagt selbst nach mir, will mich unschädlich machen, ja vielleicht –« Er schlägt die Hände vors Gesicht. »Der Herzog von Urbino ist zu allem fähig. Er hat den Kardianal Alidosio eigenhändig erstochen, er hat bei der Eroberung von Brisinghella zweitausend Bürger und Bürgerinnen niedermetzeln lassen. Sagt, wird so ein Unhold vor dem heiligsten Kleide haltmachen?«

»Die göttliche Vorsehung ist mit Euch,« tröstet ihn Farnese salbungsvoll.

»So will ich denn die Deklamationen auf dem Kapitol anhören, wenn ich nach Rom komme. Ob ich aber den Kardinälen werde in die Augen sehen können?«

»Petrucci weiß jedenfalls, daß sein Brief in fremde Hände gefallen ist. Aber ob in Eure? Er könnte annehmen, daß sein Brief verbrannt, vernichtet, von den Räubern weggeworfen wurde, daß er wohl in fremde, aber vielleicht ungefährliche Hände gekommen sei. Auf jeden Fall tut Unbefangenheit not. Noch mögen auch die andern Kardinäle schuldlos sein, vielleicht ist ihre Namensnennung in dem Brief nur eine Prahlerei Petruccis, um sich stark zu zeigen und einen Anhang vorzutäuschen. Wir müssen nun Leute finden, die unbemerkt hinter den Kardinälen her sind. Dafür laßt mich sorgen, allerheiligster Vater. Meine Füchse sollen Witterung nehmen. Da 214 kommt Bibbiena über den Hof. Kein Wort zu ihm, keine Andeutung.«

Dovizio da Bibbiena, Kardinal von Santa Maria in Portico, der einstige Lehrer des Papstes, ein leichtlebiger, witziger Herr, der seine heitern Talente in eine Komödie »Calandra« geworfen und sich für die Künste lebhaft einsetzte – war doch Raffael sein junger Freund und Schützling und nahe daran, durch die Heirat einer Kardinalsnichte sein Anverwandter zu werden – tänzelte im Höflichkeitsschritt heran und küßte den Ring des Papstes. »Allerheiligster Vater, ich habe soeben mit Paris de Grassis die römischen Historien besprochen, die im Oktober zur Aufführung gelangen sollen.«

»Recht, recht, mein Sohn, es wird eine schöne Sache werden. Geh bis auf die ältesten Zeiten zurück, auf Romulus, auf Aeneas, laß Albalonga leuchten, Numa seine Egeria ans Herz drücken, ich gebe dir ganz freie Hand . . . ja, was ich dir schon lange sagen wollte: Ich will den Sänger Merino zum Erzbischof von Bari machen. Widerstände werden da und dort auftauchen, überwinde sie durch das Lauffeuer deines Witzes.«

»Ich will sagen, es hat sich eben ein Merinoschaf unter die Lämmerherde Seiner Heiligkeit verirrt. Auf jeden Fall wird es einmal geschoren werden.«

»Finochetto du! Ist Bembo im Turm? Mich 215 verlangt's, von seiner Nymphe Garda zu hören, die der Flußgott Sarca so schön besingt. Wie weit ist er mit seinem Sang?«

»Er hat gestern das Hochzeitsmahl in der Höhle im Monte Baldo in Hexameter gebracht. Er dürfte heute die Deklamationen der Hochzeitsgäste beginnen und morgen in der Hochzeitsnacht selbst schwelgen.«

»Er ist ein lockerer Schelm, der liebe Bembo. Mich wundert es, daß er noch keine Moresca für schöne Tänzerinnen schrieb. Daß ich nicht vergesse – ich wünsche eine Wiederholung des Amphitrio von Plautus, sagen wir im Oktober, durch Goritz. Als Zwischenpantomime den Tanz der efeuumschlungenen Bacchantinnen. Und zu Weihnachten denke ich an die Sofonisba von Trissino, eine gewaltige Tragödie, bei der dir, lieber Bibbiena, das spöttische Lächeln vergehen wird.«

»So will ich den spöttischen Ernst aufsetzen, über den die andern lachen werden. Es ist vernünftig, das Getriebe der Welt einmal zu lockern und umzukehren.«

»Du bist immer ein cervello balzano gewesen, ein Querkopf, würde Gorycius sagen. Man kann dir nichts übelnehmen. Bembo soll mit seiner Sarca kommen. Und nach dem Essen der Buffoncello. Ich brauche seine Tollheiten mehr denn je.« Dem Papst saß eine Träne im Augenwinkel. Er zwinkerte Farnese beziehungsvoll zu. 216

 


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