Ludwig Huna
Die Kardinäle
Ludwig Huna

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Zehntes Kapitel

Auf seinem geliebten Schimmel ritt der Papst, von zwei Sekretären und sechs Leibwächtern begleitet, nach Civita Lavinia, der einsamen Stadt, die schon der salzige Hauch des nahen Meeres umspiegelte. Dort wollte Leo ein wenig ausspannen.

Am dritten Abend seines Aufenthalts stürzte der Kapitän der Leibwache in den Papstturm. »Eure Heiligkeit müssen sich zur Abreise bereitmachen. Am Strand hat ein Korsarenschiff Anker geworfen, die Bewohner von Ardea wurden niedergemacht, die Räuber haben die Absicht, sich auf Civita Lavinia zu werfen und Eure Heiligkeit selbst. . .« Der Kapitän stockte.

Leo sprang auf, kreidebleich, an allen Gliedern zitternd. »Sie wollen mich –? Auf, nach Rom! Von dort ein paar hundert Mann gegen die Bande werfen!«

Ganz Rom erschrak, als die Vorreiter des Papstes dessen Rückkehr ankündigten. In allen 135 Kirchen wurden Gebete angeordnet. Der Papst war gerettet.

Petrucci las seine Messe in einer Kapelle der Sixtina mit großer Unlust. Sie dünkte ihm eine Heuchelei. Empörung und Rachelust im Herzen sollte er Gott Dank sagen für die Rettung des Papstes aus Lebensgefahr. Zu Hause suchte er nach einer Ablenkung der Gedanken. Er verirrte sich aber dabei wieder in sein Liebeslabyrinth.

Wie ein gewöhnlicher Abenteurer hatte er sich den geliebten Leib der Lucia Impaggi gleich einem kostbaren Schauobjekt ausliefern lassen. Seit dieser Stunde, da er ihn bewundert und trotz aller eingeredeten Entsagung heiß begehrt hatte, verließ ihn das Bild ihrer Schönheit nicht mehr, und er bereute es, dem Maler Aleandi ein Versprechen gegeben zu haben, seine Liebe nicht zu stören. Schon der Gang in die Caracallathermen war ja ein Bruch dieses Versprechens, denn was anderes als Liebe hatte ihn an den vergötterten Altar geführt? Freilich glaubte er damit keine allzu große Sünde begangen zu haben, ja er meinte damit den Schlußstein auf sein ideales Liebesgebäude gesetzt zu haben. Der Anblick ihrer Schönheit, rein malerisch genossen, hätte das spärliche Glück beenden sollen, das er sich genießerisch im Traum eines Besitzes dieses Mädchenleibes konstruiert hatte. Er verwechselte, 136 wie schon so oft, Liebe mit sinnlichem Verlangen. Auch jetzt lebte er in dem Wahn, Lucia idealistisch zu lieben, sie nur gedanklich wie ein schönes Ikon anzubeten. Mit diesem platonischen Anstrich seiner Liebe meinte er nicht in das Gehege seines Rivalen zu steigen. Ihm waren die freien Leitsprüche der genießerischen Kardinäle, die sich fast alle skrupellos ihre Phrynen hielten, im Meer seiner chaotischen Leidenschaft ein rettender Fels, an den er sich klammerte. Schade, daß sein kirchliches Oberhaupt, dieser Schwelger in leiblichen Genüssen, gerade das Weib aus seiner Interessensphäre verbannt hatte, man hätte sich sonst noch angenehmer vor Gott entschuldigen können.

»Nino!« rief Petrucci.

Sein vertrauter Sekretär eilte aus dem Nebengemach herbei. Alle Herzensangelegenheiten Petruccis fanden hier eine sichere Versargung. Nino Oltranto war schon der Vertraute seines Vaters Pandolfo gewesen, er hatte die Affären von Siena registriert und sie mit herzlicher Mitbewegtheit mit seiner Herrschaft mitgefochten. Er hatte den jungen Alfonso in mancher Lebenslage beraten, er war durch die Kunstliebe seines jetzigen Herrn stark beeinflußt worden, und sein treues Gemüt hätte es nie überwinden können, von seinem Herrn abzufallen. Er fühlte sich immer berechtigt, ihm ab und zu Ratschläge zu 137 erteilen, ihn aus mancher Sackgasse zu führen und so den guten Schutzengel zu spielen. In Liebesdingen insbesondere war Nino sehr freidenkend, dabei geschickt und sogar taktvoll, immer besorgt, seinen Gebieter möglichst heil aus einer verwickelten Lage zu führen. Der kleine bewegliche Nino mit den grauen gutmütigen, lustigen Augen und der etwas länglichen Nase, der hell und spitz klingenden Stimme, sah nicht darnach aus, als ob er für irgend einen Menschen eine Gefahr bedeutet hätte.

»Sorge dafür, daß diese Bücher hier wieder zum Kardinal Grimani kommen.«

»Er ist soeben in Rom eingetroffen und wird sich freuen, von Euch empfangen zu werden,«

»Der Bischof von Urbino in Rom?« Petruccis Augen leuchteten. »Ich lasse ihn zu mir bitten.«

Nino eilte davon. Der Kardinal suchte seinen Tisch ab. Ei, was galten ihm jetzt in seiner chaotischen Wirrnis die leichtflüssigen Verse des jungen Flaminio, die er da in der Hand hielt? In ihnen spukten heidnische Anwandlungen mitten in christlichen Ergüssen herum. Was galt ihm der Paulusbrief, den Sadoleto kommentiert und ihm verehrt hatte? Was der Brief des Kardinals de Sauli, in dem ihm dieser die neueste Laune des Papstes mitteilte: den Maler Raffael zum Kardinal zu ernennen? Geschwätz, Unsinn, Altweiberklatsch! Petrucci verwarf alles, was sich 138 da an Tratsch aus dem Sumpfe Rom erhob und Anspruch machte, ernst genommen zu werden. Sie ersticken an ihrer Zungenbeweglichkeit und machen aus Rom einen unentwirrbaren Rattenkönig. Und dennoch – das mit Raffael war nicht so widersinnig. Sicherlich wollte der Papst sich auf diese Weise der Schulden entledigen, die er dem Künstler für seine Arbeiten abzuzahlen hatte.

Und da wieder ein Biglietto des geschwätzigen Bibbiena, in dem dieser den Kardinal auf einen deutschen Ritter namens Ulrich von Hutten aufmerksam mache, der augenblicklich in Rom weile und an einen gewissen Crotus Rubianus bissige Epigramme schreibe, in denen er den Papsthof verhöhne und die weltlustigen Kardinäle und Prälaten an den Pranger stelle, die das Privilegium der Frevel besäßen und Gott selbst auf dem Markt verkauften. Und diesen Leuten, so hieße es in den Epigrammen, liefere sich der Deutsche aus und beuge diesem Sklavenjoch seinen Nacken.

Petrucci las noch einmal. Ja, ja, diese Deutschen durchdringen uns tiefer als unsere Landsleute. Sie leiden nicht an Oberflächlichkeit und Traditionsträgheit. Man sieht es an Goritz, dem Bischof. Der Mensch läßt nichts unbeobachtet. Und dieser Ritter Ulrich? Was suchst du, Menschlein, in Rom? Nimmst du Anschauungsunterricht in schlechten Sitten am christlichsten 139 Hof? Steckst du deine Nase in die schmutzigen Dinge der Klerisei? Willst du deinen Deutschen etwas von der Reformbedürftigkeit der Kirche erzählen? Gib dir keine Mühe, das Laster sitzt zu tief, die Herrlichkeit stinkt zu scharf, als daß dein böses Maul die Sache ändern könnte. Zwar: ihr Deutsche seid Draufgänger, und was ihr in die Hände bekommt, wird gebogen oder gebrochen. Eure Landsknechte beweisen es. Und wenn je diese Kirche zerschlagen werden könnte, dann müßte es von euch geschehen, denn ihr wolltet niemals den lateinischen Oberherrn über euern graden Sinn Herr sein lassen. Ich kann's euch nicht verdenken, und eure Fürsten werden euch besser verstehen als die unsern ihr Volk.

Er nahm wieder Bibbienas Brief zur Hand. Fra Mariano, der Tölpel des Papstes ist erkrankt. Hm – so hat der Franziskanernarr endlich Zeit gefunden, ernst zu werden. Seine Späße kranken schon lange an Dummheit, und er wird in seinen Schmerzen das Maul nicht viel anders verziehen als bei seinen Witzen. Sklavenseelen gehen nicht so schnell zugrunde. Leo hält den guten Mariano mehr zum Narren als der Narr ihn. Er und Baraballo – hahaha! Dieser Improvisator war der zweite Narr, nur hielt er sich selbst nicht dafür. Er war ob seiner Einbildung stadtbekannt. Leo hatte ihn seiner hinkenden Verse wegen ironisch zum Dichterfürsten gemacht. Baraballo aber nahm 140 die Ernennung ernst und verlangte vom Papst die kapitolinische Dichterkrönung. Auf einem goldgeschirrten Elefanten mußte der genarrte Dichternarr vom Vatikan nach dem Kapitol reiten, und der Papst lachte von seinem Fenster auf den traurigen Wicht hinab, der unter dem Gejohle der Römer und unter Pauken- und Trompetenschall aus der Papstburg ritt, jedoch nicht weiter als bis zur Tiberbrücke kam, denn hier wurde der Elefant scheu, und Baraballo wäre beinahe heruntergefallen. Seit dieser Zeit war der Spaßmacherruhm des armen Teufels etwas lädiert.

Petrucci warf den Brief beiseite.

Da ritt der Kardinal von Urbino an und hielt vor dem Landhaus. Bald darauf stand der ehrwürdige Greis vor Petrucci. Dieser schob ihm den Stuhl mit der Löwenkopflehne hin.

Grimani hatte einen leidenden Zug um den feingeschnittenen Mund, die Augen waren vertrübt, die Haltung schien gedrückt. »Der Weg zu Euch herauf, Kardinal, ist mir immer ein Sorgenbrecher gewesen. Man reitet durch herrliche Gärten, blickt auf schöne Gebäude und steht endlich inmitten von antiken Schätzen vor dem liebenswürdigsten Manne Roms. Ich hoffe, daß die traurigen Vorgänge in Siena, Eurer Vaterstadt, diese Liebenswürdigkeit nicht gebrochen haben. Zwar habe ich Eure Brüder ins Asyl flüchten sehen –«

141 »So drang die Schmach bis nach Urbino?«

Grimani nickte. »Der Herzog selbst konnte sich des Unwillens nicht erwehren. Er bat mich, Euch seine tiefe Anteilnahme an Eurem Schicksal auszusprechen.«

»Worte und Gefühle allein sind schlechte Helfer. Ich ließ Euch hieher bitten, um die Sache Urbinos mit der meinigen zu verquicken, um alles zu bereden, was ein gemeinsames Handeln erfordert. Der Herzog ist vertrieben?«

»Er hat sich selbst nach Mantua zurückgezogen.«

»Das sieht einer Vertreibung verzweifelt ähnlich. Habt Ihr Kenntnis davon, was nun geschehen soll?«

»Alles Klagen, Bitten, Protestieren war vergeblich. Der Papst handelte wie –« Er stockte.

Petrucci hilft ihm aus der Verlegenheit. »Wie ein Seeräuber, wie einer jener Korsaren, denen er eben zur Not entkommen ist. Wir haben Messen gelesen, um Gott für seine Rettung zu danken. In Wahrheit – o nehmt es in seiner ganzen Bedeutung ernst – in Wahrheit hätte ich lieber eine Totenmesse für ihn zelebriert.«

Grimani erbleicht. »Das – aus dem Munde eines christlichen Mitbruders – o Gott, wie tief müßt Ihr verletzt sein!«

»Ihr wart immer ein Freund unseres 142 Geschlechts. Mein Herz, ich gestehe es offen, ist zerbeult, zerschlagen, zerrissen worden. Dem kalten Rechner auf dem Heiligen Stuhl hat es gefallen, zuerst Siena, dann Urbino in den Staub zu werfen, um seine Kreaturen zu erhöhen und an die Stelle der Verjagten zu setzen. Unglück und Not machen Freunde. Es ist mein höchster Wunsch, mich mit dem Herzog Francesco Maria della Rovere zu verbinden, ihn zu bitten, auf mich zu zählen, wenn er irgendwie Unterstützung nötig haben sollte.«

»Ein warmes Wort aus warmem Herzen, das den Herzog bewegen wird.«

»Was gedenkt der Herzog zu tun?«

»Vorderhand zu warten, ob nicht ähnliche Empfindungen auch von anderer Seite laut werden. Die Sache liegt so: Lorenzo, des Papstes Neffe, ist, so sagt man, nicht einmal so erpicht darauf, das Herzogtum Urbino in seine Hände zu bekommen. Seine ränkesüchtige Mutter, die Orsini, drängt ihn dazu. Aber auch der Papst besteht auf seinem Willen, Urbino als dritten Edelstein in ein neues Toskana einzufügen. Wie ich höre, läßt der Papst seine Truppen durch ein französisches Kontingent verstärken, das unter Thomas de Foix schon im Anmarsch auf Urbino sein soll.«

»Seit gestern weiß ich mehr,« nickte Petrucci. »Die Befehlshaber des päpstlichen Heeres sind ernannt. Camillo Orsini, Vitello Vitelli und 143 Renzo da Ceri teilen sich in die Führung. Auch der junge Giovanni de' Medici soll sich dabei seine Sporen verdienen. Viele Mäuler verderben die Handlung. Wir wollen sehen, wieweit sie einig bleiben.«

»So hat der Herzog allen Grund zu zittern. Die Städte werden gegen eine solche Übermacht nicht lange standhalten. Und das Blut wird Färbemeister unserer Landfluren werden, die Häuser werden geplündert, die Geier werden über Leichen fliegen. Können die Kardinäle nicht ein Wort für den Herzog sprechen?«

»Die jungen Herren will ich sammeln zum Protest, die älteren sind ichsüchtige Schranzen, um ihr Wohlleben besorgt und im übrigen beflissen, die Welt außerhalb Roms gehen zu lassen, wie sie geht, aus allem Geschehen Vorteil zu ziehen und Gott nur soweit die Ehre zu geben, als es dem Römer gefällt. Ihr seht, ich setze eine geringe Taxe für meine Amtsbrüder an, und sie haben sich nie Mühe gegeben, sie selbst zu erhöhen.«

»Dann ist's wohl wahr, was man so gemeinhin spricht? Man sagt, eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern müsse zuerst bei den Kardinälen beginnen.«

Petrucci schweigt einen Augenblick. Aber Grimani nimmt es sofort für eine bejahende Antwort.

144 »Traurig besorgte Christenheit! So werden dereinst die Hirten von den Herden geschlagen werden. Ich sehe die Zeit kommen, da man Gott anders ehren wird als durch die schlechten Verweser einer schlechtgewordenen Kirche. Sollte der Florentiner recht haben, der da sagte: ›Wir sind sittenlos, weil uns die Kirche mit ihren Vertretern ein übles Beispiel gibt.‹ Mir graut vor der Zukunft dieser Kirche. Vergebt, meine Zeit ist gemessen. Kardinal Fiesco wartet auf mich. Ich will dem Herzog durch meinen Boten Eure Hilfsbereitschaft melden. Er wird sich freuen, dort eine Unterstützung zu finden, wo er selbst mit seinem Herzen sich hingezogen fühlt.«

»Lebt wohl, Grimani.« Petrucci begleitet ihn ins Peristyl.

Der Kardinal fühlt sich wie neubelebt. Die geistige Verbindung mit einem Gleichbedrückten gab seinem Blut neuen Zustrom. Konnte er seiner Freunde de Sauli, Soderini, Adriano und Riario sicher sein? Ja, ihr Eifer deckte sich mit dem seinen. Sie alle hatten irgendwo des Papstes Geringschätzung zu spüren bekommen. Der alternde Riario mußte durch ein besonderes Lockmittel gewonnen werden.

Unwillkürlich fingen sich seine Blicke in dem Kruzifix, das an der Wand zwischen den Bildern des Olymp und der Entführung der Europa hing. Liebe deine Feinde! rief ihm der Gekreuzigte zu. 145 Diesen Ruf konnte Petrucci jetzt am allerwenigsten brauchen. Hasse sie! tönte es aus seiner Brust zurück. Und von dem Haß zur Rache war es nicht allzu weit.

Vom Sturm seiner wilden Gedanken hin und her geworfen, ließ er sich von Nino seinen Chrysolitbecher, in dem das Bild einer Nike eingeschnitten war, mit Falerner füllen; den stürzte er in einem Zug hinunter. Als Ablenkung ließ er sich eine Betrachtung des byzantinischen Philosophen Plethon über die theurgischen Mittel der Griechen reichen, doch kam er mit dem Lesen nicht weit, denn über Plethon schlugen die Wogen seines Grimms zusammen.

Grimani hatte über Machiavelli gesprochen. Wenn man ihn, den rücksichtslosen, eigenwilligen, ichsüchtigen Stürmer, den Verneiner der Gerechtigkeit und Bejaher der Tyrannei zu Rate zog? Er schlug des Autors »Discorsi« auf, las ein paar Scholien, die Kardinal Bibbiena auf den Rand gekritzelt hatte, schlug aber auch dieses Buch wieder zu.

»Nino!« Wie ein Hecht schoß der Sekretär aus der Tür. »Du hast in mein Herz gesehen.«

»Es schlägt für eine gewisse Donzella auf dem Gianicolo.«

»Diese Donzella ist für mich ein verlorenes Glück.«

»Weil sie mit dem Maler Aleandi so gut wie 146 verlobt ist? Laßt doch das Glück florieren und streicht den Verlust aus dem Gedächtnis.«

»Wortfechter du! Ich kann Lucia nicht aus meinem Leben wegdenken.«

»Freilich sollt Ihr sie hinzudenken. Laßt den Gedanken Taten folgen.«

»Ein Versprechen hindert mich, Taten auszuführen. Sonst war ich weniger skrupellos, ich wagte und gewann. Diesmal stellt sich mir ein Ehrbegriff in den Weg.«

»Die Ehre begreift jeder Mensch anders. Der Türke liebt mehr Frauen und ist dabei nicht ehrlos. Ihr liebt nur eine – gegenwärtig! – hm – Ihr müßt ein Mittelchen nehmen, um Euer Blut flüssiger zu machen. Ihr wollt, trügt mich nicht Euer Jammer, mit der schönen Ragazza zusammenkommen.«

»Und will dabei einen ehrlichen Malertölpel nicht vor den Kopf stoßen.«

»Stoßt ihn von rückwärts ins Wasser und Ihr vermeidet es.«

»Dein Spaß ist trocken, Unmensch.«

»Sagt naß, und ich will's unterschreiben. Aber Eure Bedenken in Ehren, sie machen dennoch das Blut dickflüssig. Wie wäre es, wenn Ihr Euch vor ihrem Hause auf die Lauer legtet und solange sie nicht kommt, Grillen kitzeln wolltet.«

»Dann aber – dann?« drängt Petrucci.

»Dann zeigt Ihr, wozu Euch Gott das 147 Mundwerk gegeben und redet sie nieder bis sie ja sagt.«

»Damit komme ich nicht weiter.«

»Ich dachte, Ihr wolltet näher kommen. Dann rate ich Euch, nach drei vergeblichen Serenaten stärkere Töne anzuschlagen. Habt Ihr eine besondere Abneigung gegen eine Entführung?«

»Das hieße die Malerliebe in Stücke hauen.«

»Ja, wollt Ihr das Fräulein antasten und zugleich unangetastet lassen? Exzellenz, Ihr setzt Euch über Gottes Möglichkeit hinaus. Wollt Ihr bescheiden säuseln, mit den Augen zwinkern, ihr hübsches Mäulchen begucken, und Amen dazu sagen, wenn Messer Aleandi es abküßt? Dann nehmt Euch einen Bukoliker zum Schulmeister, aber nicht mich, der ich mit meiner Marietta auf weichen Polstern zu liegen gewohnt bin.«

»Du bist grausamer als ein Neger. Solch Glück winkt mir nur im Traum. Aus ihm erwache ich schweißnaß, um zu entdecken, daß meine Liebe mich genarrt hat. Aber wie, wenn ich sie belauschte, wenn sie im Beichtstuhl von San Gregorio ihre Sünden hersagt?«

»Dann spielt doch lieber gleich den Beichtiger selber. Ihr hörtet dann die lieblichste Sünde aus lieblichem Kindermund, daß sie einen andern liebt.«

»Verwünscht, daß du recht hast! So will ich lieber wie von ungefähr in ihr Haus treten, als 148 suche ich für irgend einen meiner Sekretäre Quartier.«

»Weniger Plumpheit wäre mehr Wahrscheinlichkeit. Laßt mich selbst Quartiersucher sein und besucht mich dann in meinem Quartier. Dabei wird sich eine Gelegenheit ergeben, bei der schönen Damigella Gelegenheitsmacher zu sein.«

»Das tu, Nino!« sagte Petrucci, von der Idee begeistert.

»Ihr werdet lachen, aber es krabbelt ein gewaltiger Ernst durch mein Hirn. Ihr laßt Euch zum Schein durch einen gedungenen Banditen in ihrer Nähe verwunden, sucht dann Hilfe in ihrem Haus, man bettet Euch in einer Stanza, die christliche Barmherzigkeit treibt das Mädchen zu Euch, Ihr stöhnt Euer Unglück in die Polster, für das übrige laßt Fortuna sorgen, die Euch bisher noch nie im Stich gelassen. Oder Ihr fleht die himmlische Heilige Lucia an, um mit ihrem Segen die irdische zu knicken.«

»Du quälst und belustigst mich in einem Atemzug. Wir wollen sinnen. Vorerst suche das Quartier.«

Nino verlangte nur kurze Zeit Urlaub, um ungehindert spionieren zu können. 149

 


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