Ludwig Huna
Die Kardinäle
Ludwig Huna

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Einundzwanzigstes Kapitel

Der Karneval geht dem Ende zu. In den Straßen Roms schwirren die Masken durcheinander, Scharlatane und Marktschreier, bunt gekleidet, kreischen über die Köpfe der tollgewordenen Menge hin, allerhand farbige Gruppen drängen sich mit ausgelassenen Liedern aneinander vorbei, werfen sich die grell aufzuckenden Papierschlangen zu, die allerdreistesten Männermasken jagen von Balkon zu Balkon, von Fenster zu Fenster und erbitten sich irgend eine Süßigkeit. Das rennt und springt und schwingt sich durcheinander, Griechen, Mohren, Türken, Dominos, lustige Larven mit verzerrten Mienen hetzen mit den Requisiten des Gewerbes, das sie darstellen, aufeinander los, überschreien sich, spritzen einander an und treiben die tollsten Spaße. Das Quietschen der Frauen überschrillt 265 die Karnevalslieder, aber eines unter ihnen schnellt immer wieder auf und jubelt von Gasse zu Gasse; es wird von einer Gruppe von Teufeln gesungen, die von einem Arzt in der schwarzen cimarra mit Trauerhandschuhen geführt werden:

Che belle chioma ch'ha la mia Rosina,
Rosina bella fa li la la la
Viva l'amore e chi morir mi fa.

Die es hören, setzen sich in tanzende Bewegung, die maskierten Mädchen fliegen von Mann zu Mann und heimsen ihre Küsse ein.

Vor der Porta del Popolo tanzen die Mädchen der Ripetta ihre ausgelassenen Sprünge, aber auch die mantuanische mezzacrocca, die am Hofe viel getanzt wurde, geht den hübschen Römerinnen in die Beine, und das gaffende Volk klatscht Beifall, wenn die roten Röcke fliegen und die schwarzen Leibchen der Sabinerinnen von den geschwellten Brüsten fast gesprengt werden. Morosina, Ninnetta, Ania, Giuseppa, Faustina! Klingende Namen schrillen durch die warme Nacht, die Bursche laufen ihren Liebsten in die Arme und küssen sie auf den freigegebenen Mund, schwenken sie in der Luft und werfen sie auf gespannten Decken in die Höhe.

Auf der Piazza Navona rasen die giovanotti im Wettlauf dahin, bis zum Gürtel entblößt, neben ihnen krummbeinige, verkrüppelte Juden, 266 Esel, Schweine, um das Palio zu gewinnen, einen schweren scharlachnen Samtstoff, der als Preis ausgesetzt ist. In einer Ecke spielt man den Eierkrieg und bald rinnt das helle Gelb über die Masken herab. Oft kommt es zum Handgemenge, Steine und Flaschen fliegen anstatt der Eier hin und her, und bald trägt man Verwundete über den Platz.

Eine stattliche schöne Griechenmaske, hoch gewachsen, drängt sich während des Tumults an eine Teichrosenmaske heran, die durch einen Glassplitter an der Stirn leicht verletzt wurde. »Euern Arm, schöner Lotos, ich will Eure Wunde verbinden.«

»Danke, freundlicher Grieche, es hat nichts zu bedeuten.«

»Blume des Ganges, ich kenne Euch, Ihr dürft mir vertrauen.«

Die Stimme der Lotosblume zittert. »Nein, nein, ich trau Euch nicht.«

Im Nu ist die Camerista an ihrer Seite. »Monna Lucia, hütet Euch – er ist es –« flüstert sie ihr zu. »Der Grieche verfolgt Euch schon seit einer Stunde.«

Doch schon im nächsten Augenblick hat der hochgewachsene Mann die schöne Blume unter den Arm genommen, er zieht sie durch das Menschengewühl nach einer Ecke des Platzes. Dort steht eine Sänfte. »Seid beruhigt, Madonna, es 267 geschieht Euch nichts. O wie Ihr zittert! Die Blumenblätter fliegen wie vom Wind durchweht!«

»Was wollt Ihr von mir?« zittert Lucia.

»Euch nur die Wunde verbinden. Wie Ihr blutet!«

»Ihr seid –« Sie bringt das Wort nicht aus der Kehle.

»Keine Angst, Holdeste. Ihr sollt nur durch meine Diener in den Palast getragen werden, ich lasse Euch verbinden und Ihr könnt wieder ins Treiben des Karnevals hinaus. Trotz Blumenblätter und Maske habe ich Euch erkannt. Eure herrliche Gestalt wird zur Verräterin. Zum Überfluß ließ ich jeden Eurer Schritte schon vom Hause heraus bewachen.«

»Exzellenz, das ist gegen die Abrede,« bebte Lucia.

»Nur schnell in die Sänfte – die Masken drängen heran – zaudern wir, finden wir keinen Ausweg aus dem Gewühl.«

Im Nu zwingt Petrucci sie in die Sänfte, schließt den Schlag und gibt den Dienern einen Wink. »Ich bin gleich bei Euch, schöne Lotosblüte.«

Vergebens preßt sich Ghitta an die Sänfte heran, rauhe Hände stoßen sie fort, hinein in das Gedränge der heranschwirrenden Masken.

Lucia sitzt mit zusammengeschnürter Kehle in 268 dem weichen Polster. Die beiden Diener setzen sich langsam in Bewegung. Der Grieche sieht ihr nach und eilt dann einen kürzeren Weg nach dem Quirinal. Er weiß, daß die Sänfte Mühe haben wird, durch das Gewühl vorwärtszukommen, und daß er früher zur Stelle sein muß.

Im Haus auf dem Quirinal läßt Petrucci sofort das Triklinium mit ein paar Blumen schmücken, einen Pokal mit Malvasier füllen, gezuckerte Früchte auftragen, die in Form einer Ritterburg kunstvoll aufgebaut sind, und erwartet nun mit hochklopfendem Herzen die Ankunft der Sänfte. War er im Maskengewühl vielleicht von andern erkannt worden? Es war nicht schicklich, als Kardinal unter die Masken zu gehen, aber er erinnerte sich, daß der skrupellose Sixtus IV. sich mehr als einmal auf dem Campo Fiore unter den Karnevalsmasken gezeigt hatte. Seit dieser Zeit hatte man in Kardinalskreisen wenig Bedenken, seinem Beispiel zu folgen.

Es dauerte nicht allzu lange, bis die Sänfte am Nymphäum vorbei in den Hof schaukelte und an der reichverzierten Gittertür, die in das Innere des Hauses führte, hielt.

Und nun steht Lucia auf der Schwelle, hinter ihr schließt sich der schwere purpurne Vorhang. Im nächsten Augenblick fällt sie wie betäubt zwischen den Pfeilern nieder. Der Kardinal hebt die Ohnmächtige auf, trägt sie zart auf das Ruhebett 269 in der Nische, breitet die goldbrokatene Decke über ihr Lotosgewand. Er reibt ihr die Stirn mit einer balsamisch duftenden Essenz ein und bald schlägt Lucia die Augen auf. Ihr erschreckter Blick starrt den Lenker ihres Schicksals an. Petrucci wäscht ihr wie ein kundiger Arzt die kleine Wunde an der Stirn und legt ihr einen leichten Leinenverband an.

»Das Blut ist gestillt, Eure Wangen beleben sich wieder,« tröstet er das erschreckte Geschöpf. »O wie schlägt Euer Herz – wie zucken Eure Finger!«

Der Fluß der Worte bringt Lucia zu sich. »Laßt mich nun fort, Exzellenz, bitte – bitte!« Aus ihrer wahnsinnigen Angst heraus starren ihn ihre blaue Augen an.

»Vielleicht ist es das letztemal, daß wir uns sehen,« sagt Petrucci mit verdüsterter Stimme. »Ich kann die Frist nicht beschneiden, die mir ein gütiger Himmel gegeben. Bald werdet Ihr in Florenz sein, ein geliebter Gatte wird –«

»O woran erinnert Ihr mich, Exzellenz? Ich habe ungewollt den Fuß in Euer Haus gesetzt. Erführe es Aleandi, ich müßte vergehen vor Jammer, er würde mich von sich stoßen, seine Eifersucht ist wie ein verheerender Brand. O Exzellenz – laßt mich frei!«

»So ist diese Stunde für Euch ein bitteres Geschenk? Ihr verletzt mein Gemüt, das Stunde 270 für Stunde um Euch trauert, das mit der wilden Kraft des Orkans nach Euch lechzt. O verachtet mich nicht, Monna Lucia.«

»Ich tu's nicht,« schnellte ihre Angst in seine Verzweiflung hinein. »Aber mit meiner Schande fiele mein Leben zusammen. Ich hasse Euch nicht, aber Euch zu lieben, ist mir nicht gegeben.«

Petrucci sitzt an dem Rand des Ruhebettes und ergreift leidenschaftlich ihre Hand, verküßt sich mit zuckendem Mund in die feinen Knöchel der Finger. »Fühlt Ihr nicht, Monna Lucia, daß Ihr mich mit Ruten peitscht, daß Ihr Dornen um mein Haupt schlingt. Hinter dieser Stirn wabern nächtens sehnsüchtige Träume, die sich zu Euch hinüberstehlen, erfüllt mit wonnigem Verlangen. Erwache ich, legt die Trostlosigkeit der vergeblichen Sehnsucht ihre grauen Schleier um mein Gemüt und meine Polster sind feucht von den Zähren der Liebe. Ich möchte dieses heilige Gewand, das mir zum Nessusgewand geworden, auf dem Scheiterhaufen der Eitelkeiten verbrennen, meinen ganzen Menschen dazuwerfen, auf daß sich die Flammen meines Leibes mit den rotschwelenden des Holzstoßes vermählen. Warum, Lucia, trennt uns eine Welt? Warum können wir die Scheidewand nicht niederreißen, die zwischen uns steht? Laßt unsern Willen stark sein.«

»Dieser Euer Wille ist nahe daran, zu 271 sündigen.« Sie streckt ihm die weißen Arme in Hilflosigkeit entgegen.

»Und schlüge die Sünde lichterloh zum Himmel auf, Buße und Reue fordernd, ich ließe sie flammen und schürte das Feuer noch mächtiger an.«

»Ihr schändet Himmel und Mensch –«

»Kann ich dafür, daß mir mein Gott die Sinne ungebändigt übergab, daß mir ein Herzklumpen gegeben ward, der sich für die Geschenke der Schönheit in ekstatische Raserei versetzen läßt? Kann ich dafür, daß mir die Sinne dampfen, wenn deine göttlich schöne Form, Lucia, ihre Wunder vor meinen Augen offenbart? Daß meine Glieder beben, wenn sie deine süße Nähe wittern, daß mein Herz von den Schatten der Schwermut bedrängt wird, wenn ich Euch ferne weiß und Tage vergehen, bis Euch mein Auge insgeheim erspähen kann. Kann ich dafür? Mein Gang durch den Tag ist qualerfüllt, jeder Schritt ein Gehen auf glühenden Scheitern, meine Gedanken hämmern nach Euch, Euch nicht begehren, hieße mich selber morden. Ich habe dir gelobt, dir zu entsagen, ja ich hielt mich für stärker als ich war, dein Liebreiz hat die Sehnen mir gelöst, ich wandle, nicht mehr ich selbst, ein Trunkener durch die Gefilde dieses Seins, die ihre Schönheit verloren, da die deine sie überstrahlt.« Seine Brust keucht, der Atem hetzt über 272 ihr Gesicht und die Finger verkrampfen sich wie hilfesuchend in ihr Gewand.

Wie ein Taifun stürmt die Aufgewühltheit seines Herzens über sie hin. Sie möchte ihm so gern aus der wildflammenden Not helfen und weiß doch, daß ihre Kräfte dazu zu schwach sind. Mit scheuer Hast streichelt sie über seine zuckenden Finger hin. »Ihr wißt nicht, wie leid Ihr mir tut – aber Ihr müßt selbst den Weg aus dem Labyrinth Eures Herzens finden. Ergreift den heiligen Beruf, der Euch bindet, mit gerechtem Herzen.«

»O ich hasse das heilige Amt, das einen andern ehrt. Verzweiflung ergreift mich, muß ich andere mit dieser entweihten Hand segnen, und der Trost, den meine priesterliche Hoheit in andere Gemüter legt, ist vollgesogen mit Heuchelei.«

»Werft das Kleid von Euch –«

»O wie schwer ist es, aus dem Reich des Reichtums auszuspringen, den gewohnten Bezirken der Freude zu entsagen, den liebgewordenen Haltungen des Lebens aufzukündigen, den Verehrungen der Menge zu entfliehen, den Höhen der hierarchischen Gipfelstellung, dem Glanz der mühelosen Herrschaft über die Geister Valet zu sagen, Verhätschelung und Beweihräucherung zu verdammen – o Kind, wir treten uns wund bei dem Verlassen dieses Göpelkreises.«

Lucia wollte sich erheben. Mit zärtlicher 273 Gebärde drückte der Kardinal ihren Leib wieder in die Polster zurück. »Bleib, du kurzgeschürztes Glück! Nur Augenblicke laß mich noch durchtaumeln im Anblick deiner Schönheit –«

»Kardinal –« bebt Lucia in namenloser Angst.

»Oh, wenn die Keuschheit dieses Augenblicks nur der Auftakt werden könnte zu seligem Schwelgen in ungeahnten Wonnen –«

Da reißt sie sich empor. »Nimmermehr! Dieses Herz bricht lieber, bevor es sich ergibt.«

»Deine Wehr ist eine Peitsche für mein Herz.« Petrucci beugt ihren schwachen Leib nach rückwärts.

Aber Lucia entreißt sich ihm abermals. »Meine Ehre ist für eine Kardinalslaune nicht feil.« Ihre blitzenden Augen flammen ihn an.

Da blickt er unheimlich in ihre aufgewühlten Züge. »Ein Petrucci wird sich niemals damit abfinden, unglücklich zu lieben. Und wenn ich dich zwingen sollte, Mädchen, deinen Traumgott um einen Kuß von meinen Lippen anzuflehen, ich müßte zur Schmach dieser letzten Hilfe greifen, auf daß du mein wirst! Lucia – bleicher Lotos du! Erschließe mir deine Schönheit, wie sich die Lotosblüte dem Monde erschließt. Komm, komm – glüh mich nicht so an, du süßes Kind der Liebe – dein Auge wird zum Schwert, das die Feste deines Herzens drohend verteidigen will, doch es schreckt den Stürmer nicht – Lucia, sei mein!«

274 Sie flieht mit einem leichten Schrei von ihm, er hetzt ihr nach, zieht sie in seine Arme, drückt ihr Haupt in den Nacken zurück und versengt ihren zuckenden Mund mit der Glut seiner Küsse. »So . . . so . . . du Wildling . . .« Stammelnd brechen die Worte in der Aufgelöstheit zusammen.

Lucia gelingt es noch einmal, sich loszureißen. Sie fällt schluchzend in einen Faltstuhl. »Feiger – Verräter!« stöhnt sie zwischen den Zähnen. »Ich durchschau Euch ganz! Euer Herz ist ein Sitz der Teufel geworden, Eure wilden Gedanken morden die Unschuld, zum grimmen Wolf seid Ihr geworden, der das Lamm zerreißen möchte. Geht, geht und gebt mir den Weg frei.«

Da verliert Petrucci die letzte Haltung. Eine kalte Blässe legt sich über sein Gesicht und seine Züge werden steinern. »So geht, Monna Lucia, Es ist Euer letzter Gang in Freiheit.«

Lucia wendet sich jäh. »Was – heißt – das?«

»Im Peristyl warten die Schergen des heiligen Offiziums auf Euch.«

Die Gemarterte reißt die Augen auf. »Mich – vor das – heilige –? Was hab ich getan?« Sie starrt ihren Henker an.

»Kennt Ihr die Thermen des Caracalla?«

Jähes Rot überflammt ihre Wangen. »Unmensch – wer sagte Euch –?«

»Ihr seid unter die Hexen gegangen, Lucia –« Eiseskälte weht über die Zusammengekauerte hin. 275 »Man hat Euern Hexenritt belauscht. Mit der Satanssalbe geschmiert, flogt Ihr nackt über die Berge. Könnt Ihr leugnen?«

Dumpfes Röcheln ist die Antwort. Lucias Haupt liegt wie ein schweres Gewicht auf den gekreuzten Armen auf dem Tisch.

Erbarmungslos weht die Kälte Petruccis über sie hin: »Das heilige Gericht hat einen Spürsinn für dergleichen wunde Seelen. Man wird Euch die Daumenschrauben ansetzen, die Seile ziehen, die Sohlen kitzeln und Ihr werdet doch am Ende Eure Hexenfahrt gestehen müssen.«

»Verflucht – das Weib –« ächzt Lucia in ihre Hände.

»Die Bellincona wird daran glauben müssen – aber – Ihr auch.«

»Das – kann – nicht – sein!« jammert sie laut auf. Dann jagt sie empor, streckt schluchzend die Arme nach ihm. »Rettet mich – vor den Richtern des Tribunals!«

»Sie können töten oder Erbarmen üben. Weg mit den Tränen, Monna Lucia. Es liegt an mir, Euer Schicksal glimpflich zu gestalten. Ein Wort von mir – Ihr seid frei.«

»Sprecht das Wort – um aller Heiligen willen!« Wie irr glänzen ihre Augen.

»Nach Euch! Ihr wißt, schöne Lucia, was zu sagen ist.« Er blickt kühl auf die in Qual Verkrümmte herab.

276 Ihr Busen wogt, ihre Glieder zittern, ihr zerrauftes Haar liegt wie ein Goldschleier über Scheitel, Nacken und Schulter.

Da faßt ihn Mitleid an. Er neigt sich über sie und zieht sie sanft empor, lehnt ihr schluchzendes Haupt an seine Brust. »So schwer macht Ihr mir das Erbarmen? Fühlt Ihr denn nicht, wie ein Wort von Euch alles Elend in die Winde jagen muß? Wie der Schmerz dieser Stunde sich mit einem in jauchzendes Glück verwandeln kann? O kredenze mir den Becher des kostbaren Ja, träufle mir das Wort wie den Segenstau der Engel in meine schmachtende Seele, auf daß sie gelabt werde und sich vom Liebesgut deiner Seele nähre. Sieh, ich liebe dich wahrhaftig, Lucia und ich bin gewillt, das zerstampfte Ödland deines Herzens in blühende Fluren zu verwandeln. Ein Wink von mir, die Schergen ziehen ab, die Luft um dich wird frei, meine Diener hüllen dich in kostbaren Brokat, ich streue Perlen und Edelgestein vor deinen Augen auf den Samt des Tisches, die Florentiner Goldschmiede müssen ihre Geschmeide vor dir leuchten lassen, die herrlichen Arazzi leuchten zu deinen Füßen, auf daß sie wandeln wie in Himmels-Auen, duftige Schleier schmiege ich um deinen blassen Marmorleib, Samt aus Byzanz, Seide aus Genua, Diamanten und Rubine, die kostbarsten Halsbänder sollen Auge und Herz erfreuen –«

277 Lucias Augen irren von Ecke zu Ecke, sie suchen nach Hilfe aus dem regungslosen Nichts und sie weiß doch, daß sie sich nur selber helfen kann. »Gebt mir – Bedenkzeit –« flüstert sie aus ihren Tränen heraus.

»Nicht mehr lange, herrlichstes Mädchen.«

»Ein paar Tage noch – habt Erbarmen.« Ihre weichen Arme ringen sich wieder nach ihm. »Ich soll verräterisch ein Herz betrügen, das mir verlobt ist? Soll mit dem Schein der Freiwilligkeit einen Bund besiegeln, den die Gewalt schließen will? Unserer Kirche Segen wäre uns versagt, nie könnte ich Euch Gemahl nennen, und Eure Geliebte zu sein – so weit werdet Ihr doch die Erniedrigung meines Herzens nicht treiben wollen?«

Noch einmal zieht er sie an sich, weidet sich an den Blicken der Angst. »Eine Woche Bedenkzeit ist alles, was ich dir gewähren kann, Lucia. Ich erwarte dich Dienstag um diese Stunde wieder bei mir.«

Ein furchtbarer Kampf tobt in ihr. Aber eine Woche ist doch ein Stück Zeit. Vielleicht findet sich ein Ausweg. »Ich will,« sagt sie endlich tonlos, völlig erschöpft. Ihr Herz aber weiß nicht, was ihre Zunge spricht. Ein Tränenstrom fließt über ihre Wangen. Sie eilt zur Tür.

»Die Sänfte trägt dich unter die Masken. Die Diener haben Auftrag.«

278 Petrucci gibt ihr den Weg frei und öffnet den Türvorhang.

An maulaufsperrenden Lakaien vorbei eilt Lucia, die Maske vor dem Antlitz, die Treppe hinab. In der Sänfte schwinden ihr die Sinne. Um sie flutet der Lärm der noch immer auf und ab tollenden Masken.

 


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