Ludwig Huna
Die Kardinäle
Ludwig Huna

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Vierundzwanzigstes Kapitel

Vor der Peterskirche treffen sich die Kardinäle de Sauli und Soderini. Sie steigen von den Pferden. »Wißt Ihr schon? Petrucci ist auf und davon.« Soderini erblaßt. »Wer brachte es Euch?«

»Sein Sekretär Nino. Ich soll die Freunde verständigen.«

»Und das jetzt? Er soll eine Vorladung zum Papst erhalten haben.«

»Ihr auszuweichen, nahm er Reißaus. Er soll in Olimpo sein.«

»Also in der feindlichen Stadt?«

»Er scheint sich mit Raffaello Petrucci ausgesöhnt zu haben.«

»Daran glaube ich nicht. Raffaello soll durch Leo mehr denn je gestützt werden.«

»Seine Heiligkeit ist unergründlich in seinen Gedankengängen.«

»Ich ergründe, daß sie der Eigennutz diktiert,« 289 sagt Soderini hämisch lächelnd. »Julius' Rezept war der Kirchenstaat, Leos Plan ist die Verwirklichung des Mediceerstaates.«

»Sprecht leiser, Freund. Da drüben gehen einige stolze Kleriker.«

»Es ist die geistliche Kommission, die den Handel zwischen dem deutschen Gelehrten Reuchlin und der Kölner Fakultät zu verarbeiten hatte.«

»Ich weiß. Reuchlin wurde von dem Ketzerrichter von Hoogstraaten der Ketzerei verdächtigt.«

»Dann wird es wohl einen kurzen Prozeß geben.«

»Er dauert schon sechs Jahre, aber er wurde jetzt vom Papst selbst niedergeschlagen. Hoogstraaten muß mit Schimpf und Schande von Rom weg, und der Deutsche hat gesiegt.«

»Ich gönne es ihm,« nickt Soderini. »Diese Herren vom heiligen Offizium sollten vor ihren eigenen Türen kehren. Sie sollten die Kirche selbst besser machen, sollten sie reinigen von den Schlacken, die sich durch päpstliche Lässigkeit und spekulativen Schacher auf ihrem Leib angesetzt haben. Aber sie werfen durch ihre Ketzerschnüffelei Petri Schifflein noch in den Grund. Mit Mönch und Nonnen sollten sie aufräumen, dann ginge die Fahrt glatt vonstatten.«

»Der Platz wimmelt von Franziskanern. Seid vorsichtig.«

290 Soderini zuckt die Achseln. »Sie hören nur ihre eigene Schande. Geht Ihr ins Oratorium Divini Amoris? Es ist das einzige Asyl der rechtschaffenen Männer Roms, wo Frömmigkeit keine Maske ist. Ihr werdet dort Sadoleto und Contarini treffen, unsere tiefschürfenden Lateiner.«

»Die Frommheit hat mit dem Heidentum einen Pakt geschlossen, der sehr erträglich zu nennen ist. Ich besuche paganistische Versammlungen genau so wie die christlichen. Die heidnischen Mythen sind mir vertrauter als die Doktrinen der Kirche.«

»Das habt Ihr nun mit Seiner Heiligkeit gemein,« sagte Soderini. »Schon als Leo den Heiligen Stuhl bestieg, pries ihn der Poet Vitalis als einen neuen Jupiter, und weissagte, daß der Papst wie ein Apollo die Krankheiten der Zeit heilen würde. Habt Ihr eine Genesung gespürt?«

De Sauli lächelte. »Das Volk lebt und genießt, aber die Seele schmachtet nach Erlösung. Ganz wie in den Zeiten des Täufers.«

Soderini zuckte die Achseln. »Von uns Kirchenfürsten erwarte sie die Erlösung nicht. Wir haben Gescheiteres und Gegenständlicheres zu tun.« Er lenkte ab. »Bembo reitet mit Raffael, Navagero, dem Dichter, und Castiglione nach Tivoli. Wollt Ihr mit?«

De Sauli nickte. »Ich habe mir gestern Bembos 291 neue Sammlung angesehen. Er hat die schönsten Büsten aus parischem Marmor, wunderbare Figuren aus korinthischem Erz, die seltensten Münzen, Handschriften von Virgil, von Petrarca. Wir tauschten einzelne Stücke aus und wollen in Tivoli nach antiken Resten forschen.«

Soderini wird nachdenklich. »Das mit Petrucci will mir nicht aus dem Kopf. Hinterließ er keine Warnung an uns?«

»Nicht daß ich wüßte. Er wird nicht so töricht gewesen sein, mit irgend wem von unsern heimlichen Symposien zu plaudern?«

»Er hat einen allzu beweglichen Feuergeist, der unbedacht hochbrandet. Wir hätten uns nicht mit ihm einlassen sollen.«

De Sauli stutzt. »Ihr meint doch nicht –?«

»Ich rate nur, auf der Hut zu sein. Wer weiß, ob nicht demnächst ein päpstlicher Geheimschreiber bei uns anklopft.«

»Ihr könnt einem bange machen,« äugte ihn de Sauli an. »Dann wäre es doch gleich besser, man rettete sich rechtzeitig wie Petrucci.«

»So schlimm ist's noch nicht. Mir träumte nur heute nacht, Petrucci hätte den Papst ermordet.«

De Sauli erschrickt. »Ihr könnt einem erblassen machen. Liegt ihr vielleicht auf dem Rücken? Da überfallen einen gewöhnlich die häßlichsten Träume. Ihr solltet auf der Seite liegen.«

292 »Ich will's versuchen. Am besten wäre es, man fragte die Hexe Rodogina. Sie soll einem lombardischen Edlen allerhand prächtige Warnungen gegeben haben. Wenn's nicht allzu sehr gegen die Heilige Schrift verstieße, ich würde anklopfen. Wie immer auch, kommt zu mir, wir wollen die Sorgen bei einer Schachpartie vergessen. Oder bei einem Kapitel Platos, des Apostels der schönen Gedanken.«

Sie besteigen wieder ihre Pferde und reiten mit ihrem Gefolge nach der Engelsbrücke. Sie ahnen wieder nicht, daß sie von den Schergen des Kardinals Medici beobachtet werden, einfachen Klerikern, die als harmlose Beter nach der Peterskirche zu wallen scheinen. – –

Papst Leo ist tief verstimmt. Der Fuchs ist ihm entschlüpft. Er läßt nur Giulio und Farnese zu sich kommen.

»Denkt euch, meine Freunde, Petrucci hat sich meinem Gericht entzogen.«

»Es spricht sich bereits in Rom herum,« steigert der Kardinal Giulio den Ärger des Papstes.

»Es gleicht einer Verhöhnung meiner geheiligten Person. Grimani ist mir ausgewichen, und nun der grimmigste meiner heimlichen Feinde. Sein böses Gewissen mahnt ihn wohl, mich zu meiden. Giulio, was lese ich in deinen trüben Mienen?«

293 Der Vetter verzieht verlegen die Lippen. »Es geht weniger um Petrucci als um Urbino.«

»Um Urbino? Du machst mich neugierig.«

»Ein Bericht Lorenzos, Eures Neffen, des angeblichen Herzogs von Urbino –«

»Angeblich? Angeblich? Bist du toll? Er ist Herzog von Urbino.«

»Vielleicht nicht mehr lange.

»So wagt es Francesco Maria della Rovere –?«

»Er ist über Cesena vorgerückt; Lorenzo, der Befehlshaber des päpstlichen Heeres, wagt es nicht, seinen Vormarsch zu verhindern –«

»Wagt es nicht –« Der Papst wird wutbleich.

»Er fürchtet, daß sich die Urbinaten erheben. Das ganze Land erwartet sehnsüchtig die Rückkehr des rechtmäßigen Herzogs. In den Städten und Landschaften brennen Freudenfeuer auf Zinnen und Höhen.«

Der Papst zittert. »Diese Schmach der Kirche! Du verhehlst mir noch etwas, bittrer Bote!«

Da rückt Farnese mit der Wahrheit heraus. »Es sind einige Burgen gefallen oder sie haben sich Francesco Maria ergeben. Seine Scharen verteilen sich über das Land. Durch die Täler des Savio, der Marecchia ziehen seine bejubelten Truppen, Spanier, Deutsche, Urbinaten. Man lacht über den untätigen Herzog Lorenzo, der Maulaffen feilhält, während an den Mauern Cesenas die Söldner des Rovere vorüberziehen.«

294 »Lorenzo!« jammert der überrannte Papst. »So trügst du mich? Ist es nicht dein Land, das du verteidigen solltest? Für dich und deine Kinder wollte ich die Grenzen weiten. Pesaro, Urbino, Forli, Faenza, Sinigaglia sollten die Edelsteine in der Krone deines Reichs werden und sind nun Schmachstätten geworden, auf die man mit Fingern zeigen wird – o helft mir, Freunde, aus Bängnis und Not! Ja, hier haben Frankreich, Spanien und Venedig die Hände im Spiel. Man beschimpft und verrät mich, und ich habe kein Geld, den Krieg fortzuführen. Wir müssen die Romagna besetzen, wo sich die unzufriedenen Edelleute sammeln, um vom verhaßten Papstregiment abzufallen. Ceri, Vitelli und Rangone sollen Truppen aufbieten, wo und wie sie können. Die Florentiner Banken sollen ihre Kassen für mich öffnen, Salviati, Ridolfi, Bini und Chigi – heraus mit euren Schätzen!« Er verfällt in eine Art Fieber.

»In wenigen Tagen dürfte das Land wieder in den Händen des Rovere sein,« sagte Giulio. »Das ist traurig, aber fast unvermeidbar. Wir können zu gegebener Zeit den Spieß wieder umdrehen und unsererseits die Räumung durchführen, vorausgesetzt, daß wir genügend Verbündete bekommen. Auch die Mächte, deren Truppen auf der Seite des Rovere stehen, dürften sich für ihn erklären, also der Kaiser, Spanien, 295 Mantua – sie werden nur schwer für Eure Heiligkeit gewonnen werden.«

»Du gießt Öl ins Feuer,« wehrt sich der Papst gegen die Botschaft.

»Frankreich ist ergrimmt, daß Ihr der Witwe des früheren Herzogs und der Herzogin selbst die Jahresgehälter entzogen habt, daß Ihr die Abmachungen in Bologna nicht eingehalten habt, Modena und Reggio nicht an Ferrara zurückgegeben –«

»Immer diese Städte! Sie werden zu Nägeln an meinem Sarge. Ich muß mit Frankreich einen neuen Vertrag schließen, es muß Lorenzo als Herzog von Urbino anerkennen, mit Modena und Reggio muß ich mich noch bedenken, ich will wenigstens sieben Monate Zeit haben.«

»Wenn es König Franz I. haben will,« zweifelt Farnese. »Eure Heiligkeit werden Mühe haben, den scharfen Draufgänger zu beruhigen.«

»Ich will ihm und Spanien viel versprechen.«

Die Kardinäle lächeln sich heimlich zu. Der Papst hat schon viel versprochen, fast nichts gehalten. Farnese lenkt ab. »Eure Heiligkeit werden sich ein paar Tage schonen müssen, Eure Fistel schmerzt wieder.«

»Diese untauglichen Ärzte!« jammert der Papst. »Sie helfen nicht, sie bringen den Menschen zu Grabe.«

296 Giulio wirft sich dazwischen. »Da fällt mir ein, Petrucci soll Soderini vor seiner Abreise einen tüchtigen Wundarzt empfohlen haben, einen gewissen Battista da Vercelli in den Diensten der Colonna.«

»Petrucci? Von dem kommt nichts Gutes für mich.«

»Er soll, so meint Soderini, dem Wundarzt Hoffnungen gemacht haben, die Behandlung Eures Fußübels übernehmen zu können.«

»Diese Sorge von dieser Seite?« fragt der Papst mißtrauisch. »Ein etwas sonderbarer Feind. Dahinter steckt mehr als ein frommer Wunsch. Was halten die Exzellenzen von dieser Sache?«

Beide meinen, es sei harmlos genug.

Aber der Papst runzelt die Stirn. »Battista mag ein Ehrenmann sein; im Augenblick, da ihn Petrucci empfiehlt, bekommt er einen üblen Geruch für mich.«

»Battista soll am sichersten in Marino zu treffen sein,« sagte Giulio. »Ich sehe, Eure Heiligkeit haben Besorgnisse. Ich muß diese ernstlich zerstreuen. Wir haben alle Verdachtsfäden, die sich vom Landhaus des Petrucci nach der Außenwelt spinnen, in unsere Hände genommen. Ein Netz von Sbirren legt sich Tag und Nacht um den Palast. Der Hauptmann der päpstlichen Sbirren, Gaspare Dafreddo, hat seinen Sitz in der Nähe des Quirinals aufgeschlagen. Dort laufen alle 297 Nachrichten über verdächtige Bewegungen, Personen und Vorkommnisse ein.«

»Gut so, recht so. Und wegen dieses Battista – wenn er es ehrlich meint, mag er kommen.«

 


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