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Krankenlieder.

I.

Da lieg' ich als ein elend Weib
Dem Tod zur Augenweide;
Ich gönn' ihm den geschwundnen Leib
Mit sehr geringem Neide.
Du lügst in dein Krystall hinein,
Untreues Spiegelglas:
Dies abgenagte Menschenbein,
Ist's möglich, bin ich das?

Ach könnt' ich wünschen, wünscht' ich gern,
Ich wär' im fernen Osten
Der Jäger Nimrod vor dem Herrn
Und stünd' im Wald auf Posten.
Den Elephanten am Gebiß
Griff' ich mit Händen schon
Und schleppt' ihn zur Semiramis
Um einen Liebeslohn.

Und könnt' ich gar nach Märchenrecht
Der Riese Goliath werden,
Dem kleinen David ging' es schlecht,
Ich tilgt' ihn von der Erden.
In Stücke schlüg' ich alle Welt,
Und Sonne, Mond und Stern',
Zum Dienst der Lebenden bestellt,
Umtanzten mich als Herrn!

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II.

Ich bin krank, ach Gott, und ich muß sterben!
Bringt mein Schatz mir Früchte, mich zu laben,
Bringt mir dunklen Trank, arzneilich herben,
Blumen auch und Bilder, Liebesgaben.
Ach, was hilft das meiner Todeswunde?
Will an deinem Sonnenblick erwarmen,
Will ein Balsamblatt von deinem Munde,
Will ein Grab in deinen weichen Armen!

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III.

Liege krank im Bette, muß die Nacht belauschen,
Höre durch den Wald das wilde Heer hinrauschen.
Habe ihre tollen Stimmen wohl vernommen,
Ihren Peitschenknall, der lockt, ich solle kommen:
Ich soll kommen und ein gläsern Hifthorn tragen,
Und auf einem weißen Rößlein soll ich jagen.
Horch, es schnaubt und wiehert leis und will mich rufen,
Klopft ans Fenster sacht mit seinen Silberhufen.
Geh', du liebes Pferdchen, diesmal noch von dannen,
Sause noch alleine durch die schwarzen Tannen.
Laß mich weilen noch ein Jahr, noch zwei, noch viele,
Daß ich erst des Lebens Spiel zu Ende spiele;
Daß ich einen Kampfpreis mir zuerst gewinne,
Frieden oder Ruhm, am liebsten aber Minne.
Dann, mein Thierchen komm' ich, bringe als Begleiter
Zu der Reiterin den allerschönsten Reiter;
Sollst uns beide durch die weh'nden Wipfel tragen!
Tapfres Rößlein, willst du warten? willst du's wagen?

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IV.

Wenn du je mir Lieb im Herzen trugest,
Meine Seele je in Banden schlugest,
Nun, die dein ist, halt, o halt sie fest,
Die der Räuber Tod schon an sich preßt.
Sei mein Schwanenritter, steh mir bei,
Kämpf mich vom verhängten Tode frei!
Sei der Engel, dem ich mich befehle,
Kämpfe du um diese arme Seele!

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V.

Weh mir, weh mir, was für arge Zeiten!
Was für schlimme Tage, schlimm're Nächte!
Lebensküche wie voll Bitterkeiten,
Wo ich sonst so unersättlich zechte!
Selber mund' ich Arme nun dem Geier,
Der mich langsam speist mit Haut und Haaren!
Sprecht, wo seid ihr, Freunde und Befreier?
Ach, die sonst mir treu ergeben waren,
Fliehn, wie Sterne vom bewölkten Himmel!
Keiner reitet mehr im stolzen Trab
Unter meinen Fenstern auf und ab,
Als der Tod auf seinem hagern Schimmel.

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VI.

Wer saß bei mir Nachts auf des Bettes Rande.
Träufte Schlummer auf die erhitzten Lider?
Auf mein ruhlos klopfendes Herz wer legte
Stillende Hände?

Ach ich weiß es, habe dich kommen sehen,
Just um Mitternacht in die Thüre treten,
Unter allen Göttern der Welt die reichste
Göttin, das Leben!

Sattes, goldnes, staunendes Späterwachen!
Thu' dich auf, verschmachteter Kelch des Herzens!
Sieh, aus allen Wolken der Luft ergießt sich
Thau der Genesung.

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