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Winterabend.

Selbstsüchtige Sonne,
Verschluckst deine Strahlen,
Daß du langsam anschwillst
Wie eine Seifenblase,
Riesig überirdische
Aus Feuerschaum.

Hier unten darbt indeß die Erde,
Der das zerfetzte Schneekleid,
Das graue, dürftig anklebt,
Durch das der einst braune Leib
Bloß anklagend aufschaut
Zum kalten Himmel.

Was hat dir Verdruß –
Ins heitere Herz geworfen,
Herrin der Menschen?
Daß du die armen hassest
Und verächtlich anschaust
Als ein überflüssig Gesindel,
Als süßsauren Most,
Der nie Wein wird,
Als Ameisenvolk,
Kurzlebiges,
Erdgewimmel.

Beten will ich die Nacht lang.
Während durch unterirdische Wüsten
Schaurig einsam du hinziehst
Zur Oase des Ostens,
Daß sie wieder dir aufgeht,
Dir und uns wieder einkehrt,
Sonne, die Liebe!

Dann ergießt sich dein Herz
In versöhnlicher Rührung.
Deine goldenen Arme
Thust du von neuem uns auf,
Und auf die zottigen Haare,
Die bereiften, des Bettlers,
Drückst du flimmernde Kronen
Und hüllst den Dulder
In Purpur ein.

Dem Schuldbeladenen auch,
Dem von Menschen Verworfenen,
Gehst du nicht vorüber,
Himmlische Richterin.
In all' ausgleichender Liebe,
Tiefstgeschöpfter Gerechtigkeit,
Küßest du ihm mit dem Kuß
Schrankenloser Vergebung
Die gezeichnete Stirne.

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