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Lieder des Raben.

I.

Der Tyrann der Freude,
Sommer, hat nun endlich ausgeschwärmt;
Nicht mehr Scham zum Leide
Wird dem Armen, der sich einsam härmt.
Aus ist jetzt der Reigen,
Seine Flöten schweigen,
Und der Tanz der Lust hat ausgelärmt.

Geht in eure Stuben,
Menschen, denket eurem Leben nach;
Flieht der Sünde Gruben,
Bergt euch unter häuslich stillem Dach.
Nicht mehr zum Vagiren
Soll Natur verführen,
Und des Todes denke Wald und Bach.

Wohin ich auch blicke,
Seh' ich alles was mir mißgefällt.
Fest aus lauter Tücke
Noch der Baum die Prachtgewänder hält:
Warte, deine Blätter
Raubt dir bald ein Wetter,
Und die Eitelkeit wird dir vergällt.

Manche bunte Aster
Aefft die liederliche Rose nach;
An das üpp'ge Laster
Mahnt sie, zum Entsagen viel zu schwach.
Das muß anders werden!
Uebermuthsgeberden
Tilgt der Frost und legt die Felder brach.

Ist das bunte Prangen
Und des Lebens trügerisches Pfand
Rings umher vergangen,
Starr und blaß das nebelgraue Land,
Muß der Zauber schwinden,
Und die Wahrheit finden
Der Betrogne an des Grabes Rand.

——————

II.

Wie in Florenz vor Zeiten
Dem Savonarola die Fraun,
Erschüttert von seligem Graun,
All' ihre Eitelkeiten
Auf offnem Markte weihten,
Geschmeide und weltliche Zierden;
Die Männer, des Hochmuths nicht Acht,
All' ihre wilden Begierden
Als köstlichstes Opfer gebracht:

So schütten die Gewänder
Die Bäume jetzt vor mich hin,
Was Lenz seiner Buhlerin,
Der Erde, gab als Pfänder:
Den Kopfputz und die Bänder,
Die Gürtel von Sammet und Seiden.
Ergriffen von meinem Wort
Fließen gedämpft und bescheiden
Die Flüsse und Bäche nun fort.

Doch bitt ich drum nicht weiser
Als jener italische Mann;
Ich rief, ob ich nichts auch gewann,
Mich an der Wahrheit heiser.
Die demuthsvollen Reiser
Im schneeigen Büßermönchkleide,
Sie dienen im frühesten Lenz
Schon wieder der Augenweide –
Wie einst das Volk von Florenz.

Die heut' mit mir beklagen
Des Lebens vergängliche Lust,
Sie schmücken mit Veilchen die Brust
An ersten warmen Tagen,
Sehn mich mit Unbehagen
Und häuften wie einst gern die Scheite
Dem ernsthaften, dunklen Gewand.
Dann mach' ich mich auf in die Weite
Fern in ein nördliches Land.

——————

III.

Winter zum Sterben!
Menschen und Spatzen
Hungers verderben,
Nicht auf Matratzen,
Warmen, im Zimmer,
Kalt, auf dem Felde.
Drüben im Schimmer,
Prahlend von Golde,
Steinhaus des Reichen.
Bratschen und Flöten,
Brummbaß und Geigen,
Wie aus den Teichen
Quakende Kröten,
Laden zum Reigen.
Wagen und Schlitten,
Schellen am Zügel;
Frauen inmitten,
Kleider wie Flügel
Eitler Libellen,
Luftiger Mücken!
Kutscher in dicken
Kragen aus Fellen
Wartet am Schlage,
Ginge viel lieber
Selbst zum Gelage.
Harrend im Fieber
Köstlicher Stunden
Gleitet vorüber
Flitterumwunden
Kind jung an Jahren.
Wie noch die Wangen
Zärtlich ihr waren!
Oft sah ich prangen
Aehnliche Blüthe,
Frühlingserzeugte,
Allzuverfrühte,
Die sich dann beugte
Unsanften Stürmen,
Wo keine Mauer,
Blumen zu schirmen.
Zitternd, voll Trauer,
Sah ich manch' eine
Folgen dem Winde;
Leben blieb keine.
Kam ich im Herbste,
Hab' ich am Wege
Welk auch die derbste
Reizlos und träge
Liegen gesehen.
Hörte dann klingen,
Was im Vergehen
Leise sie singen,
Lieder der Trauer,
Lieder der Klage:
Traute der Dauer
Lenzlicher Tage,
Wie ist ihr Schimmer
Eilig verglüht –
Hätt' ich doch nimmer,
Nimmer geblüht!

——————

IV.

Katze, hast du Hunger?
Schon seit vielen Wochen
Mäuse sich verkrochen;
Ungelenk an Krallen
Ist kein fetter, junger
Vogel aus dem Nest gefallen.

Mit dem ungeleckten
Pelze durch den harten
Festgefrornen Garten
Schleichst du, arme Katze,
Zweifelst, ob dir schmeckten
Arme Hungerleider Spatze.

Katze, dieses Leben
Ist nur Jagd nach Fressen;
Kaum geschmeckt, vergessen;
Einen Schatz erwerben;
Jungen Speise geben;
Letztes, was man thut, heißt sterben.

——————

V.

Wie hell die Buben dort lachen
Und Mädchen im Wind!
Ich wüßte gern, wie sie's machen,
Daß sie lustig sind.

Nachts kam ein Schneefall hernieder;
Ist das denn ein Spaß?
Wie schnell die Jugend doch wieder
Ihren Sommer vergaß!

Sie hätten gern oft die Sterne,
Dazu noch den Mond,
Und freun sich, wie die Laterne
Jetzt im Schneehut thront.

Wie lacht, wenn es Flocken umkreisen,
Das Kindergesicht!
Ich kann nur grämliche Weisen;
Lachen kann ich nicht.

——————

VI.

Sterben mußt du, kleine Katze;
Kamst in viel zu zarter Jacke
Für des Winters grimme Tatze,
Und in seinem dunklen Sacke
Schleppt er dich fort.

Hilft dir nichts, neugierig-kläglich
Blinzelnd in die Welt zu gucken;
Grausam ist sie, unbeweglich,
Und wird dich sogleich verschlucken
Auch hat sie Recht.

Was mischst du dich in das Leben?
Bei Verdruß. Kampf, Hunger, Beulen
Auf den Dächern Nachts zu schweben,
Blindlings in den Mond zu heulen,
Lohnt das die Müh'?

Stirb getrost, du kleine Katze;
Wir Lebend'gen sind die Narren.
Täglich will ich auf dem Platze
Singen, wo sie dich verscharren:
Hast nichts versäumt!

——————

VII.

Es wehten warme Winde;
Das Wasser bricht die Rinde,
Von den Bergen rieselt's, rennt's.
Schon seh' ich Mücken schwärmen,
Die dreisten Staare lärmen
Und ich wittre schon den Lenz.

Die frühen Schmetterlinge
Ein Bube gerne finge,
Gleichwohl froh, wenn sie entwischt.
Es kommen Bienen, Käfer,
Die winterlangen Schläfer,
Denen Honig aufgetischt.

Vom Himmel lacht die Sonne;
Mich dünkt, das nennt man Wonne;
Was soll ich im schwarzen Kleid?
Den Menschen und den Thieren
Gelüstet sich zu zieren,
Allen ist mein Anblick leid.

Gern harrt' ich eine Weile;
Dann würde mir zu Theile
Eines jungen Veilchens Duft.
Er soll das Herz durchdringen,
Man streut sie, hört' ich singen,
Nachtigallen auf die Gruft.

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