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Schubart.

I.

Süßer Lenz mit deinen wetterschweren,
Dunklen Wolken, deinem feuchten Hauch,
Komm dahergebraust von freien Meeren,
Und befreie deinen Dichter auch!
Laß mich still an deiner Schulter lehnen
Unter deiner Locken Veilchenduft;
Laß, zu sprengen die verhaßte Gruft,
Deine Stürme helfen meinem Sehnen!

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II.

Wie die zierlichen Schwalben sich rüsten
Zum Fluge nach wärmeren Küsten!
Ich schau' ihrem Schwarme nach
Und rüttle an meinem Gitter.
Kommt heim ihr im Lenzgewitter,
Baut, Vögel, an meinem Dach
Und sagt, was ihr draußen vernommen:
Will die Freiheit noch immer nicht kommen?

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III.

Wonnemonat, Monat Mai,
Warme Winde wehn vorbei.
Nur ein Fächeln ihrer Schwingen
Kann in meine Zelle dringen
Kommen sie von jenen Stätten
Liebste, wo vor manchem Jahr
Ich in gern getragnen Ketten
Dein geliebter Sklave war?

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IV.

Wenn der Tag kommt, wo in Ungewittern
Aus der Erde aufgeborstnen Fugen
Die Begrabnen steigen, mögt ihr zittern,
Zittern! die dereinstens Kronen trugen.

Ob Unzähl'ge Hosianna singen,
Sanft're Schaar zur Seligkeit erwache,
Eure Opfer werden euch umringen,
Aufgewacht aus einem Traum von Rache!

Alle, die um euch geblutet haben,
Die ihr zwangt, die Menschlichkeit zu höhnen,
Euren Stolz mit ihrer Schmach zu laben
Die gedarbt, um eurer Lust zu fröhnen:

Werden euch aus Marmorgrüften reißen
Gleichwie Sklaven den verhaßten Treiber,
Euch mit ihren Ketten schmieden, schmeißen
Fest an der Gestirne glüh'nde Leiber.

Ihre unerhörten Dulderqualen
Tragend, werden sie den Weltraum stürmen
Und das Glück, das Fürsten ihnen stahlen
Mit dem Schmerz auf euch zusammenthürmen.

Euer Schrei durch alle Himmelsferne
Wird die Sphärenharmonien würzen,
Bis dereinst die überwundnen Sterne
Jählings in die Riesensonne stürzen.

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V.

Der du Lebende versenkst in Särge,
Wittre über dir – für dich vergebens –
Frühlingslärm und alle Lust des Lebens!
Fache der Verzweiflung Flamme an,
Wähnend, daß ans Licht sie möchte lodern;
Athmend in des Todes Schreckensbann,
Sieh dich langsam, Stück für Stück, vermodern!

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