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Liebesreime.

X.

Träumte jüngst von einem bittren Sterben:
Ich war todt und kam zum Paradiese;
Weißbeschwingte sel'ge Himmelserben
Tanzten Reigen auf smaragdner Wiese;
Engel brachten mir ein weiß Gewand,
Warf ich's fort mit wasserheller Hand:
Ist mir der Geliebte fern und weit,
Trägt die Seele mein ein schwarzes Kleid.

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XI.

Sprach zu mir der Jüngling: liebe mich!
Aber ich: Mit nichten, guter Knabe;
Nimmer bin ich eine Braut für dich,
Weil ich einen andern lieber habe.
Sprach der Jüngling: so vergesse jenen!
Aber ich: wie kann ich den vergessen,
Der, als ich geboren ward mit Thränen,
Schon in meinem Herzen tief gesessen.

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XII.

Mittag, Abend, eh' ich einen Bissen aß,
Kommt das Unglück, sitzt mit mir zu Tisch,
Bricht von meinem Brod und trinkt aus meinem Glas,
Ist von meinem Teller Fleisch und Fisch.
Lieber wollt' ich, daß der Liebste käme
Und von meinem Glas und Teller nähme;
Wenn er einmal wieder traulich bei mir wär',
Schmeckte mir der Wein wohl nicht so bitter mehr.

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XIII.

Als jüngst mein Liebling kam des Wegs daher,
Sah ich die Häuser sich vor ihm verneigen;
Das Pflaster unter ihm so dick und schwer,
Schien wunderbar zu schwellen und zu steigen.
Du liebes, schönes, blasses Angesicht,
Zeig du dich ferner auf der Straße nicht,
Am Morgen nicht und nicht beim Abendscheine,
Denn es verlieben sich in dich die Steine.

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XIV.

Daß ich dich, o Liebe mein,
Keuschen Leibes Elfenbein,
Rosig überm warmen Blut,
Küssen darf als hehrstes Gut,
Dünkt mich oft ein Traum der Nacht,
Den in fernen Fabelreichen,
Auf der Erde ohne gleichen,
Mir ein Engel ausgedacht.

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XV.

Jüngst sprach Gott mit gutgelaunten Mienen:
Schönheit, Klugheit und noch andern Reiz
Will ich auf dich häufen ohne Geiz.
Daß du dir den Liebsten magst verdienen.
Doch betrübt sprach ich: Umsonst, o Herr,
Schenktest du den ganzen Himmel leer;
Seine Liebe einzig kann mich reich,
Stolz und glücklich machen und ihm gleich.

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