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Liebesreime.

XXVIII.

Flieg, Seele mein, fliege zum fernen Hag,
Wo Liebchen mit mir in den Blumen lag.
»Weit bin ich geflogen; ich fand die Stätte,
Die Sonne, den Berg und das Blumenbette.
Mich aber erkannten die Blumen nicht;
Sie sprachen: was soll uns der dunkle Wicht?
Sie schlossen die Kelche, daran ich hing:
Was soll uns der sterbende Schmetterling?«

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XXIX.

Einen Strahlenkuß der Liebe hat dir Gott gegeben,
Als er deinen Keim erweckte, mein geliebtes Leben.
Unter seinem blausten Himmel, seinem wärmsten Sterne
Ließ er deine Krone wachsen mit dem edlen Kerne.
Sollt' ich ihn verklagen, daß er unsre Hände trennte?
Preisen will ich ihn, daß er uns doch so Holdes gönnte:
Daß er dir der Schönheit Fülle gab auf Stirn und Breiten
Und zwei sel'ge Augen mir, dich dankbar anzuschauen.

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XXX.

Wie schön du bist, das können Sonnenstrahlen
Das kann der Pinsel malen.
Wie gut du bist, das kann kein Bild beweisen,
Das kann Gesang nur preisen.
Der müßte rauschen und das Weltgebiet
Mit Melodie durchdringen –
Ich habe nichts als dieses kleine Lied!
Ein Glöckchen zum Lobsingen.

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XXXI.

Süßer Schlaf, laß mich allein!
Geh zu zwei geliebten Augen,
Daß sie nicht mehr neue Pein
Aus dem Quell der Nacht sich saugen.
Bett' ihn sanft, wie er geruht,
Wenn mein Athem ihn umwehte,
Während ich um Trost und Muth
Zu den Sternen für uns bete.

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XXXII.

Zum Kamin den Sessel rück' ich,
Knie mich davor nieder;
In die leeren Kissen drück' ich
Meine thränenmüden Augenlider.
Denkst du fern auf dunklen Wegen,
Wie ich so vor dir gelegen,
Wenn die Dämmerung gewaltet,
Meine Händ' in deinen Schooß gefaltet?

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XXXIII.

Edler Schaft, du Marmorsäule, schlanke,
Steh du fest, du trägst mein ganzes Leben.
Fühl' ich dich, o meine Stütze, beben,
Neig' ich mich erschüttert auch und wanke.
Halte mich, o Pfeiler, mein getreuer,
Laß uns dauern bis zum jüngsten Tage;
Dann ins letzte große Weltenfeuer
Stürzen wir zusammen ohne Klage.

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