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Das Löwengebrüll.

Des Jägers Pfeil im großmuthvollen Herzen,
Lag hülflos hingestreckt im Wüstensand
Der Löwe. »Edles Blut, des Daseins Pfand,
Verströme mir noch nicht mit meinen Schmerzen!
Sie sind mir theuer, jetzo eins mit Leben;
Ich dulde beides, bis die Sonne schwand,
Um einmal noch die Stimme zu erheben.

Volk, dem ich König sein soll, horch! Gesindel,
Das lieber feig die blut'gen Wölfe ehrt!
Mag sein, auch ich war nicht der Krone werth:
Ich schwieg zu Tücke, Falschheit, Trug und Schwindel.
Nun aber will ich meinen Sinn enthüllen
Und, bis die Todeswunde mich verzehrt,
Mein zorn'ges Hassen durch die Wüste brüllen.

Dich hass' ich, leichenschändende Hyäne,
Die ihren Feind durch falsche Klagen lockt;
Dich hass' ich, Tiger, königlich berockt,
Doch grausam, ungerührt durch fleh'nde Thräne;
Und dich veracht' ich, Schakal, weil das Höhnen
Dir gleich in deiner scharfen Kehle stockt,
Hörst du des Feindes Schritte nah erdröhnen!

Und du, der du die Hand des Herrn zu lecken
Dich gern gewöhnen läßt, dich hass' ich, Hund,
Der du dein kleines Hasenopfer, wund
Und matt gehetzt, leicht magst zu Tode schrecken.
Bald wirst du frech an meiner Leiche kläffen,
Denn nie mehr kann auf weitem Erdenrund
Die todte Tatze dich vernichtend treffen!

Dich hass' ich, Schlange, schleichendes Gewürme,
Das glatt und giftig an der Erde klebt!
Genug! Komm, Wüstenwind – der Sand erbebt –
Und mein Gebein zu andern Knochen thürme.
Du magst – ich kann nicht fürder mit dir jagen –
Vom Leben, das ich zürnend ausgelebt,
Den letzten Donnerton ins Weite tragen.«

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