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XXVI.

Es ward eine ganz stille Hochzeit, bei der nur die beiden Trauzeugen, Abraham Gebhardt und der Mechaniker Fründel, zu Gaste waren.

Das bescheidene Mahl war in einem kleinen Restaurant der Friedrichstadt angerichtet.

Der Wirt hatte ein schmales Vereinszimmer hergegeben, in dem ein klappriges Klavier stand.

Der Musiker phantasierte zur Tafelmusik aus dem »Reiche der Freude«.

Der Mechaniker goß in die Gläser klaren goldenen Wein und hielt den folgenden Trinkspruch: »Ich bin«, begann er, »bei einer Feier zu Gast, die ich immer von Grund aus tief mißbilligt habe. Ich halte es an sich für vermessen, wenn zwei Menschen sich aneinander fesseln. Aber diese Riesendummheit ist so oft gemacht worden, daß sie fast so alt wie die Erbsünde ist. Ich glaube und hoffe, daß hier zwei freie Menschen einen Zwang auf sich nehmen, den sie nur so lange tragen werden, als er ihnen kein Zwang ist. Das höchste Gebot in ihrer Ehe möge die Freiheit sein! Darauf erhebe ich mein Glas und trinke auf Thomas Truck und Frau.«

Die Rede schien allen ein wenig taktlos, zum mindesten für die Gelegenheit nicht recht passend. Dennoch stieß man an, und der Musiker fügte mit warmer Stimme und guten Augen hinzu: »Auf die Freude unseres Paares!«

Die Dirckens hielt beständig die Hand von Thomas fest, als fürchtete sie immer noch, er könnte ihr abwendig gemacht werden. Die ganzen letzten Nächte hatte ihr davor gebangt. Die Wirtin hatte ihr Abend für Abend die Karten legen müssen. Und erst als sie auf dem Standesamt ihren Namen unterzeichnet hatte, war es ihr wirklich eine Gewißheit ...

Man trennte sich sehr schnell.

Die Neuvermählten gingen langsam und erwartungsvoll ihrer Wohnung zu. Es war die alte armselige Mansarde, in der man nun gemeinsam hausen wollte.

Aber eine Überraschung gab es da noch, als sie eintraten.

Draußen war die Entreetür reich mit Blumen bekränzt, und Thomas' eigenes Zimmer war in einen Garten verwandelt. Auf seinem Schreibtisch aber standen zwei Büsten als Hochzeitsgeschenk von den Leuten des Nachtlichts.

»Wer ist denn das?« fragte die Katharina.

Und Thomas antwortete bewegt: »Goethe.«

»Hm«, machte sie. »Und der da?«

»Sokrates.«

»Sokrates? Wer war denn das?«

»Ein Heiliger«, entgegnete er sinnend, und noch einmal wiederholte er kaum hörbar: »Ein Heiliger.«

Darauf erwiderte sie kein Wort, und er sah auch nicht, daß ihre Lippen in leisem Spott sich kräuselten.

Das Lager des Thomas Truck sollte nach wie vor das Sofa bleiben, während er seiner Frau das Bett überließ, in dem vorher Heinsius seine kranken, welken Glieder ausgestreckt hatte.

In dieser engen, niedrigen Mansarde, wo Sturm, Drang, Leid ihn geschüttelt hatten, hier bei seiner alten, stumpfen Wirtin, die den Herrn Doktor längst nicht mehr begriff, sollte sein Mannesglück wachsen ...

Das war der Inhalt seines langen Träumens.


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