Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Schluß

Als das Dessert aufgetragen wurde, entschlüpfte, unbemerkt von den bechampagnerten Gästen, die junge Frau. Sie warf den schweren Hochzeitstaat ab, und erwählte unter der reichen Garderobe ein allerliebstes Reisekleidchen, denn nach der Tafel sollte gleich eingesessen und ein wenig in die Welt hinausgefahren werden; so wollte es der alte Graf.

Sie erschrak selbst, als sie in den Spiegel sah, nein, so wunder-grazien-hübsch hatte sie noch nie ausgesehen; das Überröckchen schloß so eng und passend, das Reisehäubchen, die hervorquellenden Löckchen gaben dem Köpfchen einen wundervollen Reiz. Die Bäckchen waren so rosig, die Äuglein glänzten so hell und klar im Widerschein ihres bräutlichen Glückes, kleine, kleine Schelmchen saßen in den Grübchen der Wangen und schienen allerlei wunderbare Geheimnisse zu flüstern von Sehnsucht und Erwartung; das Mäulchen so spitzig wie zum Küssen zeigte immer wieder die Perlen, die hinter dem Purpur verborgen waren.

Die sechs Kammerjungfern, Lisette, Babette, Trinette, Philette, Minette und wie sie alle hießen, schlugen vor Verwunderung über ihre wunderniedliche gnädige Frau die Hände zusammen: »Diese herrliche jugendliche Frische! dieser Alabasterbusen, der alle Nestel des Korsettchens zu zersprengen droht«, sagte Minette; »Diese weißen Arme«, flüsterte Philette, »Diese Füßchen«, dachte Trinette weiter, »diese Wäd–«

»Der Herr Graf wird ganz selig sein«, wisperte Lisette der Babette zu, doch nicht so leise, daß es den Ohren der jungen Gräfin entging. Sie wollte tun, als hätte sie nichts gemerkt, aber ward feuerflammrot von der Stirne bis herab in das Halstuch und als vollends Babette, die das schneeweiße Nachtzeug in die Vache packte, mit einer höchst naiven Frage in die Quere kam, da hielt sie es nicht mehr aus, ganz dunkel überpurpurt entschlüpfte sie den sechs dienstbaren Geistern und lief wie ein gescheuchtes Reh in den Speisesaal.

Allgemeiner Jubel empfing die holde Reisende, alles war darin einverstanden, daß ihr diese Tracht noch besser stehe, als der Brautstaat; kein Wunder, es war ja das Pilgerkleid, in welchem sie ins gelobte Land der Ehe reiste.

»Warum bist du nur so über und über rot«, fragte Emil sein holdes Weibchen, indem er sie näher an seine Seite zog; »hat dir jemand was getan?«

Sie wollte lange nicht heraus, »Die Babette«, flüsterte sie endlich und errötete von neuem, »die Babette hat so dumm gefragt.«

»Nun was denn?« fragte der neugierige Herr Gemahl. Aber da stockte es wieder; zehnmal setzte sie an; sie wollte gerne eine Lüge erfinden, aber das schickte sich denn doch nicht am Hochzeittag, und doch – es ging nicht; er mußte bitten, flehen, drohen, betteln sogar; endlich, nachdem er hatte versprechen müssen, die Augen recht fest zuzumachen, flüsterte sie ihm ins Ohr: »Sie hat mein Nachtzeug eingepackt und da hat sie gefragt, ob sie das deinige auch dazupacken soll.« Selig schloß der Graf sein Engelsweibchen in die Arme, er wollte antworten, aber seine Antwort verhallte im Geräusch der aufbrechenden Gäste.

Die Wägen waren vorgefahren, man verabschiedete sich. Der Graf nahm sein Idchen um den Leib und trug sie schnell hinab in den Wagen, denn dort beschloß er, ihr zu antworten.

Auf dem Balkon drängten sich die Gäste, die Champagnergläser in den Händen; sie riefen, vermischt mit den neuen Untertanen des Grafen, ein tausendstimmiges Vivat in den Wagen hinab. Ida drückte ihr Köpfchen an die Brust des Geliebten. Er winkte, die Pferde zogen an und dahin fuhr Emil und seine glückliche Ida.


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