Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Die Gräfin agiert

Die Flügeltüren flogen auf und Ida, hocherrötend beim Anblick des Geliebten, führte die Gräfin herein. Sie zitterte von so vielen gegeneinander kämpfenden Empfindungen bestürmt, die Stimme wollte ihr beinahe versagen, als sie den »Grafen Martiniz« der »Gräfin Aarstein« vorstellte. Sie sah die Erzgeneralkokette erröten, sie sah, wie sie den bildschönen Mann mit ihren Feuerrädchen beinahe zu versengen drohte; es zuckte ihr ganz eisig in das liebende, ängstliche Herzchen hinein, als die Gräfin sich in einer nachlässigen Stellung auf den Sofa warf, ihr zurief, sie möchte sich doch gar nicht genieren und ihre Arrangements treffen, die ein so plötzlicher Überfall wie der ihrige immer notwendig macht, sie möchte sich doch durchaus nicht genieren, der Graf werde schon die Gnade haben, sie zu unterhalten.

»Da sei Gott gnädig«, flüsterte Ida in sich hinein, indem es ihr fröstelnd und doch wieder siedheiß durch alle Glieder ging, »wenn die so fortmacht, so müssen wir ja alle samt und sonders, den Grafen mit eingeschlossen, zu ihren Füßen knien.«

Sie nahm ihre Schlüssel und ging; aber noch in der Türe warf sie einen Blick auf Martiniz zurück, so voll Liebe und Besorgnis, als müsse sie ihn bei einem reißenden Tier allein lassen.

»Ein liebes Kind, die Ida«, wandte sich die Gräfin an Martiniz, der schweigend und gedankenvoll neben ihr Platz genommen hatte; »ein liebes Kind, schade nur, daß man sie so bald aus der Pension genommen hat, ehe sie noch die letzte Vollendung, das freiere Sichbewegen angenommen hat. Nun, das macht sich noch gerade immer noch, wenn auch hier nicht gerade der Ort ist, wo sie anständige Vorbilder dazu haben mag, in größeren Städten findet sich dies eher.«

Sie hielt inne, als erwartete sie eine Antwort von dem Grafen, diesem aber schien sein Kopf mit dem Herzen Ida nachgesprungen zu sein, und jetzt erst, als die Gräfin nicht mehr sprach, nahm er sich zusammen und beantwortete ihre Frage durch ein leises Kopfnicken.

Warte, ich will dich schon aufmerken lehren, dachte die Aarstein, der die Zerstreuung des jungen Mannes nicht entgangen war; »In einer Hinsicht ist es gut, daß das Fräulein aus der Residenz wegkam, Sie können sich gar nicht denken, unsere Herren waren ganz rabiat, als sie so lieblich aufblühte, die Straße vor dem Haus der Madame La Truiaire wurde nicht leer von den Anbetern und natürlich, ein solches Mädchen hat denn doch auch ein Herzchen, und fühlt sich durch diese Aufmerksamkeit geschmeichelt. Übrigens, das muß man ihr lassen, mit dem größten Anstand wußte sie den Herren zu imponieren und sie sogar zu verscheuchen, daß sie nun freilich bei dem Rittmeister von . . . . . es nicht ebenso machte, kann man ihr nicht verdenken.«

»So–o?« fragte der Graf, indem ein dunkles Rot seine Wangen überzog, »der Rittm–« »Nun ja«, lachte die Gräfin, »da ist es auch kein Wunder, daß sie ihn liebte und vielleicht noch liebt; wo ist denn in der Residenz ein Damenherz, das er zu überwinden sich vorsetzte und das er nicht überwunden hätte. Er hat zwar etwas leichte Grundsätze, ist aber sonst ein artiger Mensch, au fond ist es übrigens dennoch gut, daß man das Mädchen schnell aus der Pension nahm, denn sehen Sie – doch da kommt sie ja selbst«, lachte sie Ida entgegen, die mit liebenswürdiger, wirtlicher Geschäftigkeit Tee für ihren Gast brachte; beinahe hätte sie das ganze zierliche Déjeuner auf den Boden fallen lassen, denn der Graf – was mußte ihm nur begegnet sein, er saß da bleich wie der Tod, den starren Blick auf sie geheftet –

»Nun, da erzähle ich«, fuhr die Gräfin Satanas, die mit teuflischer Freude das zarte Band, das diese liebenden Herzen kaum erst umschlungen hatte, zu zerreißen strebte, »da erzähle ich gerade dem Herrn Grafen Ihre Affäre mit dem Rittmeister und wie ich die arme Ida bedauere, daß man sie so grausam herausriß aus der Wonne der ersten Lie–«

»Gnädige Frau!« rief Ida mit den Tönen des Schreckens und setzte die Tasse nieder, die in ihrer zitternden Hand zu klirren begann –

»Nun, so erschrecken Sie doch nicht so, daß ich aus der Schule schwatze; das nimmt man bei uns nicht so genau; wahrhaftig, der Papa hätte auch keine ungeschicktere Zeit zu Ihrer Zurückberufung wählen können –«

»Ich muß Sie bitten, gnädige Frau –«

»Ei so lassen Sie doch die gnädige Frau«, fiel ihr die Aarstein ins Wort, »ich kann das Wort Frau nicht ausstehen. Es ist mir gar nicht, als ob ich Frau wäre und wahrhaftig, ich bin es ja eigentlich gar nicht«, setzte sie naiv und mit einem schalkhaften Lächeln gegen Martiniz hinzu, »ich lebte nur ein paar Wochen mit meinem Herrn Gemahl, Gott hat uns kein Kind beschert und da bin ich ja eigentlich so gut als Mädchen –«

Ida schlugen die Flammen ins Gesicht; solche frivole Äußerungen mußten ihre unentweihten jungfräulichen Ohren hören, ohne daß sie diese wegwerfende Gemeinheit bestrafen konnte; und dann das dumme Aufziehen mit dem Rittmeister, es war ja kein wahres Wort an der Sache; sie konnte gar nicht begreifen, was nur die Gräfin damit wollte; hatte sie ihn denn nicht so gut abgetrumpft wie jeden andern? Was mußte nur Martiniz von ihr denken! sie nahm sich vor, bei der nächsten Gelegenheit ihn zu überzeugen, daß gewiß an der Geschichte mit dem Rittmeister kein wahres W– Aber nein, wie sah der Graf aus; er hatte die Lippen zusammengekneipt, daß sie ganz weiß wurden, sein Auge rollte unstet umher, schien sie zu suchen, zu fassen und doch schlug er es nieder, sooft er ihrem Blick begegnete; es war ihr ganz bange ums Herzchen, als ahne sie irgendein Unglück; sie klügelte hin und her, was ihm sein könnte und fand immer nichts.

Die Gräfin zog sich jetzt in ihre Zimmer zurück, um sich umzukleiden. Ida sah ihr mit leichterem Herzen nach, denn sie hoffte – sie gestand es sich nur so halb und halb, daß sie es hoffte, aber sie hoffte, der Graf werde vielleicht an dem Gespräch von vorhin fortmachen, aber sie täuschte sich bitter; er sagte kaum ja oder nein, wenn sie ihn etwas fragte, finster sah er immer vor sich hin und nach ein paar Minuten sprang er auf und ging. Was hatte man ihm doch getan? Es war und blieb ihr unbegreiflich. Endlich aber fiel ihr ein, der Rittm–, ja, das war es, eifersüchtig war der gute Graf. Sie mußte lachen, als ihr der Gedanke kam. Sie fühlte sich so rein und unschuldig, daß es ihr ein leichtes schien, den Grafen zu überzeugen; aber Strafe soll er leiden, der Unartige, nahm sie sich vor; wenn er mir die Aarstein zuviel ansieht, so will ich immer von dem Rittmeister sprechen und ihn recht bös machen.

Das gute, fröhliche Kind; wie wenig dachte sie daran, was Eifersucht Böses anrichten könne, wie wenig ahnte sie, was ihrer wartete.


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