Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Das Duell

Vor der Stadt hatten die drei Reiter ihre Pferde angehalten und ließen sie jetzt im Schritt dem bestimmten Ort zugehen; sie schwiegen eine Zeitlang und jeder schien seinen besondern Gedanken nachzuhängen. Emils Brust erfüllte die Qual aller Zweifel an Ida. Es war ihm da einmal als stehe sie, wie er sie eben gesehen hatte, in blendend reiner Unschuld vor ihm und flüsterte ihm mit sanfter Stimme Vorwürfe zu, daß er auch nur einen Augenblick habe an ihr zweifeln können; dann kamen wieder alle Qualen der Eifersucht über ihn, er wiederholte sich alles, was er zwischen ihr und Sporeneck bemerkt hatte, und das Billett von gestern – »Nein! sie ist schuldig« rief er laut und unmutig. Gestern abend nämlich, als Schulderoff sie verlassen hatte, war Brktzwisl gekommen und hatte einen kleinen Zettel gebracht, der wahrscheinlich dem Rittmeister entfallen sein müsse. Er war offen, Emil konnte sich nicht enthalten, einen Blick hineinzuwerfen und ward weiß wie die Wand. Schweigend reichte er Ladenstein das Billett, und dieser las:

»Du mußt noch das Strumpfband haben, das Du mir letzthin mutwilligerweise abgebunden hast; ich brauche es notwendig; ist Dir übrigens an einem Zeichen Deiner Dame gelegen, so kannst Du etwas anders haben. Willst Du eine Busenschleife? willst du ein Schnürband von meinem Korsettchen?«

»Das ist freilich stark«, hatte Ladenstein gesagt, nachdem er gelesen, »kennst du die Handschrift?« »Von wem soll es sein, als von ihr, die mich um mein Lebensglück betrogen. Hätte ich den Wisch da um eine Stunde früher gehabt, ich hätte den Rittmeister wahrhaftig nicht getadelt, daß er von seinem zärtlichen Liebchen so ausdrucksvoll sprach!«

»Kennst du Idas Handschrift?« fragte der alte Herr noch einmal; »es kommt hiebei sehr viel darauf an, daß du sie genau kennst.«

Emil mußte gestehen, daß er noch nichts von Idas Hand gesehen; es könne es ja aber doch gar niemand anders geschrieben haben, denn die Adresse lautete ja an Herrn von Sporeneck. Der alte Herr hatte den Kopf dazu geschüttelt und gesagt, daß dieses Billett der ganzen Sache eine andere Wendung geben könnte; jetzt seie er aber schon einmal gefordert und darum könne vor Ausgang des Duells nicht mehr davon gesprochen werden, nachher werde sich vielleicht manches aufklären. Dieses Billett war nun auch auf dem Wege zum Kampfplatz Emil in den Sinn gekommen, und hatte ihm jenen lauten Ausruf: »Sie ist dennoch schuldig«, entlockt.

Der Alte reichte ihm die Hand hinüber, und sagte freundlich-ernst: »Urteile nicht zu frühe. Du gehst einen gefährlichen Weg, nimm nicht die Schuld mit dir, ungehört verdammt zu haben. Du bist der letzte Martiniz. Schlägt eine Kugel hier unter den Wlademir, so ist es vorbei mit dir und dem Heldenstamm, dessen Namen du trägst. Du schlägst dich für die Ehre einer Dame, solange du für sie kämpfst, darfst du nicht an ihrer Tugend zweifeln, sonst ist deine Sache nicht gut. Denke dir das Mädchen, so hold und engelrein wie du sie sahst, als wir zu Pferd stiegen, wie du ihr, von ihrem heiligen Anblick übermannt, dein zärtliches Lebewohl zuriefst – und du wirst freudiger streiten.«

Emil hörte nur mit halbem Ohr; seine ganze Aufmerksamkeit war auf den Platz gerichtet, dem sie sich nahten; sie bogen um die Ecke der Mauer des Gottesackers; sein Gegner war schon auf dem Platz, er nahm sein Roß zusammen und sprengte majestätisch im kurzen Galopp an.

Sporeneck und sein Begleiter waren auf einem andern Weg herausgeritten und hatten auf der Wiese den Grafen erwartet. Sie hatten ihre besten Uniformen angezogen, alles gewichst und gebürstet, als ginge es zur Hochzeit, denn sie wollten dem Grafen und seinem Begleiter durch Glanz und militärische Würde imponieren. Wer beschreibt ihr Erstaunen, als sie den strahlenblitzenden, in den schönsten Farben schimmernden Ulanen ansprengen sahen. Sie trauten ihren Augen kaum, wie gewandt, wie flink das zivile Gräfchen vom Sattel sprang, mit welchem Anstand er die Zügel seinem Diener zuwarf, sich dann zu ihnen wandte und seine Honneurs machte. Die Diamanten des Wlademir, der goldene, vom Vater ererbte Ehrensäbel glänzten im Morgenrot, der ganze Mann hatte etwas Gewaltiges, Gebietendes, Königliches, das sie beinahe mit Ehrfurcht bewunderten.

»Alle Teufel, wer hätte das gedacht«, flüsterte Sporeneck; »hätte ich das gewußt – weiß Gott, die Uniform der polnischen Garde, wo jeder Rittmeister für einen Obersten in der Linie zieht! Nein, wenn ich gewußt hätte, daß er Soldat ist, dann wäre es wohl etwas anderes gewesen.«

»Und alle Wetter«, fuhr ein anderer fort, »sieh nur den alten Graukopf, wie der behängt ist, eins – zwei – drei – sieben Orden hat das Kerlchen und noch obendrein einen Stern! siehe, das Theresienkreuz – und weiß Gott, den Kommandeur der Ehrenlegion, das muß ein fixer Kerl sein.«

Der alte bekreuzte und besternte Herr nahte sich Schulderoff, zog ganz gelassen und kaltblütig eine reich mit Brillanten besetzte Uhr heraus, »Herr Kamerad«, sprach er, »wenn's gefällig ist.«

Dieser hatte sich von seinem Staunen kaum erholt; er hatte die Äußerung des Rittmeisters gehört, daß, wenn er gewußt hätte, daß der Graf Soldat wäre, er die Sache vielleicht nicht so weit getrieben hätte; er versuchte daher, noch einmal mit dem alten Herrn zu parlementieren; doch die Unterhandlungen zerschlugen sich an dem harten Sinn des Grafen, man maß die Schritte ab, man schüttete frisches Pulver auf die Pfannen – fertig!

Sporeneck hatte den ersten Schuß, »Nun wenn es denn einmal sein muß«, sagte er, drückte ab und – den Kalpak riß es dem Grafen von dem Kopf, mittendurch war die Kugel gegangen, er stand unverletzt. Ein sonderbares Feuer sprühte aus seinem Auge, als er jetzt die Pistole aufnahm; es war ihm, als stehe Antonios blutende Gestalt vor dem Rittmeister und wehre ihm ab, zweimal setzte er an, zweimal ließ er das Pistol wieder sinken. Da rief der Rittmeister mit bitterem Lachen: »Wird's bald, Herr Kamerad?« und in demselben Augenblick krachte es, Sporeneck schwankte und fiel.

Er hatte genug, gerade unter der Brust hatte die Kugel durchgeschlagen; der Regimentsarzt der Dragoner machte ein bedenkliches Gesicht und gab wenig Hoffnung. Man brachte ihn in die Wohnung eines der Offiziere, der vor der Stadt wohnte – in tiefem Ernst, schweigend ritt der Graf und sein Begleiter zur Stadt zurück.


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