Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Emil auf der Folter

Dieser sah ihn wehmütig an und seufzte: »Glauben Sie mir«, sagte er, »auch ich war einst erfüllt von diesem Himmelskind; auch mir war sie eine Erscheinung wie aus jenseits, wie des großen Dichters Mädchen aus der Fremde; ich sah, wie sie mit ungetrübtem Frohsinn und dennoch ›mit einer Würde, einer Höhe‹ jedem eine Gabe reichte; mir, wähnte ich, mir habe sich der Gaben schönste aufbewahrt – ach! da gewahrte ich, daß schon ein anderer diesen Kranz zerpflückt –«

»Nein, ich kann's nicht glauben«, rief der ehrwürdige Theresienritter, »dieses Mädchen kann nicht so niedrig denken, kann nicht das tiefe, herrliche, jungfräuliche Herz an einem Windbeutel verlieren, wie der Sporeneck ist, dessen seichtes Wesen, dessen Gemeinheit ihr ja gleich den ersten Augenblick nicht verborgen bleiben konnte!«

»Aber mein Gott«, rief Emil ungeduldig, »habe ich Ihnen nicht gesagt, was mich die Gräfin merken ließ, was ich mit eigenen Augen sah, nehmen Sie doch nur zum Beispiel, daß sie ihm gleich in den obern Stock nachzog, um ihn recht vis-à-vis zu haben –«

»Beweist viel, recht sehr viel und doch wieder nichts, gar nichts, denn ein so kluges Mädchen wie die Ida, trägt ihre Liebe nicht so schamlos zur Schau.«

»Aber die Gräfin sagt mir ja, die Gräfin –«

»Eben die Gräfin sagte dir alles, Freundchen, und eben der Gräfin traue ich nicht, dazu habe ich meine vollkommen gegründeten Ursachen. Ich habe sechzig Jahre in der Welt gelebt, du erst deine zwanzig, darum darf ich auch meinem Blick trauen, denn ich bin unparteiisch und schaue nicht durch die grüne Konversationsbrille der Eifersucht. Ich habe diesen Abend Dinge gesehen, die mir gar nicht gefielen; doch der Erfolg wird lehren, daß ich recht hatte.«

So sprach der alte Theresier mit dem Grafen; doch auf ihn schien es wenig Eindruck zu machen, denn er murmelte: »Weiß alles und ist alles gut, wenn nur der verdammte Rittmeister nicht wäre!«


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