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Lungenschwindsucht. – Phthisis pulmonum

Diese Krankheit, die besonders bei Leuten angetroffen wird, deren Berufsgeschäfte sie zwingen, sich dem plötzlichen Wechsel von Kälte und Wärme auszusetzen, schädliche Dämpfe oder Staub einzuatmen, kann nach der Art ihres Auftretens und nach der Lebensweise und dem Alter der davon befallenen Personen bald rascher, bald langsamer zum Tode führen, in noch nicht vorgeschrittenen Fällen aber geheilt, wenigstens kupiert werden. – In vielen Fällen ist die Anlage zur Lungenschwindsucht erblich und angeboren. Die Möglichkeit der Übertragung krankhafter Eigentümlichkeiten durch mehrere Generationen hindurch ist eine durch die Erfahrung bestätigte Tatsache. Es ließe sich eine lange Liste der schrecklichsten in dieser Art sich fortpflanzenden Leiden entwerfen, nicht nur Schwindsuchten, Skrofeln, Krebs usw., sondern auch Geisteskrankheiten, Epilepsie usw. Ihre Übertragung ist genau nachzuweisen und des eingehenden Studiums derer wert, die ein Interesse an dem Wohlergehen der Nachkommenschaft nehmen.

Personen mit zarter Hautfarbe, feiner, abgegrenzter Wangenröte, langem, schwachem Halse und zusammengedrückter Brust, mit vorgebeugtem Körper, die schnell gewachsen sind, scheinen zur Lungenschwindsucht besonders disponiert. Junge, im Wachstum begriffene Mädchen, die unvernünftig leben, werden oft ein Opfer dieser Krankheit, die ihr Entstehen überhaupt mehr der Kunst als der Natur, mehr den Mißbräuchen der Zivilisation als den Einflüssen des Klimas verdankt. In Ländern, in denen eine solche Zivilisation herrscht, wird die Krankheit in den Palästen der Reichen und in den Hütten und Kellerwohnungen der Armen gefunden; und in beiden Fällen ist sie das Resultat von Erschöpfung. Die in Üppigkeit Schwelgenden verfallen ihr durch frühzeitige Aufreibung der Lebenskräfte; die Mangelleidenden werden ihr durch verdorbene Luft, Hunger und Kälte in die Arme getrieben, sowie durch Überarbeitung, die noch schwächender wirkt als selbst übermäßiger Genuß.

Die Lungenschwindsucht ist eine Zerstörung (Verkäsung und Verschwärung) der Lungensubstanz. Verläuft der Prozeß schnell, in wenigen Wochen oder Monaten, dann spricht man von einer akuten (floriden, galoppierenden) Lungenschwindsucht, verläuft er jedoch langsamer, erstreckt er sich auf Jahre, dann spricht man von einer chronischen Lungenschwindsucht.

Die Lungenschwindsucht ist eine Infektionskrankheit, die durch den Kochschen Tuberkelbazillus hervorgerufen wird. Der Bazillus erklärt noch keineswegs den Prozeß selbst. Die Hauptsache ist, wie auch Virchow bemerkt, die Erforschung der phthisischen Anlage, die Veränderungen, die die Zellen erleiden und dadurch dem Bazillus seine Existenz erst ermöglichen. Ebenso ist dies hinsichtlich einiger anderer als Bakterienkrankheiten bezeichneter Erkrankungen der Fall. Das antiseptische, auf Vernichtung der Bazillen gerichtete Verfahren hat weder zur Vorbeugung, noch zur Heilung der Krankheiten etwas beigetragen, vielmehr, wo es in Anwendung kam, dem Organismus nur geschadet. – Keinesfalls braucht die Homöopathie die Kochsche Entdeckung zu fürchten; haben wir doch bei Milzbrand, Rückfalltyphus, Cholera, Scharlach und überhaupt allen Infektionskrankheiten, die auf Einwanderung mikroskopischer Spaltpilze in den Organismus beruhen, ganz vorzügliche Resultate erzielt. Die Erfahrung hat wenigstens gelehrt, daß wir im Anfangsstadium der chronischen Tuberkulose den Prozeß zum Stillstand zu bringen vermögen und auch imstande sind, bei schon vorwärtsgeschrittenem Zerstörungswerke das Leben des Patienten noch lange zu erhalten.

Wir wollen uns nun zunächst ein klares Bild von den pathologischen Vorgängen verschaffen, die die Zerstörung des Lungengewebes, d. h. die Lungenschwindsucht, herbeiführen. Diese Zerstörung ist teils, und zwar vorzugsweise entzündlicher, teils tuberkulöser Natur. Besonders wird im Anfange eine dieser beiden Erscheinungen vorherrschen; nur im späteren Verlaufe verbinden sich beide Erscheinungen. Wir sprechen daher entweder von einer pneumonischen, von einer tuberkulösen oder endlich von einer pneumonisch-tuberkulösen Phthise. In letzterem Falle kann man fast nicht mehr unterscheiden, welcher der beiden erstgenannten Vorgänge den phthisischen Prozeß einleitete.

Die pneumonische Lungenschwindsucht tritt von Anfang an als sog. chronisch-katarrhalische – seltener als akute – Pneumonie mit entzündlichen Erscheinungen auf. Es finden sich inmitten gesunder Lungenpartien größere oder kleinere, oft stecknadelkopfgroße, graurote Herde, die aus dicht aneinandergelagerten, von den Alveolenwandungen abgesonderten Zellen bestehen, eine körnige Schnittfläche zeigen und durch Schrumpfung und Zerfall Verkäsung des Alveoleninhaltes herbeiführen (käsige Pneumonie, Coagulationsnekrose Cohnheims). Doch bleibt es nicht bei diesem Oberflächenprozeß der Alveolen, es werden auch die kleinsten Bronchien von dem Entzündungsprozeß ergriffen, mit Schleim und Zellen verstopft, die ebenso schnell wie der Alveoleninhalt verkäsen. Da diese sog. käsige Pneumonie häufig bei skrofulösen Personen vorkommt, heißt man sie auch skrofulöse Bronchopneumonie. Sehr bald kommt es zur Infiltration der Alveolenwandungen, das Lungengewebe wird dichtzellig, an den betreffenden Stellen geschwellt, mit gelatinöser, froschlaichähnlicher Flüssigkeit durchtränkt, und es tritt bald Verkäsung des ganzen Herdes ein. Im weiteren Verlaufe kommt es durch Erweichung des käsig infiltrierten Lungengewebes zu oft ziemlich umfangreichen, hühnereigroßen Höhlen oder Cavernen, die am häufigsten ihren Sitz in den oberen Lungenpartien haben. Sind diese nicht geschlossen, sondern durch einen als abgeschnittenen Stumpf in die Höhlen hineinragenden Luftröhrenast, Bronchus, geöffnet, dann wird ihr Inhalt durch Hustenstöße zum Teil entleert. Der Inhalt dieser Cavernen besteht aus gelben Bröckchen von gallertartiger Konsistenz oder aus Blut, das sich aus noch wegsamen angefressenen Arterien in die Höhlen ergossen hat. Nur bei Verjauchung des Herdes bilden sich schmutziggrünliche, stinkende Massen (gangränöse Phthise). Im Anfange der Cavernenbildung kann es, freilich nur in seltenen Fällen, durch Kalkablagerung in die Herdmassen, zu einer Art Heilung kommen. Es bilden sich dann kleine, kaum linsengroße, kalkige Massen (Lungensteine), oder es kommt durch Bindegewebswucherungen zwischen den Herden und Schrumpfung dieser Gewebsmassen zur Heilung. Größere Cavernen können durch Zusammenschnürung des zurückbleibenden Bindegewebes ausnahmsweise verheilen.

Die tuberkulöse Lungenschwindsucht tritt in zwei verschiedenen Formen auf: als Tuberkulose, mit vorzugsweisem Sitze in den Lungen, und als akute Miliartuberkulose, die sich gleich anfangs in verschiedenen Körperteilen vorfindet, vor allem aber in der Lungensubstanz zerstörend auftritt und sehr rasch dem Leben ein Ende macht.

Bei der tuberkulösen Lungenschwindsucht geht die Zerstörung von Tuberkeln aus, die gewöhnlich zuerst eine, vorzugsweise die rechte, oder beide Lungenspitzen ergreifen. Die Tuberkel sind äußerst kleine, rundliche, höchstens hirsekorngroße, aus lymphkörperchenhaltigen Zellen bestehende Knötchen, die bei fortschreitendem Krankheitsprozesse sich mehr und mehr aneinanderreihen und zu größeren Tuberkelkonglomeraten gruppieren. Mit der Zeit verkäst der Inhalt dieser Knötchen, sie erweichen und bilden durch Zerfall ihrer Wände und Verschmelzung miteinander kleinere oder größere Höhlen, die durch den sich hinzugesellenden chronischen Entzündungsprozeß weiter verkäsen und nun dieselben Vorgänge im Lungengewebe zeigen wie bei der pneumonischen Lungenphthise, bei der sich später ebenfalls Tuberkel entwickeln.

Mag nun die Lungenschwindsucht entzündlichen oder tuberkulösen Ursprungs sein, stets werden auch die größeren und kleineren Luftröhrenäste von Katarrhen ergriffen und mit schleimigeiteriger Flüssigkeit erfüllt; durch Lockerung der Bronchialschleimhaut, die nicht selten von Tuberkeln durchsetzt wird, kommt es zu kapillären Blutungen, zu Verschwärungen und zur Bildung cylindrischer Erweiterungen (bronchiektasische Cavernen). Da zuletzt gewöhnlich auch der Kehlkopf und die Rachenhöhle an dem entzündlichen und tuberkulösen Prozesse teilnehmen, so treten auch Kehlkopf- und Rachenkatarrhe auf (Kehlkopfschwindsucht). Das Brustfell, die Pleura, nimmt stets, und zwar in allen Stadien, an dem Krankheitsprozesse teil. Im späteren Verlaufe der Krankheit finden auch in den Darm- und Mesenterialdrüsen Tuberkelbildungen statt (Darmtuberkulose).

Eine andere Form der Tuberkulose ist die akute Miliartuberkulose. Es bilden sich unter sehr stürmisch verlaufenden Krankheitserscheinungen in vielen Organen zugleich Tuberkel, besonders in den Lungen, in den serösen Häuten, auf den Meningen (Hirnhäuten), in der Leber usw. Diese sog. galoppierende (floride) Lungenschwindsucht verläuft ziemlich rasch unter heftigen Fieberbewegungen, geringem, oft blutstreifigem, schaumigem Auswurfe bei häufigem, sehr anstrengendem Husten. Die gleich anfangs sehr bedeutenden Temperaturgrade steigen selten über 40 °C und stehen in keinem Verhältnisse zu der bedeutenden Pulsfrequenz.

Hat die Lungenschwindsucht größere Fortschritte gemacht, dann tritt eine Reihe von Erscheinungen auf, die keinen Zweifel an der Diagnose mehr zulassen. Bei der Untersuchung gibt die Perkussion die wichtigsten Aufschlüsse. Es müssen beide korrespondierenden Brustseiten untersucht werden, um die Differenz des Perkussionsschalles mit Evidenz festzustellen. Doch darf man den Wert der Perkussion auch nicht überschätzen. Wo Rasselgeräusche in den Lungenspitzen mit Dämpfung des Perkussionsschalles, neben Abmagerung, angetroffen werden, ist die Diagnose auf Lungenschwindsucht gesichert. Der Perkussionston, der, solange nur zerstreute Knötchen da sind, nicht wesentlich abnorm ist, wird mit zunehmender Infiltration der Lungenspitzen an den ihnen entsprechenden Stellen unten, auf und über dem Schlüsselbeine, sowie über und neben den Schulterblättern, in dem Dreiecke zwischen ihnen und dem Schlüsselbeine, in der Gegend des oberen hinteren Schulterblattwinkels und zwischen den Schulterblättern selbst kurz, gedämpft und leer, mitunter gedämpft-tympanitisch oder hohlklingend gefunden. Die Auskultation zeigt, da sich sehr frühzeitig um die Knötchen herum ein trockener Katarrh der feinsten Bronchienröhrchen ausbildet, ebenfalls an diesen einzelnen Stellen, zumeist in der Lungenspitzengegend, ein schärferes, rauheres Zellatmen oder ein unbestimmtes, lang gedehntes Geräusch beim Ausatmen, nebst verschiedenen Rasselgeräuschen, Schnurren, Knarren, Pfeifen. Bei lufthaltigen Cavernen hört man einen amphorischen Widerhall. Am Halse, in den Jugularvenen, ist meistens das Nonnengeräusch vernehmbar. Nicht selten vernimmt man im Herzen und in den Arterien Blasebalggeräusch.

Die funktionellen Symptome der Lungenschwindsucht sind: schneller oder langsamer zunehmende Abmagerung, katarrhalische Affektionen; frostige, gewöhnlich kalte, schweißige Haut; Bluthusten; Nasenbluten bei jüngeren Personen. Die Verdauung ist schlecht; trotzdem haben die Kranken bedeutenden Hunger. Der Stuhl ist durchfällig, selten verstopft. Dabei zeigen sich meist reichliche, den Kranken sehr erschöpfende Nachtschweiße. Bei schon bestehender Tuberkulose stellt sich abends trockener und kurzer Husten ein. Stumpfe Schmerzen am oberen Teile der Brust, unter dem Schlüsselbein, worüber der Kranke jedoch weniger klagt als über Wallung des Blutes nach der Brust mit Kurzatmigkeit bei schneller Bewegung und beim Steigen. Auswurf ist beim Husten oft vorhanden, doch nicht gerade spezifisch; meist schaumiger Speichel des Morgens beim Erwachen, der aber später eiterartig wird. Er ist meist uncharakteristisch und kann nur dann als ein sicheres Zeichen der Schwindsucht angesehen werden, wenn er innig mit Spuren von Blut vermischt ist. Bald tritt ein fieberhafter Zustand mit Röte der Wangen, lästiger Hitze in den Handflächen und Fußsohlen hinzu, ein sog. hektisches Fieber, das sich nachmittags steigert; Frösteln und Morgenschweiße. –

Hierzu gesellen sich schließlich noch die auf allgemeine Verschlechterung der Ernährung hindeutenden sog. colliquativen oder Colliquations-Erscheinungen; z. B. reichliche, entkräftende Morgenschweiße, hartnäckige, entkräftende Durchfälle mit wässerigen, meist übelriechenden und öfters eiterhaltigen, auch scharfen, wundmachenden Ausleerungen, gewöhnlich von Darmgeschwüren abhängig. Bisweilen finden auch durch den Harn Ausscheidungen von Ernährungsbestandteilen (Eiweiß, Fett, Zucker) statt. Häufig tritt noch Wassersucht hinzu und gewöhnlich Wundliegen am Kreuzbein und Rücken. Die Schwangerschaft hält den Zerstörungsprozeß auf, der aber nach Ablauf der Entbindung um so schnellere Fortschritte macht.

Ist die Krankheit schon stark vorgeschritten, so ist an eine Heilung nicht mehr zu denken, jedoch kann man noch einigermaßen die Lage des Kranken verbessern. Als schlimme Zeichen sind zu betrachten: starker und häufiger Auswurf oder geringer Auswurf mit großer Kurzatmigkeit; viel nächtliche Schweiße, Brennen in den Handtellern und Fußsohlen und außerordentliche Abmagerung mit Durchfall, der gewöhnlich auch nachts erscheint; sparsamer, dunkler Urinabgang, auf dem sich häufig ein Fetthäutchen bildet; heftige abendliche Fieber mit Durst; sehr leise und rauhe Stimme; weicher, leerer, äußerst beschleunigter Puls. Endlich bildet sich an den Füßen eine wässerige (ödematöse) Geschwulst, und der Kranke stirbt mit vollem Bewußtsein unter Plänen für die Zukunft und Lebenshoffnung, die ihn auch mit dem letzten Atemzuge nicht verläßt, einen ruhigen und sanften Tod.

Was Diät und Lebensweise betrifft, so sorge man für eine leichte, der Verdauungskraft angepaßte, streng fleischlose Kost: Gemüse, Milch, Brot und reife Früchte. Alkohol (auch in Form von Wein) begünstigt die Entwicklung der Lungenkrankheiten und beschleunigt ihren ungünstigen Verlauf. Wein ist Kindern ganz besonders schädlich und macht sie geneigt zu Gehirnaffektionen, Lungenblutungen und Schwindsucht. Carrière bestätigt, daß der Genuß von Früchten und besonders von Trauben, bei Ausschluß von Fleisch, Gewürzen und Wein, den bei anämischen Mädchen, geschwächten Frauen und Schwindsüchtigen beiderlei Geschlechtes stark angegriffenen Fettansatz befördert. Hauptsächlich sorge man für reine, gesunde, gleichmäßig warme, jedoch mehr feuchte Luft; daher der Nutzen mancher Klimate, z. B. Nizza, Madeira, Reichenhall, Silhet, vor allem der Seeluft in wärmeren Gegenden. Eine besondere Berühmtheit hat Lippspringe erlangt, das gleichfalls mehr durch seinen hohen Feuchtigkeitsgrad der Luft als durch seine Arminiusquelle auf verdächtige, namentlich mit Lungenblutungen verbundene Bronchialkatarrhe von günstigem Einflüsse ist. Für fortgeschrittene Stadien ist Höhenlage zu bevorzugen (Schwarzwald, Schweiz). Ferner sorge man für warme Kleidung, Hautpflege durch lauwarme Bäder und vermeide alle Anstrengungen des Körpers sowohl, als des Geistes, namentlich Leidenschaften. – Auch suche man vor allem das ewige Husten und Hüsteln zu unterdrücken, das meist Angewohnheit ist, besonders, wenn es der Schwindsucht vorangeht. Nichts kann für die Luftröhren und Lungen, zumal wenn sich Katarrhe oder Tuberkel in diesen Organen bilden, nachteiliger sein, als die gewaltsame Erschütterung durch Husten.

Die Übertragbarkeit der Krankheit bei sehr nahem Umgange, Gebrauche der Kleider und Betten, gleichartigen äußeren Lebensverhältnissen verlangt peinlichste Sauberkeit und Schutz der Umgebung des Kranken vor Ansteckung. Die sog. » offene Tuberkulose« ist laut Reichsgesetz meldepflichtig. Die Spuckschalen und sonstigen Gebrauchsgegenstände des Kranken müssen täglich mehrmals entleert und desinfiziert werden.

Unter den Mitteln, die bei der Lungenschwindsucht in Anwendung kommen können, verdienen hauptsächlich jene Beachtung, die auf die entzündlichen Vorgänge Einfluß haben. Diese Vorgänge werden zunächst bei der einen entzündlichen Ursprung habenden pneumonischen Lungenschwindsucht in Betracht kommen, da hier die chronisch-katarrhalische Pneumonie die phthisische Zerstörung der Lunge herbeiführt. Bei der Lungenphthise tuberkulösen Ursprungs treten die entzündlichen (mehr oder weniger chronischen) Erscheinungen erst im späteren Verlaufe der Krankheit hinzu. Nur bei der akuten Miliartuberkulose treten die entzündlichen Erscheinungen plötzlich und sehr akut auf.

Aconitum paßt zunächst, wenn sich im Anfange eines tuberkulösen Bronchialkatarrhes trockene Fieberhitze mit vielem Durste zeigt; stellt sich jedoch als Vorläufer der tuberkulösen Lungenschwindsucht Bluthusten ein, der oft durch vieles Sprechen, Tanzen oder Körperanstrengungen anderer Art hervorgerufen wird, so verabfolge man sofort Ipecacuanha. – In ähnlichen Fällen ist auch Bryonia angezeigt, besonders, wenn bei dem Husten heftige Stiche in der Brust empfunden werden, und wenn dabei etwas Fieber zugegen ist. Bei trockenem Husten oder Bluthusten verabfolge man Digitalis, und sind dabei Heiserkeit und kitzelnder Reiz im Kehlkopfe vorhanden, sind die Patienten außerdem noch skrofulös und leiden an Drüsenanschwellungen, so ist Hepar sulfuris das geeignetste Mittel, um diese Symptome zu beseitigen. Wenn neben dem katarrhalischen Fieber ein heftiger Reizhusten das Hauptsymptom der Krankheit bildet, dann verdient Belladonna vor jedem anderen Mittel den Vorzug. Bei bleichsüchtigen, schlecht genährten Personen mit vielem Hüsteln und etwas Schleimauswurf, der nicht eiterig ist, verdient Pulsatilla besondere Berücksichtigung. Hauptsache bei allen zur Tuberkulose neigenden Personen ist ein zweckmäßiges Verhalten, besonders eine ruhige, die vorhandenen Körperkräfte schonende Lebensweise (Prophylaxis). Schwindsüchtige oder zur Tuberkulose neigende Frauen dürfen ihre Kinder nicht stillen; denn das Stillen ist nicht allein für die Mutter sehr nachteilig, sondern auch für das Kind, das eine wenig nahrhafte und auch quantitativ ungenügende Nahrung erhält. Gesunde, nicht feuchte Wohn- und Schlafräume, frische Luft, nahrhafte, leicht verdauliche Speisen und Getränke, besonders gute, frische Milch, sind notwendige, unumgängliche Haupterfordernisse, um das Leben schwindsüchtiger Personen solange wie möglich zu erhalten. Personen, in deren Familien die Schwindsucht erblich ist, müssen doppelt achtgeben auf ihre Gesundheit und besonders auch Tanzböden und alle Exzesse in Baccho und Venere strengstens vermeiden. Wenn tuberkulöse Personen an Verdauungsschwäche und, wie sehr häufig, an Magenkatarrhen leiden, so verabfolgen wir ihnen einige Zeit hindurch Nux vomica, die gewöhnlich den Appetit anzuregen pflegt und die Verdauung fördert. Denn nichts vermag den Schwindsüchtigen schneller herabzubringen als Appetitlosigkeit und eine geringe oder ungenügende Nahrung.

Gehen wir nun zu den Mitteln über, die gegen die schon vorhandene und vorgeschrittene Tuberkulose mit oder ohne Eiterauswurf (wie wir sie leider oft erst in Behandlung bekommen) unter sonst günstigen Verhältnissen hilfreich sein können.

Arsenicum: Erstes Hauptmittel bei der floriden Lungenschwindsucht; bei großer Hitze mit umschriebener Wangenröte, abendlichen Fiebern, quälendem Durst, Verdauungsschwäche, Darmkatarrhen, Abgezehrtheit usw. Bei schmutziggrünem, übelriechendem Auswurf; wenn sich zur Verkäsung des Herdes Verjauchung hinzugesellt hat (gangränöse Phthise). Auch bei den schon vorgeschrittenen Erscheinungen allgemeiner Colliquation wird Arsenicum die Symptome mildern und das Vorwärtsschreiten der Krankheit einigermaßen aufhalten, also immer noch mehr als irgendein anderes Mittel leisten. Bei den Durchfällen hat sich besonders Cuprum arsenicosum bewährt.

Arsenum jodatum wird, täglich verabfolgt, dann von entschiedenem Nutzen sein, wenn die Krankheit einen chronischen Verlauf nimmt, der Auswurf dick und nicht zu massenhaft ist und noch keine Fieberregungen stattfinden; bei skrofulösen, drüsenkranken Personen oder bei solchen, wo die Tuberkeln auch die Unterleibsorgane ergriffen zu haben scheinen. – Bähr legt in seiner umständlichen und weitläuftigen Therapie wenig Gewicht auf die Heilkraft des Arsenum jodatum bei Lungenschwindsüchten, und doch besitzt dieses Mittel in der Gesamtheit seiner Symptome so außerordentlich vieles, was den homöopathischen Arzt zu seiner Wahl bestimmen könnte. Freilich vermögen wir in vorgeschrittenen Fällen weder mit ihm, noch mit sonst einem Mittel die Krankheit zu heilen, werden aber immer noch den Kranken geeignetenfalls lange am Leben erhalten und ihm nach verschiedenen Richtungen hin mannigfache Erleichterung verschaffen.

China: Paßt vorzüglich als Zwischenmittel oder im Wechsel mit einem anderen. Besonders bei sehr großer Schwäche und fortwährendem Husten und Eiterauswurf. Auch bei gangränöser Phthise, wo auch Kreosotum sehr beachtenswert ist.

Calcium carbonicum: Bei anämischen, bleichsüchtigen oder skrofulösen Personen; bei Ergriffensein der linken Lunge im Stadium des Eiterauswurfes. Ist die rechte Lunge ergriffen, so ist es meist der mittlere Lappen. – Kitzelhusten wie von Federstaub im Halse; besonders bei beginnender, Tuberkulose oder bei Cavernenbildung. Stete Kälte der Füße.

Carbo animalis: Auswurf, massenhafter, grünlich-gelber, oft übelriechender Materie, sowohl bei der pneumonischen (im Wechsel mit China oder Arsenicum), als auch bei der tuberkulösen Lungenschwindsucht. Brennen in der Brust, Abmagerung, starke Schweiße. Ergriffensein der rechten Lunge.

Hepar sulfuris: Im Anfange der tuberkulösen Lungenschwindsucht; bei jugendlichen, skrofulösen Personen mit heiserer, klangloser Stimme und Kitzelgefühl im Kehlkopf beim Sprechen.

Jodum: Im Beginne der tuberkulösen Lungenphthise, besonders bei skrofulösen Personen. Langwierige Heiserkeit mit Reizhusten von Schleimanhäufung im Kehlkopf. Bei zarten, aber kräftigen Konstitutionen, bei denen noch keine colliquativen Erscheinungen stattfinden.

Kalium carbonicum: Ein vortreffliches Mittel, sowohl bei der anfangenden, als auch bei der schon länger bestehenden Lungentuberkulose; wenn die Kranken über den Augen, zwischen den Lidern und Brauen, ein gedunsenes Aussehen haben. Bei sehr anstrengendem Husten mit Eiterauswurf. Ist nach Lobethal in dem Zustande der Schmelzung der Tuberkel ein treffliches Mittel, durch das er manchen Kranken, wo baldige Colliquation zu befürchten war, hergestellt haben will.

Lycopodium: Ein äußerst wirksames Mittel bei Lungenschwindsucht, die nach vernachlässigter Lungenentzündung entstanden ist. Bei schleichendem Fieber mit klebrigen Nachtschweißen. Nasenflügelatmen.

Phosphorus: Ein höchst wichtiges und hilfreiches Mittel, wie Calcium, Kalium, Silicea, sowohl bei beginnender, als auch bei ausgebildeter Lungenschwindsucht, zumal bei mageren, blonden, hochaufgeschossenen Personen, die stark sinnlich veranlagt sind, sowie auch bei Kindern und vorzüglich bei jungen Mädchen von zartem Körperbau. Hals rauh, heiser und trocken. Erschütternder Husten mit Zittern der Glieder. Stetes Hüsteln beim Sprechen. Nachts, besonders im Schlafe, starker Schweiß (umgekehrt wie bei Sambucus, wo der Schweiß im Schlafe fehlt und im Wachen eintritt). Bähr warnt vor dem öfteren Gebrauch von Phosphorus, besonders bei schwächlichen Personen und bei vorwärtsgeschrittener Krankheit. Freilich, wenn man dieses Mittel in starken Gaben verabfolgt, dann werden wir mit ihm keinen günstigen Erfolg erzielen. Bedienen wir uns aber dieses Mittels in einer gut zubereiteten 30. Potenz, dann werden wir mit ihm alles erreichen, was sich überhaupt in so bedrohlicher Krankheit erreichen läßt.

Pulsatilla: Im ersten Stadium der Lungentuberkulose, wo sich ein häufiges trockenes Hüsteln bemerkbar macht und noch keine eiterige Schmelzung der Tuberkeln vorhanden ist, ein oft ganz unentbehrliches Heilmittel. Besonders angezeigt bei jugendlichen Personen und solchen, bei denen Schwefelmißbrauch stattgefunden hat.

Sambucus: Bei starken, sehr ermattenden, colliquativen Schweißen, besonders bei Tage und nach der geringsten Anstrengung. Husten Tag und Nacht, mit reichlichem Schleimauswurfe von widrig süßlichem oder salzigem Geschmack; überhandnehmende Engbrüstigkeit. Bei trockenem Husten und schwer sich lösendem Auswurfe nützt dieses Mittel nichts.

Sanguinaria canadensis: Dieses Mittel, bei florider Lungenschwindsucht rechtzeitig angewandt, vermag die Kongestionen nach der Lunge und die damit verbundene Kurzatmigkeit sowie auch das Fieber, das gewöhnlich schon in den ersten Nachmittagsstunden einzutreten pflegt, sehr zu mildern. Trockener Kitzelhusten oder Kratzreiz im Halse, Spannen und Vollheitsgefühl in der Brust; Stechen, besonders im rechten Lungenflügel, und Zerschlagenheitsgefühl in den Brustmuskeln. Umschriebene Wangenröte.

Silicea oder Aqua silicata: Sowohl bei chronischem Lungenkatarrh (besonders der Steinhauer) mit trockenem, erschütterndem Hüsteln, als auch bei der eiterigen Lungenschwindsucht mit reichlichem, oft blutstreifigem Auswurfe. Rauhe Stimme, Kitzel im Kehlkopf, lange anhaltender Husten mit Würgen und Schleimerbrechen. Große Schwäche und Zerschlagenheitsgefühl in den Gliedern, besonders morgens. Nächtliche, sehr ermattende Schweiße, Schwächegefühl in der Brust beim Sprechen. Stete Kälte der Füße. Lungen- und Kehlkopfkatarrhe nach unterdrückten Fußschweißen. Nützt oft nach Calcium carbonicum bei Lungencavernen.

Stannum: Wenn der Husten nachts am heftigsten ist, mit vielem Schleimauswurfe; Schwäche in der Brust, Schweratmigkeit, Appetitmangel, Abmagerung, Mattigkeit.

Sulfur: Leistet mitunter gute Dienste bei beginnender Lungenschwindsucht nach heftigen kruppösen Pneumonien, oder wenn Hautausschläge, alte Wunden u. dgl. durch äußere Mittel vertrieben worden sind. Bei großer Schwäche auch mit China im Wechsel.

Teucrium Scorodonia Θ (oder auch höhere Potenzen), 3mal täglich 5 bis 10 Tropfen in 1 Löffel warmen Wassers, bei massenhaftem Auswurf.

Ferner ist noch Bromum zu beachten und, besonders bei stinkendem Auswurfe, Kreosotum. Auch auf die Behandlung mit Ameisensäure (Acidum formicicum), die sehr gute Erfolge gezeitigt hat, ist hier noch hinzuweisen.

Jedem dieser Mittel muß (selbstverständlich nur bei chronischer Tuberkulose), wie in der Einleitung bei chronischen Krankheiten angegeben ist, eine längere Zeit zur Nachwirkung vergönnt werden. Sollten Zwischenfälle von heftigen Fieberregungen auftreten, so kann man Aconitum, Bryonia oder ein sonst passendes Mittel einschalten.

Ist jedoch die Krankheit schon sehr vorwärts geschritten, treten bereits reichliche Schweiße, Durchfälle, abends erhöhte Fieber mit starkem Durste und großer Abmagerung ein, so wird der humane Arzt, um wenigstens den durch stetes Husten unterbrochenen Schlaf des Kranken zu bessern und den ewigen Hustenreiz zu mindern, eine Morphium-Lösung in Anwendung bringen.

Gegen die so lästigen und quälenden profusen Nachtschweiße der Phthisiker sind Abwaschungen mit Salbeitee, auch das Trinken von Salbeitee oder der innerliche Gebrauch von Salvia officinalis Θ sehr zu empfehlen. – Der Erfolg ist überraschend günstig. Die Nachtschweiße hören auf, und ihre Unterdrückung äußert in keiner Weise eine nachteilige Wirkung. Die Patienten sind im Gegenteil glücklich darüber, in einem trockenen Bett schlafen zu können, gewinnen neuen Mut und sind weniger der Gefahr ausgesetzt, sich katarrhalische Affektionen zuzuziehen.


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