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Erklärung der Wirkungsweise homöopathischer Arzneigaben vom odischen Standpunkte

Der echte Mann der Wissenschaft übersieht nichts und verachtet nichts, was seine Erkenntnis der Natur erweitern und vertiefen kann; und ist er ebenso weise wie gelehrt, so wird er sehr vorsichtig sein, Tatsachen zu negieren, die in weiten Kreisen Anerkennung finden und von Männern, die so einsichtig und ehrlich sind wie er selbst, wiederholt beobachtet worden sind.

Alfred Russel Wallace.

 

Um die erstaunliche Wirksamkeit unwägbar feiner homöopathischer Arzneigaben erklären zu können, müssen wir uns zunächst über die dem Lebensprozesse zugrunde liegende, die organischen Gebilde aufbauende, ihre Funktionen, solange das Leben in ihnen währt, regulierende Kraft verständigen. – Das kleinste Geschöpf ist von jener, die ganze Welt durchdringenden Kraft ein Teil, doch, für sich betrachtet, eine kleine eigene Welt voll Ordnung und Bewegung, Genuß und Lust; eine Welt voll wunderbarer organischer Verrichtungen, deren Zustandekommen wir der bisher viel umstrittenen und verkannten Lebenskraft zuschreiben.

Obgleich nun zwar diese Kraft von jeher bei den Ärzten und Biologen in hohem Ansehen stand und noch in dem berühmten Physiologen Schultz-Schultzenstein einen beredten und geistreichen Verteidiger fand, so wurde sie doch von den Materialisten, besonders von Carl Vogt, Moleschott und Büchner, den Führern einer Herde, von der es heißt: »Viel Geschrei und wenig Wolle«, geleugnet. – Statt wie jener Bettler, der nur Kupfermünze in seiner Tasche hatte, zu sagen: Ich finde hier kein Gold, verstiegen sich jene Spaziergänger an den Grenzen der Natur – wie sie Liebig sehr bezeichnend nannte – zu der Behauptung: Es gibt kein Gold!

Man betrachtet die Zelle, das Produkt des organischen Lebens, als dessen Urquell und wagt den die moderne medizinische Unwissenschaft kennzeichnenden Aberglauben zu verbreiten, daß von einigen Gramm Phosphorus, in den Gefäßen der organischen Wesen, die Geisteskräfte und die Emanation abhängen sollen. Doch vermögen die in sinnesblödem Materialismus versunkenen Leugner der Lebenskraft nicht den Unterschied zu erweisen, der zwischen dem lebendigen und toten Protoplasma besteht. Erst durch die Forschungen des Freiherrn von Reichenbach, eines der geistreichsten und scharfsinnigsten Naturforscher unserer Zeit, wurde der Schleier gelüftet, der uns die bisher nur geahnte und wenig verstandene Lebenskraft verhüllte.

Freiherr von Reichenbach kam nämlich nach vielfachen Versuchen auf die Spur einer bisher unbekannten Kraft, die mit Elektrizität, Galvanismus und Mineralmagnetismus zwar verwandt, aber doch, bestimmt verschieden und von ihnen experimentell trennbar, isoliert darstellbar ist. Durch Tausende von Experimenten beweist von Reichenbach, daß dieses Agens nicht nur fühlbar, sondern auch sichtbar ist, und daß bei Sensitiven, d. h. für das Agens empfänglichen Personen, in der Dunkelkammer beide Wahrnehmungsarten korrespondieren. Dieses Agens nennt von Reichenbach Od oder odisch-magnetische Kraft Diese neu entdeckte Kraft wurde von Justus v. Liebig in München in Zweifel gezogen, jedoch in England nächst Faraday auch von Professor Gregory, einem der ersten Autoritäten Englands, sowie von Dr.  Ashburner in London, Ellis und Dr.  Elliotson in der Zeitschrift »The Zoist« und noch anderen bestätigt. Dr. W. H.  Stone, Arzt am St. Thomas-Hospital in London, hat höchst sorgfältige und vortreffliche Experimente mit dem Od angestellt und diese ausführlich in den Reports dieses Hospitals (1880, Bd. X, S. 100) beschrieben. Auch sah sich die Society for Psychical Research in London veranlaßt, Reichenbachs Experimente zu wiederholen. Prof. W. F.  Barett, der ihr angehörte, hat sich, wie auch die übrigen Mitglieder der Gesellschaft, ebenfalls von den Odlichterscheinungen überzeugt. Ein Bericht hierüber wurde zuerst veröffentlicht im Aprilheft des London, Edinburg and Dublin Philosophical Magazine and Journal of Science, Bd. XV, London 1883.
Demnach haben englische Physiker ersten Ranges die Realität des Odes anerkannt. Dagegen haben die deutschen Professoren, mit Ausnahme des berühmten Prof.  Endlicher in Wien und weniger anderer, diese Entdeckung, die Licht in eine der schwierigsten, aber folgenschwersten Zweige der Naturwissenschaft zu bringen vermag, ignoriert oder sind absprechend darüber hergefallen. Kein Wunder! Die Geschichte der Entdeckungen zeigt, daß neue Tatsachen noch jedesmal von der Wissenschaft bekämpft wurden. »Man freut sich nicht, neue Erscheinungen zu sehen, im Gegenteil, sie sind oft peinlich,« sagt Virchow. – Das ist leider richtig. Aber wenn jemand von neuen Tatsachen peinlich berührt wird, dann ist er wahrlich nicht in der Geistesverfassung, die dem Forscher ziemt. So haben diese Leute schon vieles verworfen, was sie später anerkennen mußten, sind aber an dieser Blamage nicht zugrunde gegangen. Auch zu Harveys Zeiten riefen die Ärzte und Professoren zu ihrer eigenen Schande: »Wir wollen lieber mit Galen irren, als mit Harvey an den Blutkreislauf glauben.« So wird auch die Homöopathie von der großen Mehrheit der Universitätsprofessoren ohne weitere Untersuchung unbedingt verworfen. Damals gaben die Gegner des Kreislaufes wenigstens zu, daß sie möglicherweise irren könnten; später aber erklärten Männer wie Clarus und Wagner in Leipzig ganz aufrichtig: »Wir haben zwar weder Muße noch Lust, die Homöopathie zu lesen und zu prüfen, erklären uns aber als entschiedene Gegner derselben.« Dies redet Bände über die beklagenswerte Art, wie unsere älteren Ärzte sich zu neuen Errungenschaften der Heilkunde zu stellen pflegen, und ist ein deutlicher Beweis, daß es den sog. Männern der Wissenschaft nicht um Konstatierung der Wahrheit, sondern um Wahrung ihrer materiellen Interessen zu tun ist. Auch die Wissenschaft hat ihre Kapuziner! – Könnte die Schulmedizin auf ihre Leistungen am Krankenbette wenigstens mit Stolz blicken, so wäre ein derartiges Gebaren noch einigermaßen erklärlich; aber eine Heilmethode, die alljährlich Tausende von Kindern und Erwachsenen an allen möglichen Krankheiten zugrunde gehen läßt, die den Epidemien so gut wie ratlos gegenübersteht, die notorisch keinen Husten, keinen Schnupfen, nicht einmal einen Zahnschmerz kurieren kann, ja die Krankheiten todbringender gemacht und vermehrt hat – wir erinnern nur an den Morphinismus, die Quecksilberkachexie, die Baldrianneuralgie, den Jodmarasmus, das Chinasiechtum, die Salicylherzkrankheiten, die Salvarsanschäden und vieles andere, – die sollte doch einen bescheideneren Ton anschlagen und jede Neuerung mit Freuden begrüßen, in der die Anzeichen einer Besserung liegen. Davon geschieht aber gerade das Gegenteil; und da die erste Bedingung einer Besserung in der Erkenntnis unserer Fehler liegt, so scheint das von seinen Professoren irregeführte Publikum auf eine Besserung der Verhältnisse noch lange warten zu müssen. Baron von Hellenbach hat demnach wohl recht, wenn er die Herren Professoren und Brotgelehrten im großen Durchschnitt als einseitig gebildete, anmaßende und eitle Menschen bezeichnet, denen man mit weit größerem Rechte Unwissenheit als Gelehrsamkeit zuerkennen muß, und von deren dominierendem Einflusse die öffentliche Meinung zu emanzipieren, die Pflicht jedes mutigen und unabhängigen Mannes ist. – Unsere Universitäten sind mittelalterliche, den Anforderungen der Neuzeit nicht mehr entsprechende, sich längst überlebt habende Institutionen, die jedem gedeihlichen Fortschritte mehr hinderlich als förderlich sind. So hält man, sagt Dr.  Carl du Prel, von den Köpfen der medizinischen Jugend gerade jene Vorstellungen fern, von denen ein Aufblühen der Heilkunde erhofft werden könnte; sie werden zu einem Apriorismus heranerzogen, der für neue Ideen unempfänglich macht und sie zu keinem Urteil darüber kommen läßt, weil man ihre Gehirne mit Vorurteilen anfüllt. Dieser Apriorismus aber müßte schließlich, wenn ihm nicht Einhalt getan wird, zu einer wahren Gehirnsteifheit führen, die man alsdann, euphemistisch wohl, als den höchsten Grad »kühler Objektivität« preisen würde.
Seit dem warmen Eintreten Geheimrat Biers für die Homöopathie hat sich ja vieles geändert. Bier war es, der 1925 den Stein ins Rollen brachte durch seine Arbeit: »Wie sollen wir uns zur Homöopathie stellen?« Die darauffolgende Diskussion führender Wissenschaftler ließ erkennen, daß auch in »schulmedizinischen« Kreisen allmählich der wahre Wert der Homöopathie entdeckt wird. Diese Arbeiten für und gegen Homöopathie wurden in einem Buche von Dr.  Reinhard Planer: »Der Kampf um die Homöopathie« (Verlag Dr. Willmar Schwabe, Leipzig O 29) gesammelt und bilden ein wichtiges Dokument in der Geschichte der Homöopathie. Originell und die Sachlage treffend bezeichnend ist ein Satz, den Geheimrat Bier auf einer wissenschaftlichen Tagung in Berlin, 1928, zu seinen Kollegen sprach: »Sie, meine Herren, halten mich wegen meines Eintretens für die Homöopathie für senil. Ich will es Ihnen aber sagen, woran es liegt: Sie haben Scheuklappen!« –
Durch die Schaffung des Lehrstuhls für Homöopathie an der Universität Berlin, von dem herab ab Herbst 1928 Vorlesungen gehalten werden, ist ein weiterer Schritt nach vorwärts getan. Was noch fehlt, ist die Schaffung eines homöopathischen Krankenhauses, auf das Millionen Anhänger der Homöopathie ein Recht haben.
Der Naturforscher und Arzt soll vor allem vorurteilsfrei sein und sich nichts entgehen lassen, was seine Erkenntnis zu verbessern oder zu erweitern vermag. Hierdurch gelangt er zu dem, was der verstorbene ausgezeichnete Mathematiker Riemann als »Ergänzung und Verbesserung des Begriffssystems« bezeichnete. – Durch diesen Prozeß, das Begriffssystem dem Unerwarteten oder Unerklärlichen anzupassen und demgemäß zu erweitern, sagt Riemann mit Recht, »wird unsere Auffassung der Natur allmählich immer vollständiger, geht aber zugleich immer mehr hinter die Oberfläche der Erscheinungen zurück«.
. Es ist die Erzeugungskraft aller jener physiologischen Erscheinungen, die man Lebensmagnetismus nennt. Legt man einen Bergkristall horizontal über eine Tischecke, so daß die beiden Enden frei hervorstehen, und führt eine sensitive Person die linke innere Handfläche dem Kristalle auf einige Zoll zu, so wird ein feiner, kühler Hauch der Hand entgegenwehen; es ist dies das odnegative Ende oder der Kopf des Kristalls, dem im Dunkeln ein bläuliches Licht entströmt. Der andere Teil oder das Fußende des Kristalls wird von derselben Hand lauwidrig oder odpositiv empfunden und erglüht in gelblichem Lichte. Hält man in der Dunkelkammer die gleichnamigen Pole zweier Kristalle auf kurze Entfernung gegeneinander, so nimmt man wahr, wie sich die Odflammen nach den entgegengesetzten Polen zurückziehen und sich gleichsam umstülpen.

Die odpolaren Tätigkeitsäußerungen der Kristalle schließen sich ganz unmittelbar an die odpolaren Tätigkeiten in der organischen Natur an und bilden ein hochwichtiges Verbindungsglied zwischen der anorganischen und der organischen Welt, zwischen der ersten plastischen Anordnung der Materie und dem plastischen Zustandekommen von Gebilden, die den zusammengesetzten Kräften gelingen, deren Resultate wir mit einem Kollektivbegriffe die Lebenskraft nennen. Die unbekannten polaren Kräfte, die einen Kristall aufbauen und ihm Maß und Form geben, rüsten ihn auch mit polarisiertem Ode aus, und dasselbe tun jene Kräfte, die ein lebendiges Gebilde, eine Pflanze, ein Tier konstruieren: sie statten es im ersten Beginn schon mit Odpolen aus; dort wie hier strömen diese Pole, solange das Gebilde dauert, positives und negatives Od aus.

Nach Reichenbach zeigt sich die ganze Natur von dem, was er unter der Bezeichnung von Od zusammenfaßt, durchdrungen, von seinen Erscheinungen erfüllt, von seiner Polarität geformt: die organischen Gebilde gehorchen seinen Gesetzen, die Kristallisation wird von ihm bedingt, und Pflanzen und Tiere sind ganz von ihm beherrscht. Der Mensch, der physische wie der psychische, ist durch und durch ein Gebilde, in dem der odische Dualismus als Koeffizient fungiert. Das polarisierte Od nimmt somit auch teil an dem Organisieren und hat demnach alle jene Fähigkeiten, die wir der Lebenskraft oder der Seele zuschreiben; nicht etwa im Sinne des veralteten Begriffes einer Lebenskraft, die auf gleicher Stufe mit den übrigen Kräften des Organismus steht, sondern als Unterlage unseres transzendentalen Wesens Die Existenz einer unserem transzendentalen Subjekte angehörenden, ätherischen Unterlage unseres Zellenleibes, die mit dem Akasa der Inder und dem Astralleibe des Paracelsus identisch ist, haben auch neuere Forscher nachgewiesen und sie Ätherleib oder Meta-Organismus genannt. Alle Systeme, sagt mit Recht Baron von Hellenbach, werden dieser Tatsache Rechnung tragen müssen oder aber an dem Widerspruche mit der Erfahrung zugrunde gehen! – Der Ätherleib dient dem Zellenorganismus als Schema, durch das wieder die Beständigkeit seiner morphologischen Gestaltung erklärt ist.. Unser Leib ist das Produkt der organisierenden Funktion jenes Wesens. – Daraus folgt, daß nicht von den physischen Zellen, sondern von ihrer ätheren Unterlage unser Befinden, Gesundheit und Krankheit, abhängt. – Von diesem allein richtigen Standpunkte lernen wir denn auch das homöopathische Heilverfahren, dem die Zweifelsucht die Frage entgegenstellt: Wie können unwägbare Arzneien überhaupt noch wirken? erst recht schätzen.

Diese Frage entspringt der materialistischen Denk- und Anschauungsweise, der auch die Mehrzahl der Ärzte, freilich zum größten Nachteile ihrer Patienten, huldigt. Der Materialist leugnet bekanntlich die Lebenskraft, weil er die Materie für die Ursache des Lebens hält. Er verwechselt, wie in vielen Punkten, auch in diesem, Ursache und Bedingung. Die Materie ist nicht die Ursache des Lebens, wohl aber die von selbst verständliche Bedingung einer materiellen Existenz. – Den besten Beweis für das Dasein einer über unser Bewußtsein hinausragenden und nur insofern unbewußten, geistigen Wesenshälfte, die sich als identisch zeigt mit dem den Körper organisierenden und beherrschenden Prinzip, der Lebenskraft, liefert die hypnotische Suggestion. Diese war schon den Schülern des gefeierten, wenngleich auch viel verleumdeten Dr.  Mesmer bekannt, ist aber heutzutage von neuem wieder entdeckt worden. – »Die Beeinflussung des Patienten durch Suggestion beweist am deutlichsten den Einfluß des Geistes auf den Körper, also den Primat des Geistes (womit der Materialismus auf den Kopf gestellt ist), sodann aber die Identität des organisierenden und denkenden Prinzips in uns; die Seele, von der modernen Physiologie verworfen, weil man sie nur dualistisch denken zu können meinte, wird nun auf monistischer Grundlage wieder in ihr Recht gesetzt werden. Die Tätigkeit der Muskulatur, der Atmung, des Herzens und der Gefäße, der Darmbewegung, der Sekretion des Schweißes, Urins und der Katamenien, sogar anatomische Veränderungen des Hautgewebes, wie Blasenbildung etc., dies alles kann suggestiv bewirkt werden und beweist den Primat des Geistes vor dem Körper Siehe Dr.  Carl du Prel, in der » Sphinx«, Jahrg. 1889, Bd. VIII, Seite 345-352. Äußerst interessant noch ist die detaillierte organische Beeinflussung des Patienten durch Suggestion, worüber besonders Hacke Tuke, Geist und Körper, und Bernheim, De la suggestion, Aufschluß geben.

Der Allopath führt nun zwar die vis naturae medicatrix im Munde, doch seiner Weisheit letztes Wort ist, daß der Mensch nur ein Aggregat von Chemikalien sei und daß Krankheiten nur geheilt werden können, wenn man in ihm, wie in einer Retorte, durch Apothekerquark chemische Prozesse anregt. Die Neuzeit hat freilich auch hier eine Wandlung zum Bessern geschaffen. Während Schopenhauer noch den Ärzten vorwerfen konnte, daß sie die Naturheilkraft leugnen, für ihre Leistungen sich aber bezahlen lassen, ist die moderne Medizin in Anwendung dieser Kraft immerhin schon ziemlich weit gegangen; ja man setzt sie bereits auf psychischem Wege, durch hypnotische Suggestion, in Tätigkeit. Man betrachtet also den Organismus nicht mehr als eine bloße Retorte, darin mit höllischen Latwergen chemische Experimente angestellt werden können.

Unsere bescheidene Aufgabe ist, die Naturheilkraft zu unterstützen, damit vermittelst dieser die Krankheit bekämpft werde und der Kranke genese. Hierzu bedürfen wir aber gerade äußerst feiner, über dem Chemismus stehender und somit an die Lebenskraft heranreichender Agentien. Sind doch auch die Ursachen aller Krankheiten, mit Ausnahme der künstlichen, durch mechanische Ursachen, Verletzungen oder Vergiftungen erzeugten, rein immaterieller Natur: atmosphärische Einflüsse und Gemütsaffekte. Wie sehr besonders die letzteren den Körper zu alterieren vermögen, ist allbekannt. Der Kummer macht die Träne fließen, Ekel und Abscheu erregen Übelkeit und Ohnmachtsanwandlungen, die Lüsternheit nach einer Speise vermehrt die Speichelabsonderung und Angst erzeugt Herzklopfen, während sie zugleich von Diarrhöe und Schweißabsonderung begleitet zu sein pflegt. Besonders ist der Schreck ein Seelenakt, der sich im innigsten Konnex mit einer starken positiven Odentwicklung durch den ganzen Leib darstellt und daher unter anderem auch Krampfanfälle und Lähmungen verursachen kann. So vermögen Gemütsaffekte jeder Art, besonders Schreck, Angst, Furcht, wie andererseits atmosphärische Verhältnisse die Lebenskraft zu beeinflussen, ihre Widerstandsfähigkeit herabzumindern und somit den Organismus für schädliche Agenzien, Miasmen oder Kontagien empfänglich zu machen. – Demnach erklären Bazillen und andere pathogene Mikroorganismen, wenngleich diese zum Verständnisse gewisser Krankheitsprozesse notwendig sind, niemals allein den Prozeß selbst. Ihm gehen vielmehr Veränderungen voraus, die aber nicht, wie Virchow irrig behauptet, die Zelle zunächst, sondern ihre ätherische Unterlage erleidet Daß nicht die Zelle als letztes physiologisches Element, als Lebensbedingung, bezeichnet werden kann, geben auch Forscher zu, die sonst stark im materialistischen Fahrwasser segeln. So erkennt auch Professor Preyer die Tatsache an, daß es einzellige Wesen gibt, die in Stücke zerschnitten werden können, ohne daß die Teile aufhören, die Lebenserscheinungen des Ganzen zu zeigen. Daraus folgt, daß die Zellen unmöglich als die letzten, bzw. ersten Zentren des Lebens angesehen werden können, daß wir also zu seiner Erklärung weiter zurückgehen müssen auf die sie konstituierenden organischen Moleküle und die ineinanderspielenden und ihnen innewohnenden immateriellen Kräfte. – Auch der geniale Forscher und Kliniker, Prof.  Kraus, Berlin, erkennt den »Elektrolytturgor«, das Kräftespiel der Ionen im Zellorganismus, als das Wesentliche an.. Diese jeder Ansteckung vorangehenden Veränderungen in den odpolaren Tätigkeiten unseres Körpers erklären zugleich das, was man dunkel Prädisposition nennt. – Je mehr nämlich die auf seiten der Gesundheit stehende Odnegativität des Körpers sich herabmindert, desto mehr tritt der auf seiten der Odpositivität stehende Chemismus, der größte Feind des Lebens, in den Vordergrund. Hiermit ist die Empfänglichkeit für Ansteckungsstoffe gegeben. Kurz: es kann keine Krankheit in einem Organismus Platz greifen, in dem ein harmonischer Ausgleich seiner odpolaren Tätigkeiten oder ein normaler Rhythmus seiner Moleküle stattfindet, wie andererseits keine Genesung erwartet werden kann, ohne vorherige Wiederherstellung jenes Ausgleiches Die Jagd nach Mikroben zeigt, in welch verderblichem Aberglauben auch heute noch die Schulmedizin befangen ist, indem sie, die Lebenskraft mißachtend, die Mikroorganismen zum Objekte der Behandlung macht. Wenn man die von C.  Flügge (Die Mikroorganismen, Leipzig 1886) aufgeführten antiseptischen Chemikalien betrachtet, so sagt man sich, daß diese bei ernsthafter Anwendung den Kranken zunächst umbringen müssen, ehe sie die Parasiten töten. Das ist die Kurmethode des bekannten Dr. Eisenbart. Diese Erkenntnis hat sich in den letzten Jahren energisch durchgesetzt, so daß der bekannte Pharmakologe W. Heubner den Satz prägte: »Im allgemeinen sind bakterientötende Stoffe für die Zellen des Wirtsorganismus giftiger als für die Bakterien selbst..

Schon Plato gibt in seinem Philebos eine Erklärung von Wohl- und Übelbefinden, die uns seine tiefe Einsicht in die Natur der Empfindungen bewundern läßt; die merkwürdige Stelle lautet in getreuer Übersetzung: »Wenn das, was in einem tierischen Körper harmonisch sein soll, seine Übereinstimmung verliert, so entsteht für ihn sogleich die Gefahr der Auflösung und die Erzeugung von Schmerz; wird aber diese Übereinstimmung wieder hergestellt, so entsteht: Wohlbehagen oder eine angenehme Empfindung.«

Der harmonische Ausgleich der odpolaren Tätigkeiten bedingt das Wohlsein. Bei einem gesunden Menschen ist die Odnegativität vorwaltend, die dem tierischen Leben in ungleich stärkerem Maße innewohnt als dem pflanzlichen. (Je kräftiger, je voller, je flotter dieses Leben ist, desto höher erhebt sich in ihm seine Negativität. Und so ist mit der strotzendsten Gesundheit die größte odische Negativität verbunden. – Reichenbach.) Krankheit und Unwohlsein neigen dagegen zur Odpositivität. Doch sind die odischen Äußerungen in jedem der lebenden Individuen verschieden, ungefähr wie die Gerüche, die Geschmackseinwirkungen verschieden sind. Am auffallendsten zeigt sich der Kontrast bei Totem und Lebendigem.

Bei allem Toten hört die odpolare Spannung auf, die, wie dem Kristallisierten und dem Magnete, so auch dem Lebendigen angehört; sie muß sich lösen, wenn der Tod die Bande zerreißt, das Organische in ihm vernichtet.

Da nur durch Einwirkung auf die Lebenskraft, auf das die organischen Funktionen regulierende Prinzip, Krankheiten geheilt werden können, deshalb bedienen wir uns der äußerst feinen, durch methodisches Verdünnen ihrer stofflichen Eigenschaften möglichst entrückten, d. h. potenzierten Arzneikörper, deren Wirkung nach dem Gesetze der Polarität und des Rhythmus, oder, wie Hahnemann lehrt, nach dem »Ähnlichkeitsgesetze«, stattfindet. Das Gesetz des Rhythmus waltet, wie auch Spencer schon bewiesen hat (Grundlage der Philosophie, Kap. X), durch die ganze Natur, von den Sternen bis zum menschlichen Organismus.

Jeder Krankheit liegt ein anomaler Bewegungsrhythmus der organischen Moleküle zugrunde, der sich durch Krankheitssymptome äußert. Um nun Krankheiten zu heilen, lehrt Hahnemann: »Gib die Arznei in kleinster Gabe dem Kranken, die in starker Gabe bei Gesunden der zu heilenden Krankheit ähnliche Symptome erzeugt.« – Schon die Alten mutmaßten eine doppelte Wirkung der Stoffe, und Aristoteles lehrte (Metaphys., Liber I, C. 5), daß Gegensätze die Ursache aller Dinge seien. – Wie nun aber der Antagonismus großer und kleiner Arzneigaben, zwischen denen nicht wesentliche, sondern nur Gradunterschiede bestehen, in dem Gesetze der polaren Wechselwirkung und des Rhythmus seine Erklärung findet, werden wir im nachfolgenden darlegen. Jedenfalls ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß durch die homöopathische Zubereitung die chemisch-physikalischen, nämlich die krankmachenden Eigenschaften der Arzneien, sehr bedeutend abgeschwächt werden, wodurch diese aber in eine um so innigere Beziehung mit der ätherischen Unterlage des Zellenleibes treten, d. h. ungemein an therapeutischer Wirksamkeit gewinnen. »Wenn das Korn zu einer neuen Pflanze werden soll, da« – sagt der große Haller – »werden die sichtbaren Teile des Korns zerstört, die Hülsen verschwinden und verfaulen, das Häutchen bleibt zurück und vergeht, das Mark wird von der neuen Pflanze aufgezehrt, nur der unsichtbare, in dem Kerne liegende Keim bleibt allein lebend und entwickelt sich in ein neues und vollkommeneres Dasein.« – So zerteilt die Homöopathie das Sichtbare ihrer Arzneistoffe, damit die innersten, unsichtbaren Eigentümlichkeiten von ihnen sich desto freier mitteilen können, damit die verhüllte odische Kraftsphäre der Stoffe sich um so leuchtender entfalte. Denn wo das quantitative Element das qualitative bindet, da kann letzteres nur mit seinem etwaigen Überschusse noch wirken, während es in seiner Entbindung mit der ganzen Summe der Kraft wirkt, so daß eine solche (durch Potenzieren) aufgeschlossene Kraft von überraschender Wirkung ist und selbst noch die 30. Potenz eines Arzneimittels, bei spezifischer Reizempfänglichkeit, eine sog. » Erstverschlimmerung« verursachen kann.

Schon Paracelsus hielt den Arzneikörper nur für die äußere Hülle, worin das Arkanum immateriell enthalten sei. Nicht der Stoff, sondern die an ihn gebundene lebendige Tätigkeit ist das in ihm wirksame Arkanum – gleichsam die Seele des Arzneikörpers. Er sagt: »Was wir sehen, ist nicht die Arznei, sondern das Corpus, darinnen sie liegt; denn die Arcana der Elemente sind unsichtbar und des Menschen auch: das da sichtbar ist, ist das Äußere, das nicht dazu gehört. Arcana sind die Tugend und Kraft; Arcanum ist das, was unkörperlich ist und untödlich.« – Dieser geniale Mann, der seinen Zeitgenossen um Jahrhunderte voraus war, und auch den heutigen Rezeptierkopf mit seinem der Eckensteherphilosophie entlehnten Wahlspruche: »Viel hilft viel« gewaltig überragt, erkannte schon, daß in Krankheiten auf das Lebensprinzip eingewirkt werden müsse, das eine Kraft ist, die der Gravitation und den chemischen Kräften, denen die Leiche sofort unterliegt, Widerstand leistet; daß es mithin nicht die chemisch-physikalischen, dem Lebensprinzipe feindlichen Eigentümlichkeiten der Arzneikörper sind, sondern vielmehr die jenem verwandten, den letzteren innewohnenden immateriellen Kräfte, die das Heilbestreben der Natur unterstützen. Denn »nur Ähnliches vermag sich Ähnlichem anzupassen«. Dies sehen wir auch bei der odisch-magnetischen Behandlung.

Sehr wahr sagt daher Professor Eschenmayer in Tübingen, der schon damals (1834) die nahe Verwandtschaft der (odisch-) magnetischen Kraft und Homöopathie im Heilwesen erkannte: »Was der magnetische Arzt mit einigen Strichen ausrichtet, das leistet der homöopathische Arzt mit dem Minimum der Arzneigaben. – Es ist, wie Hahnemann sagt, eine geistartige Wirkung, und von dieser Art ist auch die magnetische Manipulation. Daher stehen sich diese beiden Methoden näher als es den Anschein hat. Der Magnetismus zentriert die Heilkraft bloß, damit sie nach ihrer eigenen Typik das Rechte finden kann und wird. Der Homöopath aber begünstigt die spezifische Richtung der Heilkraft, wodurch sie gleichfalls die Krankheit besiegt.«

Durch das Potenzieren, diese geniale Idee Hahnemanns, werden die Arzneikörper äußerst fein verteilt, wodurch sie unendlich an Oberfläche gewinnen, indem nunmehr Atome, die früher dem Innern des Körpers angehörten, mit dem umgebenden Mittel in Berührung treten und einen Teil der Oberfläche ausmachen. Damit nun diese in Wahrheit als eine physische oder wirksame hervortritt, muß man zu verhüten suchen, daß die einzelnen Teilchen miteinander in Berührung kommen, was dadurch bewerkstelligt wird, daß wir gleich anfangs den Arzneistoff mit einem hinreichenden Quantum eines indifferenten Körpers, z. B. Milchzucker als Mittelskörper oder Vehikel, vermengen und mit diesem innig verreiben. Bei den tropfbar flüssigen Körpern bedienen wir uns als Vehikel des Weingeistes oder Wassers.

Infolge dieser Zubereitung, argumentiert man, werden die Stoffteilchen unendlich feiner als die Lumina der Kapillargefäße, um von diesen Wurzeln unserer Ernährung aufgenommen und nach dem Gesetze der Polarität an jene Stellen abgesetzt werden zu können, wo Störungen stattfinden.

Nun ist von verschiedenen Seiten die Frage ventiliert worden, ob Metalle und feste Körper durch stundenlang fortgesetztes Verreiben mit unarzneilichen Stoffen zu einer von Stufe zu Stufe endlos fortschreitenden Zerkleinerung und gleichmäßigen Verteilung gelangen, wie Hahnemann behauptete. Diese Frage ist von Dr.  Wesselhoeft in Boston (siehe Zeitschrift des Berliner Vereins hom. Ärzte, IV. Band, Heft 2 und 3) eingehend, jedoch im verneinenden Sinne beantwortet worden. Dr. Wesselhoeft hat an verschiedenen festen Körpern (Blattgold, Holzkohle, Kupfer, Blei, Eisen, Quecksilber, Silicea u. a. m.) bis zur Evidenz nachgewiesen, und jeder gewandte Mikroskopiker kann sich von der Wahrheit leicht selbst überzeugen, daß die Teilbarkeit des Stoffes, von der man annahm, daß sie unendlich sei, ihre Grenzen hat. Die kleinsten Partikelchen eines viele Stunden verriebenen festen Körpers haben eine Dimension von etwa 1/3000 mm und sind noch zahlreich in der 3. und 4. Verreibung vorhanden. Diese Teilchen gelangen jedoch in den noch höheren Verreibungsstufen zu keiner ferneren Zerkleinerung, ihre Anzahl wird nur geringer, je weiter man die Verreibungen fortsetzt, so daß sie schon in der 7. Verreibung sehr spärlich und in den noch weiteren Verreibungen und Potenzen gar nicht mehr angetroffen werden, obgleich man noch viel kleinere Partikelchen, wenn vorhanden, wahrnehmen würde.

Neuerdings ist durch das kolloide Verfahren (Dr. Willmar Schwabes Collóopräparate) auch diese Beschränkung gefallen. Die homöopathischen Arzneimittel in kolloider Form sind ganz aufgeschlossen, was gerade bei schwerlöslichen oder unlöslichen Stoffen von Vorteil ist. Diese kolloide Form bietet also den Arzneistoff in feinster, eben kolloider Verteilung, wodurch er eine enorme Oberfläche erhält und restlos und leicht vom Organismus aufgenommen wird.

Wie nun aber die Kraft nicht dort anfängt, wo ihre Wirkungen sinnlich wahrnehmbar werden, so hört auch die Materie nicht dort auf, wo sie übersinnlich wird. Wer also von der nur die mikroskopische Grenze betreffenden Teilbarkeit der Stoffe ihre therapeutische Wirksamkeit abhängig machen wollte, ginge sehr fehl; denn diese reicht weit über die mikroskopische Grenze hinaus. Die Kraft ist nämlich nicht bloß Produkt der Masse allein, sondern auch der Geschwindigkeit. Nach Reichenbach wird durch Reiben und Schütteln Od frei gemacht, und zwar um so mehr, je größer die Geschwindigkeit ist, mit der das Reiben und Schütteln stattfindet. Wird nun noch, wie es bei der Zubereitung homöopathischer Arzneien geschieht, der Stoff durch sukzessives Verdünnen sehr bedeutend verteilt, dann vermehrt sich die molekulare Geschwindigkeit ungemein, wodurch, wie aus den Untersuchungen von Crookes und Jäger hervorgeht, sehr hohe Kraftbeträge erzielt werden können.

So lehrt denn auch die auf vielfache Beobachtung gestützte Erfahrung, daß wir noch mit undenkbar feinen homöopathischen Arzneigaben, die sich für unsere Sinne bereits in bloße Kraft verflüchtigen zu wollen scheinen, erstaunliche Heilerfolge erzielen; ja daß viele sonst indifferenten Stoffe, wie Kochsalz, Kohle, Graphit, Lycopodium, in höheren Verdünnungen erst ihre Heilkräfte entfalten. Wie die Fixsterne nur bei Sonnenuntergang erscheinen, ebenso treten auch die Heilkräfte der Stoffe dann um so wirksamer hervor, wenn letztere bis zur äußersten Grenze ihres Seins zurückgedrängt worden sind Es gibt Vorgänge in der Natur, die nur auf ihre negative Größe zurückzuführen sind. Hiervon war, schon lange vor Hahnemann, einer unserer größten Denker, Immanuel Kant, überzeugt. Er schrieb deshalb eine Abhandlung mit der Überschrift: »Versuch, den Begriff der negativen Größe in die Weltweisheit einzuführen.« Hier sagt nun Kant: » Ein jedes Vergehen (Aufhören zu sein) ist ein negatives Entstehen, d. h. es wird, um etwas Positives, was da ist, aufzuheben, ebensowohl ein wahrer Realgrund erfordert, als um es hervorzubringen, wenn es nicht ist.« Die auch noch heute manchmal von geistigen Nachzüglern vertretene Ansicht, daß die Wirkungen homöopathischer Arzneien auf die Phantasie zurückzuführen seien, ist im Hinblick auf die mit diesen bei Tieren erzielten Heilerfolge als jedenfalls verfehlt zu betrachten. Entweder besitzen die Tiere zu viel Phantasie oder unsere Gegner zu wenig.. Es ist dies eine Tatsache der Erfahrung. Wo aber Kräfte sich kundgeben, da muß auch eine stoffliche Unterlage vorhanden sein, denn Kraft und Stoff lassen sich getrennt nicht denken, beide sind nur verschiedene Seiten eines Urgrundes der Dinge; ihre Unterscheidung läßt sich nur begrifflich vollziehen Der Dualismus von Kraft und Stoff führt zu Widersprüchen und ist, wenigstens innerhalb des Materialismus, nicht auflösbar. Sehr treffend sagt Droßbach: »Ist der Stoff das Wirkende, so ist die Kraft überflüssig, und ist er das Wirkende nicht, dann kann er nicht wahrgenommen werden und trägt nichts zu unserem Wahrnehmen und Erkennen bei; die Unterscheidung von Kraft und Stoff ist dann unzulässig.«. In dem Ode vermischen sich Stoff und Kraft, das Physische und das Psychische, in der Weise, daß eine einheitliche Durchdringung beider zum Vorschein kommt. Die vermöge des Potenzierens in die odische Kraftsphäre oder in das Ätherische Schon der berühmte Giordano Bruno kennt vier Dichtigkeitszustände der Materie: das Feste, das Flüssige, das Gasförmige, das Ätherische. – Bruno, De umbris idearum, Art. VII. ( Gfrörer, op. lat. 303.) hinübergeführte Arznei hat demnach immer noch eine, wenngleich den chemischen Gesetzen und der mikroskopischen Untersuchung entrückte, stoffliche Unterlage, ein teilweise materielles Substrat, das aber um so wirksamer ist, je mehr es nun an jene Kräfte heranreicht, die den Körper aufbauen und seine organischen Tätigkeiten regulieren. – Daraus folgt, daß die therapeutische Wirkung der Arzneien nicht sowohl von ihren Quantitäten als vielmehr von ihren Qualitäten abhängt. Hierzu kommt nun noch ein anderes wichtiges Moment: die Modalität. Darnach steht nämlich jeder bekannte Stoff mit seinen Quantitäten und Qualitäten in Beziehung zu seiner Umgebung.

Die Beziehungen, die eine Arznei zum Organismus hat, erfahren wir zunächst durch ihre Prüfung an Gesunden. Diese, mit massiven Arzneigaben angestellten Prüfungen, bestärkten Hahnemann in seiner Ansicht von der doppelten Wirkung der Arzneien und führten zu dem Grundprinzip aller Heilkunst: zu dem Ähnlichkeitsprinzip. – Denn das »Similia similibus« ist nur ein Wegweiser für den Krankenheiler. Es dient zur Auffindung des Heilmittels und resultiert aus der Beobachtung bestimmter vitaler Erscheinungen, die durch arzneiliche Einwirkungen nach dem Gesetze der Polarität und des Rhythmus zustande kommen. Dieses erfüllt und beherrscht alles Lebende, was schon die odische Polarität der Kristalle beweist. Am tiefsten aber greifen die odpolaren Tätigkeiten im tierischen Organismus ein.

Hier erschließt sich dem Forscher ein unermeßliches Wissensgebiet. Nach von Reichenbachs scharfsinnigen Untersuchungen ist der Mensch ein dreifach odpolares Wesen: nach der Breite, nach der Quere und nach der Länge. Vorn, links und unten sind wir odpositiv; hinten, rechts und oben sind wir odnegativ. Am stärksten finden wir den odischen Dualismus in der Breitenachse ausgeprägt. Da nun jede der verschiedenen Arzneien, ähnlich den einfachen Körpern, verschiedene odische Kapazität besitzt – es scheint, als wären alle Stoffunterschiede nur eine Verschiedenheit des Bewegungsrhythmus der »Atome« –, so finden wir von Bönninghausens interessante Angabe bestätigt, daß eine große Anzahl homöopathischer Mittel eine gewisse Neigung zu Affektionen der linken Körperseite, andere wieder mehr zu Leiden der rechten Körperseite äußern. Die genannten drei Hauptachsen schließen jedoch noch eine große Menge von subordinierten Unterachsen ein, so daß jede Zelle, jedes Molekül als Träger eines positiven und eines negativen Poles in bestimmter polarischer Beziehung steht zu seiner Umgebung und zum Ganzen, dem es angehört. Auf das Wesen der Molekularbewegungen und der polarischen Bildungsbewegungen näher einzugehen, würde uns zu weit führen, daher verweisen wir auf das, was von Reichenbach (Der sensitive Mensch, Bd. II, Seite 511 u. f.) darüber gesagt hat. Es ist möglich, daß eine Zeit kommt, wo man alle Oderscheinungen unter das gemeinsame Prinzip der Molekularbewegung bringen wird; doch wird das Ergründen der letzten atomistischen Vorgänge für uns ewig ein vergebliches Suchen bleiben, man wird zuletzt immer auf ein unbegriffenes Residuum stoßen. Aus dem bisher Erörterten ersehen wir jedoch, daß die organischen Funktionen sowohl, wie auch die Wirkungen der Arzneien auf diese, in dem Gesetz der Polarität und des Rhythmus ihre Erklärung finden. Krankheit ist anomaler Bewegungsrhythmus der organischen Moleküle. Heilen heißt den anomalen Rhythmus der Moleküle durch Umkehrung in normalen umwandeln. So gelangen wir nun zu der bisher vergeblich gesuchten Lösung eines interessanten Problems: nämlich zur Beantwortung der Frage nach der Wirkungsweise der homöopathischen Arzneimittel.

Unter Umkehrung verstehen wir Drehung der anomalen Lagerung der Teile in die normale, wobei negative und positive Pole ihre Stellung zueinander vertauschen. – Jeder Krankheitserreger macht seinen Angriff auf die physische, den chemisch-physikalischen Kräften zugewandte Seite des Organismus, also auf die Zellen und Zellenelemente. Gelingt es ihm, diese in einen anomalen Bewegungsrythmus zu versetzen, dann entsteht Mißbehagen oder Krankheit. Verabfolgen wir nun ein Arzneimittel in kleinster Gabe, das in großen Gaben der Krankheit ähnliche Symptome, d. h. einen ihr ähnlichen oder möglichst gleichen Dr.  Groß in Jüterbog erklärte sogar in der Allg. Hom. Ztg., Bd. II, Nr. 9, daß der homöopathische Grundsatz »similia similibus« nur ein Notbehelf sei, wenn nichts Besseres zu Gebote stände; daß unser Bestreben darauf gerichtet sein müsse, simillima zu finden, und daß – wenn diese gefunden wären! – der Grundsatz »aequalia aequalibus« der einzig richtige sei. – Doch ist es logisch und physisch längst erwiesen, daß es nichts Gleiches in der Welt gibt noch geben wird. Rhythmus der Teile bei Gesunden erzeugt, dann vermag das Mittel jetzt nicht mehr von der physischen Seite des Organismus aus einzuwirken, weil es hier bereits den ihm selber zugehörigen Bewegungsrhythmus antrifft und gleiche Pole sich abstoßen. Es muß nunmehr von der andern Seite, von der ätherischen Unterlage der Zelle aus, einwirken. Beide Wirkungen begegnen sich in entgegengesetzter Richtung und heben sich daher, durch Umkehrung nach der physischen Seite hin, auf. Hierdurch wird zugleich die Tatsache erklärt, daß die Arznei im allgemeinen um so wirksamer ist, je mehr sie sich durch Potenzieren der ätherischen Unterlage, dem regulierenden Prinzip des Zellenleibes, nähert, wenngleich dieser der ersteren an Materialität unendlich überlegen ist.

So besitzen wir denn, lange vor Kochs Entdeckung der Krankheitserreger, in den homöopathischen Arzneipotenzen die besten und bewährtesten » Gesundheitserreger« und kennen nunmehr auch ihre Wirkungsweise jenen gegenüber. – Die Kochsche Entdeckung hat, indem sie die Nutzlosigkeit, ja offenbare Schädlichkeit des antiseptischen Verfahrens dartat, den Wert der Homöopathie erst recht kennen gelehrt.

Bei manchen Infektionskrankheiten gelingt es freilich nicht, vor Ablauf eines bestimmten Zeitraumes den normalen Zustand wiederherzustellen. Es scheint, als haben gewisse Krankheitserreger im Organismus eine bestimmte Stadien durchlaufende »Energiedauer«, z. B. die Typhusbazillen. Doch auch diesen gegenüber weist die Homöopathie die anerkannt besten Resultate auf, indem sie, durch Bekämpfung der hervorragenden Krankheitssymptome, die Lebenskraft erfolgreich unterstützt. Daß dieses der einzig richtige Weg ist, dafür liefert unter anderem die homöopathische Behandlung der Cholera den glänzendsten Beweis. Auch die Prof.  Kochsche Methode: Bekämpfung der Tuberkulose durch Bazillen- oder Stoffwechselprodukte, beruht auf dem Ähnlichkeitsprinzip oder Polaritätsgesetze. Die starken Gaben des sehr energisch wirkenden Mittels und seine Anwendung als Injektion, haben freilich der erwarteten neuen Ära ein unerwartet schnelles Fiasko bereitet. – Koch ist, wie Prof.  Jäger treffend bemerkt, bei seinen Forschungen nicht nur in die Homöopathie hineingeraten, sondern sogar noch über sie hinaus, in die Isopathie, die bis vor kurzem als Gipfel homöopathischen Unsinns von der Schulmedizin betrachtet wurde.

So sind für die Wahrheit der Homöopathie neue Beweise erbracht worden, und auch die von ihren Gegnern viel bespöttelten minimalen Arzneidosen haben, durch die neuesten Entdeckungen auf dem Gebiete der exakten Naturforschung, eine wissenschaftliche Begründung gefunden. Denn gedenken wir der Tatsache, daß die moderne Naturwissenschaft selbst sich genötigt sieht, das Leben in die Moleküle zu verlegen Preyer, Erforschung des Lebens. – Fischer, Prinzip der Organisation., mithin das Organisierende ein dynamisches System von Kräften ist, so erscheint es selbstverständlich, daß auf jenes nur mit solchen Mitteln zweckmäßig eingewirkt werden kann, wie sie die Homöopathie, die eine wahrhafte Molekulartherapie ist, anwendet. – Jeder, der sich noch nicht in der Sackgasse des wissenschaftlich bereits überwundenen Materialismus verrannt hat, wird hiernach den Wert unserer übersinnlich feinen, dafür aber auf das metaphysische Formalprinzip, dessen Produkt eben der Leib ist, wirkenden homöopathischen Arzneipotenzen zu schätzen vermögen.

Die Homöopathen nehmen bekanntlich einen Teil der Urtinktur einer Arzneisubstanz zu 9 Teilen Weingeist oder destillierten Wassers, schütteln diese Mischung tüchtig durch und gewinnen so die 1. Potenz. Hiervon einen Teil zu 9 Teilen Weingeist gibt die 2. Potenz usf. Sollte nun in dieser Weise fortgefahren werden bis zur 30. Potenz, dann würde man, die Decimalskala beibehaltend, den quintillionten Teil der Urtinktur erhalten Dem homöopathischen Arzte steht jede Arzneipotenz zu Gebote, doch hat die Erfahrung gelehrt, daß viele Arzneien in höheren Potenzen wirksamer sind als in tiefen.. Die unlöslichen Stoffe, z. B. Schwefel, Kohle, Platinum, werden zunächst äußerst fein pulverisiert und dann in dem Verhältnis von 1:9 mit Milchzucker 1 Stunde lang innig verrieben, und von dieser 1. Verreibung (oder Trituration) wird nun in gleicher Weise die 2., 3. bis 6. angefertigt und von dieser letzteren Verreibung die ferneren Potenzen oder Verschüttelungen mit gewässertem Weingeist oder destilliertem Wasser hergestellt. – Wir bedienen uns hier absichtlich des Wortes Potenz oder Verschüttelung, nicht aber Verdünnung. Denn Verdünnen heißt, etwas durch Hinzutun eines indifferenten Stoffes in seiner Kraft schwächen, während Potenzieren das gerade Gegenteil bedeutet. Zwar werden hierbei die Stoffe derartig verteilt, daß sie für unsere Sinne, die bekanntlich nur durch atomistische Stoffanhäufungen von ungeheurer Dichtigkeit affiziert werden können, unwahrnehmbar sind, dafür aber um so zweckmäßiger auf die ätherische Unterlage des Zellenleibes einwirken. Denn die Wirkung einer jeden Kraft ist sehr verschieden, je nach der Qualität des Gegenstandes, auf den sie gerichtet ist. Ein Lichtstrahl auf der Retina bringt andere Wirkungen hervor als auf einer Mauerwand. Demnach kann nur da, wo es sich um therapeutische Zwecke, also um Einwirkungen auf die Lebenskraft handelt, von unseren Arzneipotenzen die Rede sein. In diesem Sinne sagt schon William Maxwell, ein Schüler Fludds, in seiner Schrift: De medicina magnetica. Frankfurt 1679, Buch II, Aph. 7: »Wenn du Großes wirken willst, so entkleide die Dinge so viel als möglich ihrer Körperlichkeit.«

Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß zur Bereitung einer jeden Potenz 5 g Weingeist genügen; was, um die 30. Potenz herzustellen, 30mal 5 g oder 150 g Weingeist, so viel also als 1 Obertasse voll, beträgt. Unsere Gegner, die bekanntlich nie um schlechte Gründe verlegen sind, wenn es darauf ankommt, die Homöopathie zu bekämpfen Es ist schon häufig die Behauptung aufgestellt worden, daß neue Entdeckungen immer erst dann anerkannt werden, wenn vorher alle schlechten Gründe, die überhaupt nur möglich sind, dagegen vorgebracht und bekämpft worden sind. Wenn das wahr ist – und die Geschichte der Wissenschaften beweist es –, so steht es sehr gut um die Sache der Homöopathie; denn wahrlich, die Anzahl der einfältigen Einwürfe, die gegen sie schon vorgebracht wurden, ist bereits Legion, und so wird der Vorrat bald erschöpft sein. Sonst wäre es nicht möglich, daß man an Stelle wissenschaftlicher Gegengründe bereits zu Verleumdungen und Lügen greift., sagen nämlich: »Der Homöopath braucht nur einen Tropfen Arznei ins Weltmeer zu gießen und seinen Patienten davon täglich einen Teelöffel voll einnehmen zu lassen.« Doch sieht wohl jeder Verständige ein, daß es etwas anderes ist, die Arznei in einem Glase voll Flüssigkeit durch allmähliches Verdünnen zu verteilen, und wieder etwas anderes, sie in ein Weltmeer voll Wasser zu schütten. Hier ist nämlich der Paralogismus deutlich, daß der Tropfen seine quantitative Kohärenz in sich nicht aufgibt, sondern vielmehr mit der großen Masse vermehrt, so daß das qualitative Element in seiner Wirkung am Ende zu Null wird. Wird hingegen der Tropfen zur atomistischen Grenze zurückgeführt, so verschwindet die quantitative Kohärenz, dafür aber wird das dem Heilzwecke entsprechende, qualitative Element völlig frei.

Eine sehr geistreiche Hypothese, die in der Hauptsache ebenfalls mehr auf ein Entfalten der Wirkung, als auf Potenzieren hinausläuft, stellt Rummel auf. Er sagt: Da die Expansivkräfte sich mehren, je mehr sich die Kohäsion mindert, dürfte man schließen: was den Zusammenhang lockere, werde die dem Stoffe eigentümlichen, über seine Grenze hinausreichenden Tätigkeiten vermehren. Reiben und Schütteln schwächen offenbar den Zusammenhang; sie werden also auch als Mittel dienen, die schlafenden Kräfte zu wecken. – Das Eigentümliche ändert sich nicht durch die Verkleinerungen, es tritt nur um so offener, reiner, wirksamer hervor, je mehr durch die Bereitung die allgemeinen, chemischen und physikalischen Eigentümlichkeiten des Stoffes geschwächt werden und zurücktreten.«

Schließlich wollen wir noch einer irrigen Behauptung von Liebigs gedenken. Dieser große Chemiker, der unter anderem auch das Paradoxon aufgestellt hat, daß alle Kraft im Organismus aus dem Chemismus stamme, sagt in seinen chem. Briefen: »Die Behauptung der homöopathischen Ärzte, daß durch Verdünnen der Stoffe die Kraft zunehme, ist ein grober Verstoß gegen die bekannten und ausnahmslos geltenden Naturgesetze.« Hier tritt der grobe Unfug, den man heutzutage mit den Naturgesetzen treibt, dessen sich auch Liebig in leichtfertiger Weise schuldig gemacht hat, um die Unmöglichkeit der Homöopathie zu beweisen, deutlich hervor.– Nicht die Naturgesetze, sondern die Naturkräfte sind die Ursache aller Erscheinungen. Die Naturgesetze sind menschliches Machwerk und nur als etwas Vorläufiges zu betrachten, das jede neue Erfahrung umstoßen kann. Dem Forscher, dem der Fortschritt am Herzen liegt, steht daher kein Veto gegen neue Tatsachen zu, sondern vielmehr die Verpflichtung, sich ihnen anzupassen. Das für Liebig als ausnahmslos geltende Naturgesetz, das er gegen die Homöopathie schleudert, erleidet schon bei chemischen und physikalischen Vorgängen mancherlei Ausnahmen, findet aber da, wo es sich um Einwirkungen auf die Lebenskraft, das denkbar feinste Reagens handelt, durchaus keine Anwendung. – Ist die Krankheit, die Lebensstörung, wie Hahnemann richtig behauptet hat, was ja auch Virchow zugibt, ein dynamischer Vorgang, der nur an den Symptomen, den Lebenserscheinungen, erkannt wird, dann sind Heilmittel, deren Wirksamkeit man nach Gewichtseinheiten bemessen will, geradezu zweckwidrig.

Somit wäre die Schwierigkeit und vermeintliche Unmöglichkeit einer Erklärung, sowohl der Wirksamkeit übersinnlich feiner homöopathischer Arzneigaben, als auch des von Hahnemann auf dem Wege des wiederholten und exakten Versuchs gefundenen »similia similibus« eine Schwierigkeit, die viele irrtümlich mit der Unmöglichkeit der Sache verwechselt haben, beseitigt. Übrigens ist die Erklärung der Tatsache gegenüber von untergeordneter Bedeutung. Wir können uns auch den mineralischen Magnetismus nicht erklären, und doch brauchen wir den Kompaß zur Seefahrt; wir wissen nicht, was Elektrizität ist, und doch verwenden wir diese Kraft in der modernen Kultur. Besser als jede Erklärung ist ein kräftiges Fortschreiten auf dem Wege der Tatsachen. Jeder, der einen praktischen Versuch mit homöopathischen Mitteln macht, wird über ihre schnelle und präzise Wirkung erstaunt sein. Viele freilich, besonders die große Zahl wenig belehrungsfähiger deutscher Mediziner, scheuen den Versuch und beharren bei ihren Vorurteilen, denn niemand ist so blind wie der, der nicht sehen will! –

Die alte, abgedroschene, doch immer von neuem auf die Tenne der Konversation gelegte Redensart: »Was nichts schadet, kann auch nichts nützen« ist ebenso einfältig wie gedankenlos. Wir sehen überall in der Natur, daß, wo die Reizempfänglichkeit (Rezeptivität) gesteigert ist, auch die geringsten ihr entsprechenden (spezifischen) Einflüsse von großer, ja erstaunlicher Wirkung sein können. So genügt beispielsweise bei Lichtscheu, einem Symptome der Augenentzündung, nur ein einziger Lichtstrahl, um das kranke Auge empfindlich zu affizieren, während das gesunde Auge ein Meer von Licht mit Behagen verträgt. – Ein entzündetes Ohr leidet oft nicht den leisesten Schall, während es im gesunden Zustande betäubenden Lärm überwindet. – Der Fieberkranke erbricht sich nicht selten von dem bloßen Geruche einer in gesunden Tagen tassenweise genossenen Fleischbrühe. – Der mit Rheuma Behaftete verspürt die geringste Zugluft, die aus einer kaum sichtbaren Türspalte strömt, während der Gesunde nichts davon wahrnimmt. – So schreibt der berühmte Hufeland etwa folgendes: Es gibt ein Reagens, das feiner ist als die feinsten chemischen Reagentien, und das ist das Reagens des lebenden menschlichen Körpers. Das, was wir Reizbarkeit oder Erregbarkeit des Organismus nennen, ist durch eine Menge Einflüsse und Agentien affizierbar, die mit der gewöhnlichen Chemie gar keine Berührungspunkte und folglich auch keine – Existenz haben. Noch höher kann diese Empfänglichkeit steigen, wenn der Organismus sich im kranken Zustande befindet; und ich bin überzeugt, daß man manchen Kranken, besonders manchen Nervenkranken, als wahren Mikrometer für diese Untersuchung der Natur betrachten und benutzen könnte und sollte.

Seit Hufeland sind mehr als 100 Jahre verflossen, und über 70 Jahre, seit von Reichenbach sein umfangreiches Werk: »Der sensitive Mensch und sein Verhalten zum Ode« veröffentlichte. Mitglieder der Pariser medizinischen Fakultät haben Versuche in bezug auf Nervenreizbarkeit bei hypnotisierten Personen angestellt und wahrhaft erstaunliche Resultate erzielt. Dr.  Luys bewies, daß Substanzen, wie Strychnin, Arsenicum, Veratrin, in festverschlossenen Glasröhrchen, in bloße Berührung mit dem Körper hypnotisierter Personen gebracht, bei diesen jene charakteristischen Symptome hervorrufen, wie sie nur durch Verschlucken der betreffenden Substanzen erzeugt werden können. So rief ein mit Alkohol gefülltes Gläschen, auf die Haut appliziert, schon nach 8 Minuten die charakteristischen Erscheinungen der Trunkenheit hervor, die aber sofort schwanden, als das Gläschen, dessen Inhalt sämtlichen Beteiligten unbekannt geblieben war, entfernt wurde. Dr.  Luys beobachtete, daß die angewandten Substanzen ihre Fernwirkung nicht nur auf die Gehirntätigkeit allein ausüben; sie beeinflussen vielmehr den Gesamtorganismus und bewirken ungeahnte Eindrücke auf Herz- und Atmungsfunktionen. Es handelt sich hier, wie Dr.  Rozer sehr richtig bemerkt, nicht mehr um hypnotisierbare Personen, sondern um solche, die vergiftet werden können durch eine Substanz, die in ihren Körper nicht eindringt und nichts an Gewicht verliert. – Was sagen die Gegner der Homöopathie zu dieser Entdeckung, die in den betreffenden Kreisen das größte Aufsehen hervorrief? Hoffentlich wird diese dazu beitragen, daß auch von den Augen der die homöopathischen Mittel für »Nichtse« ansehenden Medizinprofessoren die Scheuklappen fallen werden, die sie bisher verhinderten, die Wirksamkeit unwägbar feiner Arzneigaben anzuerkennen. Über die Wirksamkeit kleiner homöopathischer Arzneigaben hat unlängst Dr. med.  Reinhard Planer einen Rundfunkvortrag vom Berliner Sender gehalten (am 8. Juni 1927). Dr.  Planer beweist unter dem Thema: »Wie erklärt sich die Wirkung kleiner homöopathischer Arzneigaben?« die Wirksamkeit gerade der fein zerteilten Arzneistoffe und schließt mit dem Satze: »Die relativ kleinen Arzneigaben, wie sie in der Homöopathie gebräuchlich sind, sind einmal in ihrer tatsächlichen Existenz und Wirksamkeit chemisch-physikalisch und physiologisch exakt nachgewiesen. Die Wirkungs weise dieser Stoffe in feinzerteiltem, kolloidem Zustand erklärt sich nicht durch die Materie allein, sondern vornehmlich durch die Energie, die bei dem Vorgang der Dissoziation, der Aufspaltung der Stoffteilchen, in verdünnten Lösungen frei wird, wie wir diesen Prozeß an dem klassischen Beispiel der Heilquellenwirkung studieren können.« Dr. Planers Angaben über die wissenschaftlichen Grundlagen der Wirksamkeit kleiner Arzneidosen waren so überzeugend, daß dieser Rundfunkvortrag in das Buch »Das Wissen im Rundfunk« (Berlin 1927, Verlag Funk-Dienst), das eine Auswahl von 100 Vorträgen von 3500 gehaltenen Vorträgen wissenschaftlicher Art enthält, mit aufgenommen wurde. Ja, die Hinterwäldler der Wissenschaft werden mit der Zeit noch manches andere adoptieren müssen, was sie bisher, weil über ihr Skalpell gehend und nicht zu ihrer Katheder- und Kompendiendressur passend, verworfen haben. – Es muß doch jedem Einsichtsvollen und Verständigen begreiflich sein, daß, wo die Reizempfänglichkeit ohnehin groß ist, auch der Reiz nur ein feiner, schwacher sein darf, um den gewünschten Erfolg zu erzielen Bei Gesunden werden daher die für eine gesteigerte und spezifische Reizempfänglichkeit berechneten homöopathischen Medikamente keine Empfindungsveränderung hervorrufen, weil hier die Gesundheit als Antidot der Arznei auftritt..

In allen Krankheitszuständen findet, neben einer allgemeinen noch eine spezifische Reizempfänglichkeit, die nicht quantitativ, sondern qualitativ zu bemessen ist, statt, daher denn auch die jener Reizempfänglichkeit entsprechenden odischen Einflüsse und homöopathischen Arzneipotenzen, die von Gesunden, weil bei diesen ein normaler Rhythmus der organischen Moleküle vorhanden ist, nicht wahrgenommen werden, eine sehr bedeutende Wirkung bei Kranken hervorrufen So beruht z. B. auch die Reizbarkeit alter Narben, Wunden, Frostbeulen, Leichdorne usw. bei Witterungswechsel auf odischer Empfänglichkeit und auf anomalem Bewegungsrhythmus der organischen Moleküle in diesen Teilen. So mag es denn auch kommen, daß solche Leibeskalender mit dem Monde gehen und sich nach seinen Phasen richten, ja selbst den Tages- und Nachtzeiten folgsam sind. Auch das Wochenbettfieber kann mit zunehmendem Monde eine bedenkliche Höhe erreichen; es pflegt dann der Vollmond gewöhnlich die Leiche der Wöchnerin zu bescheinen. – Der Lauf dieses Gestirns ändert beständig die odischen Zustände der Erdoberfläche und wirkt somit auf odisch reizbare Stellen so veränderlich ein, wie die Zeit fortschreitet. Auch bei einigen Tieren finden wir eine große Empfänglichkeit für Witterungsveränderungen; vielleicht, daß diese Tiere mit einem Sensorium für Od begabt sind.. – Aus alledem ersehen wir, welch einen reichen Born von Wahrheiten die Homöopathie birgt, indem sie mit den neuesten Entdeckungen der objektiven Wissenschaft, insofern sie auf Wahrheit beruhen, nicht im geringsten Widerspruche steht, sondern daß jede neu entdeckte Wahrheit das Hahnemannsche Heilverfahren nur noch mehr stützen und begründen hilft. Wem dies nicht zureicht, und wer in frivolen Einwendungen sich gefällt, der ermangelt der Kenntnis der Kriterien für wissenschaftliche Wahrheit; das heißt: er ist kein philosophisch gebildeter Kopf, und sein untergeordnetes Gerede ist weiterer Beachtung nicht wert.


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