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Brustwassersucht. Hydrothorax

Diese Krankheit kann sowohl einen akuten, als auch chronischen Verlauf nehmen. Es bildet sich eine freie, d. h. bei Lageveränderung des Kranken ihren Platz wechselnde Ansammlung von seröser Flüssigkeit innerhalb der Brusthöhle, die sich zu erkennen gibt durch Beklemmung auf der Brust bei starker Bewegung oder Treppensteigen, periodische Schweratmigkeit (Dyspnöe) gegen Abend, besonders aber zur Nachtzeit bei horizontaler Lage, weshalb die Kranken stets hoch liegen oder aufrecht sitzen müssen. Der Perkussionston ist gedämpft über den Stellen, wo sich Flüssigkeit im Pleuraraume befindet. Läßt man den Kranken seine Lage verändern, so findet man auch das Niveau der Flüssigkeit verändert. Dieser Umstand ist zur Diagnose der Brustwassersucht von großer Wichtigkeit. Der Husten ist anfangs trocken, später Auswurf eines zähen Schleimes. Die Hände und Füße sind kalt, die Stirn ist mit kaltem Schweiße bedeckt, es schwellen die Füße von dem Knöchel an, und es verbreitet sich die Geschwulst rasch nach den Oberschenkeln bis zu den Genitalien. Die Urinabsonderung ist vermindert, der Stuhl hart und selten, der Durst meist groß. Im vorgerückten Stadium: blasses Gesicht mit ängstlichen Zügen und eingefallenen, stieren, blau umrandeten Augen.

Eine Brustwassersucht im vorgerückten Stadium ist fast nie zu beseitigen, im Anfange jedoch gelingt es zum Teil dann, wenn man die veranlassenden Ursachen Von größter Wichtigkeit ist es, festzustellen, ob venöse Blutstauung, Hyperämie, oder eine wässerige Beschaffenheit des Blutes, Hydrämie, vorliegt. Beide Krankheiten werden von sehr verschiedenen Ursachen bedingt, so daß Spezialbehandlung erforderlich ist. kennt und die krankhafte Beschaffenheit des Blutes zu verbessern vermag.

Überall, wo venöse Hyperämie die Ursache der Brustwassersucht ist, also bei Lungen- und Herzkrankheiten, gehen gewöhnlich dem serösen Erguß in die Brusthöhle Luftmangel und Schweratmigkeit (Dyspnöe) lange voraus. Unter den Lungenkrankheiten ist es besonders das Emphysem und der es begleitende katarrhalische Prozeß, der die venöse Blutstauung (Hyperämie) erzeugt. Um diesem entgegenzuwirken, werden wir vorzugsweise von jenen Mitteln Gebrauch machen, die wir bei Asthma von Lungenemphysem angeführt. – Bryonia verabfolgen wir beim Hydrothorax dann mit gutem Erfolge, wenn beim Tiefatmen Stiche in der Brust empfunden werden – ein Symptom, das auf sich bildende Brustfellentzündung deutet. Wir reichen das Mittel in stündlicher Wiederholung so lange, als dieses Symptom währt. Bessert es sich in den ersten 24 Stunden nicht, dann greifen wir zu Cantharis. Zeigen sich Ödeme der unteren Extremitäten, ist der Urin sehr sparsam und hell, dann machen wir von Scilla Gebrauch, die in derartigen Fällen selten im Stiche läßt. – Bei heftigem, mit Schleimrasseln verbundenem Katarrh, bedeutender Dyspnoe mit cyanotischer Gesichtsfarbe, heftigem Husten und Erstickungsangst ist Ipecacuanha und bei ähnlichen Erscheinungen mit großem Kräfteverfall und drohender Lungenlähmung Tartarus emeticus das zu bevorzugende Mittel. – Ist die Dyspnöe sehr bedeutend und von lange bestehendem Emphysem abhängig, dann geben wir Lobelia; ist jedoch der Zustand mit kapillärer Bronchitis kompliziert, sind die Kräfte schon sehr erschöpft, ist das Gesicht blaß oder cyanotisch, dann verabfolgen wir Phosphorus. Bei bedeutendem Kräfteverfall, Kälte der Haut, bläulicher Gesichtsfarbe und kalten Schweißen Arsenicum oder Veratrum. – Stellen sich die Erscheinungen der Cyanose mit Vergehen der Sinne und Sopor ein, Zeichen, die auf beginnende Blutvergiftung durch Kohlensäure hindeuten, dann machen wir von Ammonium carbonicum sofort Gebrauch. Mit dieser Arznei werden wir, wenn nicht zu spät verabfolgt, die drohende Gefahr für den Augenblick noch abzuwenden vermögen.

Ist der Hydrothorax und die ihn verursachende Stauung im Venensystem abhängig von Herzkrankheiten, von Stenose oder Insuffizienz der Mitralklappe, dann verabfolgen wir nach den obwaltenden Umständen: Arsenicum, Digitalis, Kalium carbonicum. Liegt der anomalen Herzaktion Rheumatismus zugrunde, dann wird Colchicum oder Kalmia zu berücksichtigen sein.

Endlich wollen wir noch einige der oben aufgeführten Mittel näher charakterisieren.

Arsenicum: Eins der souveränsten Mittel bei der Brustwassersucht, und zwar nicht nur bei Hydrothorax infolge von venöser Hyperämie, bei Emphysem und Herzkrankheiten, sondern auch bei krankhafter Verdünnung des Blutes, Hydrämie, z. B. bei Morbus Brighti, bei Leberatrophie, bei Intermittenskachexie. Bei bedeutendem serösen Erguß in die Pleurahöhle und Unmöglichkeit, wegen mit Erstickung drohender Beklemmung und Atembeengung in horizontaler Lage zu verbleiben. Untätigkeit der Haut oder kalter Schweiß, ängstlich verzerrtes Gesicht, Unterdrückung der Harn- und Darmabsonderungen, unerträgliche Angst, die nirgends ruhen läßt; Herzklopfen, Todesfurcht; Anschwellungen der Extremitäten, trockener Husten, großer Durst, kleiner, schwacher, aussetzender Puls.

China: Ein wahres Spezifikum, wenn der Brustwassersucht eine wässerige Beschaffenheit des Blutes (Hydrämie) zugrunde liegt. Bei Rekonvaleszenten, nach großen Blut- und Säfteverlusten, bei schwachen und bejahrten Personen. – Auch paßt dieses Mittel bei organischen Leiden der Leber und bei Milztumoren infolge von Wechselfiebern. Hat aber Chinamißbrauch stattgefunden, dann wäre in solchem Falle Arsenicum oder Ferrum zu versuchen.

Colchicum: Brustwassersucht infolge rheumatischer Herzkrankheiten, mit gleichzeitig bestehenden rheumatischen Schmerzen in Muskeln und Gelenken. Schweratmigkeit und äußerster Luftmangel, auch mit stechenden Schmerzen in der Brust beim Einatmen. Ödematöse Geschwulst einzelner Körperteile; viel Durst. Geringer Abgang dunkelbraunen, ammoniakalisch riechenden Harnes.

Digitalis: Venöse Hyperämie und Brustwassersucht infolge von Insuffizienz der Mitralis (ähnlich Kalium carbonicum). Bedeutender Luftmangel, fast zum Ersticken, mit bläulicher Gesichtsfarbe, großer Schwäche und kleinem, unregelmäßigem Pulse. Wassersüchtige Anschwellungen verschiedener Körperteile.

Dulcamara: Wenn die Brustwassersucht nach Unterdrückung der Hauttätigkeit durch nasse Kälte entstand; bei nächtlichen Fieberregungen mit großer Unruhe, sparsamem und stinkendem Urin und vielem Durst.

Helleborus: Brust- und allgemeine Wassersucht infolge von Hydrämie nach akuten Hautausschlägen: Masern, Scharlach, Purpurfrieseln; große Schwäche, Schlafsucht, Fieberregungen; stechende Schmerzen in den Gliedern, ödematöse Geschwulst der Füße, fast unterdrückte Harnabsonderung usw. Bei höchstem Luftmangel, wenn die Kranken mit offenem Munde nach Luft schnappen.

Kalium carbonicum: Wenn Insuffizienz der Mitralklappe und demzufolge venöse Hyperämie Ursache der Brustwassersucht ist. Bedeutende Atemnot, krampfhaftes Zusammenschnüren und Wehtun der Brust beim Sprechen und Schnellgehen. Heftige, stechende Schmerzen, die durch das schwierige Atmen vermehrt werden. Drücken und Stechen im Rücken, besonders in der Nierengegend; trockener oder mit Auswurf verbundener Husten. Verstärkte und beschleunigte Herzaktion; Herzklopfen mit Beängstigung. Erhöhung der Beschwerden um Mitternacht. Paßt namentlich auch bei schon bejahrten Personen.

Lactuca virosa: Brustwassersucht mit allgemeiner Geschwulst, Beängstigung und Atemmangel im Liegen, zum Aufsitzen nötigend. Verminderte Herzkontraktion, Husten mit Schleimauswurf, viel Durst. Leberanschwellungen.

Mercurius solubilis: Wenn der hydrämische Prozeß infolge von Leberleiden oder Brightscher Nierenentartung entstanden ist.

Phosphorus: Von ausgezeichneter Wirkung, wenn zu den Erscheinungen der Brustwassersucht infolge des Emphysems mit venöser Blutstauung noch Entzündung der feinen Luftröhrenverzweigungen (Bronchitis capillaris) mit heftigen Hustenanfällen und mühsamem Auswurf glasigen Schleimes hinzukommt. Sehr erschwertes Atmen mit kleinblasigem Rasselgeräusch; bedeutende Schwäche mit Gliederzittern, Kälte der Extremitäten und Ohnmacht. Kleiner, schneller oder auch unregelmäßiger Puls.

Spigelia: Brustwassersucht infolge einer vorhergegangenen Herzentzündung bei akutem Gelenkrheumatismus; arge Engbrüstigkeit und Erstickungsgefahr bei der geringsten Bewegung und besonders beim Aufheben der Arme.

Sulfur: Wenn die Brustwassersucht nach Leberverhärtung oder nach vertriebenen Flechten, Krätzeausschlägen oder alten offenen Wunden entstanden ist, oder auch dann, wenn bei skrofulösen Personen die Beschwerden auf eines der sonst richtig gewählten Mittel nicht schwinden.

Man verabfolge den Patienten eine gute, nahrhafte, leicht verdauliche, aber nicht reizende Kost. Das Bedürfnis zu trinken befriedigt man am besten durch Darreichen erquickender Getränke: Abkochungen von Apfelschnitten, Pflaumen, Fruchtsaft, verdünnt mit Reiswasser oder Hafergrützschleim u. dgl.


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