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Brustfellentzündung. Rippenfellentzündung. Pleuritis

Diese ist eine Entzündung der Pleura oder der Haut, die die innere Höhlung der Brust umkleidet. Man unterscheidet die exsudierende (Pleuritis exsudativa), mit oft massenhaftem, fibrinreichem Exsudat in der Pleurahöhle, und die trockene (Pleuritis sicca) ohne Exsudaterguß. Die Krankheit hat in ihren Anfangserscheinungen oft viel Ähnlichkeit mit der Lungenentzündung, mit der sie auch wohl im Vereine auftritt, wo dann die Symptome der einen Krankheit mit denen der anderen verschmelzen. Sie beginnt mit einem stundenlang anhaltenden, heftigen Schüttelfrost und darauffolgender Hitze, die des Abends zunimmt; häufiger, harter Puls, großer Durst (Temperatur bis auf 40 °C steigend); auf bestimmte Stellen beschränkter, beim Einatmen verschlimmerter, stechender Seitenschmerz mit trockenem Husten, Brustbeklemmung und Auswurf von Schleim, der beim Ergriffensein der Lungen rostfarben aussieht; Unvermögen, auf der Seite zu liegen. Die zitternde und meckernde Stimme des Kranken ist nach Laënnec ein charakteristisches Zeichen bei der Pleuritis. Das Fieber läßt selten vor Ablauf von 6 bis 8 Tagen nach; und von dem Augenblick an, wo der Exsudaterguß erfolgt, verschwindet der Seitenschmerz, während die physikalischen Zeichen noch längere Zeit das Vorhandensein pleuritischer Exsudate nachweisen. Die in der Pleurahöhle sich ansammelnde Flüssigkeitsmenge beträgt in der Mehrzahl der Fälle 500 bis 1000 ccm, kann aber bis zu 3 l ansteigen. Nur wenn man das pleuritische Exsudat als solches erkannt hat, ist man imstande, die Diagnose der Pleuritis sicherzustellen; die übrigen Symptome, wie Schmerz, Husten, Lage, Dämpfung, geben in dieser Beziehung keine Sicherheit; sie lassen eben nur den krankhaften Prozeß vermuten und fordern zu einer sorgfältigen Untersuchung des Kranken auf. Zuweilen geht das Exsudat in Eiter über mit einer Neigung, sich nach außen zu entleeren (Pleuritis purulenta); es knüpft sich hieran ein langwieriger Eiterungsprozeß, bei dem der Eiter aus einer Fistel heraussickert oder von Zeit zu Zeit in einem Strahl herausspritzt. – Das pleuritische Exsudat läßt sich konstatieren durch die Resultate der Perkussion, der Auskultation und teils auch durch die Formveränderung des Brustraums. Bei Besichtigung findet man die leidende Brusthälfte aufgetrieben, die Beweglichkeit dieser Stelle beim Atemholen ist teilweise oder gänzlich aufgehoben, oft ist auch die Lebergegend aufgetrieben. Die Diagnose kann nur mit Hilfe der physikalischen Untersuchung sichergestellt werden. Die Perkussion ergibt überall einen gedämpften Ton, wo zwischen Brust und Lunge ein kopiöses Exsudat vorhanden ist.

Wir haben hier nur ein sehr oberflächliches Bild einer Pleuritis im allgemeinen; denn die mannigfachen Erscheinungen der Krankheit, nach In- und Extensität, zeigen die größten Verschiedenheiten und erfordern eine weit umfangreichere Schilderung, als wir sie hier zu geben vermögen, da viele Symptome bald fehlen, bald in größter Ausbildung vorhanden sind. Die Ursachen, die diese Krankheit hervorrufen können, sind mannigfacher Art, hauptsächlich aber plötzliche Abkühlung der Haut; das Trinken kalten Wassers nach starker Erhitzung und Körperanstrengung; Schlafen im Freien, besonders an feuchten Plätzen; kalter Zugwind u. dgl. alles, was plötzlich die Ausdünstung unterdrückt, kann Brustfellentzündung erzeugen. Sie kann ferner durch zu heftige Bewegung und schwere Körperarbeiten, traumatische Einwirkungen, Stöße auf die Brust, Quetschungen, Rippenbrüche usw. entstehen. Die Pleuritis kommt nach Erkältung, Körperüberanstrengung usf. primär vor. Im klinischen Sinne wird jedoch manche Pleuritis als primär erscheinen, die es eigentlich nicht ist; sekundär bei Erkrankungs- und Entzündungsprozessen benachbarter Organe, besonders der Lunge oder des Herzbeutels. Sie erscheint aber auch metastatisch (bei Typhus, Pyämie, akuten Exanthemen u. a. m.); häufig auch bei der Brightschen Nierenkrankheit. Nach allen diesen die Pleuritis hervorrufenden oder sie begleitenden Umständen bietet sich in ihren Formen und Erscheinungen ein sehr verschiedenes Bild.

Unter den homöopathischen Arzneimitteln verdient im ersten Beginn der Krankheit zunächst und vor allem

Aconitum volle Berücksichtigung, und zwar bei hochgradiger Fieberhitze mit vielem Durst, Unruhe, beschleunigtem Atem mit Stichschmerzen an einer bestimmten Stelle der Brust. Wir lassen von Aconitum 10 bis 12 Tropfen in 6 Eßlöffel voll Wasser verrühren und verabfolgen davon alle 1 bis 2 Stunden 1 Eßlöffel voll. Darnach läßt das Fieber gewöhnlich schon innerhalb 8 bis 10 Stunden bedeutend nach, und unter dem Eintritt reichlicher Schweiße vermindern sich sämtliche Beschwerden. – Ist dies nicht der Fall, oder bestehen die stechenden Schmerzen noch fort, und finden wir bei der Untersuchung, daß das Exsudat sich zu ergießen beginnt, dann greifen wir ungesäumt zu

Bryonia, die sich auch gleich von Anfang an zum Gebrauch eignet, und zwar in allen den Fällen, bei denen das Fieber mäßig, der Schmerz heftig, aber nicht zu lebhaft ist. Sie bewirkt meist rasche Herstellung, so daß die Exsudate selten noch Fortschritte machen und die Schmerzen aufhören. Tritt jedoch nach dem Gebrauch von Bryonia innerhalb 12 bis 14 Stunden keine Besserung ein, macht der Exsudationsprozeß Fortschritte, steigert sich die Atemnot, wird unter stetem Hüsteln nur mühsam etwas zäher oder blutstreifiger Schleim expektoriert, nehmen Schwäche und Mattigkeit zu, oder tritt die Brustfellentzündung infolge von Typhus, Pyämie oder bei Morbus Brighti ein, dann verabfolgen wir ungesäumt Arsenicum in derselben Weise wie Aconitum oder Bryonia. Lassen die bedrohlichen Erscheinungen nach, dann reichen wir später einige Gaben Sulfur und empfehlen dem Rekonvaleszenten, sich noch längere Zeit sorgsam vor Erkältung zu hüten, da sonst leicht neue Verschlimmerungen eintreten.

Bei der Pleuropneumonie, d. h. bei der mit Lungenentzündung vergesellschafteten oder von dieser ausgehenden Pleuritis, die sich, außer den der Lungenentzündung zukommenden Erscheinungen, durch heftiges, hauptsächlich oberflächliches Stechen in der Seite, gesteigert bei tiefer Einatmung, Husten, Niesen, Lageveränderung des Körpers oder Druck auf die Zwischenrippenmuskeln, kennzeichnet, verabfolgen wir nach Vorgebrauch von Aconitum sofort Tartarus emeticus, ebenfalls in etwa 1 stündlicher Wiederholung der Gabe. Der Erfolg ist schlagend, denn es tritt sehr schnell, unter reichlichem, den ganzen Körper bedeckendem Schweiß Nachlaß sämtlicher Symptome ein; der Atem wird frei, und es erfolgt die allmähliche Resorption des Exsudates. Hier ist Tartarus emeticus ein wahres Spezifikum, während wir im vorgeschrittenen Stadium und besonders bei der kruppösen, nicht katarrhalischen Pleuropneumonie von seinem Gebrauche absehen und besser mit Jodum oder Kalium jodatum auskommen, dem sich noch Phosphorus und Arsenum jodatum anschließen. Sämtliche Mittel werden stündlich verabfolgt.

In einzelnen Fällen verdienen noch Berücksichtigung Ascleplas tuberosa, Acidum nitricum, Cantharis, Ranunculus bulbosus, Rhus Toxicodendron, Scilla, Sulfur.

Acidum nitricum bewährt sich spezifisch bei mageren, abgezehrten, älteren Personen, wenn der Auswurf grünlich oder blutstreifig ist; bei profusen Schweißen und eintretendem Kräfteverfall. Nicht selten lassen in solchen Fällen die Schmerzen nach, während das Fieber zunimmt. Besonders sind dyskrasische (skorbutische u. a.) Zustände, sowie Neigung zu massigen Diarrhöen und Kapillargefäßblutungen hervorzuheben, wo dieses Mittel bei Pleuropneumonien in Anwendung zu bringen wäre.

Asclepias tuberosa: Bei heftigen Schmerzen in der rechten Seite, mit trockenem, kurzem Husten und geringem Auswurf von Schleim.

Cantharis bringt oft schnell pleuritische Exsudate zur Aufsaugung, übertrifft hierin die Bryonia und verdient dem Brechweinstein zur Seite gestellt zu werden; besonders bei intensiven Fiebern, bedeutender Oppression und Erstickungsanfällen. – Bryonia brachte oft noch da Exsudate zur Aufsaugung, wo andere Mittel, selbst Tartarus emeticus, im Stiche ließen.

Ranunculus bulbosus: Bei beginnender Exsudation, oder wenn nach vorgenommener Abzapfung des Exsudates Rückfälle mit bedeutender Kurzatmigkeit, starker Gesichtsröte, Stechen in der Brustseite eintreten, mit Verschlimmerung bei jeder Bewegung oder Lageveränderung oft von großem Nutzen. Wir verabfolgen das Mittel in 1- bis 2stündlicher Wiederholung.

Rhus Toxicodendron ist stets da angezeigt, wo sich bei heftigen Fieberregungen Seitenstechen infolge von Erkältung und Durchnässung bei erhitztem Körper oder durch anstrengende Arbeit vorfindet. Auch, wenn es die Symptome erheischen, mit Aconitum im Wechsel, etwa alle 1 bis 2 Stunden. Außerdem ist nach Altschul und Kafka dieses Mittel angezeigt, wenn im Verlauf einer Pleuropneumonie der Husten gänzlich fehlt, das Exsudat nicht ausgeworfen, sondern resorbiert wird und in die Blutbahn gelangt, wodurch typhöse Erscheinungen erzeugt werden. Rhus Toxicodendron verdient dann vor allen anderen Mitteln den Vorzug.

Scilla empfiehlt sich besonders bei Pleuresien mit heftigem Seitenstechen, selbst wo sich schon ein pleuritisches Exsudat vorfindet; dieses Mittel befördert die Harnabsonderung ungemein.

Sulfur ist angezeigt, wenn sich nach dem Gebrauche von Bryonia oder Arsenicum die Beschwerden oder hervorragenden Symptome der Krankheit zwar gebessert haben, jedoch die Seite noch gegen den Einfluß der Luft und bei Bewegung empfindlich ist, der Kranke aber schon an seine Berufsgeschäfte gehen kann. Sulfur wird dann bei der Nachkur auch die letzte Spur der Krankheit beseitigen. – Hepar sulfuris bei eitrigem Exsudat, dem man Silicea, Calcium und Calcium phosphoricum folgen läßt.


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