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Till Eulenspiegel

1.

Wie Eulenspiegel in dem Stifte Hildesheim im Dorfe Peine einem kranken Kinde zum Stuhlgang verhalf und damit großen Dank erntete.

Rechte, bewährte Ärzte scheuet man zu Zeiten um einer geringen Summe willen und muß den Landläufern oft noch viel mehr geben.

Also geschah einstmals in dem Stift Hildesheim. Dahin kam auch einstmals Eulenspiegel und kam in eine Herberge, da war der Wirt nicht daheim. Und Eulenspiegel war wohl bekannt da und die Wirtin hatte ein krankes Kind. Da fragte Eulenspiegel die Wirtin, was dem Kinde fehlte und was es für eine Krankheit hätte. Da sprach die Wirtin: »Das Kind kann nicht zu Stuhle gehen. Könnte es nur zu Stuhle gehen, so würde es besser mit ihm.« Eulenspiegel sprach: »Dafür wird sich wohl noch guter Rat finden lassen.« Die Frau sprach, könnte er etwas dazu tun und hälfe dem Kinde, sie wollte ihm geben, was er wollte. Eulenspiegel sprach, dafür wollte er nichts nehmen, es wäre ihm eine leichte Kunst. »Wartet eine kleine Weile, es soll bald geschehen.«

Nun hatte die Frau hinten in dem Hof etwas zu tun und ging hinter. Inzwischen machte Eulenspiegel einen großen Haufen an die Wand und setzte schnell des Kindes Kackstühlchen darüber und setzte das kranke Kind darauf. Als nun die Frau wieder aus dem Hof zurückkam, sah sie das Kind auf dem Stühlchen sitzen und sprach: »Ach, wer hat das getan?« Eulenspiegel sprach: »Das habe ich getan. Ihr sagtet, das Kind könnte nicht zu Stuhle gehen, darum habe ich das Kind darauf gesetzt.« Da ward sie gewahr, was unter dem Stühlchen lag, und sprach: »Ach, lieber Eulenspiegel, sehet her, das hat dem Kind im Leibe gefehlt. Dafür habet immer Dank, daß Ihr dem Kind also habt geholfen.« Eulenspiegel sprach: »Solche Arzenei kann ich viel machen mit Gottes Hilfe.« Die Frau bat ihn freundlich, daß er sie die Kunst auch wollte lehren, sie wollte ihm dafür geben, was er haben wollte. Da sprach Eulenspiegel, daß er reisefertig wäre; wenn er wiederkäme, so wollte er sie die Kunst lehren.

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2.

Wie sich Eulenspiegel als Arzt ausgab und des Bischofs von Magdeburg Doktor behandelte, der von ihm betrogen ward.

Zu Magdeburg war ein Bischof, der war ein Graf zu Querfurt. Der hörte die Anschläge von Eulenspiegel und ließ ihn bescheiden nach dem Giebichenstein. Und dem Bischof gefielen Eulenspiegels Schwänke ganz wohl und er gab ihm Kleider und Geld; und die Diener mochten ihn sehr wohl leiden und trieben viel Scherz mit ihm. Nun hatte der Bischof auch einen Doktor bei sich, der dünkte sich gelehrt und weise, so daß ihm des Bischofs Hofgesinde nicht gar günstig war. Und derselbe Doktor hatte eine Weise an sich, daß er nicht gern Toren um sich mochte leiden. Darum sprach der Doktor zum Bischof und zu seinen Räten, man sollte weise Leute an der Herren Höfen halten und nicht solche Narren, um mancherlei Ursach willen.

Die Ritter und das Hofgesinde sprachen dazu, das wäre keine rechte Meinung von dem Doktor; wer seine Torheit nicht haben möchte, der könnte wohl von ihm gehen, es wäre doch niemand zu ihm gezwungen. Der Doktor sprach dawider: »Narr bei Narren und Weiser zu Weisen! Hätten die Fürsten weise Leute bei sich, so wäre ihnen die Weisheit ein Vorbild, und so sie Narren bei sich halten, so lernen sie Narrheit.« Da sprachen etliche: »Wer sind die Weisen? Die sich bedünken, sie seien weise, deren findet man eine ganze Menge, die von Narren sind betrogen worden. Es ziemt Herren und Fürsten, allerlei Volks an ihren Höfen zu halten. Denn mit Toren vertreiben sie mancherlei Torheit, und wo die Herren sind, da wollen die Narren gern sein.«

Also kamen die Ritter und Hofleute zu Eulenspiegel und machten mit ihm solche Anschläge und baten ihn, daß er einen Schwank erdächte – sie wollten ihm dazu helfen, desgleichen auch der Bischof –, daß der Doktor bezahlt würde für seine Weisheit, die er denn selbst gehört hätte. Eulenspiegel sprach: »Ja, ihr Edlen und Ritter, wollet Ihr mir dazu helfen, der Doktor soll wohl bezahlt werden.« Sie wurden in der Sache einig.

Also zog Eulenspiegel vier Wochen über Feld von dannen und bedachte sich, wie er mit dem Doktor wollte leben. Sobald er sich bedacht hatte, kam er wieder nach Giebichenstein und verkleidete sich und gab sich aus für einen Arzt, da der Doktor bei dem Bischof oft war siech im Leib und viel Arzenei dagegen gebrauchte. Da sagten die Ritter dem Doktor, wie ein Doktor in der Arzenei gekommen wäre, der viele Heilkünste verstände.

Der Doktor kannte Eulenspiegel nicht und ging zu ihm in seine Herberge. Und nach wenig Reden nahm er ihn mit sich auf die Burg und sie sprachen miteinander. Und es sprach der Doktor zu dem Arzt, könnte er ihm helfen von der Krankheit, er wollte ihm sehr wohl lohnen. Eulenspiegel antwortete ihm mit Worten, wie die Ärzte pflegen, und spiegelte ihm vor, wie er eine Nacht bei ihm liegen müßte, auf daß er desto besser merken möchte, wie seine Natur beschaffen wäre. »Denn ich wollte Euch gern etwas geben, ehe Ihr schlafen ginget, daß Ihr davon schwitztet«; und an dem Schweiß wollte er merken, was sein Gebresten wäre. Der Doktor ließ sich das sagen und meinte, es wär' alles wahr und ging mit Eulenspiegel zu Bett und meinte nicht anders, als es wäre wahr, was ihm Eulenspiegel sagte.

Also gab Eulenspiegel dem Doktor eine scharfe Purganz. Und der Doktor meinte, er sollte davon schwitzen, und wußte nicht, daß es eine scharfe Purganz war. Da ging Eulenspiegel hin und nahm einen hohlen Stein und machte einen Haufen seines Kots hinein und legte den hohlen Stein mit dem Dreck zwischen die Wand und den Doktor auf das Bettbrett. Und der Doktor lag zunächst an der Wand und Eulenspiegel lag vorn im Bett. So lag der Doktor und hatte sich gegen die Wand gekehrt. Da stank ihm der Dreck in die Augen, der in dem hohlen Stein lag, daß er sich um mußte kehren gegen Eulenspiegel. Und sobald sich der Doktor also zu Eulenspiegel kehrte, ließ der einen stillschweigenden Furz schleichen, der übel stank. Da kehrte sich der Doktor wieder um, sofort aber stank ihn der Dreck im hohlen Stein wieder an. Das tat Eulenspiegel dem Doktor fast die halbe Nacht über.

Darnach kam und trieb die Purganz scharf, schnell und stark, so daß sich der Doktor ganz und gar unrein machte und es gar übel stank. Da sprach Eulenspiegel zum Doktor: »Wie nun, würdiger Doktor? Euer Schweiß hat lange übel gestunken, wie kommt das, daß Ihr solchen Schweiß schwitzet? Es stinkt sehr übel.« Der Doktor lag da und dachte: »Das riech ich auch wohl«; und er war des Gestanks also voll geworden, daß er kaum reden konnte. Eulenspiegel sagte: »Lieget nur still, ich will gehen und will ein Licht holen, daß ich sehen kann, was es mit Euch für eine Bewandtnis hat.« Indem sich Eulenspiegel aufrichtete, ließ er noch einen starken Blästerling streichen und sprach: »O weh, mir wird auch schwach. Das habe ich von Eurer Krankheit und Eurem Gestank bekommen.« Der Doktor lag da und war so krank, daß er sein Haupt kaum aufrichten konnte und dankte dem allmächtigen Gott, daß der Arzt nur von ihm ginge. Da bekam er ein wenig Luft, denn wenn der Doktor in der Nacht aufstehen wollte, so hielt ihn Eulenspiegel, daß er nicht in die Höhe kommen konnte und sprach, er solle erst genug schwitzen.

Als nun Eulenspiegel aufgestanden und aus der Kammer herausgekommen war, da lief er hinweg von der Burg. Indem ward es Tag. Da sah der Doktor den hohlen Stein an der Wand stehen mit dem Dreck und er war so schwach und krank, daß sein Antlitz von dem Stank besudelt war. Alsbald nahmen die Ritter und Hofleute des Doktors wahr und boten ihm einen guten Morgen. Der Doktor redete mit schwacher Stimme und konnte ihnen nicht wohl antworten und legte sich in den Saal auf die Bank auf ein Kissen. Da holten sich die Hofleute den Bischof herzu und fragten den Doktor, wie es ihm gegangen wäre mit dem Arzt.

Der Doktor sprach: »Ich bin beladen gewesen mit einem Schalk. Ich wähnte, es wäre ein Doktor in der Arzenei, aber es ist ein Doktor in der Büberei.« Und er erzählte ihnen ganz, wie es ihm gegangen war. Da fingen der Bischof und alle Hofleute an zu lachen und sprachen: »Es ist ganz geschehen nach Euren Worten. Ihr sagtet nun, man solle sich nicht um Narren bekümmern, denn der Weise würde töricht bei Toren. Aber Ihr sehet, daß einer wohl durch Narren weise wird gemacht. Denn der Arzt ist Eulenspiegel gewesen. Den habt Ihr nicht erkannt und habt ihm geglaubt; von dem seid Ihr betrogen worden. Aber wir, die wir seine Narrheit hinnahmen, kannten ihn wohl. Aber wir wollten Euch nicht warnen, nachdem und weil Ihr so weise wolltet sein. Und niemand ist so weise, er soll Toren auch kennen. Und wenn es keine Narren gäbe, woran wollte man dann die Weisen kennen?«

Also schwieg der Doktor still und durfte nicht mehr darüber klagen.

 

3.

Wie Eulenspiegel zu Mölln krank ward und dem Apotheker in die Arzeneibüchse hosierte, wie er in den Heiligen Geist gebracht ward und seiner Mutter ein süßes Wort zusprach.

Elend und gar krank ward Eulenspiegel, als er von Marienthal gen Mölln kam. Da zog er zu dem Apotheker ein zur Herberge um der Arzenei willen. Der Apotheker aber war auch etwas mutwillig und zum Spaßen aufgelegt und gab Eulenspiegel eine scharfe Purganz. Als es nun gegen Morgen ging, da fing die Purganz an zu wirken, und Eulenspiegel stand auf und wollte die Purganz los werden. Da war das Haus allenthalben verschlossen und ihm ward Angst und Not, und er kam in die Apotheke und hosierte in eine Büchse und sagte: Hier kam die Arzenei heraus, da muß sie wieder hinein, so verliert der Apotheker nichts, ich kann doch sonst kein Geld geben.«

Als das der Apotheker inne ward, da fluchte er Eulenspiegel und wollte ihn nicht mehr im Hause haben und ließ ihn in das Spital, das hieß der Heilige Geist, bringen. Da sagte Eulenspiegel zu den Leuten, die ihn hinführten: »Ich habe immer sehr danach getrachtet und Gott allezeit gebeten, daß der Heilige Geist sollte in mich kommen; nun sendet er mir das Gegenteil, daß ich nun in den heiligen Geist komme, und er bleibt aus mir und ich komme in ihn.« Die Leute lachten sein und gingen von ihm. So wie eines Menschen Leben ist, so ist auch sein Ende.

Das ward auch seiner Mutter kund getan, daß er krank wäre. Die machte sich bald fertig und kam zu ihm und meinte, von ihm Geld zu bekommen, denn sie war eine alte, arme Frau. Als sie nun zu ihm kam, fing sie an zu weinen und sprach: »Mein lieber Sohn, wo bist du krank?« Eulenspiegel sprach: »Liebe Mutter, hier zwischen dem Bettkasten und der Wand.« – »Ach, lieber Sohn, sprich mir noch ein süßes Wort.« Eulenspiegel sprach: »Liebe Mutter, Honig, das ist ein süßes Kraut.« Die Mutter sprach: »Ach, lieber Sohn, gib mir noch eine gute Lehre, daß ich dabei dein gedenken mag.« Eulenspiegel sagte: »Ja, liebe Mutter, wenn du willst deine Notdurft verrichten, so kehre den Hintern von dem Wind, dann geht dir der Gestank nicht in die Nase.« Die Mutter sprach: »Lieber Sohn, gib mir doch etwas von deinem Gut.«

Eulenspiegel sagte: »Liebe Mutter, wer da nichts hat, dem soll man geben, und wer etwas hat, dem soll man etwas nehmen. Mein Gut ist verborgen, das weiß niemand. Findest du etwas, was mein ist, das magst du ergreifen, denn ich gebe dir von meinem Gute alles, was krumm und gerade ist.«

Dieweil ward Eulenspiegel sehr krank, daß die Leute ihm zuredeten, er sollte beichten und Gottes Recht nehmen. Das tat Eulenspiegel, denn er befand wohl, daß er von dem Lager nicht aufkommen würde.


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