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Jakob Frey

1.

Ein ungelehrter Pfaff gab den Bauern ein Bein von einem toten Esel als Heiligtum gegen die Pestilenz

Im Würzburger Bistum saß ein ungelehrter verdrehter Pfaff auf dem Odenwald bei Halprunn in einem Dorf; der hatt' ein gar kleines Pfründlein, darauf er sich mit seiner Schwester Base nicht gut ernähren konnte. Er war auch nicht so gelehrt oder geschickt, daß man ihm eine andere Pfarre anvertrauen durfte, mußte sich daran genügen lassen, wollte er nicht gar betteln gehn. Eben in derselbigen Zeit da kam ein großes Sterben in das Dorf. Der gute einfältige pecus oder Dorfpfaff nahm ein Bein von einem geschundenen alten Esel, ließ es sich in eine Monstranz fassen und verglasen, führte das mit sich in die Dörfer und Flecken ringsum, predigte, es wäre eine Reliquie von Sankt Rochus, und welcher Mensch das Heiligtum küßte, der wäre dasselbige Jahr von der Pestilenz frei, und wenn sie schon über ihn käme, so stürbe er doch nicht daran. Mit solchem Lügen, Trügen und Bescheißerei derselbige Pfaff in kurzer Zeit von den einfältigen Bauern gar viel Geld zusammengebracht und gesammelt hat.

Zuletzt ward die Sach vor den Offizial gebracht. Der läßt ihn kommen, straft und warnt ihn, stellt ihm vor, daß solche und dergleichen Dinge abgöttisch wären und das einfältige Volk zu einem falschen Glauben führten; darum solle er von dem schändlichen Wesen abstehn, oder er, der Offizial, würde diese Handlung vor den Bischof von Würzburg selbst bringen müssen. Der Pfarrer war unerschrocken, gab kurze Antwort und sprach: »Ich hab den Bauern recht gesagt, wer das Heiligtum küsse, der sei dies Jahr vor der Pestilenz sicher. Es haben die Bauern auch nur das Glas geleckt und geküßt und nicht das Heiligtum. Ich wollte sie eher alle dem Teufel zum neuen Jahr schenken, ehe ich sie mir mein Heiligtum ließe küssen. Wenn sie mich auf den Hintern küssen wollten, ich würde ihnen nicht still halten. Aber Euch, Herr Offizial, will ich folgen; ich hab' sie für diesmal genug beschissen.« Ging wieder heim, schüttet das Heiligtum von dem alten geschundenen Esel wieder aus; denn er hatte sie bei dem Ablaß wohl gewärmt.

 

2.

Von einem Doktor der Arznei

Ein medicus, ein Doktor war zu Straßburg; wo der ging, da hatte er allewege eine goldne Kette oder zwei am Hals hangen. Ein fremder Edelmann kam einmal gen Straßburg, der sah ihn und fragte einen andern Edelmann, wer der Ritter wäre. Der gab ihm zur Antwort, es wäre kein Ritter, sondern ein Doktor der Arznei.

»Das kann«, sagte der erste Edelmann, »ein geschickter, frommer und getreuer Arzt sein, welcher andre Kranke von der Gelbsucht befreien kann, dieselbige ihnen abnimmt und sie an seinen Hals hängt. O, was wird er freilich Kirchhöfe gefüllt haben, bis daß er den Hals also schwer mit den goldnen Ketten gemacht hat. Er dürfte nicht über mich und wenn er mir zu allerhinterst ins Kaminloch sehen sollte; denn ich fürchte, so er den goldnen Ketten also feind ist, er würde mich auch eine zum wenigsten zu stehen kommen. Es ist wohl zu bedenken, daß sie das, was sie uns Tag und Nacht mit ihren faulen Willen, ihrem Dreck und Seich besehen liederlich genug abverdienen, danach an den Hals hängen, uns entgegentragen und darum verspotten, ja, ob sie uns nicht etwa gar um die Haut bringen. Ich hab daheim einen Bauern, der hat mir kürzlich einen Trank gemacht, daß ich die Kammer, den Hausflur, das Bett, die Kissen und schier allen Teufel im Haus voll hofiert habe und gesund war. Diesem goldenen Doktor hätte ich gewiß eine halbe Kette geben müssen und sollte dennoch alsbald kein Vergnügen gehabt haben; den Bauern dagegen hab ich mit einem Imbiß abgewiesen.«


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