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Gentile Sermini

Meister Caccia von Sciano war ein so hervorragender Physikus und Chirurg, daß er, nachdem er die Kranken gesehen, sie, ohne irgendwelche Medizin zu verabreichen, in weniger als zwei Tagen von jeder Krankheit vollkommen heilte.

Zu Sciano im Distrikt Siena lebte ein sehr reicher, kluger, höflicher und gesitteter junger Mann namens Caccia. Er hatte mehrere Jahre zu Bologna studiert und sich ein großes Wissen angeeignet. In der Poesi namentlich hatte er es so weit gebracht, daß man ihn für einen neuen Tullius halten konnte. Er lebte mit einem Landsmann in Freundschaft zusammen, der Amerigo hieß. Als dieser zwanzig Jahre alt geworden war, verliebte er sich in ein Mädchen aus Sciano und vermochte sich infolge dieser seiner Liebe nur wenig dem Studium zu widmen. Seinen lieben Genossen Caccia wußte er so sehr anzustecken, daß er ihn dem Studium abwendig machte, denn er hielt ihn für einen guten Mittelsmann, der es zustande bringen könne, daß er das Mädchen zur Frau erhalte. Um nun diesen Zweck zu erreichen, kehrten sie beide nach Sciano zurück. Dort führten sie ein höchst standesgemäßes Leben, ohne jedoch den Zweck ihrer vorzeitigen Heimkehr erreichen zu können. Sie beschlossen daher, einen lustigen Tag zu leben und nicht aufs Geld zu schauen. Caccia hielt häufig für seine Kumpane offene Tafel, bewies sich sehr freigiebig, hielt Hunde, Pferde und Diener und dachte nicht an Erwerb. So war es denn kein Wunder, daß er binnen kurzem aus einem reichen Mann ein armer wurde.

Eines Tages nun geschah es, daß ein Oheim, der ihm schon mehrmals ins Gewissen geredet und ihn ermahnt hatte, sparsam zu sein, ohne selbst besonders haushälterisch zu sein, zu ihm sagte: »Caccia, du treibst es so, daß du noch ins Spital kommen wirst, glaube aber nicht, daß ich dich wieder herausholen werde.«

Entrüstet über die Rede entgegnete Caccia: »Wenn ich hineinkommen sollte, werde ich mit Vorteil und Ehre wieder herauskommen und schere mich wenig darum, daß Ihr mich nicht herausholt!« womit er ihn stehen ließ. Sein Entschluß war schnell gefaßt und er begab sich alsbald zu seinem lieben Freund Amerigo und redete so lange auf ihn ein, daß dieser, zumal er sah, daß er das begehrte Mädchen nicht zur Gattin bekommen könne, einwilligte, alles zu tun, was Caccia wollte.

Sie beschlossen nun auszuziehen und eine Weile auf anderer Leute Kosten zu leben, verließen sechs Tage später als Pilger verkleidet Sciano und nahmen ihren Weg in der Richtung nach der Lombardei. Sie gelangten unerkannt in die Stadt Florenz, wo sie vorgaben, sie kämen von Cività vecchia. Hier erkundigten sie sich, auf welche Weise das Florentiner Spital della Scala geleitet werde und von welchem Apotheker es seinen Bedarf beziehe. Als sie erfahren hatten, daß der Apotheker Bindo di Lapo auf dem Ponte vecchio der Lieferant sei, suchten sie ihn auf, und Caccia sprach mit Bindo, wie wenn er ein Arzt gewesen wäre. Er fragte ihn, ob er feinen Rhabarber hätte und erkundigte sich desgleichen nach noch mehreren anderen Arzneimitteln. Nachdem er dann mit ihm ins Gespräch gekommen war, fragte er ihn: »Sag mir doch, Apotheker, wie steht es mit dem Gesundheitszustand hier in Florenz? was für berühmte Ärzte habt Ihr?« Da antwortete ihm Bindo: »Es gibt hier Kranke die Menge, doch keinen Arzt, der auch nur einen Deut taugte – für ein Eselshaar gibt man ihrer dreißig hin. Wir haben hier viele Fälle von Terzanfieber und niemand, der sie heilt.«

Da sagte Caccia mit gedämpfter Stimme die wohlbedachten Worte: »O welche Unwissenheit herrscht auf dieser Welt! aber ich versichere dir, wenn ich hier drei Tage verweilen könnte, so würde ich alle Kranken dieser Stadt gesund machen; und ich will zuerst meine Ehre, die ich nicht wenig hochhalte, in die Schanze schlagen und dann meinen Kopf verpfänden, wenn ich nicht alle Krankheiten, die hier herrschen, welcher Art sie auch seien, in drei oder weniger Tagen heile; und du sagst, daß diese traurigen Ärzte nicht einmal die Terzanfieberchen zu kurieren verstehen, die doch eine Lapalie sind? Und da dieses mir eine großartige Stadt zu sein scheint, würde ich es gerne sehen, wenn meine Genossen hier zwei oder drei Tage verweilen wollten, ich würde dir dann den Beweis liefern. Ich versichere dir, ich würde mir alle Mühe geben, und deinem Geschäft wird aus meinem Aufenthalt kein Schaden erwachsen; denn wir sind ein Haufen Leute und auf dem Wege zum heiligen Grabe. Solle ich heute abend irgend jemand etwas nützen können, so würde ich es gerne tun.«

Bindo, der einen Gewinn machen wollte, glaubte nun genug über diesen Arzt zu wissen, der aus Cività vecchia gekommen sein wollte und sich für den Arzt der Königin von Neapel ausgab und wollte mit ihm ein Übereinkommen treffen. Er bat ihn daher und sagte: »Wenn Ihr Euch zwei oder drei Tage in Florenz aufhalten könntet, würde ich etwas zustande bringen, was Euch wie auch mir viel Nutzen und Ehre einbringen würde. Es gibt hier im Spital viele Kranke und ich habe dadurch ein gutes Einkommen; denn sie beziehen alles von mir. Und da dort kein Arzt ist, der etwas taugt, so werde ich mit dem Leiter in einer Weise reden, daß wenn Ihr das ausführt, was Ihr versprecht, Ihr einen Lohn dafür erhalten werdet, mit dem Ihr zufrieden sein könnt.«

Caccia überlegte eine Weile und erklärte schließlich gnädig, er wolle sehen, was sich machen lasse, er würde ihm innerhalb von zwei Stunden Bescheid geben; dabei verfehlte er nicht, tiefes Mitleid mit jenen armen Bresthaften zu erkennen zu geben. Nach zwei Stunden erklärte er sich dann bereit und sie wurden handelseins, worauf der Meister sich von dem Apotheker verabschiedete und mit Amerigo einen Bummel durch Florenz machte.

Bindo begab sich unterdessen zum Rektor des Spitals und sprach zu ihm: »Ich bin zu Euch gekommen, um den großen Ausgaben für die vielen Kranken dieses von Euch geleiteten frommen Hauses ein Ende zu machen. Zufälligerweise ist nämlich ein sehr hervorragender Meister in meinen Laden gekommen, der Leibarzt der Königin Giovanna, der auf dem Wege zum heiligen Grabe ist und sich rühmt, jede erdenkliche Krankheit in höchstens zwei Tagen zu heilen und nicht eher Geld dafür haben will, als bis der Patient vollkommen wiederhergestellt ist.«

Dies gefiel dem Rektor gar wohl; denn er war etwas knauserig und er sagte zu Bindo: »Geh und führe ihn zu mir; wenn er tut, was du sagst, werden wir zu einem guten Abschluß gelangen.«

Bindo ging, suchte den Arzt auf und berichtete ihm alles. Dieser willigte ein und sie begaben sich in das Haus des Rektors. Dieser empfing den Meister freundlich und sagte zu ihm: »Bindo berichtet mir, Ihr seiet in der Medizin gar trefflich bewandert und versichertet, Ihr könntet jegliche Krankheit in höchstens zwei Tagen heilen.«

Da antwortete ihm der Arzt in wohlbedachten Worten: »Messere, an dieser Gnade, die Gott mir gewährt hat, habe ich kein Verdienst; ihm gebührt die Ehre und der Dank dafür; sie darf darum auch nicht verborgen gehalten werden. Was man Euch gesagt hat, Messere, ist wahr, und wenn Ihr Euch in den nächsten beiden Tagen meiner bedienen wollt, so stehe ich zu Eurer Verfügung; denn ich würde mir ein Gewissen daraus machen, wollte ich die mir von Gott verliehene Gnade nicht denen zugute kommen lassen, die ihrer bedürfen.«

Darauf entgegnete der Rektor: »Ich habe sechzig Kranke im Hause, ja noch mehr; wenn Ihr diese heilt, wie Ihr versichert, so will ich Euch hundert Goldgulden geben.«

»Ich bin's zufrieden, Messere«, erklärte der Arzt, »und will nicht mehr haben, obwohl mir dafür weit mehr zukäme; und ich will keinen Heller annehmen, bevor sie nicht alle die Betten verlassen und das Haus geräumt haben. Da ich jedoch auf Bitten und aus Mitleid mit Euern armen Kranken zwei meiner Begleiter hier gelassen habe, so seht bitte zu, daß ihnen nicht die Ungelegenheit erwächst, länger als diese beiden Tage hier bleiben zu müssen. Ich muß also sicher sein, das Geld sofort auf eine Bank angewiesen zu erhalten, damit ich sie nicht eine Stunde länger hierzulassen brauche, als unbedingt nötig ist. Wenn es sich nur um mich handelte, so würde ich mich mit Eurem bloßen Wort begnügen.«

Begierig, die großen Ausgaben für das Spital aufhören zu sehen, ließ ihm der Rektor sogleich auf einer Bank die Zusicherung geben, daß ihm nach Heilung der Kranken hundert Goldflorinen in bar ausgezahlt werden würden. Nachdem sodann beiderseits alle nötigen Formalitäten erledigt waren, säumte der Arzt nicht länger, ließ sich in das Siechenhaus führen und schickte dort alle Wärter hinaus, mit Ausnahme Amerigos, den er für seinen Schüler ausgab. Nachdem sie sich zuvor verständigt hatten, trat er an das erste Bett, grüßte den Kranken und fühlte ihm den Puls. Sodann fragte er ihn nach seinem Leiden und als er geantwortet hatte, sagte der Meister: »Sei unbesorgt, lieber Bruder, du wirst schnell geheilt sein, wenn du mir gehorchst.«

Dieser erwiderte ihm natürlich, er werde ihm gehorchen. Der Meister aber wandte sich seitwärts zu Amerigo, gleich als ob er von dem Kranken nicht gehört sein wolle, während es ihm doch gerade darauf ankam, und sagte zu ihm halblaut: »Amerigo, sieh zu, daß du morgen früh bei Sonnenaufgang für den da ein Klistier von einem Quart Öl bereit hast. Sobald es kräftig siedet, appliziere es ihm ganz. Da es aber infolge der Siedehitze schwer auszuhalten sein wird, binde den Kranken so fest, daß er sich nicht rühren kann. Er muß es in sich aufnehmen und wenn er platzen sollte.«

»Laßt mich nur machen«, erwiderte ihm Amerigo, »das ist ja nicht der erste.«

Der Arzt ging nun zum nächsten Kranken, wiederholte die üblichen ärztlichen Handgriffe und Fragen, wandte sich sodann mit derselben Stimme wie zuerst zu Amerigo und sagte: »Sorge dafür, daß der große Kessel morgen bei Tagesanbruch voll Wasser ist, bring es zum Sieden, und wenn du siehst, daß es sprudelt, so steck diesen Mann hinein und laß ihn eine Stunde lang sieden, aber nicht länger, es könnte ihm sonst das Fleisch von den Knochen gehen.«

»Es soll geschehen, Meister«, erwiderte Amerigo.

Der Arzt wandte sich darauf zu dem dritten Kranken, einem Wassersüchtigen, und dann auf die geschilderte Weise zu Amerigo, zu dem er sagte: »Dem muß der Bauch ausgetrocknet werden. Bereite für morgen früh eine tüchtig beschwerte Walze vor und bügle ihn damit zwei Stunden lang, aber nicht mehr, er könnte sonst platzen.«

»Laßt mich nur machen«, entgegnete Amerigo.

Nachdem der Arzt dann den Vierten besucht und sein Leiden vernommen hatte, sagte er mit derselben Stimme zu Amerigo: »Da dieser an Gicht leidet und sie jetzt in den Sprungmuskeln hat, so nimm morgen früh, wenn er nüchtern ist, die Messer, du weiß schon, und schneide ihm alle vier Sprungmuskeln so sauber wie möglich heraus, paß aber wohl auf, daß du die Nerven nicht verletzest; denn das wäre gefährlich. Mache sodann das Messer glühend und brenne ihm damit die Einschnitte und die dort zusammenlaufenden Adern samt und sonders aus, so daß die schlechten Säfte sich dort nie mehr hinziehen können.«

Amerigo erwiderte, er werde es tun.

Der Arzt ging zum nächsten Kranken, stellte die Krankheit fest, an der er litt und sagte zu Amerigo:

»Der da ist so voll von Feuchtigkeit und schlechten Säften, daß, wenn wir ihn heilen wollen, du morgen früh den großen Bratspieß tüchtig glühend machen mußt, und wenn du siehst, daß er beim Herausziehen aus dem Feuer gehörig Funken sprüht, mußt du ihn schnell, bevor er nur im geringsten erkaltet, hinten ansetzen und durch das Rückgrat hinauf bis zur Gurgel und weiter bis ins Hirn stoßen und so lange drin lassen, bis er erkaltet ist. Ist er kalt, so hänge den Kranken bei den Händen auf, so daß er eine handbreit über dem Boden schwebt, und ziehe ihm den Spieß heraus. Die ganze Feuchtigkeit des Körpers wird darauf unten herauskommen und er wird gesund sein.«

Amerigo antwortete ihm darauf: »Ich werde ihn zuvor auf einen Tisch festbinden, wie den von gestern.«

»Recht so«, erwiderte der Meister, wandte sich dem Nächsten zu, fühlte ihm den Puls und sagte zu Amerigo: »Ich möchte nicht, daß der mich hört; denn da er eine verdorbene Leber hat, muß man ihm unter der Achselhöhle einen Einschnitt machen, groß genug, daß ich die Hände bequem hineinbringen und die ganze Leber herausholen kann. Du läßt sie dann in dem Schmalz eines Keilers schmoren, bringst sie darauf wieder an ihren Platz, befestigst sie mit Fischleim, nähst die Wunde mit Jungferngarn zu und brennst sie schließlich mit einem glühenden Eisen aus, damit sie nicht brandig wird.«

»Oh, seht aber nur zu, daß er nicht am Krampf stirbt, wie der gestern!« versetzte Amerigo.

»Ich werde meine Pflicht tun«, erwiderte der Meister, »im übrigen muß das Glück helfen.« Damit ging er zum Nächsten, und als er fand, daß er heftig von Hüftweh gepeinigt wurde, sagte er wie gewöhnlich zu Amerigo: »Wenn dieser gesund werden soll, mußt du den Hammer, den Meißel, die Zange und die Winde bereit legen, damit du ihm morgen früh die Kugel des Hüftgelenks herausnehmen kannst; in die Gelenkpfanne sollst du sodann ein Pfund geschmolzenes Blei gießen, wenn es tüchtig kocht, und dieses wird soviel Kraft haben, daß es die ganze Feuchtigkeit verzehrt. Hierauf löse das Blei wieder heraus, und wenn es sich nicht entfernen lassen sollte, so lege ein glühendes Eisen darauf, das wird es zum Schmelzen bringen. Hierauf bringst du die Hüftkugel wieder an ihren Platz und nähst die Schnittwunde zu.«

»Da wird er aber heftige Schmerzen leiden«, wandte Amerigo ein.

»Tu, was ich dir sage«, gebot der Arzt, »anders geht es nicht.«

»Ich werde es so machen«, sagte Amerigo.

Der Meister wandte sich darauf dem Nächsten zu, der das alltägliche Fieber hatte und sagte zu Amerigo: »Schneide morgen zwei Kröten, den größten, die du finden kannst, die Gurgel durch, fange das Blut auf, mische es zur Hälfte mit seinem Urin und laß ihn davon zwei Drittel zu sich nehmen. Da er zwei Terzanfieber hat, muß er dieses Quantum trinken; den Rest soll er nicht nehmen, wenn ich dir's nicht sage; sieh aber zu, daß er nicht erfährt, daß es Krötenblut ist.«

Amerigo sagte, es solle geschehen.

Nun wandte sich der Arzt zu einem, der starkes Seitenstechen und Steinschmerzen hatte und sagte zu Amerigo: »Nimm ihm morgen früh die Blase heraus, laß sie eine Stunde lang in weißem Essig sieden, so daß sie gut gereinigt wird, befördere sie dann wieder in den Körper, befestige sie mit gesottenem Pech und verschmiere die Ränder gut und sorge dafür, daß er drei ganze Tage ohne Essen und Trinken aushält, damit sie fest an ihrer Stelle bleibt und die Speise das Festwachsen nicht verhindert.« Damit wandte er sich dem Nächsten zu, fand, daß er unter bösen Leibschmerzen litt, weil er sieben Tage keinen Stuhlgang gehabt hatte und sagte zu Amerigo mit gedämpfter Stimme: »Richte ein Rohr her, ähnlich einer Klistierspritze, das so lang ist, daß es von seinem Hintern bis in den Magen reicht, binde ihn dann mit dem Gesicht nach unten auf einen Tisch, so daß er gut ausgestreckt ist und sich auf keine Weise rühren kann und laß ihn den Hals recken und den Mund öffnen; hierauf steck ihm, wie ich gesagt habe, das Rohr hinten hinein und schiebe es bis hinauf zum Magen, fülle die Röhre darauf mit Schießpulver und zünde es an. Die ganze überflüssige und zu Kot gewordene Speise wird dann unweigerlich durch den Mund herausspritzen. Mag er auch die Zähne zusammenbeißen, sie wird dennoch herausfahren wie die Steinkugel aus der Bombarde, aber der Geruch wird anders sein. Danach laß ihn starken reinen Essig trinken und er wird alsbald hergestellt sein.«

Sodann wandte er sich dem zu, der an Atemnot litt und sprach zu Amerigo: »Dem müssen wir die Brust ausweiten. Laß ihn also morgen früh sich auf den Rücken legen und binde ihn fest, so daß er sich nicht im geringsten rühren kann, sodann bohre ihm mit unserm dicken Bohrer durch den Mund und die Mitte der Gurgel bis zum Magenmund vor, setze hierauf vier Pfund zerlassene Butter auf Feuer und wenn sie gut siedet, gieße sie ihm durch die Gurgel hinab, und er wird alle schlechten Säfte die sich angesammelt haben, hinten von sich geben.«

»Laßt mich nur machen, Meister«, erwiderte Amerigo.

Als er dann weiter ging, kam er zu einem, der infolge wahllosen Durcheinanderfressens an einem heftigen Durchfall litt. Nachdem er vernommen, was ihm fehlte, sagte er zu Amerigo: »Besorge dir ein Quart Fischleim, laß ihn gut kochen, stecke dem Patienten einen tüchtigen Zapfen in den Hintern, so daß er gut zugespundet ist und schütte ihm dann den Leim durch den bewußten Trichter durch den Mund in den Leib, aber siedendheiß, denn sonst würde er gar keine Wirkung haben. Ich versichere dich, dieser Leim wird ihm die Seele so fest an den Körper pappen, daß sie nicht so schnell wieder loskommen und der Durchfall zum Stehen kommen wird. Der Mann soll übrigens diese ganze Woche weder essen noch trinken; der Leim wird ihm ja hinlänglich Kräftigung verleihen. Daß er mir aber hinten gut zugestopft wird, auf daß er nicht seufzt!«

Amerigo erklärte sich bereit, diese Vorschrift zu befolgen, und der Meister wandte sich dem Folgenden zu. Der hatte einen Schlaganfall gehabt und war auf der einen Seite vollkommen gelähmt. Als der Arzt gesehen hatte, was ihm fehlte, sagte er zu Amerigo: »Der da hat infolge von Feuchtigkeit den Gebrauch der linken Seite verloren, auf der er zu liegen pflegte. Laß ihn morgen früh mitten auf dem Estrich auf der rechten Seite liegen; nachdem du zuvor genau festgestellt hast, wieviel er wiegt, bedecke ihn mit auf der Sonnenseite gewachsenem Eichenholz in seinem Gewicht und zünde es an. Es muß so lange auf ihm brennen, bis es ganz vom Feuer verzehrt ist und er muß die ganze Zeit auf der rechten Seite liegen bleiben. Natürlich mußt du ihn zuvor festbinden, damit er sich nicht rühren kann. Durch diese Behandlung wird alle Feuchtigkeit und werden alle schlechten Säfte, die er im Leibe hat, verdunsten und er wird wieder auf der linken Seite so gesund sein wie auf der rechten.«

»Laßt mich nur machen!« erwiderte Amerigo, »ich werde ihm schon alle Feuchtigkeit aus dem Leibe ziehen.«

Der Arzt ging weiter und kam zu einem Patienten, der sehr unter Hämorrhoiden zu leiden hatte, und sagte zu Amerigo: »Um den da zu heilen, mußt du morgen früh, wenn er noch nüchtern ist, eine kleine runde Eisenstange von der Dicke eines Weinhebers glühend machen; ist sie gut glühend, so stoße sie ihm, nachdem du ihn zuvor an Händen und Füßen gehörig gefesselt hast, du weißt schon wie, eine Handbreit hinten hinein, aber nicht tiefer. Laß dich's nicht anfechten, wenn es zischt, die Hämorrhoiden werden dadurch aufgezehrt werden. Ist das Stänglein kalt geworden, so zieh es wieder heraus und stecke dann eine dicke Talgkerze hinein, mit dem Docht nach außen, zünde sie an und laß sie dadrin ganz herunterbrennen, sie wird den Darm wieder geschmeidig machen und alsbald heilen.«

»Ich werde ihm's so besorgen, daß er nie wieder mit diesem Leiden zu tun hat«, entgegnete Amerigo.

So absolvierte er nacheinander das ganze Spital und verschrieb einem jedem die für sein Leiden erforderlichen Mittel. Hierauf schrieb er dem Verwalter vor, den Kranken an diesem Abend nichts zu essen und zu trinken geben und daß mit ihnen kein Wort gesprochen werden dürfe. Nachdem er dann alle seine Anordnungen getroffen hatte, verließ er das Siechenhaus und ging mit Amerigo spazieren, bis es Zeit war, in die Herberge zurückzukehren. Dort aber lachten sie sich den ganzen Abend und die Nacht durch scheckig über die Behandlung, die sie den Kranken des Spitals angedeihen lassen wollten.

Von alledem wußte der Rektor nichts. Unter den Kranken jedoch, die voller Angst an die grausamen Medizinen dachten, die sie aushalten sollten, erhob sich, als der Arzt fort war, ein Gemurmel von Bett zu Bett. »Was für ein Teufelsmensch ist das«, hieß es da, »den einen will er gesotten, den andern gebraten, den dritten gebacken. Wenn wir warten, bis er wiederkommt, wird er uns allesamt umbringen.«

»Ich warte ihn nicht ab!« rief einer.

»Wahrhaftig! ich auch nicht«, ein andrer.

Und so ging's weiter. Schließlich waren alle entschlossen, sich davonzumachen. Abends, als der Augenblick günstig war, erhoben sie sich samt und sonders aus ihren Betten und verließen in langer Reihe das Spital. Die einen suchten andre Spitäler auf, die andern kleine Herbergen, die dritten nahmen für zwei Abende in ihren Behausungen Wohnung, bis der verwünschte Arzt abgereist sei, wie er gesagt hatte.

Am andern Morgen früh eilten die Bediensteten des Hauses in Scharen voller Freude zum Rektor und riefen: »Frohe Botschaft! Der gesegnete Arzt, den Ihr uns gestern geschickt habt, hat in drei Stunden mehr ausgerichtet als die anderen Ärzte in drei Monaten. Gott sei gelobt, sie sind alle geheilt und auf ihren Füßen mit Gott auf und davongegangen; denn die Betten sind ohne Ausnahme geräumt!«

Als der Rektor dies vernahm, freute er sich gar sehr darüber und noch mehr, als er mit seinen eigenen Augen alle Betten leer sah. Er hob die gefalteten Hände empor und sprach: »Gott sei gelobt, daß die großen Ausgaben für dieses heilige Haus aufgehört haben.« Und während er mit seinen Mönchen die zahllosen Tugenden Meister Caccias pries, erschien dieser mit seinem Schüler Amerigo, grüßte den Rektor und die ganze Gesellschaft und sagte:

»Messere, Eure Kranken sind gottlob alle vollkommen gesund und geheilt. Da nun meine Begleiter diesen Morgen abreisen möchten, bitte ich Euch, nachdem wir Euch einen guten Dienst geleistet haben, daß Ihr mir die versprochenen hundert Gulden auszahlen lasset; denn die Begleiter warten auf mich, um aufzubrechen.«

Der Rektor, der sich trefflich von ihm bedient sah, fiel ihm voller Freude um den Hals, versicherte ihn seiner vollen Zufriedenheit und befahl, lecker aufzutischen. Dann frühstückten sie gut zusammen, der Rektor erklärte sich zu allen Gegendiensten, die in seiner Kraft lägen, bereit, schickte, wie er ihm versprochen hatte, um die hundert Gulden und verabschiedete sich von ihm im besten Einvernehmen.

Kaum hatte Meister Caccia das Geld in der Tasche, da schwang er sich mit Amerigo in den Sattel und sie räumten, so schnell sie konnten, das Land und nahmen ihren Weg nach der Lombardei.

Im Bewußtsein, die Krankenbetten leer zu haben, empfand der Rektor lebhafte Befriedigung. Meister Caccia und Amerigo aber waren in wenigen Tagen in der Lombardei (wo sie, so oft sie an Orte kamen, wo es etwas zu kurieren gab, ihre Kunst auf ähnliche Weise wie in Florenz ausübten); von dort begaben sie sich nach Deutschland und Frankreich und suchten dort so lange die Spitäler nach diesem Muster heim, daß sie nach einem Jahr überreich an Geld in ihre Heimatstadt zurückkehrten.

Die Freude des Rektors der Scala zu Florenz über die geräumten Betten dauerte den ganzen Tag. Als aber die Kranken erfahren hatten, daß der verdammte Arzt abgereist sei, kehrten sie nach und nach samt und sonders in ihre Spitalbetten zurück. Das verursachte dem Rektor großes Herzeleid, doch als kluger Mann, der wohl merkte, daß man ihn angeführt hatte, wollte er zum Schaden nicht noch den Spott haben und schwieg daher, ließ auch die Seinen, soweit es in seiner Macht lag, über die peinliche Geschichte schweigen.

Nachdem Meister Caccia und Amerigo gar stattlich mit Pferden und Dienern und voller Börse nach Sciano zurückgekehrt waren, lebten sie für den ganzen Rest ihres Lebens fröhlich und angenehm dahin, taten niemand etwas zu Leid, jagten, vogelten und fischten beständig mit ihren Freunden und Genossen, so daß sie sich das Wohlwollen des ganzen Landes erwarben.

Kurze Zeit nach ihrer Rückkehr geschah es, daß der oben besprochene Oheim Caccias in Geldnot war und ihn um hundert Gulden bat. Dieser antwortete ihm: »Ich erinnere mich, daß Ihr mir gestern vor vierzehn Monaten sagtet, ich würde noch ins Spittel kommen und wenn ich dort wäre, so würdet Ihr mich nicht wieder herausholen. Ich erwiderte Euch darauf, wenn ich dorthin käme, würde ich mit Vorteil und Ehren wiederkommen, und das habe ich getan. Wenn Ihr nun, der Ihr so reich wart, als Ihr mich mit Worten straftet, es dahin zu bringen verstanden habt, arm zu werden, so geht nun Eurerseits ein wenig ins Spital, damit es Euch helfe, wie es mir geholfen hat. Und ich versichere Euch: wenn Ihr soviel Erfolg habt, wie ich, so werde ich mich darüber freuen, wenn aber nicht, so werde ich nicht so häßlich gegen Euch sein, wie Ihr es in Worten gegen mich wart, als Ihr sagtet, Ihr würdet mich aus dem Spital nicht wieder herausholen. Ich werde Euch, wenn es nötig sein sollte, sicherlich herausholen. Aber versucht's zunächst ein Jahr, wie ich's gemacht habe, und dann wollen wir weiter sehen.«

Damit ließ er ihn stehen und fuhr fort, sich mit Amerigo und seinen andern lieben Freunden gute Tage zu machen, wie er es gewöhnt war. Auf diese Weise verlebte er noch fünfundzwanzig vergnügte Jahre und starb als reicher Mann. Der Oheim mußte hingegen notgedrungenerweise ins Spital gehen, wo er den Rest seines Lebens in Schande und Unbehagen verbrachte.


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