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Anton Francesco Grazzini

1.

Salvestro Bisdomino glaubt dem Arzt den Urin seiner kranken Frau zu bringen, bringt ihm jedoch den seiner Magd, die ganz gesund ist. Dadurch, daß er auf Verordnung des Arztes bei seiner Frau liegt, erlangt sie ihre Gesundheit wieder. Seine Magd aber, die einen Mann nötig hat, verheiratet er.

Es sind noch nicht viele Jahre verflossen, da gab es zu Florenz einen ausgezeichneten Arzt namens Meister Mingo, der, schon bei Jahren und von der Gicht geplagt, nicht mehr aus dem Hause ging und nur hie und da noch, zum Zeitvertreib, den Leuten zu Nutz und Frommen, das eine oder andere Rezept verschrieb. Nun geschah es einmal, daß die Frau Salvestro Bisdominos, der sein Gevatter war, erkrankte, und dieser, nachdem er schon bei vielen Ärzten gewesen, keiner ihm jedoch über die Natur der Krankheit hatte Aufschluß geben, geschweige denn sie heilen können, endlich bei seinem Meister Mingo vorsprach, ihm ganz genau berichtete, wie sich die Krankheit seiner Frau äußerte und hinzufügte, daß alle Ärzte, die sie untersucht, ihr wenig Hoffnung gelassen hätten. Den Arzt schmerzte diese Kunde, und er sagte zu seinem Gevatter, es täte ihm sehr leid, er möge sich aber fassen; denn der Schmerz über den Tod der Gattin sei mit dem zu vergleichen, den man empfindet, wenn man sich den Ellenbogen anstößt: obwohl er sehr empfindlich sei, gehe er doch schnell vorüber, er solle aber nur nicht den Mut verlieren, er werde ihn schon nicht im Stiche lassen. Salvestro, der sein Weib über alles liebte und wert hielt, drang nun in ihn, ihm doch ein Heilmittel zu geben oder zu verschreiben. Da sagte der Arzt: »Wenn ich nur kommen und sie sehen könnte, würden wir ihr schon einige Hilfe bringen können; da dies aber nicht geht, so bring mir wenigstens morgen früh ihren Urin, und wenn ich dann sehe, daß ich ihr helfen kann, so soll es an mir nicht fehlen.« Und nachdem er sich noch einmal genau über die Krankheit der Frau hatte Bericht erstatten lassen, trug er ihm auf, den Urin aufzubewahren und ihm zu bringen, den seine Frau nach zehn Uhr lassen würde. Es war damals der letzte Januar. Salvestro bedankte sich sehr, schied zufrieden von ihm und kehrte heim. Am gleichen Abend nach dem Nachtessen, sagte er zu seiner Frau, er wolle am anderen Morgen dem Gevatter ihren Urin bringen, und zwar müsse es der nach zehn Uhr gelassene sein.

Die Frau, die sich danach sehnte, wieder gesund zu werden, war damit einverstanden, und so trug Salvestro einer jungen – ungefähr zweiundzwanzigjährigen – Magd, die sie hatten, auf, achtzugeben, machte ihr eine Weckeruhr zurecht und befahl ihr, sobald diese Lärm mache, aufzupassen und den ersten Harn, den die Frau lasse, in ein Uringlas zu tun und darin aufzubewahren. Hierauf lagte er sich in einer anderen Kammer schlafen und ließ das Mädchen als Wärterin bei seiner Gattin zurück, damit sie, wenn diese irgendein Bedürfnis habe, ihr, wie sie es gewohnt, sofort zur Hand sein könne. Als dann die bestimmte Stunde gekommen war und die Uhr ihre Schuldigkeit getan hatte, wartete die Magd – ihr Name war Sandra – so lange, bis die Frau Drang zu harnen verspürte. Alsdann fing sie den Urin sorgfältig auf und tat ihn in das Glas, das sie dicht neben eine Truhe stellte, worauf sie sich auf das Ruhebett warf, um zu schlafen. Als aber der Tag gekommen und sie aufgewacht war, ging sie schnell zur Truhe, um dem Herrn den Urin zu überliefern, sowie er danach fragen würde, – doch o weh! sie fand das Glas umgeworfen und den ganzen Inhalt verschüttet. Sie konnte es sich nicht anders erklären, als daß die Mäuse oder die Katze ihm einen Stoß versetzt hatten. Ihr Schmerz darüber und ihre Angst waren nicht gering, und da sie nicht wußte, wie sie sich entschuldigen sollte und sich vor Salvestro fürchtete, der etwas aufbrausend und zum Zorn geneigt war, beschloß sie, um nicht ausgezankt zu werden oder gar ein paar Püffe zu empfangen, ihren eigenen Urin in das Glas zu tun. Und da sie gerade Drang hatte, brünzelte sie hinein und machte es halb voll. Bald darauf erschien Salvestro und verlangte von ihr den Urin, worauf sie ihm statt des Harns der Kranken den ihren im Glase reichte. Nichts Böses ahnend, barg dieser das Gefäß unter seinem Mantel und eilte zu seinem Gevatter, dem Arzte.

Als dieser den Urin prüfte, wunderte er sich nicht wenig und sagte zu Salvestro: »Deiner Frau fehlt, scheint mir, gar nichts.« »Wie ist das aber möglich!« rief Salvestro, »die Ärmste kann ja das Bett gar nicht verlassen.« Der Arzt, der in diesem Urin kein Zeichen irgendwelcher Krankheit entdeckte, wandte sich zu seinem Gevatter und sagte ihm unter Anführung der Gründe, die er dafür hatte, und indem er sich auf das Zeugnis der Avicenna berief, er wolle am nächsten Morgen den Urin noch einmal sehen. Nachdem sie also dahin übereingekommen waren, ging Salvestro seinen Geschäften nach und ließ den Arzt in keiner geringen Verwunderung zurück. Unterdessen wurde es Abend, und nachdem Salvestro heimgekehrt war und zu Nacht gegessen hatte, gab er derselben Magd die erforderlichen Weisungen und trug ihr auf, für alles Sorge zu tragen, worauf er sich schlafen legte. Als dann die Uhr geschlagen hatte und die Zeit gekommen war und die Kranke danach verlangt hatte, ihren Urin zu lassen, war ihr Sandra behilflich, und nachdem sie den Harn versorgt hatte, legte sie sich wieder schlafen. Sie wachte aber frühzeitig auf und machte sich allerlei Gedanken über den Fall und wurde bedenklich und bekam's schließlich mit der Angst zu tun; denn sie fürchtete, daß wenn der Herr das Wasser der kranken Frau zum Arzte bringe, dieser die Geschichte merken würde. Und sie bereute es sehr, den Urin das erstemal vertauscht zu haben, mußte sie doch besorgen, daß Salvestro sie in seinem Zorn zum Geständnis zwingen und sie dann zum Teufel jagen oder ihr gehörig die Hucke voll geben würde. Daher hielt sie es für das beste, auch den zweiten Urin fortzuschütten und noch einmal in das Glas zu pinkeln. Mit diesem Entschluß erhob sie sich ungesäumt und führte ihn aus. Sie stammte aus dem Casentino, war, wie ihr wißt, gegen zweiundzwanzig Jahre alt und klein, aber rundlich und gut im Speck und von bräunlicher Hautfarbe. Ihr Fleisch war frisch und fest und ihr Gesicht lebhaft gefärbt. Ihre Augen waren groß und feucht und traten hervor, so daß es schien, als wollten sie ihr aus dem Kopfe springen und als sprühten sie Feuer. Sie war ein festes Stück in die Wirtschaft und wie geschaffen zu ausgiebigem Beischlaf, ein feistes Pferd, möchte ich sagen, stark genug, um andere aus jedem Morast herauszuziehen. Als dann die Morgenstunde gekommen war und Salvestro von ihr den Urin verlangt und erhalten hatte, begab er sich zum Arzte.

Dieser war noch weit verwunderter als das erstemal und sagte, nachdem er die Flüssigkeit wieder und wieder mit Aufmerksamkeit betrachtet, aber nichts weiter darin gefunden hatte als das Zeichen der Brünstigkeit, lächelnd zu Salvestro: »Gevatter, Hand aufs Herz, wie lange ist es her, daß du mit deiner Gattin nicht mehr des Beischlafs gepflogen hast?« In der Meinung, der Arzt wollte ihn aufziehen, antwortete er: »Ihr spottet.« Als ihn der Arzt jedoch noch einmal danach fragte, entgegnete er, es seien mehr als zwei Monate her. »Gut«, erwiderte der Meister und nachdem er ein Weilchen über den Fall nachgedacht, beschloß er, ein drittes Mal den Urin sehen zu wollen und sagte: »Gevatter, fasse Mut, ich glaube die Krankheit der Gevatterin erkannt zu haben und hoffe sie dir leicht und in Bälde wieder gesund zu machen. Komm daher morgen noch einmal mit dem Urin zu mir, und ich werde dir sagen, was du zu tun hast. Vergnügt verabschiedete sich Salvestro, überbrachte seiner Frau die gute Botschaft und erwartete fröhlich und sehnsüchtig den kommenden Tag, um zu vernehmen, auf welche Weise er seine geliebte Gattin wieder gesund bekommen werde. Abends, nach dem Nachtessen, widmete er sich eine Weile seiner Frau und sprach ihr Mut ein, und nachdem er dann der Magd denselben Auftrag wieder gegeben hatte, ging er zur gewohnten Stunde schlafen. Sandra war darüber in keiner geringen Verzweiflung, und damit kein Skandal daraus entstehe, entschloß sie sich, da sie bereits zweimal gesündigt, nun auch zum drittenmal zu sündigen und händigte am anderen Morgen Salvestro ihren Urin statt jenes der Kranken aus, und der besorgte Gatte brachte ihn, so schnell er konnte, zum Arzte. Als dieser ihn rein und klar sah wie immer, wandte er sich lachend nach ihm hin und rief: »Paß auf, Salvestro: wenn dir, wie es den Anschein hat, an dem Wohle deiner Gattin gelegen ist, so mußt du mit ihr des Beischlafs pflegen; denn ich kann kein anderes Krankheitssymptom an ihr finden, außer ein Übermaß an Hitze, und da gibt es eben keine andere Möglichkeit und kein anderes Mittel, sie wiederherzustellen, als die eheliche Umschlingung. Tu das also unbesorgt, und je eher je besser und bemühe dich, es ihr möglichst kräftig zu besorgen, denn wenn das nichts nützt, so darfst du glauben, daß sie verloren ist. Salvestro, der dem Arzte vollsten Glauben schenkte, versprach sein Bestes zu tun, sagte ihm Gott befohlen und erwartete voll größter Sehnsucht die Nacht, in der er für das Wohl seiner Gattin tätig sein und ihr die verlorene Gesundheit wieder schenken sollte.

Es ward endlich Abend. Er hatte ein ausgezeichnetes Essen bestellt und wollte es nun bei seiner Frau einnehmen, neben deren Bett er einen Tisch hatte aufschlagen lassen, an dem er mit einem Freunde, einem lustigen und witzigen Kumpan, unter beständigen Scherzreden fröhlich zu Abend speiste. Nachdem er dann schließlich den Freund verabschiedet und der Magd gesagt hatte, sie solle in ihre Kammer schlafen gehen, und allein geblieben war, fing er an, sich unter fortwährendem Lachen und Scherzen in Gegenwart seiner Frau zu entkleiden. Ebenso erstaunt wie ängstlich wartete die Gattin ab, worauf das hinaus sollte. Nachdem er endlich dastand, wie Gott ihn geschaffen hatte, legte er sich an ihre Seite und fing wahrhaftig an, zuerst sie zu betasten und an sich zu drücken und dann zu umschlingen und zu küssen. Die Kranke wußte, als sie dies sah und fühlte, gar nicht, wie ihr geschah und rief ganz entsetzt: »O weh, Salvestro! Was soll das bedeuten? Hast du etwa gar den Verstand verloren? Was willst du beginnen?« Er aber gab nichts weiter zur Antwort als: »Halt dich still und hab' keine Angst, du Närrin, – ich bin nur darauf bedacht, dich wieder gesund zu machen.« Und mit diesen Worten schickte er sich an, sie zu besteigen. Sie aber rief mit erhobener Stimme: »Weh mir, Abscheulicher, willst du mich auf diese Weise umbringen? Kannst du denn nicht so lange warten, bis mich die Krankheit von selbst tötet, was gar bald geschehen wird, warum willst du meinen Tod durch ein so abenteuerliches Mittel beschleunigen?« »Wieso denn?« protestierte Salvestro, »ich bin bestrebt, dir das Leben zu erhalten, meine süße Seele: dies ist die Medizin für deine Krankheit, so hat mir's unser Gevatter Meister Mingo aufgetragen, von dem du doch weißt, wie sehr er die anderen Ärzte an Verständnis übertrifft. Hab' darum keine Angst, halte dich ruhig und beiße die Zähne zusammen, damit du, schnell wiederhergestellt, dieses Bett verlassen kannst.«

Sie schrie aber trotzdem und setzte sich zur Wehr und schalt ihn und überschüttete ihn unaufhörlich mit Vorwürfen, ließ sich aber doch schließlich, da sie sehr schwach war, von der Kraft und den Bitten ihres Gatten besiegen, so daß sie die heilige Ehe vollzogen, wobei sie, die sich vorgenommen hatte, regungslos dazuliegen, als ob sie von Marmor sei, es sich doch nicht versagen konnte, tätigen Anteil zu nehmen; denn es schien ihr in der Tat, daß ihr Gatte, als er sie an sich preßte, ihr, wie er gesagt hatte, neue Gesundheit in den Körper einströmen lasse, fühlte sie doch ganz plötzlich die Last und Pein des Fiebers, die Schwere und Leere des Kopfes, die Schlaffheit und Müdigkeit der Glieder verschwinden und sich ganz frei und leicht werden und mit dem Einfließen des Zeugungssamens ihren leidenden Zustand und die ganze Qual der Krankheit aufhören. Nachdem sie so das erste Gefecht geliefert hatten, schöpften sie alle beide Atem und ruhten sich aus. Salvestro aber, der die Worte des Arztes wohl im Gedächtnis hatte, schickte sich bald darauf an, den zweiten Sturm zu unternehmen, nach welchem auch der dritte nicht lange auf sich warten ließ und glücklich durchgeführt wurde, worauf sie sich dann ermüdet schlafen legten.

Und die Frau, die vorher zwanzig Nächte kein Auge hatte zutun können, schlief alsbald ein und wachte acht Stunden lang keinen Augenblick auf und wäre auch dann noch nicht aufgewacht, wenn ihr Mann sie nicht an einer gewissen Stelle gekrault hätte, worauf sich sich zum vierten Scharmützel umschlangen. Damit war es hellichter Tag geworden, und die Frau schlief darauf abermals ein und schlummerte bis zur Tertie. Nachdem Salvestro sich erhoben hatte, brachte er ihr eigenhändig Süßigkeiten und Trebbianer Wein ans Bett wovon sie während des Morgens mehr und mit größerem Appetit genoß, als sie vorher in acht Tagen getan hatte. Glücklich hierüber eilte der Gatte zum Arzt und berichtete ihm alles aufs ausführlichste, worüber dieser sehr befriedigt war und ihn ermunterte, auf diese Weise fortzufahren.

Nachdem ihn Salvestro verlassen und einige Geschäfte erledigt hatte, kehrte er um die Stunde des Mittagessens heim und hieb mit seinem geliebten Weibe vergnügt in einen guten fetten Kapaun, den er hatte zubereiten lassen, ein, und da es ihr wieder schmeckte, aß sie diesmal wie eine Gesunde und trank wie eine Kranke. Am Abend dann, nachdem sie gar trefflich zu Nacht gegessen hatte, ging sie mit ihrem Gatten zu Bett, aber nicht mehr schmerzvoll und ängstlich, sondern fröhlich und im sicheren Vertrauen auf die Medizin. So verarztete sie Salvestro auf die mit Erfolg erprobte Weise und verhalf ihr zu immer neuen Kräften, bis sie (um euch nicht durch Wiederholungen zu langweilen) nach vier oder sechs Tagen das Bett verlassen konnte und in weniger denn zehn wieder frisch und rosig und gesünder und schöner war als je zuvor. Hierüber ebenso glücklich und zufrieden wie ihr Gatte, dankte sie Gott und dem guten Rat und dem ausgezeichneten Verständnis ihres Gevatters, des Arztes, der sie durch ein so süßes Mittel aus einer schon halb dem Tode Verfallenen zu einer gesundheitstrotzenden Frau gemacht hatte.

Unterdessen war der Karneval herangekommen, und da geschah es eines schönen Abends nach dem Nachtessen, als Salvestro mit seiner Frau heiter und unter vergnüglichem Geplauder und Gelächter am Kaminfeuer saß, daß Sandra, die gesehen hatte, daß die Vertauschung des Urins die Gesundheit der Herrin und den Trost ihres Gatten verursacht hatte, ihnen die ganze Geschichte, wie sie sich im einzelnen abgespielt, erzählte. Sie hörten's mit nicht geringem Staunen und mußten den ganzen Abend, indem sie sich immer wieder den Hergang der Sache vergegenwärtigen, so sehr lachen, daß ihnen die Augen schmerzten. Der Tag war noch kaum angebrochen, als Salvestro den Arzt aufsuchte und ihm alles ausführlich erzählte. Aufs höchste verblüfft und beinahe außer sich, stellte sich dieser das Lustspiel, das sich da entwickelt hatte, vor und wie die Magd, ohne es zu wollen, ja beinahe um ihrer Herrin zu schaden, die Veranlassung zu ihrer Wiederherstellung geworden war. Und nachdem auch er eine gute Weile darüber gelacht hatte, erzählte er jedem, der zu ihm ins Haus kam, diese lustige Geschichte, die wie ein Wunder aussah. In sein Rezeptbuch aber schrieb er, daß bei allen Krankheiten der Weiber vom sechzehnten bis zum fünfzigsten Jahr, sofern kein anderes Mittel helfe und sie von den Ärzten aufgegeben seien, der Koitus geeignet und äußerst wirksam sei, um sie in kurzer Zeit gesund zu machen, wobei er diesen ihm bei seinen Kuren begegneten Fall als Beispiel anführte. Und Salvestro gab er zu verstehen, daß seine Magd, die für ihn die Ursache von so viel Glück gewesen sei, brennend einen Mann nötig habe und ohne einen solchen leicht in irgendeine heftige und gefährliche Krankheit verfallen könne. Um sie also für die empfangene Wohltat zu belohnen, gab Salvestro sie einem Stiefsohn eines seiner Bauern von San Martin la Palma, einem Jüngling, dem eben erst der Bart keimte, einer handfesten Gerte, die ihr den Staub aus dem Muff klopfte und den richtigen Moment nicht verpaßte.

 

2.

Der alte Ser Anastagio wird ohne den geringsten Grund auf seine junge Frau eifersüchtig. Hierüber entrüstet, richtet sie es so ein, daß ein Arzt, der sie liebt, zum Ziel seiner Wünsche kommt. Als ihr Gatte infolge eines Unfalls ums Leben kommt, heiratet sie den Liebhaber.

Gleichfalls in Florenz lebte vor nicht langer Zeit ein Notar namens Ser Anastagio dalla Pieve. Dieser kam als Knabe nach Florenz und weilte als Pädagog im Hause der Strozzi. Als er dann erwachsen war, ließ er sich in die Notarmatrikel einschreiben. Er fing an, im Palast des Podestà zu verdienen und wurde im Laufe der Zeit reich. Als er dann ein halber Greis war und niemand hatte, dem er sein Vermögen hinterlassen konnte, beschloß er, ein Weib zu nehmen. Und da er nicht nach Mitgift fragte, hatte er das Glück, ein Mädchen zu bekommen, das jung, von edler Abkunft und schön war und von ihm, außer im Bett, in jeder Beziehung, die sie nur wünschen konnte, befriedigt wurde. Da der Notar jedoch bis über die Ohren in sie verliebt und vernarrt war, wurde er zum eifersüchtigsten Mann von der Welt und verwandte mehr Sorgfalt und Bedacht darauf, sie gut zu bewachen, als Klienten zu erlangen und danach zu streben, Kontrakte aufzusetzen und rechtsgültig zu machen. Fiammetta, so hieß die junge Frau, blieben der verkehrte Sinn und die Furcht ihres Gatten nicht lange verborgen; sie ärgerte sich daher, zumal sie von vornehmer Herkunft und hohen Sinnes war, dermaßen darüber, daß sie sich vornahm, ihm zur Strafe das anzutun, woran sie sonst niemals gedacht haben würde. Und als sie gewahr wurde, daß ein in ihrer Nähe wohnender Arzt, der vor kurzem aus Paris zurückgekehrt war, wo er studiert hatte, ein sehr hübscher und angenehmer Mann von ungefähr fünfunddreißig Jahren, ihr gewaltig den Hof machte, fing sie an, ihm ein freundliches Gesicht zu zeigen. Der Arzt war darob über die Maßen froh und ging noch häufiger unter ihren Fenstern vorbei. Sie sah ihn mit immer freundlicheren Augen an, und so geschah es, daß sie sich in ihn verliebte.

Als sie einander nun so liebten, wünschten sie nichts sehnlicher, als zusammenzukommen. Sie vermochten aber nicht zum Ziele zu gelangen wegen einer alten Magd, die der Notar zu keinem anderen Zweck im Hause hielt, als damit sie untertags seine Frau überwache, ein Geschäft, das er in der Nacht selbst besorgte. Fiammetta und ihr Meister Giulio – so hieß der Arzt – empfanden darob das äußerste Mißvergnügen. Doch die junge Frau, die vor Verlangen fast verging, nahm sich vor, Mittel und Wege zu finden, um zu ihrem Vergnügen zu gelangen. Es fiel ihr auch ein Mittel ein, mit ihrem Arzt zusammenzukommen und sich mit ihm zu verlustieren, und sie teilte es ihm brieflich mit. Nachdem sie sich über ihren Feldzugsplan einig waren, fing die gute Frau eines Nachts um die Zeit des ersten Schlafes an, laut zu schreien und zu rufen: »Oh, Ser Anastagio! O mein Gatte! Ich sterbe! Ich sterbe! Weh mir, hilf mir um Gottes willen!« Ser Anastagio schrak aus dem Schlafe und sprang im Hemd aus dem Bett. Eilends rief er die Mägde, und diese liefen schnell mit der angezündeten Öllampe herbei, um die Frau zu beruhigen, die in einem fort jammerte und schrie und sagte, daß sie Leibschmerzen fühle und spüre, wie ihre Gedärme aufgetrieben würden. Die Mägde legten ihr heiße Tücher und Kohlblätter auf und standen ratlos, als sie sahen, daß nichts helfen wollte, ihre Schmerzen und ihr Schreien vielmehr nur stärker wurden.

»O ich Unglückliche! Ich Ärmste! O mein geliebter Mann! Ich platze, ich platze, mein süßer Gatte, hilf mir, hilf mir, ich bitte dich!« schrie sie und verdrehte dabei die Augen auf nie gesehene Weise. Ser Anastagio, der vor Mitgefühl weinte und fürchtete, sie würde ihm unter den Händen sterben, beschloß, zum Arzt zu gehen und teilte seiner Frau, um sie ein wenig zu trösten, seine Absicht mit. »Weh mir!« rief diese darauf, »macht schnell, mein guter Mann, macht um Gottes willen schnell, sonst kommt Ihr zu spät!« »Sei ohne Sorge!« erwiderte der Notar, »um so schnell wie möglich zu machen, will ich hier um die Ecke zu unserm Nachbarn Meister Giorgio gehen.« »Gut, gut«, hauchte Fiammetta, »zögert nicht! O weh! Ich sterbe, wenn er nicht schnell kommt und mir auf irgendeine Weise hilft!« Der Notar zauderte nicht länger, sondern eilte sogleich davon. Er brauchte nicht lange zu klopfen, da antwortete ihm der Arzt, der nur auf ihn gewartet hatte, so daß sie im Umsehen in die Schlafkammer kamen, wo die Frau sich wie eine Verzweifelte gebärdete. Der Meister grüßte sie und sprach ihr gleich anfangs gut zu; hierauf klopfte und tastete er sie überall aufs gründlichste ab und sagte dann, zum Gatten gewandt: »Sie hat entweder etwas Giftiges gegessen, oder die Gebärmutter bereitet ihr Schmerzen. Wenn Ihr sie retten wollt, müßt Ihr zur Sternapotheke eilen und eine Latwerge holen, die ich Euch verschreiben werde und die ein ausgezeichnetes und sehr geeignetes Mittel gegen Gift sowohl wie gegen das Mutterweh ist.« »Das ist eine Kleinigkeit«, erwiderte der Notar und fügte hinzu: »Ich werde im Augenblick wieder da sein.« »Habt keine Sorge«, versetzte der Arzt, »ich werde ihr inzwischen ein hausgemachtes Magenpflaster auflegen und werde es selbst mit Hilfe dieser Mägde bereiten.« »Also los!« rief Ser Anastagio; das Schreibzeug wurde gebracht und der Arzt schrieb ihm eine ganz seltsame Mischung auf und schickte ihn eilends zu jenem Apotheker, der in demselben Hause wohnte, wo er seinen Laden hatte, während er bei der fortwährend schreienden Fiammetta zurückblieb. Sowie sie aber die Tür sich hinter dem Gatten schließen hörte, fing sie an, die Stimme noch lauter zu erheben und zu tun, als würden die Schmerzen immer stärker, so daß sie das ganze Haus widerhallen machte. Daher sagte der Arzt zu den Mägden, die Öl und Mehl für das Magenpflaster herbeibrachten, er wolle, da er kein anderes Mittel sehe, sie am Leben zu erhalten, eine Beschwörung ausführen und befahl ihnen, sie sollten sofort ein Glas Wein und ein Glas Wasser bringen, was alsbald geschah. Da nahm der Arzt in jede Hand eines, tat als spreche er über beiden irgendwelche Zauberworte, reichte sie Fiammetta, den Wein mit der Rechten und das Wasser mit der Linken und ließ sie von beiden je vier Schluck trinken.

Hierauf gab er den beiden Mägden zu verstehen, sie müßten, wenn sie ihre Herrin am Leben erhalten wollten, sofort, die eine auf den höchsten Punkt des Hauses und die andere, in den tiefsten Keller gehen und vier Rosenkränze beten, je einen für jeden der vier Evangelisten, und er band ihnen auf die Seele, sie langsam zu beten und ohne etwas auszulassen und unter keiner Bedingung eher fortzugehen, als bis sie damit fertig seien. Die Mägde glaubten steif und fest an seine Worte, und obwohl es ihnen eine wenig angenehme Aufgabe schien, gingen sie doch, ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen, überzeugt, zur Rettung ihrer Gebieterin beizutragen, die in einem fort schreiend jeden Augenblick ihren Geist aufgeben zu müssen schien, die alte in den Keller und die junge aufs Dach, jede mit ihrem Rosenkranz. Kaum aber hatten sie den Fuß zur Kammer hinausgesetzt, als Meister Giulio den Wein, das Wasser und den Zauber auf sich beruhen ließ und die gute Frau ebenso das Schreien und Jammern und beide sich gegenseitig die Wonne spendeten, die ihr euch unschwer vorstellen könnt. Und sie hatten alle Muße dazu; denn Ser Anastagio war in der Via Fiesolana, und es hatte eine ganze Weile gedauert, bis er dort angelangt und ebenso, bis er von dem Apotheker bedient war, und er brauchte für diesen Gang so viel Zeit, daß er schier daran verzweifelte, seine Frau noch lebend anzutreffen, so daß der Meister Arzt mit seiner wunderschönen Fiammetta inzwischen zu beider unbeschreiblicher Seligkeit ein dreimaliges Ringelstechen absolvieren konnte.

Als es ihnen dann schien, als müßten die Mägde und der Notar jeden Augenblick zurückkehren, legte sich die Frau hin, wie wenn sie schliefe, während der Arzt sich auf die Knie niederließ und so tat, als lese er in seinen alten Schmökern. Da trafen auch schon die Mägde, die ihre Rosenkränze zu Ende gebetet hatten, die eine aus dem Keller, die andere vom Dach fast im gleichen Augenblick vor der Kammertür zusammen, und die Alte trat zuerst ein, um zu sehen, wie es mit der Herrin stände. Als sie aber den Arzt auf der Erde kniend murmeln und die Frau regungslos und still wie eine Schlafende im Bett liegen sahen, wollte sie, in der Meinung, sie sei gestorben, schon anfangen zu schreien und Lärm zu schlagen, wurde aber sogleich von dem Arzte davon zurückgehalten. »Schweig!« sagte er, »deine Herrin ist geheilt und schläft jetzt.« Nachdem er dann sie und die andere Magd, die inzwischen ebenfalls in die Kammer getreten war, gefragt hatte, ob sie ihre Rosenkränze zu Ende gebetet hätten und sie es bejaht hatten, erhob er sich in demselben Augenblick, da Ser Anastagio an die Haustür pochte. Eine der Mägde zog schnell das Türseil, und alsbald kam er in höchster Aufregung und ganz außer Atem mit der Latwerge in die Kammer gestürzt, voller Angst, seine Frau als Leiche vorzufinden. Da rief ihm Meister Giulio entgegen: »Eure Gattin liegt da wie eine Perle und ist durch Gottes Gnade geheilt, so daß wir keiner Medizinen mehr bedürfen.«

Damit erzählte er ihm den ganzen Hergang und wie er sich, da er kein anderes Mittel hatte, gezwungen gesehen, seine Zuflucht zur Zauberkunst zu nehmen. Die Frau tat unterdessen, als wache sie auf und sagte ganz heiter und lächelnd zu ihrem Gatten: »O mein allersüßester Mann, seid überzeugt, daß Ihr Eure Fiammetta, die schon mit einem Fuß im Grabe stand, wieder habt, und dankt vor allem Gott und dann Meister Giulio.« Da dankte Ser Anastagio überströmenden Herzens Gott und dem Arzte und wollte in seiner Freude dem Meister einen Goldflorin überreichen. Der aber antwortete, er pflege für derartige Kuren niemals Geld anzunehmen und nahm schließlich nach vielen Anerbietungen und Danksagungen von ihnen Abschied und kehrte nach Hause zurück. Der Notar und seine Frau aber legten sich, nachdem sie die Mägde zu Bett geschickt hatten, froh wie noch nie schlafen. Am anderen Morgen stand Ser Anastagio, der wegen einiger wichtiger Rechtssachen, die ihm übergeben worden waren, im Palazzo del Proconsolo zu tun hatte, frühzeitig auf und ließ seine Frau weiter der Ruhe pflegen; denn er dachte, wegen ihres Anfalles in der verflossenen Nacht müsse sie das größte Bedürfnis danach haben. Nachdem er sich eilends angekleidet hatte, um fortzugehen, wollte es sein Unglück, daß er beim Hinabsteigen auf der Treppe stolperte und sie von der zweiten Stufe ab ihrer ganzen Länge nach hinunterstürzte, wobei er sich, abgesehen von anderen Verletzungen, eine Schläfe so heftig aufschlug, daß er ohnmächtig wurde. Auf den Lärm liefen die beide Mägde alsbald herbei, und ebenso Fiammetta, eilten die Treppe hinunter und fanden ihn unten bewußtlos auf dem Boden ausgestreckt und neben dem linken Ohr ganz blutig, so daß sie fest glaubten, er sei tot. Sie erhoben darauf ein gewaltiges Wehklagen, auf das alle Nachbarn herbeiliefen und den verletzten und blutüberströmten Notar auf sein Bett legten und zu den beiden ersten Chirurgen von Florenz schickten. Und sie rieben ihm so lange mit kaltem Wasser und Essig die Pulse, daß seine verirrten Lebensgeister wieder zurückkehrten, just als die Ärzte eintraten. Nachdem diese den Schädelbruch auf das sorgfältigste betrachtet und mit der Sonde untersucht hatten, erklärten sie, es sei keine Hoffnung vorhanden, man möge den Beichtiger holen, er werde nur noch wenige Augenblicke leben. Ihr könnt euch denken, was für ein Jammergeschrei Fiammetta erschallen ließ und welchen Schmerz sie zur Schau trug. Und der Gatte empfand darüber mehr Herzeleid und Pein als über das Unglück selbst. Nachdem er daher zuerst für das Heil seiner Seele gesorgt hatte, machte er sein Testament, und da er keine Verwandten hatte, die ihn legitim beerben konnten, hinterließ er alles seiner Frau und machte sie zur Universalerbin aller seiner beweglichen und unbeweglichen Güter ohne jede Last und Verpflichtung, um ihr die glühende und unvergleichliche Liebe, die er zu ihr hegte, deutlich zu beweisen. Innerlich aufs höchste darüber erfreut, erweckte Fiammetta durch Weinen den Anschein, als wolle sie zugleich mit den Tränen ihre Seele den Augen entströmen lassen, so daß Ser Anastagio, seinen eigenen Zustand vergessend, gezwungen war, sie zu trösten und aufzurichten. Und indem er ihr sagte, daß er sie als eine reiche Frau zurücklasse, bat er sie um einen einzigen Liebesdienst; sie möge sich nämlich entweder nicht wieder verheiraten und nach ihrem Tode alles dem Findelhause hinterlassen, oder, wenn sie sich wieder verheirate, dem ersten Sohn, den sie zur Welt bringe, den Namen Anastagio geben, damit sie Veranlassung hätte, lange seiner zu gedenken. Unter beständigen Tränenfluten versprach Fiammetta alles auf das bereitwilligste; der Notar aber, mit dem es immer mehr bergab ging, verlor abends bei Sonnenuntergang die Sprache und verschied in derselben Nacht.

Am anderen Tage ließ ihn Fiammetta (nachdem sie mit ihrem Vater, der gekommen war, sie zu sehen, und mit ihren Brüdern sich in den größten Wehklagen ergangen hatte) auf das prunkvollste begraben. Der alten Magd, die lange Zeit im Hause gewesen war, gab sie außer ihrem Lohn noch ein ansehnliches Geschenk und erteilte ihr dann den Abschied, die junge aber verheiratete sie. Da sie sich nun reich sah und außerdem jung fühlte, beschloß sie, gegen den Wunsch ihres Vaters und aller ihrer Angehörigen, sich wieder zu verheiraten, und da sie ihres Meisters Giulio gedachte, vielmehr ihn beständig vor Augen sah und ihn in den Liebeskämpfen als einen starken und mutigen Ritter erkannt hatte, pflog sie mit ihm in aller Heimlichkeit den vertrautesten Umgang. Und nicht minder als sie wünschte er unter allen Umständen die Ehe, die sie denn auch schließlich nach ziemlichster Beobachtung der Erfordernisse der Sitte eingingen. So lebten sie lange Zeit, einander genießend, in Reichtum und Behagen und vermehrten ihren Besitz und die Zahl ihrer Kinder, und als ihnen der erste Sohn geboren worden war, gab ihm Fiammetta, dem Versprechen getreu, das sie ihrem ersten Gatten gegeben hatte, den Namen Anastagio.

 

3.

Wie Lorenzo de' Medici dem Arzt Meister Manente einen Streich spielte.

Lorenzo der Alte de' Medici war gewiß einer, wo nicht der erste der allervortrefflichsten Männer, nicht nur der aus sich selbst tugendhaften, sondern auch der die Tugend liebenden und belohnenden, die da jemals in der Welt gefeiert wurden. Zu seiner Zeit nun lebte zu Florenz ein Arzt und Chirurg, namens Meister Manente, aus der Pfarrei Santo Stefano, der mehr durch die Erfahrung als durch wissenschaftliche Bildung gelehrt war, ein wirklich sehr kurzweiliger und witziger, dabei aber so anmaßlicher und unverschämter Mann, daß es gar nicht mit ihm auszuhalten war. So liebte er unter anderem auch über die Maßen den Wein und gab sich für einen großen Weinkenner und Weinkieser aus, und oftmals pflegte er sich uneingeladen beim Magnificio zum Mittag- und Abendessen einzufinden. Diesem nun war er durch seine Zudringlichkeit und Unverschämtheit allmählich so zum Überdruß und lästig geworden, daß er ihn nicht mehr sehen konnte und sich vorgenommen hatte, sich seiner für eine Weile und vielleicht für immer durch einen Kapitalstreich zu entledigen. Er hatte nun eines Abends vernommen, daß Meister Manente im Wirtshause zu den Affen sich dermaßen die Nase begossen habe, daß er nicht mehr auf den Füßen stehen konnte, so daß der Wirt, als er seine Gaststube schließen wollte, ihn von seinen Kellnern habe hinaustragen lassen. Seine Kumpane hätten ihn dann auf einer der großen Bänke der Läden bei San Martino abgeladen und verlassen, worauf er so fest eingeschlafen sei, daß ihn die Bombarden nicht aufgeweckt hätten und nun wie ein Ratz schnarchte.

Dies schien dem Magnifico die erwünschteste Zeit zur Ausführung seines Planes. Er tat, als habe er nicht gehört, was jener sprach, der ihm berichtete und sei mit anderm beschäftigt. Hierauf stellte er sich, als wolle er zu Bett gehen; denn es war doch schon sehr spät (übrigens bedurfte seine Natur wenig Schlaf, und es war immer bereits Mitternacht, bevor er schlafen ging), ließ insgeheim zwei seiner zuverlässigsten Reitknechte rufen und gab ihnen die nötigen Weisungen. Diese gingen sodann mit verhülltem Gesicht und unerkannt aus dem Palast in Lorenzos Auftrage nach dem Sankt-Martins-Platz, wo sie Meister Manente auf die oben geschilderte Art schlafen fanden. Sie ergriffen ihn, stark und rüstig wie sie waren, stellten ihn aufrecht auf die Erde und verhüllten sein Gesicht gleichfalls, worauf sie mit ihm, ihn fast in der Schwebe tragend, von dannen gingen. Als der vom Weine wie vom Schlaf betäubte Arzt fühlte, daß er hinweggeführt wurde, glaubte er sicher, die Kellner des Weinwirts oder seine Zechbrüder und Freunde brächten ihn nach Hause, und so ließ er sich, schlaftrunken und berauscht, wie nur einer sein konnte, führen, wohin jene wollten. Die Diener machten mit ihm verschiedene Umwege durch das nächtliche Florenz, gelangten schließlich zum Palast der Medici und traten, nachdem sie sich vergewissert hatten, daß man sie nicht gesehen, durch die rückwärtige Tür in den Säulenhof, wo sie den Magnifico ganz allein fanden, der sie mit unaussprechlichem Vergnügen erwartete. Sie stiegen zusammen die ersten Treppen empor in einen Zwischenstock in der Mitte des Hauses und begaben sich von dort in ein ganz geheimes Zimmer. Dort legten sie Meister Manente auf Lorenzos Weisung, unkenntlich wie sie waren, auf ein aufgeschütteltes Federbett und kleideten ihn ganz vorsichtig bis aufs Hemd aus, so daß er kaum etwas davon merkte, und es war gerade so, wie wenn man einen Toten entkleidet. Hierauf nahmen sie alle seine Kleider mit und ließen ihn in der wohlabgeschlossenen Kammer liegen. Der Magnifico befahl seinen Dienern nochmals, reinen Mund zu halten, verwahrte die Kleider des Arztes und schickte sogleich nach dem Possenreißer Monaco aus, der besser als irgend jemand auf der Welt alle Personen in der Rede nachmachen konnte. Sobald dieser vor ihm erschien, führte ihn Lorenzo in sein Schlafzimmer, entließ seine Reitknechte zur Ruhe und setzte dem Monaco auseinander, was er von ihm ausgeführt zu sehen wünschte, worauf er selbst höchst vergnügt zu Bett ging. Monaco packte alle Kleider des Arztes zusammen, schlich sich heimlich nach Hause, zog die seinigen aus und kleidete sich von Kopf bis Fuß in erstere, worauf er sich, ohne jemand ein Wort zu sagen, entfernte und, als schon überall die Frühmette geläutet wurde, nach Meister Manentes Hause ging, der damals in der Via de' Fossi wohnte. Dieser hatte, da es September war, die Familie: seine Frau, ein Knäblein und die Magd ins Mugello geschickt, während er selbst allein in Florenz geblieben war und nur nachts zum Schlafen nach Hause kam; denn er speiste immer im Wirtshause oder bei seinen Freunden. Sowie also der als Meister Manente verkleidete Monaco vor dessen Hause angekommen war, holte er den Schlüssel, den er in der Tasche des Arztes bei sich trug, hervor, schloß ohne Schwierigkeit die Tür auf, verschloß sie wieder hinter sich und legte sich ins Bett, äußerst befriedigt, den Wunsch des Magnifico ausführen und zugleich dem Arzte einen Streich spielen zu können.

Mittlerweile wurde es nun Tag, und als Monaco bis zur dritten Stunde nach Sonnenaufgang geschlafen hatte, sprang er vom Lager auf, zog die Kleider des Arztes an und einen langen alten Hausrock über das Wams, setzte sich einen ausgedienten Hut auf den Kopf und rief, des Arztes Stimme nachahmend, aus dem nach dem Hofe hinausgehenden Fenster einer seiner Nachbarinnen zu, er fühle sich ein wenig unpäßlich, er habe etwas Schmerzen im Halse, den er sich mit Vorbedacht mit Werg und Fettwolle umwickelt hatte. Es herrschte damals in Florenz der leise Argwohn, es könnte die Pest ausbrechen, und gerade in diesen Tagen waren einige verdächtige Häuser entdeckt worden. Die Nachbarin erkundigte sich daher erst vorsichtig, was er von ihr begehre. Monaco bat sie um ein paar frische Eier und um ein wenig Feuer und empfahl sich ihrer Sorge. Dann stellte er sich mit Worten und Gebärden, als könne er sich nicht mehr aufrecht halten und entfernte sich vom Fenster. Die gute Frau holte Eier und Feuer, rief ihn dann mehrmals und tat ihm zu wissen, daß sie ihm beides vor die Haustür stellen werde, wo er es sich holen möge. Und so tat sie. Monaco aber ging vergnügt in seiner Rolle als Meister Manente mit seinem langen Hausschlamp bekleidet und den alten Filz in die Augen gedrückt, an die Eingangstür, nahm die Eier und das Feuer an sich und schlich damit ins Haus zurück, wie wenn er sich nicht mehr auf den Beinen halten könnte und hatte den Hals noch dicker verbunden, so daß ihn alle Nachbarn, die ihn sahen, zu ihrem Leidwesen schon ganz mit Pestbeulen bedeckt glaubten.

Die Kunde von dieser Erkrankung verbreitete sich alsbald in der Stadt, weshalb ein Bruder von Meister Manentes Frau, ein Goldschmied namens Niccolaio, Hals über Kopf herbeigeeilt kam, um sich zu erkundigen, wie die Sache stehe. Er pochte an die Tür, pochte abermals, erhielt aber keine Antwort, da Monaco den Tauben spielte, hingegen versicherte ihm die Nachbarschaft, daß der Arzt ohne Zweifel von der Pest ergriffen sei. In diesem Augenblick ritt Lorenzo, wie von ungefähr, in Gesellschaft vieler Edelleute, die Straße entlang und fragte, als er die Volksansammlung sah, was das zu bedeuten habe. Der Goldschmied antwortete, man fürchte sehr, Meister Manente möchte von der Pest angesteckt sein. Der Magnifico sagte, es werde wohlgetan sein, dem Kranken einen Wärter beizugeben und empfahl Niccolaio, in seinem Namen nach Santa Maria Nuova zu gehen und sich von dem Spitalvorsteher einen tüchtigen und erfahrenen Mann mitgeben zu lassen. Der Goldschmied machte sich eiligst auf den Weg, richtete dem Spitalverwalter seinen Auftrag aus und erhielt sofort einen Wärter, den Lorenzo bereits in sein Geheimnis gezogen und von dem, was er zu tun habe, unterrichtet hatte.

Der Magnifico Lorenzo war unterdessen auf einem kleinen Umweg wieder zurückgeritten und erwartete sie an der Ecke der Borgo Ognissantistraße. Als er ihrer ansichtig wurde, ritt er ihnen entgegen, tat als gebe er dem Wärter die nötigen Weisungen und empfahl ihm Meister Manente auf das dringendste und ließ ihn sofort ins Haus treten, nachdem er die Tür durch einen Schlosser hatte öffnen lassen. Nach einer kleinen Weile trat der Wärter ans Fenster und rief hinunter, der Arzt habe am Halse eine Pestbeule so groß wie ein Pfirsich, könne sich nicht vom Bett erheben und liege halbtot da, er werde ihm jedoch alle mögliche Hilfe leisten. Lorenzo beauftragte den Goldschmied, für ihn und den Kranken Speise herbeizuschaffen, ließ den Pestwimpel an der Haustür befestigen und ritt dann seines Weges, indem er in Worten und Gebärden sein Bedauern über den Zustand des Arztes zu erkennen gab. Der Krankenwärter ging zu Monaco hinein, der sich vor Vergnügen wie närrisch gebärdete, und als sie von dem Goldschmied Essen in Menge erhalten und im Hause selbst Dörrfleisch gefunden hatten, zapften sie ein Fäßlein guten Weines an und hielten abends einen wahrhaft päpstlichen Schmaus.

Unterdessen hatte Meister Manente die Nacht und den folgenden Tag ununterbrochen geschlafen und wußte, als er sich bei seinem Erwachen im Bett und im Dunkeln wiederfand, sich nicht zu besinnen, wo er sei, zu Hause oder anderswo. Er dachte angestrengt nach und erinnerte sich endlich, wie er im Wirtshaus zu den Affen zuletzt mit Burchiello, mit dem Succia und mit dem Makler Biondo getrunken, darauf eingeschlafen und nach seiner Empfindung nach Hause gebracht worden war. Er sprang daher aus dem Bett, tastete sich dorthin, wo er ein Fenster vermutete, fand aber keines und machte sich nun umhertappend auf die Suche, bis er auf eine Abtrittstür stieß. Dort schlug er sein Wasser ab; denn sein Drang wurde sehr stark und verrichtete auch seine Notdurft, irrte dann wieder in dem Gemach umher und kehrte endlich voller Unruhe und Erstaunen ins Bett zurück; denn er wußte gar nicht, wo in aller Welt er sich befand. Er durchlief in seiner Erinnerung alles, was ihm begegnet war, von neuem, da er aber allmählich anfing, hungrig zu werden, fühlte er sich mehrmals versucht, zu rufen. Doch hielt ihn die Angst zurück, er schwieg daher und wartete, was mit ihm werden sollte.

Lorenzo hatte unterdessen bereits die Anordnung zu weiterer Durchführung seines Planes getroffen. Er hatte heimlich die beiden Reitknechte in weiße Mönchskutten, die bis auf den Boden reichten, gesteckt und jedem eine große Kopfmaske nach Art derer von der Via de' Servi, die zu lachen scheinen und ihnen bis auf die Schultern herabgingen, übergestülpt. Er hatte sie wie die Mönchsgewänder der Kleiderkammer entnommen, wo sich unzählige andere Kostüme der verschiedensten Art und ebenso Masken befanden, die für die Karnevalsfeste gedient hatten. Einer der Diener hatte ein bloßes Schwert in der rechten Hand und in der Linken eine große weiße brennende Kerze; der andere trug zwei Flaschen guten Weines und in ein Tuch gewickelt zwei Doppolbrote, zwei fette kalte Kapaunen, ein Stück Kalbsbraten und Früchte, wie sie die Jahreszeit bot. Also ausgestattet ließ Lorenzo sie leise in die Kammer treten, in welcher der Arzt eingeschlossen war. Da die Kammer nun von außen verschlossen wurde, drehten sie mit heftigem Ruck den Schlüssel um und öffneten die Tür ganz plötzlich, um sie ebenso schnell wieder abzuschließen, als sie im Zimmer waren. Der mit dem Schwerte und der Kerze stellte sich hart an die Türe, damit der Arzt nicht etwa hinlaufe und sie öffne. Als Meister Manente die Tür berühren und den Schlüssel umdrehen hörte, schauderte er zusammen und setzte sich im Bette auf; als er aber die seltsam gekleideten Gestalten eintreten und in der Hand der einen ein Schwert blitzen sah, wurde er von solchem Staunen und Entsetzen übermannt, daß ihm der Schrei, den er ausstoßen wollte, im Munde erstarb und er in Todesangst wie festgebannt erwartete, was mit ihm geschehen würde. Gleich darauf aber sah er, daß der andere, der die Eßwaren trug, das Tuch auf einem dem Bett gegenüberliegenden Tische ausbreitete und sodann Brot, Fleisch, Weinflaschen und die übrigen Leckerbissen daraufstellte und ihm mit einem Wink bedeutete, zuzugreifen. Der Arzt, der den Hunger schon leibhaft vor sich gesehen, stand sofort auf und ging im Hemde und barfuß, wie er war, auf die Atzung los; jener aber deutete auf einen Regenmantel und ein Paar Pantoffeln, die auf einem Ruhebett lagen, und veranlaßte ihn durch Winke, beides anzulegen, worauf Meister Manente sich dann mit dem größten Heißhunger über das Essen hermachte. Wie der Blitz öffneten nun die beiden Gestalten die Tür, glitten aus dem Gemach, schlossen ihn ein und ließen ihn ohne Licht zurück. Sodann zogen sie sich aus und erstatteten dem Magnifico ausführlich Bericht. Meister Manente fand seinen Mund auch in der Dunkelheit mit seinen Kapaunen und dem Kalbsbraten, trank aus der Flasche und hüpfte ganz erstaunlich, indem er bei sich selbst sprach: »Es geht mir doch nicht allzu schlimm, mag kommen, was da wolle, – ich weiß jedenfalls, daß, wenn ich sterben soll, ich nunmehr nicht mit leerem Bauche sterben werde.« Er legte hierauf die Überbleibsel der Mahlzeit, so gut es gehen wollte, in das Tischtuch zusammen und kehrte in sein Bett zurück, wobei es ihn doch seltsam dünkte, so allein im Dunkeln zu sein, ohne zu wissen, wo und wie und von wem er hierher gebracht worden und wann er wieder herausgelangen werde. Als er sich jedoch der grinsenden Karnevalsmasken erinnerte, mußte er auch lachen, zumal ihm die gute Verpflegung sehr behagte. Vor allem aber fand der Wein seinen Beifall, von dem er nicht viel weniger als einen Fiasko ausgepichelt hatte. In der sicheren Hoffnung, es sei alles nur ein von seinen guten Freunden ausgesonnener Schwank, war er überzeugt, bald das Licht des Tages wieder zu erblicken und versank bei diesen angenehmen Vorstellungen in Schlaf.

Am anderen Morgen erschien der Krankenwärter frühzeitig am Fenster und rief offen den Nachbarn und dem Goldschmied zu, der Meister habe die Nacht über leidlich geschlafen, die Pestbeule komme heraus, er helfe mit Mehlumschlägen nach und habe gute Hoffnung. Als es nun Abend wurde, fand der Magnifico durch einen Zufall, der ihm sehr erwünscht kam, die beste Gelegenheit zur Fortsetzung seines Scherzes und ließ den Monaco und den Wärter wissen, was sie zu tun hätten. Es war nämlich an diesem Tage um die dritte Morgenstunde ein Roßkamm, namens Franciosino, als er auf dem Platz von Santa Maria Novella ein Pferd zuritt und galoppieren ließ, mit ihm gestürzt und hatte sich, ich weiß nicht wie, den Hals gebrochen, während das Pferd nicht den mindesten Schaden nahm. Die Leute eilten herzu, um ihm aufstehen zu helfen, fanden aber, daß er bereits das Bewußtsein verloren hatte. Sie hoben ihn daher auf und trugen ihn in das nahegelegene Spital von San Pagolo. Dort zogen sie ihn aus, um zu sehen, ob sie ihn wieder zum Leben bringen könnten, fanden aber, daß er tot war und das Genick gebrochen hatte. Daher machte man die wenigen Kleider, die er auf dem Leibe gehabt, zu Geld, und einige Freunde übergaben ihn als Fremden den Brüdern von Santa Maria Novella, welche ihn nach der Vesper beerdigten. Sie brachten ihn zufällig in eines der Gräber, die außen oberhalb der Stufen gegenüber der Haupttür der Kirche lagen. Monaco und sein Genosse hatten von der Absicht Lorenzos Kunde erhalten, und so trat um das Ave Maria der Wärter ans Fenster und rief hinaus, der Arzt habe einen so bedenklichen Anfall bekommen, daß er alle Hoffnung aufgebe; die Pestbeule verenge ihm dergestalt den Hals, daß er kaum zu atmen vermöge, geschweige denn zu reden. Deshalb erschien der Goldschmied am Hause und wünschte, seinen Schwager sein Testament machen zu lassen. Der Wärter erklärte ihm jedoch, daß dies jetzt nicht anginge, und so einigten sie sich dahin, den Kranken am anderen Morgen, wenn er dazu imstande sei, beichten, kommunizieren und sein Testament diktieren zu lassen.

Indessen kam die Nacht, und als zwei Drittel vorüber waren, gingen die beiden Reitknechte im Auftrage des Magnifico heimlich auf den Kirchhof von Santa Maria Novella, holten den Franciosino aus dem Grabe, in das er untertags gebracht worden war, nahmen ihn auf die Schultern und trugen ihn in die Via de' Fossi in das Haus Meister Manentes. Monaco und der Wärter, die an der Tür harrten, nahmen ihn schweigend in Empfang und brachten ihn hinein, die Reitknechte aber entfernten sich wieder, ohne von jemand gesehen worden zu sein. Monaco und der Wärter zündeten ein großes Feuer an, zechten wacker und machten dem Toten ein Gewand aus einem schönen neuen Leintuch. Sodann umwickelten sie ihm den Hals mit eingefettetem Werg, machten ihm durch Draufschlagen ein geschwollenes blaues Gesicht und legten ihn ausgestreckt auf einen Tisch im Erdgeschoß nieder. Auch setzten sie ihm ein großes Barett auf, das Meister Manente Ostern zu tragen pflegte, bedeckten ihn über und über mit Pomeranzenblättern und gingen darauf schlafen. Kaum aber war der Tag erschienen, als der Wärter unter Tränen der Nachbarschaft und den Vorübergehenden verkündete, daß Meister Manente gegen Tagesanbruch aus diesem irdischen Leben dahingeschieden sei. Die Nachricht verbreitete sich augenblicklich durch ganz Florenz; als daher der Goldschmied sie vernommen, lief er eilends hin und erfuhr von dem Wärter den ganzen Hergang ausführlich. Und da nun nichts weiter zu wollen war, beschlossen sie, ihn am Abend begraben zu lassen. Der Goldschmied zeigte also dem Gesundheitsamte den Tod an, und so warteten sie bis dreiundzwanzig Uhr, nachdem sie auch die Brüder von Santa Maria Novella und die Priester von San Pagolo benachrichtigt hatten, so daß zur festgesetzten Zeit alle bereit waren. Mönche und Weltgeistliche zogen ein Stück Weges voraus, dann kamen die Pestleichenträger in ziemlicher Entfernung und holten aus dem Erdgeschoß des Hauses den Roßkamm Franciosino an Stelle des Arztes Meister Manente, für den sie ihn unzweifelhaft hielten, ebenso wie alle, die ihn sahen, obgleich allgemein behauptet wurde, er sei sehr entstellt. Man dachte aber, das komme von der Krankheit, und einer sagte zum andern: »Schau doch die Flecken, die er im Gesicht hat! Man sieht's, daß es die richtige Pest ist.« Die Mönche und Priester schritten nun singend in die Kirche, wo sie die üblichen Zeremonien vollzogen, während die Träger draußen blieben und den Toten in das erste Grab, das sie oberhalb der Treppen fanden, kopfüber hineinwarfen, es wieder verschlossen und ihren weiteren Geschäften nachgingen. Dem ganzen Leichenbegängnisse hatten von ferne Tausende zugesehen, die sich die Nasen zuhielten, an Essig, Blumen oder Kräutern rochen und fest überzeugt waren, daß Meister Manente vor ihren Augen zur Erde bestattet worden sei. Und es war ihnen leichtgefallen, das Gesicht des Arztes nachzumachen, weil damals alle Männer rasiert gingen. Und als man ihn dann aus seinem Hause herauskommen sah, mit jenem großen Barett, das ihm das halbe Gesicht bedeckte, konnte niemand einen Zweifel hegen.

Als nun der Tote aus dem Hause entfernt und beerdigt war, empfahl der Goldschmied Haus und Habe dem Wärter und ging fort, um ihm ein Nachtessen und guten Wein zu schicken, damit er mit um so größerem Eifer seine Schuldigkeit tue. Dann sandte er einen Eilboten an seine Schwester mit der Nachricht, ihr Mann sei gestorben und bereits begraben, sie möge also nicht nach Florenz kommen, sondern das Haus und seinen Inhalt seiner Sorge überlassen, im übrigen sich trösten und ohne Besorgnis leben und sich der Erziehung ihres Söhnchens widmen.

Es kam die Nacht, und nachdem sich Monaco mit Speise und Trank gütlich getan, ließ er den Wärter allein, wobei er sich sehr in acht nahm, nicht gesehen zu werden und schlich sich heimlich nach Hause. Am folgenden Tage begab er sich zu Lorenzo; sie lachten miteinander über den Streich, der ihnen so wunderbar gelungen war und verabredeten alles, was noch zu tun war, um ihn zu Ende zu führen. So gingen vier bis sechs Tage hin, während welcher indes nicht versäumt worden war, den Arzt morgens und abends durch die beiden Verkleideten mit den großen grinsenden Köpfen auf die nämliche Weise wie das erstemal üppige Mahlzeiten zu schicken. Eines Morgens nun, vier Stunden vor Tag, wurde im Auftrag des Magnifico das Zimmer von den beiden Großköpfen geöffnet und der Arzt zum Aufstehen bewogen. Durch Gebärden veranlaßten sie ihn dann, ein Kamisol von grobem, rotem Wollenzeug und ebenso ein Paar lange Hosen nach Matrosenart aus demselben Stoffe anzuziehen und eine griechische Mütze aufzusetzen. Darauf legten sie ihm Handschellen an, warfen ihm den Regenmantel über den Kopf, wickelten ihn hinein, so daß er keinen Stich mehr sah und geleiteten ihn aus der Kammer und von dort in den Hof. Er war aber so bekümmert und voll Herzensangst, daß er zitterte, als hätte er das viertägige Fieber. Dann hoben sie ihn auf und setzten ihn in eine von zwei sehr kräftigen Maultieren getragene Sänfte, die sie so gut verschlossen, daß sie von innen nicht geöffnet werden konnte. Nun ging es auf und davon nach der Porta alle Croce mit den beiden Reitknechten in ihrer gewöhnlichen Tracht als Begleitern. Bei ihrer Ankunft wurde das Tor sofort geöffnet, und sie zogen lustig ihres Weges weiter. Meister Manente fühlte sich getragen, ohne zu wissen, von wem oder wohin, weshalb er zwischen Angst und Verwunderung hin und her pendelte. Als er aber später, sobald es Tag ward, die Stimme der Landleute und das Trappen der Tiere vernahm, wußte er nicht recht, ob er träume oder nicht, doch bemühte er sich, guten Muts zu sein und sprach sich selber tröstend zu. Die Diener redeten nichts, was man hören konnte und setzten ihren Weg fort, immer geradezu, und als es ihnen an der Zeit schien, hielten sie an und nahmen einen Imbiß. Und sie richteten es so ein, daß sie gerade um Mitternacht in der Einsiedelei von Camaldoli ankamen. Der Guardian empfing sie freundlich an der Pforte, ließ die Sänfte ein und begab sich mit ihnen, nachdem sie die Maultiere im Stall versorgt hatten, durch sein Zimmer in ein kleines Nebengemach und von dort durch eine Schreibstube in einen kleinen Saal, wo der Guardian die Fenster hatte vermauern und den er mit einem Ruhebett, einem kleinen Tisch und einem Schemel hatte versehen lassen. Es befand sich dort zufällig ein Kamin und ein Abort, und der Raum ging auf einen sehr hohen und einsamen Abhang hinaus, wohin sich weder Menschen noch Tiere jemals verirrten. Er lag im entferntesten Teile des Klosters, so daß man dort nie ein Geräusch hörte, außer von Wind und Gewitter und manchmal ein Glöcklein, das zum Ave Maria oder zur Messe läutete oder die Klosterbrüder zur Mittags- und Abendmahlzeit rief. So schien er den Reitknechten ein überaus geeigneter Aufenthalt zu sein. Sie begaben sich nun sofort ins Gastzimmer zurück, wo sie den Tragsessel hatten stehen lassen, zogen den Arzt hervor, der halbtot war vor Hunger und Durst, ganz abgesehen von der Ermüdung und Angst, so daß er sich kaum auf den Füßen halten konnte, wickelten ihm den Kopf abermals ein und führten, nein, trugen ihn beinahe in das beschriebene Gemach, wo sie ihn auf das Ruhebett setzten und ihn, ohne ihm jedoch die Handschellen abzunehmen, sich selbst überließen. Darauf entfernten sie sich und begaben sich in das Zimmer des Guardians, wohin auf sein Gebot alsbald zwei Laienbrüder kamen, um durch Anschauung alles zu lernen, was sie in bezug auf die fernere Obhut und Bedienung Meister Manentes zu tun hätten, obwohl sie vom Magnificio dazu schon genaue Weisungen erhalten hatten. Die Reitknechte hatten unterdessen die Kleider angezogen, die sie früher angehabt, nebst den lachenden Köpfen und hielten das Schwert und die Fackeln in den Händen und überbrachten schließlich in demselben Aufzug wie in Florenz dem Arzt ein reichliches Abendessen, das der Mönch hatte zurichten lassen. Kaum sah Meister Manente die beiden Großköpfe in dem gewohnten Aufzug erscheinen, so erheiterte er sich vollständig, und sowie der Speisenträger die Lebensmittel auf den kleinen Tisch gestellt hatte, ging er auf ihn zu, nahm ihm die Handschellen ab und bedeutete ihm, sich wie gewöhnlich zu verhalten. Ausgehungert und durstig wie er war, schoß Meister Manente wie eine Taucherente auf die Speisen zu und aß und trank, was das Zeug halten wollte. Die beiden aber öffneten die Tür, wischten hinaus und ließen ihn im Dunkeln. Um alles mit anzusehen, waren die Laienbrüder auf den oberen Boden gegangen, hatten dort ganz leise einen Ziegel ausgehoben und durch die Öffnung alles, was dort unten vorging, ganz genau gesehen. Dann gingen sie dahin, wo die Reitknechte waren, die sich gerade auszogen und nahmen von ihnen die Kleider und die anderen Siebensachen in Empfang. Nachdem die Diener sodann gegessen und sich erfrischt hatten, gingen sie, da sie ganz müde und schlaftrunken waren, zur Ruhe. Am anderen Morgen erhoben sie sich nicht allzufrüh, nahmen das Frühstück ein, ermahnten dann nochmals den Guardian und die Laienbrüder, ja immer genau dasselbe Verhalten zu beobachten, wenn sie dem Arzt abends und morgens die Nahrung brächten, worauf sie Abschied nahmen und mit der Sänfte nach Florenz zurückkehrten, wo sie dem Magnifico zu seiner größten Freude und Erheiterung ausführlich über alles Bericht erstatteten.

Unterdessen hatte der Krankenwärter seine Pestwache beendigt und dem Goldschmied daher Haus und Habe des Arztes übergeben, war von diesem bezahlt worden und nach Santa Maria Nuova zurückgekehrt. Meister Manentes Gattin kam in Witwenkleidern nach Florenz zurück, betrauerte eine Zeitlang den Tod ihres Gatten und lebte dann mit ihrem Söhnchen und der Magd ganz behaglich. Die Laienbrüder brachten jeden Abend und jeden Morgen, wie sie es gesehen hatten, zur bestimmten Zeit dem Arzte zu essen, und dieser beschäftigte sich, da er nichts Besseres zu tun wußte, mit nichts anderem, als seinen Bauch zu füllen und zu schlafen und sah niemals Licht, außer wenn jene ihm die Atzung brachten. Er konnte sich nicht vorstellen, wo er sich befand, noch wer seine Diener waren und fürchtete in irgendein verzaubertes Schloß geraten zu sein. So tat er nichts als essen und trinken in Fülle und träumen und, wenn er wachte, Luftschlösser bauen.

Um diese Zeit begab es sich, daß Lorenzo in sehr wichtigen Angelegenheiten des Staates und der städtischen Verwaltung Florenz verlassen mußte und es ein paar Monate dauerte, bis er wieder zurückkehrte. Dann aber war er wieder mit höchst dringenden Angelegenheiten beschäftigt, so daß er einige Zeit gar nicht mehr an Meister Manente dachte, bis er eines Tages zufällig einen der Camaldolenser Mönche vorüberreiten sah, welche die Geschäfte des Klosters besorgten. Da fiel ihm denn plötzlich der Arzt ein. Er ließ daher den Mönch rufen und gab ihm, da er von ihm hörte, er gehe am nächsten Morgen nach der Einsiedelei zurück, einen Brief mit dem Auftrage, ihn in seinem Namen dem Guardian zuzustellen. Der Mönch nahm das Schreiben ehrfurchtsvoll im Empfang und versprach, es richtig zu bestellen, was er dann auch tat.

Es war inzwischen allerlei Neues vorgefallen. Zuerst hatte sich Manentes Weib nach sechsmonatiger Witwenschaft wieder verheiratet, und zwar mit einem Goldschmied namens Michelangelo, einem Kompagnon ihres Bruders Niccolaio, der ihr sehr zu diesem Schritte zugeredet, ja sie inständig gebeten hatte, weil dadurch der Gesellschaftsvertrag auf zehn Jahre befestigt wurde. Darauf war Michelangelo zu ihr ins Haus gezogen, nachdem er mit dem Vormundschaftsgericht übereingekommen war, den Knaben zu übernehmen. Von dem Hausrat hatte er ein Inventar aufnehmen lassen und führte nun ein vergnügliches Leben mit seiner Brigida, so hieß seine Frau, die er bereits geschwängert hatte.

Der Guardian hatte wohl gehört, daß der Magnifico verreist sei; da er ihm aber keine anderen Weisungen hatte zukommen lassen, folgte er der bisherigen Ordnung, und da er großes Mitleid mit Meister Manente hatte, versah er ihn, als die Kälte kam, mit Kohlen, von denen er ihm durch die ihm aufwartenden Großköpfe einige Säcke bringen und in einer Ecke des Zimmers ausleeren ließ. Dann wurde ihm der Kamin angezündet und er mit Pantoffeln und Kleidern zum Anziehen und Decken für sein Bett versehen. Ferner ließ er die Zimmerdecke durchbrechen und ihm eine kleine Lampe daran befestigen, die Tag und Nacht brennend unterhalten wurde, so daß das Zimmer ein wenig erleuchtet war. So sah der Arzt wenigstens, was er aß und was er tat, und um die Unbekannten, welche ihm diese Annehmlichkeit verschafften, einigermaßen zu belohnen, obwohl er sie nicht kannte, sang er des öfteren einige Liedchen, die er einst in Gesellschaft seiner Saufkumpane am feuchten Tisch steigen zu lassen pflegte und dichtete manchmal aus dem Stegreife. Und da er eine schöne Stimme und eine gute Aussprache hatte, rezitierte er häufig Stanzen aus Lorenzos neuerschienenen Selve d'Amore, womit er den Laienbrüdern und dem Guardian, die ihn allein hören konnten, das größte Vergnügen bereitete. Auf diese Weise vertrieb er sich die Zeit, so gut er konnte und hatte die Hoffnung fast ganz aufgegeben, jemals wieder das Sonnenlicht zu schauen. Indessen traf der Mönch ein, der dem Pater Guardian den Brief des Magnifico brachte, aus dem dieser die ganze Absicht und die Weisungen Lorenzos erfuhr. Er befahl den Laienbrüdern noch am gleichen Tage, den Arzt in der folgenden Nacht zwei bis drei Stunden vor Tag hinwegzuführen und sagte ihnen, wie und wohin sie ihn bringen und auf welche Weise sie ihn verlassen sollten. Als es nun Zeit war, kleideten sich diese in der gewohnten Weise an, begaben sich zu Meister Manente, hießen ihn aufstehen und brachten ihn mit Gebärden dahin, das Matrosengewand anzuziehen. Dann legten sie ihm die Handschellen an, warfen ihm einen schlechten Mantel mit einer mächtigen Kapuze, die bis aufs Kinn herabreichte, über und führten ihn hinweg. Diesmal dachte der Arzt, das Ziel seines Lebens sei gekommen, und er habe nun den letzten Bissen Brot gegessen. Über die Maßen betrübt, ließ er sich, um nicht noch schlimmer anzukommen, von jenen führen, die zwei Stunden oder noch länger mit ihm im Eilmarsch über Stock und Stein gingen, bis sie in die Nähe der Vernia kamen, wo sie den Arzt mit Waldrebenranken an den Stamm einer großmächtigen Fichte festbanden, ihm sodann den Mantel und die Handschellen abnahmen und den alten Hut tief in die Augen drückten. Den also an diesem Baume Festgebundenen verließen sie und eilten wie der Wind davon und kehrten auf denselben Richtwegen, obwohl sie ihre Fackel ausgelöscht hatten, nach Camaldoli zurück, ohne von irgend jemand gesehen worden zu sein. Allein geblieben und nur obenhin festgebunden, spitzte Meister Manente eine Zeitlang voller Bangen die Ohren, und als er nicht das mindeste Geräusch mehr um sich hörte, begann er die Hände an sich zu ziehen, und es gelang ihm leicht, die Waldrebenranken zu zerreißen. Er nahm daher sofort den Hut von den Augen, erhob sich und erblickte zwischen den Bäumen hindurch ein Stück gestirnten Himmels, woran er zu seiner größten Freude und Verwunderung erkannte, daß er im Freien war. Und als er die Augen umherschweifen ließ und schärfer zusah – begann es doch schon Tag zu werden – bemerkte er die Fichten ringsum und das Gras unter seinen Füßen und war infolgedessen überzeugt, in einem Walde zu sein. Er erwartete indessen noch immer etwas Neues und Ungewöhnliches und blieb daher still und regungslos auf seinem Platz stehen und wagte kaum zu atmen, um nur nicht gehört zu werden; denn er meinte noch fortwährend die zum Lachen reizenden Masken auf dem Pelz zu haben und sah sich von ihnen schon die Handschellen wieder anlegen und fortgeführt. Erst als es heller lichter Tag um ihn ward, die Sonne mit ihren leuchtenden Strahlen schon jedes Dunkel durchdrang und er ringsum weder Mensch noch Tier sah, faßte er das Herz, auf einem schmalen Fußpfade die steile Anhöhe vor sich empor zu klimmen, um aus diesem Tale herauszukommen, und war nun endlich seiner Sache gewiß, wieder in die Welt eingetreten zu sein. Er war aber noch keine Viertelmeile weit gegangen, so hatte er den Gipfel des Berges erreicht und kam auf eine sehr begangene Straße, auf der er einen Fuhrmann mit drei getreidebeladenen Maultieren auf sich zukommen sah. Er ging ihm daher entgegen und fragte ihn nach der Landschaft und wie der Ort heiße, an dem er sich befinde. Dem Maultiertreiber fuhr es heraus: »Die Vernia ist's!« und er fügte hinzu: »Ei den Teufel, daß du blind sein mögest! Siehst du nicht dort San Francesco?« Dabei deutete er auf die Kirche auf dem Berge, die nicht viel mehr als zwei Bolzenschüsse entfernt lag. Meister Manente dankte ihm und erkannte jetzt die Gegend sofort wieder; denn er hatte sie mit seinen Freunden mehrmals zum Vergnügen aufgesucht, und er pries und lobte Gott, indem er die Hände zum Himmel emporhob und sich wie neu geboren fühlte. Er schlug nun den Weg zur Rechten ein und ging in seinem roten Seemannsanzug stracks auf das Kloster zu, wo er bald ankam und einen Mailänder Edelmann antraf, der in Gesellschaft eines anderen Mailänders mit Pferden und Dienern aus Florenz zu seinem Vergnügen gekommen war, um jene heilige Stätte zu besuchen, wo der verehrte heilige Franziskus Buße getan hatte. Am vergangenen Abend hatte er sich ausgleitend einen Fuß aufgeschlagen und verrenkt und sodann durch eine hinzugekommene Erkältung in der Nacht eine Geschwulst und solche Schmerzen zugezogen, daß er sich am Morgen weder bewegen noch die geringste Berührung dieses Gliedes ertragen konnte, so daß er sich gezwungen sah, das Bett zu hüten. Auf Anraten der Mönche wollte er eben nach Bibbiena schicken, um einen Arzt kommen zu lassen, als Meister Manente sie begrüßte und ihnen, nachdem er sich die Ursache des Übels des Edelmannes hatte sagen lassen, versicherte, es sei nicht nötig, nach Ärzten auszuschicken, denn er getraue sich, den Edelmann in einer halben Viertelstunde von seinen Schmerzen zu befreien und bis zum andern Morgen gänzlich wiederherzustellen.

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Wenn auch Meister Manente für einen Arzt in einem seltsamen Aufzuge erschien, so flößte sein Gesicht und seine Rede dem Mailänder dennoch Vertrauen ein. Manente ließ sich daher von den Mönchen Rosenöl und Myrtenpulver bringen, bestrich ihm die offene Wunde, richtete den ausgerenkten Knochen ein, salbte ihm den Fuß gründlich ein und bestreute ihn mit dem Pulver und verband ihn sehr fest, so daß der Schmerz sogleich aufhörte, und der Patient die Nacht über ruhig schlief, während er in der vergangenen Nacht kein Auge hatte zutun können. Am andern Morgen stand er auf und fand sich so frei, daß er nicht nur den Fuß auf den Boden setzen, sondern sogar ohne Beschwerde umhergehen konnte. Er ließ sich daher die Pferde satteln, trank einen Schluck mit den Mönchen, schenkte dem Arzt zwei Dukaten und machte sich auf den Rückweg nach Florenz. Der erfreute Meister Manente nahm ebenfalls die Gastfreundschaft der Mönche in Anspruch, verabschiedete sich sodann von ihnen und schlug den Weg nach dem Mugello ein, um sein Landgut aufzusuchen, welches er nach einem rüstigen Marsche abends im Augenblicke des Sonnenuntergangs erreichte. Er rief nun seinen Pachtbauern mit lauter Stimme bei Namen, erhielt aber von einem kleinen Jungen die Antwort, derselbe sei jetzt auf einem anderen, eine gute Strecke entfernten Gute. Dem Arzte kam diese Antwort sonderbar vor, und er konnte sich nicht darüber beruhigen, daß seine Frau ohne seine Einwilligung den Mann verabschiedet und das Gut neu verpachtet habe. Er sagte daher dem Knaben, er solle seinen Vater rufen und setzte diesem auseinander, er sei ein naher Freund seines Herrn und bitte ihn, ihm für die Nacht ein Unterkommen zu gewähren. Da ihn der Landmann aber auf diese Weise gekleidet sah, wurde er etwas mißtrauisch und zögerte mit der Antwort. Indessen wußte ihn Meister Manente so wohl zu überreden, daß er am Ende damit einverstanden war und ihn aufnahm; besonders beruhigte es ihn, daß er keine Waffen bei ihm wahrnahm, doch beschloß er, ihn in dem Schuppen unterzubringen. Er führte ihn also ins Haus, der Tisch wurde gedeckt, und sie verzehrten ein kärgliches Abendessen. Entschlossen, sich nicht zu entdecken, richtete Meister Manente keinerlei Fragen in betreff des Gutes und seiner Gattin an den Bauern, da er aber auf einem Tischchen Schreibzeug und Papier gewahrte – der Pächter war nämlich zugleich Dorfschulze –, bat er um Schreibgerät, und es wurde ihm gebracht. Er schrieb nun einen kurzen Brief an seine Frau und sagte zu dem jungen Bauernburschen: »Ich gebe dir einen Carlin, geh morgen früh beizeiten nach Florenz und lege diesen Brief in die Hände deiner Herrin, die wird dir dann schon sagen, was du weiter zu tun hast. Dieser erklärte sich mit Zustimmung seines Vaters bereit, führte den Arzt auf das Stroh und schloß ihn im Schuppen ein. Meister Manente ließ sich alles geduldig gefallen und sagte bei sich selbst: »Morgen wirst du schon die Mütze vor mir abziehen und dir eine Ehre daraus machen, mir zu dienen.« Damit richtete er sich auf seinem Strohlager ein, so gut er konnte und überließ sich dem Schlaf. Sobald es am anderen Morgen zu dämmern anfing, machte der Bursche, der schon am Abend zuvor den Carlin und den Brief erhalten hatte, sich nach Florenz auf, erreichte um die Zeit des Frühstücks das Haus seines Gutsherrn und übergab Mona Brigida den Brief, den sie sogleich erbrach, und in dem sie die Hand ihres ersten Gatten zu erkennen meinte. Als sie ihn aber las, wurde sie dermaßen von Schmerz und Erstaunen ergriffen, daß sie nahe daran war, in Ohnmacht zu fallen und nicht wußte, wo sie war. Sie fragte aber den Burschen umständlich nach Alter, Gestalt und Angesicht des fremden Mannes, der ihr den Brief gesandt, hörte mit immer wachsendem Erstaunen und Schmerz zu und ließ dann eiligst ihren Gatten Michelangelo aus der Werkstatt holen. Er kam, las den Brief, war auch ihrer Meinung, daß die Handschrift der Meister Manentes ähnlich sehe, ja genau dieselbe sei; da er aber gewiß wußte, daß jener tot war, wußte er auch ebenso gewiß, daß das Schreiben von jemand anderem herrühren müsse und urteilte sofort, das müsse ein rechter Gauner sein, der die Frau auf eine so seltsame Art zu überlisten gedenke. Der Inhalt des Briefes war nämlich folgender: Er teile seiner geliebten Gattin mit, daß er nach mannigfaltigen und seltsamen Schicksalen und nachdem er länger als ein Jahr in steter Todesangst eingesperrt gehalten, endlich wie durch ein Wunder Gottes der Gefahr entronnen sei, was er ihr alles mündlich ausführlich erzählen werde; augenblicklich beschränke er sich darauf, ihr zu sagen, daß er frisch und gesund auf dem Landgute weile und sie zu bitten, dies in Florenz überall bekannt zu machen, ihm sein Maultier, sein Wams, Regenmantel, die großen Stiefel und den Hut hinauszusenden und dem neuen Pächter kundzutun, daß er als Meister Manente, ihr Ehegatte, sein Gebieter sei, damit er ihm das Haus öffne und er die Nacht über bequem ruhen könne. Am anderen Morgen würde er dann zeitig nach Florenz kommen und sie trösten. Michelangelo schrieb nun voll Gift und Galle im Namen seiner Frau einen Brief, der sich gewaschen hatte, und drohte ihm, wofern er sich nicht sofort trolle, selbst zu ihm hinauszukommen und ihn gehörig durchzuwalken oder den Bargello hinauszuschicken. Zudem gab er dem Bauernburschen noch den mündlichen Auftrag an seinen Vater mit, den Fremdling zum Henker zu jagen.

Der Bursche machte sich daher sogleich auf den Heimweg, und Michelangelo kehrte in seine Werkstatt zurück, Brigida aber blieb ihrem Schmerz und ihrer Verblüffung überlassen. Am selben Morgen war Meister Manente zum Uccellatojo hinausgewandert, der etwa drei Meilen von seinem Hause entfernt lag, gab sich aber dem Wirte, der sein Freund war, nicht zu erkennen, gab sich vielmehr für einen Albanesen aus und speiste lustig und voll innerlicher Freude mit ihm zu Mittag und schlenderte am Abend in der besten Stimmung nach Hause, wo er, in der festen Überzeugung, als Herr anerkannt und empfangen zu werden, sich schon vorgenommen hatte, einem Paar Kapaunen die Hälse umdrehen zu lassen, die er am Morgen auf der Tenne hatte herumpicken sehen. Er war aber kaum angelangt, als ihm der bereits zurückgekehrte Knabe entgegenkam und ohne jeden Gruß, ja mit unfreundlichem Gesicht, den Brief, der ohne Aufschrift und Siegel war, einhändigte. Hierüber verwunderte sich Meister Manente gleich von vornherein und es betrübte ihn, ja, es deuchte ihn der Anfang zu einem bösen Ende. Als er ihn aber von Anfang bis zu Ende durchgelesen hatte, geriet er vor Verblüffung und Schmerz so außer sich, daß er weder tot noch lebendig schien.

Mittlerweile kam auch der alte Bauer hinzu, dem der Sohn bereits die Botschaft des Gutsherrn ausgerichtet hatte und sagte ihm mit dürren Worten, er möge sich nach einer anderen Herberge für die Nacht umsehen, da sein Herr ihm befohlen habe, ihm unverzüglich die Türe zu weisen. Wie empfindlich es Meister Manente auch kränken mußte, sich also von demjenigen aus seinem Eigentum verwiesen zu sehen, von dem er nach der Ankunft des Briefes als Gebieter anerkannt zu werden hoffte, so erwiderte er ihm doch mit Fassung und Würde, er würde gehen. Er geriet beinahe auf die Vermutung, daß er ein anderer geworden sein möchte, oder daß es mehr als einen Meister Manente auf der Welt geben müsse und bat daher den Landmann, ihm doch den Namen seines Herrn zu nennen. Er empfing die Antwort, es sei der Goldschmied Michelangelo, und seine Frau heiße Mona Brigida.

Da fragte der Arzt weiter, ob diese Mona Brigida schon früher verheiratet gewesen sei und ob sie Kinder habe. »Ja«, antwortete ihm der Bauer, »sie hatte früher einen Arzt zum Mann, der, wie ich gehört habe, Meister Manente hieß, an der Pest gestorben sein soll und ihr ein Söhnlein namens Sandrino hinterlassen hat.« »Weh mir!« fiel ihm der Arzt in die Rede, »was sagst du mir da?« Dann fing er an, ihn genau nach allen Einzelheiten auszuforschen, der Pächter erklärte ihm aber, er wisse ihm keine weitere Auskunft zu geben, er sei aus dem Casentino und habe erst seit dem August das Gut übernommen. Entschlossen, sich ihm nicht zu erkennen zu geben, schied Meister Manente, da es noch länger als zwei Stunden Tag war, von dem Bauer und machte sich unverzüglich auf den Heimweg nach Florenz, in der Meinung, seine Frau und seine Verwandten müßten, in einem seltsamen Irrtum befangen, ihn für tot gehalten haben und dadurch zu ihren folgenschweren Schritten verleitet worden sein; denn er kannte den Goldschmied Michelangelo, den Genossen seines Schwagers, sehr wohl.

Unter tausenderlei Gedanken rüstig zuschreitend, langte er noch spät abends in der Osteria zum Meilenstein an, die eine Meile von der Stadt entfernt lag; er kehrte daselbst ein, aß nur ein paar gekochte Eier und legte sich zu Bette, wo er sich hin und her wälzte und kein Auge zu schließen vermochte. Am andern Morgen stand er frühzeitig auf, bezahlte den Wirt, ging ganz langsam nach Florenz und betrat die Stadt in der oben geschilderten Kleidung, so daß er von niemand erkannt wurde, wiewohl er viele seiner Bekannten und Freunde auf der Straße traf. Er durchwanderte die halbe Stadt und kam schließlich in die Via de' Fossi, wo er eben seine Frau und den Knaben von der Messe heimkehrend ins Haus treten sah. Er war sicher, daß sie ihn gesehen hatten, und doch gab sie durch kein Zeichen zu erkennen, daß sie ihn erkannt; deshalb änderte er seinen Entschluß und ging, anstatt sie anzureden, nach Santa Croce, um seinen Beichtvater, einen Meister Sebastiano, aufzusuchen, da er dachte, dieser müsse ein guter Mittelsmann sein, um seine Anerkennung seitens seiner Frau einzuleiten. Er beabsichtigte, ihm alles anzuvertrauen, was ihm begegnet war und sich mit ihm zu beraten; als er aber im Kloster nach ihm fragte, erhielt er zur Antwort, er sei nach Bologna übergesiedelt. Verzweifelt hierüber, wußte er gar nicht, was er beginnen sollte und lief umher, über den Signorenplatz, den Mercato Nuovo und den Mercato Vecchio. Unter anderen Bekannten und Freunden traf er den Makler Biondo, den Trommelschläger Feo, Meister Zanobi della Barba, den Sattler Leonardo und war zuletzt halb von sich, wie er sah, daß niemand ihn wiedererkannte. Da es jedoch bereits Mittagessenszeit war, ging er ins Wirtshaus zu den Affen, wo Amadore, einst sein bester Freund, Wein schenkte. Diesen ersuchte er, ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten, was er auch tat. Am Schluß der Mahlzeit sagte Amadore zu ihm, er meine ihn sonst schon gesehen zu haben, könne sich aber nicht darauf besinnen wo. Meister Manente antwortete ihm, das könne leicht sein, da er lange Zeit in Florenz bei Meister Agostino im Badehause an der Piazza Padella gewohnt habe, wohin er jetzt auch von Livorno zurückkehre, da er des Seefahrens überdrüssig sei. Während so ein Wort das andere gab, beendigten sie ihre Mahlzeit, und ohne sich zu erkennen zu geben, befriedigte Meister Manente den Wirt, ging höchst bekümmert und betreten, daß jener ihn nicht wiedererkannt habe, hinweg mit dem festen Vorsatz, unter allen Umständen noch am selben Abend mit seiner Frau zu reden. Er schlenderte deshalb so lange in der Stadt umher, bis ihm die schickliche Stunde gekommen zu sein schien, nämlich bis dreiundzwanzigeinhalb Uhr. Da klopfte er zweimal stark an die Tür.

Die Frau sah heraus und fragte, wer es sei. Da antwortete der Arzt: »Ich bin's, meine liebe Brigida, öffne mir!« »Und wer seid Ihr denn?« fragte sie.

Um nicht laut sprechen zu müssen, daß die ganze Nachbarschaft es hörte, gab Meister Manente zur Antwort: »Komm herab, dann sollst du's hören!« Als Brigida die Stimme vernahm und er ihr auch dem Gesicht nach wie Meister Manente vorkam, fiel ihr der Brief ein, und sie wollte daher nicht herunterkommen, da sie irgend etwas Unheimliches befürchtete. »Sagt mir nur von unten«, rief sie ihm daher zu, »wer Ihr seid und was Ihr sucht!« »Siehst du es denn nicht?« antwortete der Arzt. »Ich bin Meister Manente, dein wahrer und rechtmäßiger Ehegatte und ich suche dich, die du meine Frau bist.« »Mein Gatte Meister Manente könnt Ihr wohl nicht sein, weil der tot und begraben ist«, erwiderte die Frau. »Wie? Brigida! tot? Ich bin nicht gestorben«, antwortete der Arzt und fügte dann hinzu: »Sei doch so gut und mach' mir auf! Kennst du mich nicht, mein holdes Herz? Bin ich denn so verändert? Mach' mir doch auf, ich bitte dich, und du sollst sehen, daß ich lebe.« »Ei was!« rief Brigida, »Ihr seid wohl auch der Schelm, der mir gestern früh den Brief geschrieben? Schert Euch in Henkers Namen von hier fort; denn wenn mein Mann Euch hier trifft, dann wehe Euch!«

Es hatte sich unterdessen ein Haufen Leute in der Straße angesammelt, und sämtliche Nachbarn waren an die Fenster gekommen und gaben alle ihren Senf dazu. Mona Dorotea, die Betschwester, die gerade gegenüber lange Ohren machte und alles von Anfang an mit angehört hatte, sagte zu Brigida: »Nimm dich in acht, meine Tochter, das ist gewiß der Geist deines Meisters Manente, der hier umgeht, um seine Sünden abzubüßen. Er gleicht ihm vollkommen in Aussehen und Sprache. Rufe ihn ein wenig, frage ihn und beschwöre ihn, ob er etwas von dir will.« Brigida glaubte es halb und halb und fing an, mit kläglicher Stimme zu rufen: »O du arme Seele, hast du vielleicht etwas auf dem Gewissen? Willst du ein Totenamt? Hast du noch ein Gelübde zu erfüllen? Sag' nur, was du willst, gebenedeite Seele, und geh mit Gott!« Als Meister Manente dies hörte, kam ihn fast die Lust zu lachen an, er wiederholte jedoch, er lebe, sie solle ihm nur aufmachen, und er werde sie schon vergewissern. Sie fuhr aber nichtsdestoweniger fort, ihn zu fragen, ob er die Messen des heiligen Gregor verlange und sich zu bekreuzen, und auch Madonna Dorotea sprach: »O du gottbefohlene Seele, wenn du im Fegefeuer bist, so sag' es; denn deine gute Frau wird für dich den großen Ablaß kaufen und dich daraus erlösen.« Dazu schlug sie die großmächtigsten Kreuze von der Welt und rief jeden Augenblick: »Requiescat in pace!« So fingen denn alle umher an, sich zu bekreuzen und zu retirieren und den Arzt mit mißtrauischen Blicken anzuschauen; denn schon hatte sich ein dichter Haufe Volks angesammelt. Als daher der Arzt sah, daß Brigida ihm nicht mehr zuhörte, sondern in Gemeinschaft mit der Betschwester fortwährend sich bekreuzte und ein fabelhaftes Gebetsgeleiere von sich gab, beschloß er fortzugehen, zumal der Auflauf wuchs und er fürchten mußte, sich sonst noch einen schlimmen Handel zuzuziehen.

Er schlug also kurzentschlossen mit schnellen Schritten die Richtung nach Santa Maria Novella ein, so daß die ganze ihm entgegenstehende Masse unter mächtigem Kreuzschlagen und Geschrei auseinanderstob, nicht anders, als wenn sie wirklich einen Toten hätten wieder auferstehen sehen. Meister Manente wandte sich daher dahin, wo jetzt die Lastträger stehen, von dort eilte er durch die Via del Moro, bog dann in ihrer Mitte ab und lief, da es bereits dämmerig war, beinahe im Trab durch die Gäßchen dort, bis er die Piazza Santa Trinità erreichte, von wo er durch die Via Porta rossa zum Wirtshaus zu den Affen strebte, immer umschauend, ob die Volksmenge etwa hinter ihm drein sei. Und da ihm nichts anderes übrigblieb, beschloß er sehr mißvergnügt, seine Zuflucht zum Vikar zu nehmen. Da er jedoch vorher den Versuch machen wollte, ob ihn auch Burchiello, sein vertrautester Freund, und Biondo nicht wiedererkennen würden, so sagte er zu Amadore, indem er ihm einige Silberstücke in die Hand drückte, daß er, wenn es irgend sein könne, gern noch denselben Abend dem Burchiello und dem Makler Biondo in seiner Gesellschaft ein Nachtessen geben möchte. »Ei, das läßt sich schon einrichten!« erwiderte der Wirt, »laßt mich nur machen!« Er traf in der Küche die nötigen Anordnungen, nahm dann seinen Mantel um und ging nach San Giovanni, wo er Biondo fand, den er gleich mit sich nahm, indem er ihm sagte, daß er diesen Abend in Gesellschaft eines Fremden und des Burchiello bei ihm speisen solle. Den Burchiello trafen sie im Hause und Laden in der Via del Garbo, und es bedurfte bei ihm nicht vieler Worte, um ihn zu gewinnen; denn so wie er hörte, daß es freie Tafel gebe, wandelte ihn alsbald noch größere Lust an als die beiden selbst. So trafen sie denn eine Stunde nach Sonnenuntergang alle in den Affen zusammen; es war damals Oktober und Allerheiligen nahe.

Gleich beim ersten Anblick und zumal, als er ihn reden hörte, meinte Burchiello Meister Manente zu erkennen. Dieser empfing ihn mit der größten Herzlichkeit und sagte ihm, wie er, von seinem Rufe für ihn eingenommen, keinen anderen Weg gefunden habe, ihn kennen zu lernen, als daß er den Wirt gebeten habe, ihn zum Nachtessen einzuladen und auch Biondo, den wackeren Kumpan und seinen guten Freund zur Gesellschaft zu ziehen. Burchiello dankte ihm vielmals, und sie setzten sich in einem besonders für sie zugerichteten Nebenzimmer zu Tisch, wo sie in Erwartung, daß einige fette Tauben und Krammetsvögel gar würden, verschiedene Gespräche begannen, in deren Verlauf Meister Manente sie mit einem Märchen über sein Leben und den Grund seines Hierherkommens regalierte. Burchiello hatte bereits dem Biondo gesagt, daß ihm eine solche Ähnlichkeit zwischen zwei Menschen noch nie vorgekommen sei, wie seine und Meister Manentes. »Wenn ich nicht ganz gewiß wüßte«, fügte er hinzu, »daß er gestorben ist, so würde ich sagen, es könne kein anderer sein als er.« Biondo pflichtete ihm in allem bei. Mittlerweile war alles zugerüstet, und der Wirt ließ Salat, Brot und zwei Flaschen funkelnden Weins auftragen. Sie ließen nun die Gespräche ruhen und fingen an zu essen. Burchiello und Amadore saßen an der Wand, Biondo und Meister Manente ihnen gegenüber. Während des Essens behielt Burchiello den Arzt fortwährend im Auge. Beim ersten Trunk sah er ihn Meister Manentes Gebrauch üben, welcher immer zwei Gläser unvermischten Weins auf einmal nach dem Salat zu leeren pflegte und hernach jedesmal Wasser hineingoß. Dies setzte ihn in das größte Erstaunen. Als sodann die Tauben und die Krammetsvögel auf den Tisch kamen und er ihnen gleich die Köpfe abschnitt und sie verspeiste, weil ihm der Kopf der liebste Bissen von allen Tieren war, so war er drauf und dran, loszuplatzen, hielt jedoch noch an sich, um sich noch mehr zu vergewissern. Nun kam der Nachtisch: es waren Birnen, Sancolombanertrauben und vortreffliche Ziegenkäschen, und jetzt wurde er seiner Sache gewiß; denn als der Arzt Birnen und Trauben gegessen hatte, beschloß er die Mahlzeit, ohne die Käse zu berühren, so sehr die anderen sie ihm auch rühmten; denn er aß niemals Käse, und er war ihm so zuwider und zum Ekel, daß er lieber seine Hände gegessen hätte. Burchiello aber wußte dies genau. Nunmehr vollkommen überzeugt, ergriff er lachend seine linke Hand, streifte ihm den Ärmel des Kamisols ein wenig hinauf und erkannte unmittelbar am Pulse ein Muttermal mit Wildschweinshaaren, worauf er mit lauter Stimme ausrief: »Du bist Meister Manente, du kannst dich nicht länger verbergen!« Damit fiel er ihm um den Hals, umarmte und küßte ihn. Biondo und der Wirt aber waren vor Entsetzen zurückgefahren und erwarteten ängstlich, was er sagen würde. »Du allein, Burchiello«, antwortete er, »hast mich unter allen meinen Freunden und Verwandten wiedererkannt. Freilich bin ich Meister Manente, wie du sagst und bin niemals gestorben, wie mein Weib und ganz Florenz glauben.« Jene beiden waren aschfahl geworden; Amadore bekreuzte sich, und Biondo wollte schreiend davonlaufen, und sie fürchteten sich vor ihm, wie man sich vor Geistern fürchtet und vor Toten, die man aus dem Grabe erstanden sieht. Burchiello aber sagte zu ihnen: »Fürchtet euch nicht, berührt und betastet ihn nur! Die Geister und Toten haben weder Fleisch noch Bein, wie ihr es an ihm seht, ganz abgesehen davon, daß er in eurer Gegenwart gegessen und getrunken hat.« Meister Manente wiederholte: »Ich lebe, zweifelt nicht und seid ohne Sorge, meine Brüder, ich habe noch nicht den Tod geschmeckt. Seid nur so gut und hört mich an, ich will euch eine der wunderbarsten Geschichten mitteilen, die man je gehört hat, seit die Sonne scheint.«

So brachte er es mit Burchiellos Hilfe endlich dahin, daß der Wirt und Biondo sich ein wenig beruhigten. Sie riefen nun die Aufwärter herein, ließen außer dem Wein und dem Fenchel alles abdecken, schickten sie darauf zum Essen weg mit dem Bedeuten, anders nicht wiederzukommen, als wenn Burchiello befehle und schlossen die Tür ab, worauf sie mit Aufmerksamkeit und Spannung lauschten, was sie nun Seltsames zu hören bekommen würden. Hierauf begann Meister Manente seine Erzählung von dem Augenblicke an, wo er schlafend auf der Bank gelassen wurde und berichtete der Reihe nach alles, was ihm bis zur Stunde begegnet war, so daß er sie mehrmals in Erstaunen versetzte und zum Lachen brachte. Kaum aber war er mit seiner Erzählung zu Ende, da rief Burchiello, der ein hervorragend feiner Kopf war: »Das ist ein Streich des Magnifico Lorenzo!« Die andern widersprachen dem zwar insgesamt und behaupteten, das sei ihm durch Hexerei, Bannung und Bezauberung begegnet. Burchiello aber beharrte auf seiner Meinung und fuhr fort. »Es kennt nicht ein jeder diesen wunderlichen Kopf. Wißt ihr nicht, daß er alles, was er einmal begonnen hat, zustande bringt, daß er sich in seinen Plänen nimmer mehr täuscht und verrechnet, daß ihn keine Lust ankommt, die er nicht büßt? Und es ist ein verteufeltes Ding, es mit einem zu tun zu haben, der Verstand, Macht und Willen hat.« Gegen Meister Manente gewendet, fügte er hinzu: »Ich habe es mir immer gedacht, daß er dir einmal einen derartigen Streich spielen werde, schon von der Stunde an, wo du zu Careggi mit ihm aus dem Stegreife reimtest und dich so unartig gegen ihn betrugst. Fürsten sind Fürsten, Meister Manente, und machen es unsersgleichen oftmals so, wenn wir mit ihnen auf du und du stehen wollen.«

Der Arzt verteidigte sich mit der Erklärung, die Musen hätten freies Feld, und er hätte tausendmal recht gehabt. Als er sich aber die Sache überlegte und Burchiellos Worte dazu, konnte er doch nicht alle Zweifel in seiner Seele unterdrücken und mußte ihm bis zu einem gewissen Grade Glauben schenken. Nachdem sie dann noch eine gute Weile über die Geschichte Meister Manentes hin und her geredet hatten, ließ dieser sich auch von ihnen ausführlich erzählen, was sich mit der Pest und dem Menschen begeben hatte, der an seiner Statt tot und mit einer Pestbeule am Halse aus seinem Hause getragen worden war. Er vermochte sich hierüber gar nicht zu beruhigen, und auch die anderen zerbrachen sich umsonst den Kopf, selbst Burchiello konnte das Ende des Knäuels nicht finden. Am Ende aber wurde es spät, und Meister Manente bat die drei nun um ihre Ansicht und um ihren Rat, wie er sich aus dieser verzwickten Lage ziehen könne, da es ihm doch allzu hart vorkam, Weib und Habe verlieren zu sollen. Nachdem man aber viele Mittel und Wege zusammen erwogen hatte, wurden sie einig, daß der Arzt auf das bischöfliche Gericht gehen solle. Zuletzt nahmen sie voneinander Abschied, und Meister Manente ging mit Burchiello in dessen Behausung, weil die anderen seinethalben ihrer Sache doch nicht recht gewiß waren und immer noch ein heimliches Grauen vor ihm verspürten.

Unterdessen war Michelangelo nach Hause zurückgekehrt und hatte von Brigida einen umständlichen Bericht erhalten über alles, was vorgefallen war, wobei sie ihm versicherte, sie hätte darauf schwören mögen, sie höre die Stimme und sehe das Gesicht Meister Manentes, und sie pflichte der Meinung Mona Doroteas bei, daß es seine arme Seele sei, die durch irgendein frommes Werk aus dem Fegefeuer erlöst sein wolle.

»Was faselst du da, dumme Gans, von armer Seele und Fegefeuer?« versetzte Michelangelo. »Es ist ein Schelm und listiger Betrüger, und du tatest wohl daran, ihm nicht aufzumachen.« Dennoch verwunderte er sich außerordentlich und konnte nicht begreifen, zu welchem Zweck der Mensch dies unternommen habe und worauf es abgesehen sei, doch glaubte er an alles andere eher, als daß Meister Manente wieder von den Toten auferstanden und am Leben sei und war überzeugt, der Betreffende werde sich, nachdem ihm sein erster Versuch mißglückt, nicht wieder blicken lassen.

Am anderen Morgen hieß Burchiello seinen Freund beizeiten aufstehen, ließ ihm vor allem den Kopf waschen, den Bart nach der Sitte der Zeit scheren und kleidete ihn dann von Kopf bis zu Fuß in eines seiner Gewänder, das ihm auch so gut saß, als wenn es für ihn gemacht worden wäre. Dann ging er mit ihm aus, um ihn sehen und von den Leuten wiedererkennen zu lassen. Sie gingen nach Santa Maria del Fiore, auf den Mercato Vecchio, den Mercato Nuovo und auf die Piazza della Signoria, und alles Volk sah ihn, viele erkannten ihn und redeten ihn an, weil durch den Mund des Biondo und des Amadore die Kunde allgemein verbreitet worden war, daß er noch lebe und Weib und Eigentum zurückfordere. Auch Niccolaio und Michelangelo hatten ihn gesehen, und es war ihnen in der Tat vorgekommen, als sei er es; doch da sie seines Todes gewiß waren, trösteten sie sich wieder, er könne es unmöglich sein. Auf die Nachricht, daß er beim bischöflichen Gericht klagbar werden wolle, bereiteten sie sich zur Gegenwehr, gingen auf das Pestamt in die Sakristei von Santa Maria Novella wegen des Totenbuches, zu dem Apotheker, der die Kerzen geliefert, zu den Totengräbern und der Nachbarschaft und ließen sich beurkunden, daß Meister Manente in seinem Hause an der Pest gestorben und beerdigt worden sei. Dieser Vorfall machte überall in Florenz das allergrößte Aufsehen, und viele, welche den Leichnam in die Gruft hatten befördern sehen, wußten gar nicht mehr, woran sie waren und fürchteten die seltsamsten Dinge. Meister Manente begab sich nach Tisch in Burchiellos Begleitung auf das bischöfliche Gericht und trug dem Vikar den ganzen Handel vor, um zum Schluß sein Weib wieder zu verlangen.

Der Vikar, dem der Fall höchst wunderbar vorkam, ließ, um der Sache auf den Grund zu kommen, die Gegenpartei vorbescheiden, und als er dann auch Niccolaios und Michelangelos Gründe vernommen und so viele vertrauenswürdige Zeugnisse und Aussagen glaubwürdiger Männer vernommen hatte, schwindelte ihm vollends der Kopf. Da nun bei dieser Angelegenheit ein Toter im Spiele war, und von keiner der beiden Parteien herausgebracht werden konnte, wer es gewesen und wie er in das Haus des Arztes geraten sei, war er überzeugt, es sei dabei ein Mord vorgefallen und machte davon im stillen Anzeige beim Rate der Acht, der sofort seine Häscher aufs Gericht sandte. Diese trafen die Parteien noch im Streite an, nahmen sie mit Ausnahme Burchiellos sämtlich in Verhaft und führten sie zum Bargello. Sobald der Rat am nächsten Morgen versammelt war, verhörte er zuerst Meister Manente, nachdem er ihm mit dem Folterseil gedroht hatte, wenn er ihm nicht die Wahrheit sage. Meister Manente begann daher von vorn und erzählte der Reihe nach bis zum Schlusse alles, was ihm begegnet war, so daß alle mehr wie einmal zum Lachen gebracht wurden. Darauf schickte ihn der Rat in seine Haft zurück und ließ Niccolaio kommen, der ihm wahrheitsgemäß alles, was er wußte, erzählte. Von Michelangelo erfuhren sie das gleiche, und zur Bekräftigung ihrer Aussagen brachten beide die Urkunden vor, in voller Überzeugung, daß der Tote Meister Manente gewesen sei. Als nun die Acht vernahmen, daß ein Spitaldiener dagewesen sei, um den Kranken zu pflegen und das Haus zu desinfizieren, dachten sie, sie könnten jetzt das Ende des verwickelten Knäuels finden und schickten sofort einen Diener in aller Eile nach Santa Maria Nuova, um ihn zu holen. Dieser brachte ihnen aber bald die Nachricht, der Wärter habe im Streit mit einem Kameraden diesen mit einer Schere im Gesicht verwundet, sei aus Furcht vor dem Bargello davongelaufen, und man habe seitdem nicht wieder erfahren, wo er hingekommen sei. So waren sie also so klug wie zuvor. Man sieht, wie alle Umstände den Streich begünstigten. Die Acht ließen nunmehr die Parteien in das Gefängnis zurückbringen und trugen ihren Beamten auf, die Urkunden genau zu prüfen und auf alle mögliche Weise zu untersuchen, ob Meister Manente die Wahrheit gesagt habe. Diese berichteten nach zwei oder drei Tagen zum äußersten Mißfallen und Erstaunen des Gerichts, es hätten alle die Wahrheit gesagt.

Unterdessen hatte sich Burchiello, um Meister Manente beizustehen, zu einem der einflußreichsten Mitglieder dieses Rates begeben, der zugleich sein und Meister Manentes intimer Freund war und erzählte ihm, das Ganze sei nichts anderes als ein lustiger Streich des Magnifico Lorenzo, und daß er die ganze Geschichte ausgeheckt habe, um dem Meister einen schönen Possen zu spielen (auch den Grund verschwieg er ihm nicht), lieferte ihm verschiedene Beweise für seine Behauptung und brachte es schließlich dahin, daß er ihn zu seiner Ansicht bekehrte und sie beide zu dem Schluß kamen, daß etwas Derartiges in Florenz einzig und allein durch Lorenzo möglich sei. Er sprach daher eines Morgens in der Sitzung über diese Angelegenheit und sagte, es scheine ihm, es wäre gut, darüber an den Magnifico zu schreiben, der sich zu Poggio (a Cajano) aufhielt und ihm den Handel vorzutragen, da er so verwickelt und es schwer sei, zu einem annehmbaren Urteil zu gelangen. Die übrigen Mitglieder des Rates spendeten diesem Vorschlag den lebhaftesten Beifall und fügten bei, daß sie dadurch dem Magnifico nicht allein ein großes Vergnügen bereiten würden, sondern auch daß gerade er der beste Richter für solcherlei Fälle sei. Es ward also einstimmig dem Kanzler der Auftrag gegeben, einen vollständigen Bericht von dem dermaligen Stande der Seiner Magnifizenz anheimzustellenden Sache abzufassen. Dies geschah, und noch am gleichen Tage schickten sie das Schreiben an ihn ab. Hierauf ließen sie die Gefangenen vorführen und befahlen ihnen bei Strafe des Galgens, der Via de' Fossi nicht näher als hundert Ellen zu kommen, noch mit Brigida zu sprechen, bis der Rechtshandel geschlichtet sei, den sie an den Magnifico verwiesen hätten, welcher bald in die Stadt zurückkehren werde. Darauf gab man ihnen die Freiheit wieder, und sie gingen nach Bezahlung der Gebühren wieder an ihre Verrichtungen, ein jeder in der Hoffnung, daß die Entscheidung zu seinen Gunsten ausfallen werde. Ganz Florenz war indessen voll von dieser erstaunlichen Begebenheit; Brigida aber war über die Maßen verstimmt und bekümmert und konnte das Ergebnis kaum erwarten. Meister Manente zog fürs erste zu Burchiello und nahm seine ärztliche Tätigkeit wieder auf, während die Goldschmiede an ihr Gewerbe gingen.

Als der Magnifico die Zuschrift der Acht erhielt, mußte er so gewaltig darüber lachen, daß er sich gar nicht zu fassen wußte; denn es kam ihm vor, der ganze Spaß habe eine tausendmal schönere und lustigere Wendung genommen, als er sich's je hätte träumen lassen. Als er dann acht bis zehn Tage darauf nach Florenz zurückgekehrt war, ging Meister Manente noch am selben Tage zu ihm, wurde jedoch nicht vorgelassen; das gleiche war den Goldschmieden begegnet. Am folgenden Morgen kam Meister Manente wieder und fand ihn gerade bei Tisch, wie er soeben das Mittagessen beendet hatte. Das Herz hüpfte dem Magnifico vor Freude, als er erschien, dennoch gab er äußerlich Erstaunen und Verblüffung kund und rief laut: »Meister Manente, ich glaubte nicht, dich je wiederzusehen; denn man hatte mir für gewiß berichtet, du seiest tot, und ich bin auch noch immer nicht vollkommen überzeugt, ob du es selber bist oder ein anderer, oder ob du einen Scheinleib angezogen hast.« Der Arzt versicherte ihm, er sei niemals gestorben, sondern immer noch derselbe, der er früher gewesen und wollte näher treten, um sich auf die Knie niederzulassen und ihm die Hand zu küssen. Der Magnifico aber sagte: »Halte dich fern! Es genüge dir für jetzt, daß, wenn du der echte, lebendige Meister Manente bist, du mir sehr willkommen bist, wenn aber nicht, dann das Gegenteil.« Der Arzt wollte nun anfangen, ihm seine Geschichte zu erzählen, Lorenzo aber sagte ihm, es sei dazu gegenwärtig nicht Zeit. »Diesen Abend«, fügte er hinzu, »nach vierundzwanzig Uhr, erwarte ich dich in meinem Zimmer, um deine Gründe zu hören.« Zugleich tat er ihm kund, daß auch seine Gegner sich dort einfinden würden. Meister Manente dankte ihm ehrerbietig für seine Gnade, verabschiedete sich von ihm und kehrte nach Hause zurück, wo er dem Burchiello den ganzen Vorfall berichtete. Dieser mußte im stillen lachen und dachte: »Ich weiß schon, daß die Sache an den rechten Mann gekommen ist, es wird ihm alles nach Wunsch gehen, dem Magnifico!« Doch war er nicht ohne Argwohn und konnte sich nicht vorstellen, wie die Sache ausgehen werde.

Inzwischen war es Abend geworden, und die Goldschmiede hatten sich der erhaltenen Weisung zufolge bereits eingestellt und gingen in den Loggien auf und ab, in Erwartung, gerufen zu werden, als Meister Manente erschien. Seine Ankunft ward sogleich Lorenzo gemeldet, und dieser begab sich in Gesellschaft mehrerer Bürger und Edlen von Florenz, die allesamt Bekannte und Freunde des Arztes waren, in den Empfangssaal, wo er zuerst den Niccolaio und dann den Michelangelo und später beide zusammen vorführen ließ, ihre Auseinandersetzungen anhörte, die Urkunden einsah und mit den übrigen Anwesenden die größte Verwunderung zu erkennen gab. Zuletzt traten sie ab, und es erschien Meister Manente, der von Anfang an in schönster Ordnung ihnen ganz der Wahrheit gemäß erzählte, was ihm begegnet war, ohne etwas auszulassen oder hinzuzutun. Darüber waren alle, die es mit dem Magnifico anhörten, äußerst verwundert und wollten sich ausschütten vor Lachen, ja ihr Erstaunen und ihre Heiterkeit waren so groß, daß sie sich gar nicht zu beruhigen vermochten. Nachdem Lorenzo dann Meister Manente die Geschichte zwei- oder dreimal hatte wiederholen lassen, befahl er, die Goldschmiede hereinzurufen, und das gab für eine Weile die schönste und ergötzlichste Kurzweil, die er je in seinem Leben gehabt; denn die Erhitzten sagten sich, von ihrer Leidenschaft hingerissen, die derbsten Grobheiten. Darüber kam auch der Vikar hinzu, den der Magnifico hatte rufen lassen, und nachdem ihm alle Anwesenden ihre Ehrfurcht bezeugt hatten, nahm er seinen Platz an Lorenzos Seite ein, und dieser fuhr fort: »Herr Vikar, da ich weiß, daß Ihr von dem Streit, den diese ehrenwerten Männer miteinander führen, bereits durch eignes Verhör Kenntnis habt, will ich mich nicht damit aufhalten, Euch die Sache zu wiederholen, sondern nur sagen, daß mir, als dem von den hochansehnlichen Herren vom Rate der Acht in dieser Angelegenheit erwählten Richter, nur noch obliegt, zu erforschen, ob Meister Manente jemals gestorben und der hier vor uns Stehende nicht etwa ein bezaubertes Trugbild oder gar ein höllisches Wesen sei, was zu erkennen und herauszubringen Eures Amtes wäre.« »Oh, auf welche Weise das?« antwortete der Vikar. »Das will ich Euch sagen«, fuhr Lorenzo fort: »Indem Ihr ihn von einigen Mönchen, welche Teufel austreiben, durch Auflegung von Reliquien gegen die Behexung beschwören laßt.«

»Ihr habt wohlgesprochen«, erwiderte der Herr Vikar; »gebt mir sechs bis acht Tage Zeit, für das Nötige zu sorgen, und wenn er alsdann die Probe aushält, so wird man mit Sicherheit annehmen können, daß er lebt und der Rechte ist.« Meister Manente gab sich Mühe, zu Worte zu kommen, allein der Magnifico stimmte dem Vikar bei, erklärte, daß er sein Urteil von dem Erfolg der Beschwörung abhängig machen würde, stand auf, entließ die Parteien und begab sich mit den ihn begleitenden Edelleuten zum Nachtessen, wobei über diese seltsame Geschichte in einem fort gelacht und gescherzt wurde.

Am andern Tage machte der Vikar, ein guter und frommer Christ, und sehr leichtgläubiger Geistlicher in der ganzen Diözese bekannt, daß alle Priester und Mönche, welche Reliquien besäßen, die sich zum Austreiben von Teufeln und zur Beschwörung von Geistern eigneten, diese bei Strafe seines Unwillens binnen sechs Tagen nach Florenz in die Kirche Santa Maria Maggiore bringen sollten. In der ganzen Stadt sprach man nun von nichts anderem als von dieser Neuigkeit, und den Goldschmieden wie Meister Manente deuchte es eine Ewigkeit, bis sie aus der Sache loskämen. Lorenzo hatte unterdessen den alten Nepo von Galatrona, einen sehr hervorragenden Hexenmeister und Zauberer jener Zeit, nach Florenz kommen lassen, unterrichtete ihn von dem, was er zu tun habe, und behielt ihn im Palaste, um sich seiner bei schicklicher Zeit und Gelegenheit zu bedienen. Aus Stadt und Land war inzwischen in Santa Maria Maggiore eine ganz verblüffende Anzahl von Reliquien zusammengebracht worden.

Am festgesetzten Tage erschien Meister Manente, und man erwartete nur noch den Vikar, der auch nach der Vesper, begleitet von vielleicht dreißig der angesehensten Mönche von Florenz, erschien, mitten in der Kirche auf dem für ihn bereitgestellten Sessel Platz nahm und Meister Manente vortreten und niederknien ließ. Zuerst sangen zwei Mönche von San Marco über ihm Evangelien, Psalmen, Hymnen und Gebete, besprengten ihn mit Weihwasser und beweihräucherten ihn. Hierauf ließen ihn Priester und Mönche nach und nach ihre Reliquien berühren – aber alles war umsonst: der Arzt veränderte sich nicht im mindesten, sondern bewies vielmehr allen seine Ehrfurcht, dankte Gott und flehte den Vikar an, ihn nun endlich freizugeben. Jeder Winkel in der Kirche war mit Menschen angefüllt, die alle Wunderdinge erwarteten, als ein dicker Mönch, der von Vallombrosa gekommen war, ein junger kräftiger Kerl und erklärter Teufelbanner, sich vordrängte und rief: »Laßt mich ein wenig machen! Ich will euch bald sagen, ob er besessen ist oder nicht.« Und er band ihm die Hände gehörig fest, hängte ihm nochmals Sankt Philipps Mäntelchen um die Schultern und fing an, ihn zu befragen und zu beschwören. Der Arzt antwortete zwar immerfort ganz wie sich's gehörte, da der Mönch indes bei dieser Beschwörung Dinge sagte, die Steine hätten zum Lachen bringen können, so wollte Meister Manentes Unglück, daß er den Mund zu einem halben Lächeln verzog. Da brach urplötzlich der Mönch los und rief: »Da haben wir's ja!« hieb ihm zwei gewaltige Maulschellen herunter und sagte: »Ja, ja, du bist ein Feind Gottes, und du sollst unter allen Umständen ausfahren!« Meister Manente schien dies ein schlechter Spaß und er rief daher: »Beschwöre du, soviel du willst!« Der feiste Mönch aber boxte ihm in einem fort gegen die Brust und in die Seiten und schrie dabei fortwährend: »Hah, du böser Geist, dir zum Trotze sollst du heraus!« Der Arzt konnte sich bloß mit der Zunge wehren und schrie daher: »Wie, du verräterischer Kuttenhengst, geht man so mit ehrenwerten Leuten um? Schämst du dich nicht, du Tagedieb, du Saufaus, meinesgleichen so zu schlagen? Beim Leibe Gottes, ich werde mich dafür rächen!« Als der Mönch ihn so schimpfen hörte, warf er sich auf ihn, riß ihn zu Boden, trat ihm mit den Füßen auf den Leib, packte ihn an der Gurgel und würde ihn erwürgt haben, wenn Meister Manente ihn nicht um Gottes willen um Erbarmen gebeten hätte. Da ließ denn der Herr Mönch von ihm ab, weil er glaubte, der böse Geist wolle heraus und fing an, ihn zu fragen: »Welches Zeichen gibst du mir?«

Jetzt gab Monaco, der im Auftrage des Magnifico mit Nepo in die Kirche gekommen war und sich unter das Volk gemischt hatte, diesem zu verstehen, der rechte Augenblick sei da. Da schrie Nepo plötzlich mit lauter Stimme: »Platz! Platz! Ihr wackeren Leute, laßt mich durch! Ich komme, mit dem Vikar zu reden und ihm die Wahrheit zu enthüllen!« Beim Klange dieser Stimme richtete alles die Blicke auf den Sprechenden: es war eine große Gestalt, schön, hochgewachsen, mit olivenfarbiger, fast brauner Hautfarbe, kahlem Kopf, scharfgeschnittenem, magerem Gesicht, braunem, bis auf die Brust herabhängendem Barte und groben seltsamen Kleidern, weshalb ein jeder, von Erstaunen und Angst erfüllt, ihm gerne Platz machte. So drang er bis zum Vikar vor und forderte die Entfernung des Mönchs von Meister Manente, der wieder zum Leben zu erwachen meinte. Dann fuhr er also fort: »Damit nach Gottes Willen die Wahrheit allen kund werde, so wißt, daß Meister Manente hier niemals gestorben ist, sondern alles, was ihm begegnet ist, durch Zauberei und teuflische Kunst geschah und mein Werk ist. Ich bin Nepo von Galatrona und kann die Dämonen alles machen lassen, was mir gut dünkt und gefällt. Ich war es, der ihn, während er auf dem Platze von San Martino schlief, von Teufeln in einen Zauberpalast bringen ließ und genau in der Weise, wie ihr von ihm gehört habt, daselbst so lange gefangen hielt, bis ich ihn endlich eines Morgens in der Dämmerung in den Wäldern der Vernia wieder in Freiheit setzen ließ. Ich steckte einen Kobold in eine aus Luft geschaffene, dem Arzte ähnliche Gestalt, ließ ihn darin als Meister Manente scheinbar an der Pest erkranken und am Ende sterben, worauf er an seiner Statt begraben wurde. Daraus ist dann all' das entstanden, was euch bekannt. Und dies alles habe ich vollbracht, um durch solchen Schimpf an Meister Manente eine Beleidigung zu rächen, die mir einst in der Pieve a Santo Stefano sein Vater angetan. Diesem selbst konnte ich sie nicht vergelten, weil er stets ein Amulett bei sich trug, auf dem das Gebet des heiligen Cyprian geschrieben steht. Und damit ihr euch von der Wahrhaftigkeit dieser meiner Worte überzeugt, so geht jetzt hin und öffnet die Gruft, worin der vermeintliche Arzt bestattet wurde. Findet ihr darin nicht die offenbarste Bestätigung meiner Aussagen, so mögt ihr mich für einen Lügner und Betrüger halten und mir den Kopf abschlagen lassen.«

Der Vikar und alle andern hatten mit gespannter Aufmerksamkeit den Reden des Mannes zugehört. Meister Manente glühte vor Grimm, blickte ihn aber doch ganz ängstlich und mißtrauisch und dabei doch wieder wie geistesabwesend an, und auch das ganze Volk gaffte ihn mit offenem Munde an.

Um nun die Sache völlig aufzuklären und zu sehen, wie es sich mit dieser verwickelten Geschichte eigentlich verhalte, befahl der Vikar zwei Mönchen von San Marco und zweien von Santa Croce, schnell hinzugehen und die verwünschte Gruft zu öffnen. Sie machten sich sogleich auf den Weg und viele andere Mönche und Priester, sowie Laien in großer Zahl liefen hinter ihnen her.

Nepo war in der Kirche bei dem Vikar und Meister Manente zurückgeblieben, die sich halb und halb vor ihm fürchteten und nicht wagten, ihm fest ins Gesicht zu sehen; denn sie besorgten, wie überhaupt die Mehrzahl der Anwesenden, er möchte ein zweiter Simon Magus oder ein neuer Malagigi sein.

Indessen waren die Mönche mit ihrer Gefolgschaft auf dem Kirchhofe von Sante Maria Novella angelangt, hatten den Sakristan herbeigerufen und sich von ihm das Grab zeigen lassen, in dem der vermeintliche Leichnam des Arztes bestattet worden war. Am nämlichen Morgen, eine Stunde vor Tag, hatte Monaco im Auftrage des Magnifico eine pechschwarze Taube, die ausdauerndste und schnellste Fliegerin, die man je gesehen, von Careggi hereingebracht. Sie wußte ihren Schlag so gut wiederzufinden, daß sie schon von Arezzo und von Pisa zurückgekommen war. Diese hatte er mit großer Vorsicht, damit er von niemand bemerkt werde, in das Grab eingeschlossen, das er genau kannte und nachher wieder so gut zumachte, daß es seit zehn Jahren nicht mehr geöffnet zu sein schien.

Der oben genannte Sakristan setzte also den Haken ein, hob die Platte auf und öffnete in Gegenwart von mehr als tausend Menschen die Gruft. Da schoß nun die Taube, die den Namen »Kohle« führte und mehrere Stunden ohne Nahrung im Finstern zugebracht hatte, sobald sie das Tageslicht hereindringen sah, in pfeilschnellem Fluge aufwärts aus der Gruft hervor und stieg sichtlich himmelan und so hoch, bis sie Careggi erblickte. Dann senkte sie ihren Flug und nahm diese Richtung an und war in weniger als einer Achtelstunde an Ort und Stelle. Alle Umstehenden waren darüber so verblüfft und erschrocken, daß sie mit dem Schrei: »Jesus erbarme dich!« auseinanderstoben und davonliefen, ohne zu wissen, wohin. Der Sakristan fiel vor Entsetzen rücklings zu Boden und zog den Stein nach sich, so daß dieser auf ihn fiel und ihm die Schenkel derart zerquetschte, daß er viele Tage und Wochen daran krank darniederlag.

Die Mönche und ein großer Teil des Volkes liefen in der Richtung auf Santa Maria Maggiore und schrien: »Ein Wunder! ein Wunder!« der eine sagte, es sei ein Geist herausgefahren in Gestalt eines Eichhörnchens, es habe aber Flügel gehabt; der andere, es sei eine Schlange gewesen, welche Feuer gespien, andere behaupteten, es sei der Teufel gewesen in Gestalt einer Fledermaus; die meisten aber versicherten, sie hätten ein kleines Teufelchen gesehen; ja, einer sagte, er habe ganz genau die Hörnchen und die Gänsefüße wahrgenommen.

In Santa Maria Maggiore, wo der Vikar mit Meister Manente und einer ungeheuren Menge Volks wartete, kam nun fast in vollem Lauf eine Schar von Geistlichen und Laien an, die alle wie mit einer Stimme: »Wunder! Wunder« schrien. Alles stieß und drängte sich um sie herum, um den wahren Sachverhalt zu hören, und so benutzte Nepo den entstandenen Tumult, um sich dem Seitenportal der Kirche zu nähern und, von Monaco und Lorenzos Reitknechten gedeckt, unbemerkt zwischen der Menge hindurch das Freie zu gewinnen, wo ein guter Gaul seiner wartete, auf dem er, wie verabredet worden war, eiligst nach Hause zurückritt. Sobald sich der Vikar von den Mönchen alles genau hatte erzählen lassen, blickte er bestürzt und verwirrt umher, ob er des Nepo nicht ansichtig würde; und als er ihn nicht mehr erblickte, begann er laut zu rufen, man solle ihn suchen und festnehmen; denn er wolle ihn als ausgemachten Hexenmeister, Zauberer und Teufelsbanner verbrennen lassen. Da er jedoch nirgends gefunden wurde, glaubte man allgemein, er habe sich durch magische Kunst unsichtbar gemacht. Der Vikar entließ daher die sämtlichen Priester und Mönche mit dem Bedeuten, ihre Reliquien wieder nach Hause zu tragen, und begab sich in Gesellschaft Meister Manentes nach dem Palaste, um den Magnifico aufzusuchen. Burchiello hatte mit einigen vertrauten Freunden alles mit angesehen und beobachtet und so gelacht, daß ihm die Kinnbacken schmerzten, zumal als der dicke Mönch Meister Manente so gewaltig durchprügelte. Die beiden Goldschmiedskompagnons waren mit wachsendem Mißbehagen und Erstaunen ebenfalls bei der ganzen Komödie gegenwärtig gewesen, und als sie den Vikar sich nach dem Palaste begeben sahen, folgten sie ihm nach, um zu sehen, ob es ihnen möglich sein würde, aus diesem Labyrinth herauszukommen.

Der Magnifico hatte unterdessen von Zeit zu Zeit genau über die einzelnen Vorgänge Bericht erhalten und konnte im Verein mit einigen Edelleuten und seinen nächsten Freunden seine Lachlust selbst dann noch nicht bezwingen, als er hörte, der Vikar komme, mit ihm zu reden. Als der Vikar ihn erscheinen sah, rief er laut, er verlange die Häscher des Bargello, um Nepo von Galatrona einfangen zu lassen. Lorenzo tat, als wisse er von nichts, ließ sich alles noch einmal erzählen und sagte dann: »Mein Herr Vikar, ich bitte, gehen wir nur sacht vor in allem, was Nepo betrifft. Aber was sagt Ihr zu Meister Manente?« »Ich sage«, antwortete der Vikar, »es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel mehr, daß er es leibhaftig ist und niemals den Tod geschmeckt hat.« »Nun denn«, sprach der Magnifico, »so will ich das Urteil fällen, damit diese armen Menschen endlich einmal aus ihrer Bedrängnis erlöst werden.«

Er ließ Niccolaio und Michelangelo, deren Anwesenheit er bemerkt hatte, vor sich führen und vermochte sie in Gegenwart des Vikars und vieler hervorragender und angesehener Männer, Meister Manente zu umarmen und zu küssen, worauf sie sich miteinander versöhnten, sich gegenseitig entschuldigten und den ganzen Handel Nepo in die Schuhe schoben. Hierauf tat der Magnifico folgenden Spruch: Michelangelo solle am folgenden Tage alle Sachen, die er in Meister Manentes Haus gebracht, daraus fortschaffen, Brigida hingegen nur mit vier Hemden, einem Rocke und einem Mieder sich in die Wohnung ihres Bruders begeben und dort ihre Niederkunft abwarten. Wenn das Kind zur Welt gekommen sei, soll es Michelangelo überlassen bleiben, ob er das Kind nehmen wolle oder nicht; wolle er es nicht, so könne es der Arzt zu sich nehmen; verschmähe es auch dieser, so möge man es in das Findelhaus geben; die Kosten des Wochenbettes habe unter allen Umständen Michelangelo zu tragen. Meister Manente könne in sein Haus zurückkehren und sich seines Söhnleins erfreuen, und wenn Brigida aus dem Wochenbette aufgestanden und ihren ersten Kirchgang gemacht habe, müsse sie zu Meister Manente zurückkehren, der sie wieder als sein gutes und treues Eheweib aufzunehmen habe. Dieser Urteilsspruch gefiel allgemein, und jeder, dem er zu Ohren kam, pries darob den Magnifico. Die Goldarbeiter und der Arzt dankten ihm höchlich und gingen wohlgemut von dannen.

Am selben Abend speisten sie einträchtiglich miteinander bei Brigida in Gesellschaft Burchiellos, in dessen Haus sodann der Arzt die Nacht zubrachte. Der Herr Vikar war bei dem Magnifico zurückgeblieben und drang von neuem darauf, daß man aussenden solle, um Nepo einzufangen, damit er verbrannt werde. Lorenzo stellte ihm aber vor, es würde besser sein, sich ruhig zu verhalten, weil, wenn man auch den Versuch machte, es doch nicht gelingen würde bei einem Manne, dem tausend Mittel und Wege zu Gebote ständen, zu entkommen und seine Verfolger zu narren, indem er sich unsichtbar mache, als Vogel davonfliege, zur Schlange werde und dergleichen, dieweil unser Herrgott einmal jenem Geschlecht von Galatrona diese Macht zu einem den Menschen noch nicht bekannten guten Zwecke verliehen habe; dann laufe man aber auch die größte Gefahr, denn wenn Nepo die böse Absicht sehe oder bemerke, könnte er sie stumm machen, ihnen die Augen verdrehen, den Mund schief ziehen, die Glieder lähmen oder sonst ein bösartiges Übel anhängen.

Der Vikar, der, wie schon gesagt, gutmütig und einfältig war, schloß sich sofort seiner Ansicht an, entschuldigte seinen Eifer damit, daß er das nicht gewußt habe und sagte, daß es das beste sei, nicht wieder über diese Angelegenheit zu reden. Mit diesem Vorsatze verließ er den Magnifico, nicht ohne starke Besorgnis wegen eines etwaigen bösen Übels, kehrte nach seiner Wohnung zurück und erwähnte Nepos in seinem ganzen Leben nicht mehr, weder im Guten noch im Bösen. Am folgenden Tage nahm Michelangelo aus Meister Manentes Hause alle seine Habseligkeiten weg, Brigida begab sich in das Haus ihres Bruders, so daß der Arzt wieder in den freien Besitz seiner gesamten Habe gelangte und noch am nämlichen Tage wieder mit seinem Söhnchen zusammenwohnte, das ihm wie ein ganz unerwarteter Fund erschien. Damals ward in Florenz von nichts anderem gesprochen als von diesem Ereignis, und vor allem erntete Nepo dabei große Ehre und unberechenbaren Ruf und wurde, namentlich vom gemeinen Volke, für einen großen Schwarzkünstler gehalten. Meister Manente glaubte steif und fest, daß die Sache sich so verhalte, wie Nepo erzählt hatte und pflegte in der Folge oft gesprächsweise zu sagen: »Die Birne, die der Vater ißt, macht zuweilen dem Sohn die Zähne stumpf.« Dieses Wort, das später zum Sprichwort wurde, hat sich bis in unsere Tage erhalten. Der wackere Arzt ließ sich auch durch nichts in seinem Glauben irremachen, trotzdem nicht allein Burchiello, sondern im Verlaufe der Zeit sogar der Magnifico, Monaco und die Reitknechte den ganzen Scherz erzählten, wie er sich verhielt. Er war vielmehr so verschüchtert, daß er sich viele Gebete des heiligen Cyprian gekauft hatte, die er beständig bei sich trug und auch seine Brigida tragen ließ. Brigida nun gebar, als ihre Zeit erfüllt war, ein Knäblein, das Michelangelo zu sich nahm und bis in sein zehntes Jahr aufzog. Als dem Kinde in diesem Alter der Vater starb, machten es die Seinigen zu einem Mönchlein in Santa Maria Novella, wo es in der Folge sehr gelehrt wurde und zu einem großen Prediger erwuchs, den die Leute um seiner scharfsinnigen Einfälle und anmutigen Scherze willen Fra Succhiello – Bruder Grübler – nannten. Meister Manente erfreute sich mit seiner Brigida eines steten Zuwachses an Wohlstand und Nachkommenschaft und feierte, solange er lebte, alljährlich das Fest des heiligen Cyprian, dem er immerdar mit besonderer Verehrung zugetan blieb.


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