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Franco Sacchetti

1.

Der Wamsschneider Bartolino aus Florenz, der sich mit Meister Tommaso del Garbo und Meister Dino da Olena im Bade von Petriuolo befindet, lehrt sie, einen Furz zur Ader zu lassen

Der diesen Schwank zum besten gab, war der Wamsschneider Bartolino, der sich mit Meister Tommaso del Garbo und Meister Dino da Olena im Bade Petriuolo befand und sich mit ihnen über viele scherzhafte Dinge unterhielt; denn obwohl es gelehrte Herren waren, waren sie doch nicht minder zum Spaßen aufgelegt wie Bartolino. Abgesehen von anderen Dingen, mit denen dieser jene beiden Ärzte unterhielt, fragte er sie, ob sie wüßten, wie man einen Furz zur Ader lassen könne. Als die beiden wackeren Männer die Frage vernahmen, brachen sie in ein derartiges Gelächter aus, daß sie kaum zu antworten vermochten. Endlich aber verneinten sie und erklärten, sie würden es jedoch gerne lernen. Da fragte Bartolino: »Was wollt Ihr dafür geben?« Worauf Meister Tommaso: »Ich verpflichte mich, jedesmal, wenn du dich schlecht befindest, umsonst zu behandeln.« Und Meister Dino sagte: »Er verpflichte sich, wenn er ein Wams brauche, es bei keinem anderen machen zu lassen, als bei ihm.« Darauf sagte Bartolino: »Ich bin's zufrieden. Nun gebt acht, ich werde es Euch gleich zeigen!« Und im selben Augenblick ließ er im Wasser des Bades einen Blästerling fahren, der alsbald gurgelnd auf die Oberfläche stieg und eine Blase bildete. Und als Bartolino die Blase sah, sagte er: »Jetzt müßtet Ihr die Lanzette zur Hand haben und hineinstechen.« Alle, die sich im Bade befanden, erstickten fast vor Lachen, namentlich die Ärzte.

»Ich, Schreiber dieses, weiß nicht, was wertvoller war, ob das, was jene Ärzte dem Bartolino versprachen oder das, was Bartolino sie lehrte. Wie dem auch sei, Bartolino beschämte ihre Kunst, von der viele nicht mehr wissen, als was Bartolino die beiden Ärzte lehrte, wenn nicht noch weniger.

 

2.

Der Arzt Meister Dino da Olena ißt eines Abends, zur Zeit da Dino di Geri Cigliamochi Gonfalonier der Justiz war, mit den Prioren von Florenz zu Nacht, und bringt es dahin, daß jener nicht ißt und ihn darauf in die Verbannung schicken will

Dino di Geri Cigliamochi, Bürger von Florenz, war ein Kaufmann, der sich lange in Flandern und England aufgehalten hatte. Er war sehr lang und mager, hatte einen übergroßen Adamsapfel und empfand einen großen Ekel beim Anhören oder Sehen von widerwärtigen Dingen, weshalb er sich, wenn das Gespräch solche Dinge auch nur streifte, etwas kurios anstellte. Als er Gonfalonier der Justiz war, ließ er Meister Dino zum Abendessen einladen, und besagter Meister Dino war ein noch viel närrischerer Kauz als der Gonfalonier. Sie saßen also bei Tisch: »Der Gerichtsherr am Kopfende der Tafel, ihm zur Seite Meister Dino und dann der Prior Ghino di Bernardo d'Anselmo, der vielleicht das, was ich nun erzählen will, mit Meister Dino ausgeheckt hatte. Als das Essen begann, wurde ein Kalbsbauch aufgetragen, und als man anfing, ihn zu zerlegen, sagte Meister Dino zu Dino: »Würdet Ihr von einer Schüssel essen, in der Kot einige Monate gelegen hat?« Dino sah ihn groß an, geriet außer Fassung und rief: »Schlechte Erziehung ist ein Unglück! Fort damit! Fort!«

Worauf Meister Dino: »Was ist denn das, was auf den Tisch gekommen ist? das ist doch noch schlimmer.« Der Ekel würgte Dino die Kehle und er fragte: »Was willst du damit sagen?« »Ich meine damit«, erwiderte Meister Dino, »das, was als erstes Gericht auf den Tisch gekommen ist: So seid doch offen – ist dieser Bauch denn nicht das Gefäß, in dem die Exkremente dieses Tieres seit seiner Geburt enthalten gewesen sind? Und Ihr, als der Herr, der Ihr seid, nährt Euch von einem so unsauberen Gericht!« Da rief Dino: »Ein Unglück ist's, wahrlich ein Unglück! – Fort damit!« sagte er zu den Dienern, »und beim Schöpfer! Ihr sollt mir hier nicht wieder essen.« Bis zu diesem Punkt aß Dino weder vom Kalbsbauch noch sonst etwas. Als dies Gericht abgetragen war, kamen gesottene Rebhühner und Meister Dino sagte: »Diese Rebhuhnbrühe stinkt«, und er fragte den Einkäufer, »wo hast du sie gekauft?« »Bei Francesco, dem Geflügelhändler«, erwiderte dieser. Worauf Meister Dino: »Dieser Tage sind eine Menge angekommen, und einer meiner Nachbarn hat, im Glauben, sie seien gut, davon gekauft und hat sie dann alle voller Würmer gefunden, und diese werden auch dazu gehören.« Da wiederholte Dino: »Zum Henker! Ein Unglück ist eine derart schlechte Erziehung!« und damit gab er seine Schüssel dem Diener und sagte: »Weg damit!« Worauf Meister Dino: »Ich muß trotzdem essen, wenn ich leben will, laß sie stehen!« Und Dino machte ein böses Gesicht und aß nicht mehr und sah aus wie der Volto santo. Als dies Gericht abgetragen war, erschienen Sardellen in Tunke. Da sagte Meister Dino: »Gonfalonier, ich erinnere mich, daß, als meine Kinder klein waren, ihnen die Würmer aus dem Leib kamen.« Da sprang Dino auf und rief: »Schlechte Erziehung ist ein Unglück, bei der Madonna von Paris, Ihr habt mich durch Eure so ekelhafte Art, zu reden, nicht zum Essen kommen lassen, aber durch mich werdet Ihr nicht wieder in diese Wirtschaft kommen!« Meister Dino lachte und bat ihn, er möchte an den Tisch zurückkehren, aber er ließ sich durch nichts dazu bewegen, verließ vielmehr das Zimmer mit den Worten: »Unser Herr lasse Euch diesen Tag zum Unglück ausschlagen, einen Taugenichts habe ich mir in dieses Haus eingeladen. Er hält sich für einen großen Meister in der Musik, aber die Sprache, die er führt, ist vielmehr die von Schelmen, welche die Gärten ausplündern, als die von Leuten, die durch gute Beispiele wirken und lehren sollen, wie er es tun müßte, den man leider einen Greis von schlechter Lebensart nennen muß.«

Ghino di Bernardo und die anderen Signoren, die an der Sache das größte Vergnügen hatten, erhoben sich von der Tafel, gingen Dino nach und fanden ihn aufs höchste verstimmt und gänzlich abgeneigt, den Meister Dino zu sehen, doch erreichten sie, daß er sich ein wenig besänftigte, und Meister Dino ging ihm so lange um den Bart, bis er sich wieder mit ihm aussöhnte. Aber die Freude dauerte nicht lange; denn als nach einer Weile Meister Dino fortgehen wollte, sagte Ghino di Bernardo: »Meister, nehmt Abschied von Dino und macht Eure Reverenz!« Und Meister Dino machte Miene, Dinos Hand zu ergreifen, indem er sagte: »Messer Gonfalonier, habt die Güte mich zu beurlauben.« Dieser reichte ihm die Hand und Meister Dino ergriff sie, worauf er sich plötzlich umdrehte, die Hosen herunterließ und gleichzeitig den Hintern und das Haupt entblößte.

»Nun ist's genug«, schrie Dino, der anfing in Hitze zu geraten. »Packt ihn! Packt ihn!« Da riefen Ghino und die anderen: »Schreit nicht, Dino! Wir wollen in den Audienzsaal gehen und dort tun, was geschehen muß.« Worauf Meister Dino: »Ihr Herren, ich empfehle mich Eurer Gunst, damit es mir nicht an den Kragen gehe, weil ich die schuldige Reverenz gemacht habe«, und mit diesen Worten stieg er die Treppe hinunter und verschwand. Dino, der in höchster Wut war, ging am gleichen Abend in den Audienzsaal, berief die Kollegen zusammen und sammelte die Stimmen für einen Antrag, dem Exekutor einen schriftlichen Befehl zu senden und Meister Dino zu verbannen. Aber er mochte noch so oft abstimmen lassen, sein Antrag ging nicht durch.

Als Dino dies sah, rief er mit aufgeblähtem Halse die Gerichtsdiener, damit sie die Fackeln anzündeten, denn er wolle nach Hause gehen. Die Kollegen wollten sich ausschütten vor Lachen und riefen: »Hoh Dino! Diesen Abend nicht!« Aber Dino, mit dem sein Zorn durchging, ging sofort heim. Am andern Morgen wurde nach ihm geschickt, aber er war auf keine Weise dazu zu bewegen, diesen Tag in den Palast zurückzukehren. Unterdessen hatte einer der Signoren im kleinen Audienzsaal an die Mauer das Bildnis Dinos mit einem großen Adamsapfel und langen Halse gezeichnet, und es glich ihm aufs Haar. Auf die Nacht, seit der Dino nicht mehr in den Palast hatte zurückkehren wollen, war der Abend gefolgt, und da sandten die Signoren Ser Piero von den Riformagioni zu ihm und ließen ihn bitten, zurückzukehren, damit die Angelegenheiten des Gemeinwesens des Leiters nicht entbehrten und ferner, um Vorkehrungen zu treffen, daß Meister Dino für das begangene Vergehen bestraft würde. Nach langem Hin und Her ließ sich Dino bereden und kehrte am folgenden Morgen in den Palast zurück. Und als er gegen Morgen in den kleineren Audienzsaal kam, zusammen mit Ghino di Bernardo, und den Kopf sah, der auf die Mauer gezeichnet war, und ihn genauer betrachtete, begann er zu schnauben. Ghino aber sagte: »Geht, laßt doch diese Dinge ruhen, regt Euch nicht mehr darüber auf!« Worauf Dino: »Wie zum Teufel kannst du das zu mir sagen, wo man mich zu allem übrigen noch auf diese Mauer gemalt hat! Und wenn du mir nicht glaubst, schau hin!« Ghino, der beinahe platzte, so groß war sein Drang zu lachen, sagte: »Ei der tausend! Ihr regt Euch über diesen Kopf auf, und sagt, er solle Euch darstellen? Er wurde schon vor längerer Zeit gemalt und soll König Karl I. darstellen, der mager und lang war und eine Buckelnase hatte. Aber verzeiht mir, Dino, ich habe viele Bürger sagen hören, daß Euer Gesicht dem König Karls I. aufs Haar gleiche.« Dino schenkte diesen Worten Glauben und tröstete sich außerdem, da er sich mit König Karl I. vergleichen hörte. Und nach einer Weile kam er auf Meister Dino zurück, begab sich in die Ratsversammlung, ließ über den schriftlichen Befehl und die Verbannung abstimmen, drang aber nicht durch, worüber er in Verzweiflung geriet.

Schließlich sagte Ghino: »Da dieser Antrag nicht durchdringt, so gebt Auftrag, daß zwei von uns nach Meister Dino schicken, um ihm den Standpunkt klarzumachen und große Furcht einzuflößen. Und die Versammlung beschloß in diesem Sinne, und Ghino und ein anderer waren es, die nach Meister Dino schickten. Und als er erschienen war, begann Ghino zu lachen und sagte schließlich zu ihm: Dino habe ihn durchaus unschädlich machen wollen, alle andern Sachen habe er ihm zwar verziehen, aber das Herunterlassen der Hosen nicht. Da entgegnete Meister Dino: »Es gibt auf der Erde ein großes Land, und dort herrscht als Erster ein König, der sehr viele Fürsten unter sich hat. Er heißt König von Sara. Wenn jemand einem seiner Fürsten seine Reverenz macht, zieht er seine Kappe ab, bezeigt man hingegen dem Großkönig seine Ehrfurcht, zieht man zu gleicher Zeit die Mütze ab und die Hosen herunter. Und bedenkend, daß der Gonfalonier der Justiz der größte Herr nicht nur dieser Provinz, sondern ganz Italiens ist, tat ich, als ich ihm meine Ehrerbietung bezeigen wollte, das gleiche, was in jenem Lande üblich ist.« Als die beiden Signoren diese Rechtfertigung hörten, lachten sie noch viel mehr und kehrten zu Dino und den anderen zurück, wo sie erklärten, daß sie ihm einen ernstlichen Verweis erteilt und ihm einen großen Schweinehund gemacht hätten, er hätte sich jedoch mit dem Brauch in jenem fernen Lande entschuldigt, und wenn die Sachen so lägen, sei seine Verfehlung nicht so arg. Und sie baten Dino, er möge sich weiter keine Gedanken darüber machen, und die Versammlung, sie möge ihnen die Ordnung der Angelegenheit überlassen. Um es kurz zu machen: Allmählich vergaß Dino den ihm von Meister Dino angetanen Schimpf, doch nicht soweit, daß er nicht einige Jahre lang kein Wort mit ihm gesprochen hätte. Meister Dino aber hatte seinen Spaß daran und sagte: »Wenn er nicht mit mir spricht, gehe ich auch nicht zu ihm, um ihn zu behandeln, wenn er krank ist.« Und so blieb das Verhältnis eine ganze Zeit, bis Meister Tommaso del Garbo, der ihnen eines Abends beim Essen einen Kalbsbauch und Rebhühner vorsetzte, sie Frieden schließen ließ.

Unter Signoren, Beamten und in Gesellschaften muß immer einer sein, dessen Art und Weise für die andern zu einer Quelle des Vergnügens wird. Dieser Dino war einer von denen; nicht so sehr wegen eines Gebrechens, sondern als Mann von guten Sitten zeigte er sich schmutzigen Dingen gegenüber spröde und wollte sie nicht hören; und daher machte es Meister Dino Vergnügen, ihn zu reizen, und ließ er die Signoren daran teilnehmen. Und darum kann der Gott danken, der einen so starken Magen besitzt, daß er alles verdaut.

 

3.

Nachdem Salvestro Brunelleschi einmal ins Bad gereist war, um seine Frau zu befriedigen und Kinder zu zeugen, will seine Frau das nächste Jahr wieder dorthin zurückkehren. Salvestro erklärt ihr, er tauge nicht mehr dazu, sie möge es mit einem anderen versuchen, und die Frau geht ohne ihn

Salvestro Brunelleschi hatte eine sehr spaßhafte Frau aus Friaul, aber kein einziges Kind, und eines Tages sagte seine Frau, die ein viel größeres Verlangen nach Kindern hatte als er, zu ihm: »Salvestro, ich habe gehört, daß, wenn wir nach Petriuolo ins Bad gehen, ich schwanger werden und wir Kinder bekommen würden.« Da entgegnete Salvestro: »Liebe Frau, dazu bedarf es eines anderen Wassers, als des Badewassers.« Die Frau aber bestand auf ihrem Willen, mit ihm ins Bad zu gehen, und Salvestro mußte sich fügen. Und nachdem sie die Purgiermittel genommen und erfahren hatte, was zu tun war, d. h. entweder Salvestro umzubringen oder Kinder zu bekommen, machten sie sich eines Morgens auf, und als sie an den Brunnen von San Pietro in Gattolino kamen, trafen sie einen Pfarrer aus der Familie der Macchi, der seinen Klepper trinken ließ und ein sehr lustiger Bruder war. Dieser fragte Salvestro, wohin die Reise gehe. Und Salvestro antwortete: »Wir gehen ins Bad, wiewohl ich richtiger sagen müßte: ich gehe zur Schlachtbank.«

»Soviel ist sicher, daß Ihr nicht ohne mich gehen dürft«, sagte da der Pfarrer, »Ihr werdet sehen, wie ich Euch aufmuntern werde.« »Nun gut, ich bin einverstanden«, erwiderte Salvestro, und damit setzten sie ihren Weg fort. Und dieser Pfarrer ließ es sich nicht nehmen, sie freizuhalten, und kaufte die besten Leckerbissen, die aufzutreiben waren, so daß sie herrlich und in Freuden lebten.«

Und als sie in Petriuolo waren und gebadet hatten, sagte die Frau, nachdem sie heimgekehrt waren, zu Salvestro: »Du weißt doch, was der Arzt gesagt hat«, und damit schmiegte sie sich an den neugeborenen Ehemann, und Salvestro blieb nichts anderes übrig, als die Ehe zu besiegeln. Und so oft wiederholte er diese Arbeit, daß er nicht allein die Ehe vollzog, sondern sich sogar beinahe ganz aufrieb, so daß er, als sie nach Florenz zurückgekehrt waren, in eine schwere Krankheit verfiel, die ihn beinahe an den Rand des Grabes brachte. Und während ihm diese Krankheit arg zusetzte, sagte er zu seiner Frau: »Unsere Bemühungen haben ja einen trefflichen Erfolg gehabt, um ein Kind zu erzielen, hast du deinen Gatten verlieren wollen.«

Er gesundete aber doch wieder, seine Gattin wurde jedoch nicht schwanger, und ein Jahr ging hin. Da wurde ihr von anderen Frauen gesagt, daß die Bäder fortgesetzt werden müßten, wenn man Kinder erzielen wolle, und so kam sie eines schönen Tages zu Salvestro und erklärte ihm, sie wolle wieder ins Bad reisen; denn man habe ihr gesagt, einmal sei keinmal, man müsse damit fortfahren und häufig hingehen. Als Salvestro diese Rede seiner Frau angehört hatte und daran dachte, welche Folgen dies das erstemal für ihn gehabt hatte, sagte er: »Liebe Frau, du weißt, daß wir vor einem Jahr dort gewesen sind und ich meine ganze Kraft und allen meinen Witz angespannt habe, damit dein Appetit auf Kinder gestillt werde, und du weißt, daß ich infolgedessen an den Rand des Grabes gekommen bin; ich tauge nicht mehr zu diesem Geschäft – wenn du allein hingehen willst, geh und versuch's mit anderen – ich für meine Person eigne mich nicht dazu.«

Da fing die Frau an zu lachen, Salvestro aber sagte: »Du lachst?! Ich sage dir, geh, mir ist's recht, und nimm mit, wen du magst und versuch dein Glück, mit wem du Lust hast; denn ich habe das meine bis hart an den Tod versucht und sehe, daß ich in diesem Punkt nichts tauge.«

Es gelang ihr nicht, Salvestro mitzubekommen, und so begab sie sich ohne ihn ins Bad und nahm einen Verwandten mit. Aber was sie auch anfangen mochte – sie wurde doch nicht schwanger. Und kurze Zeit darauf starb sie, und Salvestro blieb zurück und ging nicht ins Bad, damit er sich nicht, um Kinder zu erzielen, ins Grab bringe.

Und er tat sehr klug daran; denn von sechs Malen hat der Mensch fünf den Willen, Kinder zu bekommen, und diese sind später seine Feinde und wünschen den Tod des Vaters, um frei zu sein.

 

4.

Meister Gabbadeo von Prato wird überredet, nach Florenz zu gehen, um sich, da Meister Dino gestorben, dort niederzulassen. Dort angekommen, passiert es ihm, daß, während er zu Pferde sitzend eine Urinprobe prüft, der Gaul scheut, und ohne daß er es hindern kann, zur Porta al Prato rennt, während er das Uringlas fest umklammert hält.

Meister Dino del Garbo war damals der berühmteste Arzt, nicht allein von Florenz, sondern von ganz Italien. Als er am Ende seiner Tage angelangt und aus diesem Leben geschieden war, eilten viele Ärzte ringsum auf die Nachricht von seinem Tode nach Florenz, darunter solche, die nicht nur keine Ahnung von der Medizin hatten, sondern nicht einmal bei einer Walkmühle den Puls gefunden hätten. Unter andern lebte damals in Prato ein alter und in jener Wissenschaft recht unbewanderter Arzt, der stets eine sehr hohe Mütze trug mit einem auf der Seite herabhängendem kurzen Tuchstreifen, der so breit war, daß ein halber Scheffel Korn hineingegangen wäre, und mit zwei auf die Brust herabfallenden Kapuzenrändern, die aussahen, wie zwei geräucherte Schweinliesen. Als dieser in Prato weilte und mit seinem Handwerk wenig verdiente, sagte ein Freund zu ihm? »Meister Gabbadeo, Ihr müßt wissen, daß in Florenz der Meister Dino gestorben ist, während dessen Lebzeiten keiner Euresgleichen dort einen Pfennig verdienen konnte. Jetzt aber eilt, wie ich gehört habe, alles dorthin, und ich glaube, daß Euresgleichen dort alle Güter der Welt gewinnen könnte. Bleibt Ihr hier, so werdet Ihr nie auf einen grünen Zweig kommen, und Eure Kunst wird nicht bekannt werden.«

Auf diese Worte seines Freundes entgegnete Meister Gabbadeo: »Ich sehe klar, daß du es gut mit mir meinst und meine Ehre im Auge hast, aber ich könnte die Kosten nicht auf mich nehmen; denn ich müßte einen Gaul und einen Diener halten und ferner meine Kleider und meine Fehfutter erneuern, die für dieses Kastell noch leidlich anständig sind.«

Und dieser Schmuck – ich spreche nicht von seinen wollenen Kleidern, sondern von den Fehaufschlägen und dem Fehfutter – war so abgeschabt, daß kein Kürschner von der Welt hätte erkennen können, von was für Tieren dieser Pelz stammte. Der Freund, der trotzdem wünschte, daß er nach Florenz ginge, um sich dort eine Praxis zu gründen, sagte: »Hier darf nicht gezaudert werden, hier heißt es einen Entschluß fassen, bevor sich die anderen vor Euch in die Wolle setzen; denn Ihr wißt ja: bei Eurer Kunst ist es so, daß, wenn eine Familie anfängt, sich von einem Arzt behandeln zu lassen, sie ihm fast immer treu bleibt, und die Kosten werden nicht so groß sein, wie Ihr meint; denn die Ausgabe für das Pferd, das Ihr Euch halten müßt, werdet Ihr, wenn Ihr ein Füllen nehmt, für das Ihr 8-10 Florinen anlegen müßt, in weniger als Jahresfrist zweifach hereinhaben. Euresgleichen reitet die Pferde ja schnell zu, da Ihr den ganzen Tag bald hierhin, bald dorthin müßt, und dadurch werden sie die besten und sichersten Gäule, die überhaupt zugeritten werden.«

Da sagte der Arzt, ohne weiter zuzuhören, zu seinem Freunde: »Nun gut, ich will mich darüber mit meiner Frau beraten, und wenn sie mir dazu rät, werde ich mich sofort entschließen.« Und er eilte hocherfreut zu seiner Frau und erzählte ihr sehr vergnügt von dem Rat, den ihm sein Freund gegeben. Und sie, die nichts lieber wünschte, als daß ihr Mann aus der großen Armut herauskäme, sagte: »Lieber Mann, der dir dies riet, will dir nicht übel, zögere nicht, sondern entschließe dich so schnell wie möglich. Ich will dir einen Pelzsaum, den ich an meinem himmelblauen Oberrock habe, auf den deinen setzen, und wenn das nicht reicht, opfere ich auch die Ärmelaufschläge, und damit werde ich dir die Schöße deines Mantels wieder instand setzen, den abgehaarten Pelz aber, der darauf sitzt, werde ich beseitigen.«

Kurz, so wurde es gemacht. Und als seine Kleider auf diese Weise instand gesetzt waren, lieh er sich einen Gaul, ritt nach Florenz und kam in das Haus eines Prateser Freundes, der dort wohnte. Und nachdem er ihm die Sache auseinandergesetzt, führte dieser den nach Möglichkeit ausstaffierten Arzt nach Santa Maria della Tromba, und dort begann er im Laden eines Apothekers sein Standquartier aufzuschlagen. Und nachdem er seinen Freund hatte wissen lassen, daß er ein Füllen wolle, wurde ihm eines zugeführt, das von Ormannozzo del Bianco Deti stammte, der sich zu seinem Vergnügen immer damit beschäftigte, Füllen zuzureiten. Und er kaufte es für 10 Florinen, zahlbar nach Ablauf eines Monats, und schickte es in sein Haus. Am andern Morgen lieh er sich einen ganz vergoldeten Schwanzriemen, bestieg besagtes Füllen und ritt auf den Mercato Vecchio zum Laden des Apothekers. Und nachdem er hier eine Weile im Sattel gewartet hatte, wurde ihm ein Uringlas in die Hand gegeben, das von einer kranken Frau stammte, die in der Via Porcicoda wohnte und angefangen hatte, sich von ihm behandeln zu lassen.

Als Meister Gabbadeo das Uringlas aus dem Kasten genommen hatte und auf seinem Füllen aufmerksam den Urin beschaute, kam ein Lastträger mit einem Schwein auf dem Kopfe des Weges. Als das Füllen besagtes Schwein sah, fing es an zu schnauben und geriet in solche Furcht, daß es ausriß. Der Arzt bemühte sich, ohne das Uringlas loszulassen, das Tier zum Stehen zu bringen, und der Apotheker und die umstehenden Leute schrien: »Aufhalten! Aufhalten!« Doch das gelang nicht, und das Füllen sauste ab, so schnell es konnte. Trotzdem ließ der Arzt das Glas nicht los, aber der hin und her geschüttelte Urin spritzte ihm auf die Mütze und ins Gesicht und auf das Gewand und einige Tropfen sogar in den Mund, ohne daß er jedoch das Glas fallen ließ. Das Pferd rannte mit dem uringlasbewaffneten Arzt bereits durch die Straße der Eisentrödler und an einem Eisentrödlerladen vorbei, vor dem eine Menge Reibeisen, Schaumlöffel, Pfannen und Kesselketten aufgehängt waren, und fuhr in diese Geräte hinein, so daß sie alle herunterfielen. Dabei verfing sich die Spitze der Mütze in eine Kesselkette, und die Kopfbedeckung blieb samt allem aufgesetztem Feh – und sie war wohl damit versehen – daran hängen. Und der seiner Mütze beraubte Arzt sauste auf seinem Pferd, das infolge des Lärms des auf die Straße gefallenen Eisenwerks noch viel schneller rannte, an der Casa Tornaquinci vorbei und nach der Porta al Prato hinunter, immer mit dem Uringlas in der Hand und ohne das Tier zum Stehen bringen zu können. Kurz, es hätte ihn nach Prato zurückgebracht, wenn die Zollwächter, die ihn ankommen sahen, nicht das Tor geschlossen hätten, und es dort zum Stehen gekommen wäre.

Und als die Zollwächter diesen Arzt ohne Kopfbedeckung und mit dem Uringlas in der Hand sahen, fragten sie: »Was bedeutet das?« Meister Gabbadeo vermochte kaum zu sprechen, doch als er wieder zu Atem gekommen war, erzählte er den Zöllnern, wie es ihm gegangen. Und er hielt es für besser, bis zum Abend in ihrem Häuschen zu verweilen, und nachdem er sich dann eine Kappe geliehen hatte, kehrte er später zu Fuß zurück und ließ das Füllen am Zügel ins Haus seines Freundes führen. Als er dort angekommen war und sein Prateser Freund ihn erblickte, fragte er ihn: »Oh, was hat das zu bedeuten? seid Ihr gestürzt?« Der Arzt verneinte und erzählte das Vorgefallene. Da sagte der Freund: »Ihr wart schlecht beraten, ein Füllen zu kaufen, denn Euresgleichen hat keine Zeit, widerspenstige Pferde zu zähmen, und es ist ein Wunder zu nennen, daß es Euch nicht ums Leben gebracht hat.« Da entgegnete der Arzt: »Du hast recht, ich schenkte einem Freund Glauben, der mir sagte, ich würde, wenn ich ein Füllen kaufte, das Geld bald doppelt hereinhaben.« Worauf der Freund: »Wer Euch das riet, war nicht Euer Freund; denn für Eure Jahre passen keine Füllen.« »Das Unglück ist nun einmal geschehen«, sagte Meister Gabbadeo, »und ich muß jetzt darauf sinnen, wie ich wieder in Ordnung komme. Meine Kappe ist an einer Kesselkette in der Straße der Alteisenhändler hängen geblieben, schau doch bitte nach, ob ich sie wiederbekommen kann.«

Der Freund versprach es zu tun und ging am andern Morgen zu den Eisentrödlern und fragte: »Wo ist die Kapuze, die hangen blieb, als jenes Pferd durchging?« Man sagte ihm, sie sei beim Sternenbogen geblieben. Er ging hin, fand den Schmied, der sie hatte, erzählte ihm das Mißgeschick und bat um die Mütze. Da sagte der Schmied: »Ich weiß nicht, wer das war, mir schien's ein Verrückter; er hat mir die Pfannen und was ist sonst noch außen aufgehängt hatte, zerbrochen« – und er zeigte ihm den angerichteten Schaden und verlangte Entschädigung. Daher einigte sich der Freund mit ihm, daß der Arzt ihm von dem ersten Gelde, das er verdienen würde, einen Florin geben solle, worauf er die Mütze wiederbekam, die keine 30 Soldi wert war. Und er brachte sie Meister Gabbadeo und berichtete ihm, unter welcher Bedingung er sie zurückerhalten hatte. Der Arzt setzte die noch nicht ganz von Urin trockene Kopfbedeckung auf und sprach und bat am gleichen Tage Ormannozzo, sein Füllen zurückzunehmen, er wolle auch 2 Florinen daran verlieren. Und so vereinigten sie sich. Darauf kaufte er einen alten Klepper für 8 Florinen, der ihn recht schlecht trug, und nachdem er sich in einem Häuschen eingerichtet hatte, das er auf dem Tampo Corbolino mietete, machte er seinen Weg, so gut er konnte. Und dank dem Mangel an Ärzten konnte er binnen kurzem den Klepper bezahlen und dem Schmied seinen Florin schicken. Und in wenigen Jahren erübrigte er mit geringem Wissen auf seinem alten Klepper durch Untersuchung des Wassers in den Uringläsern – ohne es sich jedoch auf den Leib zu gießen – gut 600 Florinen und starb dann. Und auf der Bahre hatte er das Buch auf seiner Brust liegen, als sei er Hippokrates oder Galenos gewesen.

 

5.

Messer Dolcibene spielt den Arzt und richtet im Landgebiet von Ferrara einem Mädchen eine verstauchte und ausgerenkte Hand ein, indem er sich darauffallen läßt.

Nichts ist so süß wie das Gute, was man wohl bedenken möge. Und da mich nach dem einen wie dem andern gelüstet, will ich wieder zu jenem Namen zurückkehren, der beides einschließt, das heißt zu Messer Dolcibene, von dem oben in mehreren Novellen erzählt wurde. Und weil ich berichtet habe, wie der wackere Arzt Meister Gabbadeo in der voraufgegangenen Geschichte mit jener Wissenschaft und jener Erfahrung, die ihm die Natur verliehen hatte, auf seinem Füllen nach allen Regeln der Kunst das Uringlas seiner Patientin untersuchen wollte und durch besagtes Füllen beinahe in Lebensgefahr gekommen wäre, will ich in der nun folgenden zeigen, wie Dolcibene, ohne einen Dunst von Philosophie und Medizin zu haben, als es ihm begegnete, daß er weder in einer Herberge noch in einem Privathaus unterkommen konnte, ein eigenartiges, wunderschönes und vor ihm noch von keinem Arzte ausgeführtes Experiment machte.

Als, um nun zu unserer Geschichte zu kommen, Messer Dolcibene, der ehedem von Kaiser Karl von Böhmen zum König der Gaukler Italiens gemacht worden war, hörte, daß der Kaiser zum zweitenmal nach Italien käme und bereits in der Lombardei eingetroffen sei, brach er mit einigen Pferden von Florenz auf, um dem Kaiser in die Lombardei entgegenzureiten und ihn aufzusuchen. Und als er eines Abends spät in Ferrara ankam, fand er, daß der Kaiser schon da war und wegen der großen Menge Leute, die er um sich hatte, alle Zimmer und Herbergen in Ferrara und einige Miglien im Umkreis belegt waren. Daher mußte Messer Dolcibene ohne eine Unterkunft gefunden zu haben, in den Palast gehen, wo der Kaiser sich aufhielt. Und als er in der Straße abgestiegen war und die Pferde seinen Dienern übergeben hatte, erschien er vor dem Kaiser, machte ihm seine Reverenz und sagte: »Habt gute Hoffnung, gnädiger Herr, daß es Euch gelingen werde, die ganze Welt zu besiegen, da Ihr den Papst und mich zum Freunde habt: Ihr kämpft mit dem Schwert, der Papst mit dem Bullensiegel und ich mit den Worten, und diesen dreien wird niemand widerstehen können.«

Nachdem der Kaiser ihm entsprechend geantwortet hatte, sagte Messer Dolcibene: »Geheiligte Krone, ich habe noch keine Unterkunft, ich will mich auf die Suche machen, ob ich nicht einen Unterschlupf finde und dann zu Eurer Majestät zurückkehren.« Und damit empfahl er sich, stieg zu Pferde und fragte von Haus zu Haus, ob er samt den fünf Pferden, die er hatte, unterkommen könne. Und kurz, da er in Ferrara keine Herberge fand, verließ er die Stadt, schlug die Richtung nach Francolino ein und legte, indem er von Haus zu Haus fragte, ob er unterkommen könne, einige Miglien zurück. Endlich kam er an ein Haus diesseits von Pontelagoscuro und sah dort eine Frau sehr niedergeschlagen vor der Tür sitzen. »Wie ist Euer Name, Madonna?« fragte er. »Warum fragt Ihr?« antwortete sie, »ich heiße Donna Margotta.« Da fragte Messer Dolcibene weiter: »Oh, und Euer Gatte, wie heißt er?« »Er heißt Salisin«, antwortete sie. Und er fuhr fort: »Madonna, könntet Ihr mich und diese Pferde heut nacht beherbergen, ich will Euch bezahlen, was Ihr selbst verlangt.« Da antwortete die Frau: »Herr, ich habe so viel Sorge, daß mir das Herz zerspringt.« »Was habt Ihr denn?« fragte Dolcibene. Und sie antwortete: ihre vierzehnjährige Tochter, ihr einziges Kind, sei durch eine am Boden liegende Feige zu Fall gekommen, habe sich eine Hand und den Arm verstaucht und ausgerenkt, und weine und jammere in einem fort. »Madonna Margotta«, sagte darauf Messer Dolcibene, »ich werde der Engel des Herrn sein, herbeigesandt um Euret- und Eurer Tochter willen; denn ich bin in punkto Einrenken der beste Arzt von Italien und der Tarviser Mark. Ich werde Euch das Mädchen wieder herstellen, und wenn es alle Knochen im Leibe nicht nur verrenkt, sondern sogar gebrochen hätte.«

Als die Frau Messer Dolcibenes Worte hörte und er ihr die Wahrheit zu sprechen schien, nahm sie ihn freundlich auf, und nachdem die Pferde versorgt und einige Hühner abgekragelt worden waren, richtete sie alles so gut her, daß er vielleicht ebenso gut aufgehoben war wie der Kaiser. Unterdessen kehrte Salisino, der fischen gegangen war und zwei junge Störe mitgebracht hatte, heim, und Donna Margotta ging ihm entgegen und erzählte ihm jammernd von dem Fall ihres Töchterchens und dann wieder fröhlich von dem Glück, das ihr in Gestalt eines so hervorragenden Arztes ins Haus gekommen war. Der Gatte begrüßte Messer Dolcibene ehrerbietig, hieß ihn willkommen und ließ die jungen Störe kochen, worauf er das Töchterchen seiner Sorge empfahl.

Messer Dolcibene ließ sich daher zur Inaugenscheinnahme an das Bett des Mädchens führen, das für eine Ferrareserin recht schön war, und nachdem er die Hand angesehen, die sie sich durch das Darauffallen gleichsam wie einen Haken gegen die Innenseite des Armes zu umgeknickt hatte, fragte er nach vielen (für seine Kur wünschenswerten) Gegenständen. Da sich dort jedoch nichts dergleichen vorfand, er aber trotzdem eine schöne Kur machen wollte, bereitete er eine Art Mehlbrei, wie man ihn Pferden auflegt, und nachdem er Leinwand in Streifen gerissen und Binden hergestellt hatte, bestrich er Hand und Arm des Mädchens mit dem Brei, damit sie recht geschmeidig würden, und als dies geschehen war, ließ er sie eine Stunde still liegen und ging seine Pferde versorgen, den Wein kosten und die Hennen und jungen Störe studieren.

Und nach einer gewissen Zeit kehrte er zu seinem Meisterwerk zurück und wickelte das Mädchen auf. Als es infolge der Schmerzen laut schrie, baten ihn der Vater und die Mutter, besorgend, es möchte infolge des Krampfes sterben, er möchte um Gottes willen nicht hart mit den Händen zugreifen. Da sagte Messer Dolcibene: »Ich werde nichts mit den Händen daran machen, so wahr ich lebe!« Und er ließ sich eine große Menge Werg und zwei Holzteller bringen, und nachdem er den Arm mit der umgeknickten Hand nach oben auf einen dieser Teller gelegt und viel Werg darunter und darauf gepackt hatte, legte er den andern Teller drauf, so daß sich die Hand gleichsam in einer Presse wieder einrenken lassen mußte. Nachdem er dies angeordnet und getan hatte, verneigte er sich mit über der Brust gekreuzten Armen und sagte: »Besorgt nicht, daß ich meine Hände gebrauche«, damit drehte er sich um, und indem er hinzufügte: »Haltet den Arm gut fest, wie ich ihn hergerichtet habe«, ließ er sich derart mit dem Hintern drauffallen, daß er ein krummgebogenes Brecheisen grade gemacht haben würde. Und sofort drehte er sich wieder um, ergriff den Arm, legte den mit Brei bestrichenen und verbundenen zwischen Schienen und umwickelte ihn mit einer Binde, worauf er das Gesicht des Mädchens, das infolge des großen Schmerzes aus Leibeskräften schrie, mit Wasser besprengte. Eine Stunde darauf jedoch wurde es ruhig, und Arm und Hand waren gerade und beide in ihrer richtigen Lage. Und er wandte sich zu Salisino und Madonna Margotta und fragte: »Nun, wie scheint Euch die Sache geglückt?« »Sehr gut, Meister!« sagten sie, »Gott schenke Euch ein schönes und langes Leben!« Da rühmte sich Messer Dolcibene und sagte: »Nun könnt Ihr Euch vorstellen, was ich mit der Hand erreichen würde, da ich mit dem Hintern ein so schwieriges Experiment zuwege gebracht habe.«

Hierauf ging man höchst vergnügt zum Abendessen, und er wurde glänzend bewirtet und brauchte keinen Heller dafür zu zahlen. Und als er sich am andern Morgen in aller Frühe erhoben und Abschied genommen hatte und zu Pferde gestiegen war, fand er am Sattelbogen ein Paar großer frisch geschlachteter Kapaunen hängen, und man versprach ihm, ihn aufs beste zu regalieren, wenn er je wieder in die Gegend käme. Und nachdem er mit dieser Neuigkeit nach Ferrara gekommen war, erheiterte er mehrere Tage lang den Hof des Kaisers und erklärte allen Kriegsleuten, sie könnten sich ruhig ihre Knochen ausrenken, er würde sie sofort mit dem Hintern wieder einrichten, und zwar besser, als dies irgendein anderer mit der Hand vermöchte. Und diese Drehung brachte ihm mehr ein, als ein hochberühmter Arzt bekommen haben würde, wenn er einen sehr hohen Herrn von einer ähnlichen Verletzung wieder hergestellt hätte.

 

6.

Alessandro di Ser Lamberto läßt einem seiner Freunde von Ciarpa, einem Schmied in Plan di Mugnone, auf eigenartige Weise einen Zahn ausziehen.

Da die Menschen nun einmal so beschaffen sind und nicht die Tugenden in Anwendung bringen wollen, um den Geist auf den richtigen Weg zu bringen, werde ich nun fortfahren und von einigen körperlichen Leiden sprechen, von denen Leute niederen Standes befallen, und die von Ärzten seltsamer Art geheilt werden. Es lebte und lebt in Florenz ein spaßhafter Bürger namens Alessandro di Ser Lamberto, der viele Instrumente zu spielen verstand und ein Sänger war. Dazu befaßte er sich mit vielen drolligen Käuzen; denn er pflegte gerne mit solchen Umgang. Einmal begegnete es ihm, daß einer seiner Freunde ihm vorjammerte, es schmerze ihn ein Zahn und bereite ihm gar oft solche Qual, daß er der Verzweiflung nahe sei. Da sagte Alessandro, dem ein Spaßvogel namens Ciarpa, Schmied in Pian di Mugnone, einfiel, zu ihm: »Warum läßt du ihn dir nicht ausziehen?« »Ich würde es gerne tun«, antwortete jener, »aber ich habe zu große Angst vor dem Eisen.« Worauf Alessandro: »Ich werde dich zu einem Freund von mir bringen, der auf dem Lande in meiner Nachbarschaft wohnt, und der dich nicht einmal mit der Hand berühren wird, geschweige denn mit einem Eisen.« »Ach, lieber Alessandro«, antwortete jener, »ich bitte dich darum – wenn du es tust, werde ich stets dein Sklave sein.« Da sagte Alessandro: »Komm morgen zu mir aufs Land hinaus, dann wollen wir zu ihm gehen; es ist nämlich ein Schmied in Pian di Mugnone, namens Ciarpa.«

Und so geschah's; denn nachdem sie beide am andern Morgen auf Alessandros Besitzung gekommen waren, gingen sie alsbald zu besagtem Ciarpa, den sie in der Werkstatt beim Schmieden eines Pfluges beschäftigt fanden. Als sie bei ihm eingetreten waren, begann Alessandro, der mit Ciarpa trefflich zu schwatzen verstand, von dem Zahndefekt seines Freundes zu erzählen: der Zahn bewege sich und er wolle ihn sich gerne ausziehen lassen, wolle jedoch nicht, daß dies mit Eisen oder mit der Hand geschehe, wenn es möglich sei. »Laß ihn mich sehen«, sagte Ciarpa, und als er ihn mit dem Finger berührte, schrie jener laut auf. Der Schmied fühlte, daß er sich bewegte und sagte daher: »Laß mich nur machen, ich werde ihn dir ausziehen, ohne ein Eisen oder eine Hand daranzubringen.« »Sei's denn in Gottesnamen!« antwortete der Patient. Ciarpa verließ seine Werkstatt nicht, sondern schickte einen Lehrling einen eingewachsten Bindfaden holen, von der Sorte, die zum Nähen der Schuhe verwandt wird, und als er damit wiedergekommen war, sagte er zu dem Patienten: »Nimm diesen Bindfaden doppelt, mach oben selbst eine Schlinge dran und lege sie ganz sacht über den Zahn.« Und dieser tat unter großen Schmerzen, wie ihm geheißen.

Als dies geschehen war, sagte der Schmied: »Gib mir das andre Ende in die Hand.« Und als er es hatte, band er es an einen Nagel, der im Ambosblock der Werkstatt stak, fest und sagte: »Zieh die Schlinge so an, daß sie den Zahn festhält«, und der Patient zog sie an. Als auch dies geschehen, sagte Ciarpa: »Nun halt dich ruhig; denn ich muß ein Gebet sprechen, worauf der Zahn sofort herausgehen wird.« Und er bewegte die Lippen, als ob er spreche, was ihn aber nicht hinderte, auf den Pflug zu passen, den er im Feuer hatte. Und nachdem er sich so lange Zeit genommen, bis er ihn hochglühend sah, zog er ihn schnell heraus und fuhr mit einem satanischen Gesicht und mit den Worten: »Will der Zahn raus oder nicht? Auf mit dem Mund!« auf ihn los, als wolle er ihm den Pflug ins Gesicht stoßen. Von jäher Furcht gepackt, sprang der Patient, der den Zahn in der Schlinge hatte, augenblicklich zurück, um zu fliehen, so daß der Zahn am Ambosklotz hängen blieb. Und als er ganz entgeistert nachfühlte, ob er den Zahn noch im Munde habe und ihn nicht mehr fand, erklärte er schließlich, daß er noch nie ein so schönes und merkwürdiges Experiment gesehen, auch keinerlei Unbehagen verspürt habe, außer infolge der Angst vor dem Pfluge, und daß er nicht gemerkt habe, daß der Zahn herausgegangen sei.

Alessandro lachte und sagte zu seinem Freunde gewandt: »Hättest du je gedacht, daß der da ein so trefflicher Zahnzieher sei?« Der Freund, der noch kaum wieder zu sich gekommen war, erwiderte: »Ich hatte Furcht vor ein paar Zangen, und er hat mir den Zahn mit einem Pfluge ausgezogen, aber sei ihm wie ihm wolle: ich bin einen großen Schmerz los.«

Und um den Schmied zu belohnen, gab er ihm am kommenden Sonntag ein gutes Mittagessen, an dem auch Alessandro teilnahm.

Dies war ein eigenartiges und schönes Experiment; denn durch Erweckung höchster Furcht machte ihn der Schmied nicht nur die kleinere Furcht vergessen, sondern bewirkte sogar, daß er sich, ohne irgendwelchen Schmerz zu fühlen, geheilt fand. Nichts bringt so sehr auf den Trab wie die Furcht. Und ich, Schreiber dieses, erlebte einmal einen Beweis dafür an einem Gichtischen, der sehr lange Zeit keinen Schritt gegangen, sondern immer getragen worden war. Als dieser eines Tages in der Mitte einer Straße auf einem Wägelchen saß, ging ein edles Pferd, das er besaß, durch und drohte ihn umzurennen und zu verletzen; da packte der an Händen und Füßen Gelähmte und infolge der Gicht gänzlich Kontrakte sofort das Wägelchen mit den Händen und wich mit einigen Sprüngen samt dem Wägelchen zur Seite, und das durchgehende Pferd schoß vorbei.

Ein anderer Gichtkranker, der nicht ganz kontrakt war, aber stark unter der Gicht litt, lag in einer Stadt der Lombardei, wo er als Gesandter weilte, im Bett, als dort der Aufruhr losbrach. Alles Volk war in Waffen, und es erscholl der Ruf: »Tötet den Gesandten!« Als der Gichtische, der kaum ohne große Schmerzen im Bett zu liegen vermochte, dies hörte, schoß er wie der Blitz heraus, rannte die Treppe der Herberge hinunter und floh eine Strecke Weges bis zur Minoritenkirche. Und er glich nicht einem Gichtbrüchigen, sondern eher einem Rennpferd oder einem Windhund. So rettete er sein Leben und noch mehr; denn er spürte lange Zeit keine Gichtschmerzen, während er vorher jeden Tag darunter gelitten hatte.

 

7.

Messer Tommaso di Neri schickt einen seiner Wollarbeiter zu Meister Tommaso, damit er ihn von einem Leiden heile. Er soll dem Meister seinen Urin bringen und schleppt ein volles Nachtgeschirr und einen halben Krug herbei, usw.

Die eben erzählte Novelle ruft mir eine andere schöne Kur ins Gedächtnis, die Meister Tommaso del Garbo verordnete. Vor nicht langer Zeit lebte ein Ladendiener der Wollbranche, der ein sehr starker Trinker war und bei Messer Tommaso di Neri di Lippo in Kondition stand. Messer Tommaso hatte an ihm oftmals großen Spaß und behandelte ihn wie einen guten Freund. Dieser Ladendiener hatte sich nun besagtem Messer Tommaso gegenüber mehrfach über starke Kopfschmerzen beklagt, die er häufig verspürte, und sagte eines Tages zu ihm, er möchte deswegen gerne mit einem erfahrenen Arzte Rücksprache nehmen. Da sagte Tommaso: »Geh Montag früh – das ist ja ein Festtag – in meinem Namen zu Meister Tommaso, bringe ihm deinen Urin und setze ihm auseinander, wo dir's fehlt und paß auf das, was er dir sagt. Dies war an einem Samstag nach der None, und Messer Tommaso hatte ihm den Montag genannt, damit er sich den Sonntag über ausruhe und dann am Montag die Urinprobe hintrage. Und wie er ihm gesagt, so dachte der Ladendiener zu tun. Am Sonntag aber, wo er die goldene Mitte halten sollte, fing er schon morgens mit seinen Kumpanen das Trinken an und schwor, vor Abend nicht aufzuhören. Es kam die Nacht, und als er sich gegen Morgen erhob, um zu pinkeln, reichte ihm die Frau das Uringlas hin, und er machte es so voll, daß es überlief, worauf er seiner Frau sagte, sie solle sofort einen Krug holen, und diesen machte er noch gut halbvoll. Als es Tag geworden war, brachte er nicht eine Urinprobe, sondern eine Sintflut von Urin zum Arzte, nämlich das Uringlas und den Krug. Und als er im Laden des Apothekers Pietro in der Via del Garbo, der sich unten im Hause des genannten Meisters Tommaso befand, erschien, hängte er das Uringlas auf, während er den Krug unterm Mantel behielt ... setzte sich dorthin und wartete, bis der Meister erschien, um wie üblich das Wasser der Kranken oder jener, die sich purgieren wollten, zu untersuchen.

Und nachdem der Arzt eine ganze Anzahl Proben geprüft hatte, kam er zu der unseres Freundes. Dieser trat sofort an ihn heran und erklärte, er sei ein treuer Diener Messer Tommasos di Neri, der ihn zu ihm schicke, damit er ihm mit Rat und Tat in seinem Leiden helfe. »Wo ist dein Wasser?« fragte Meister Tommaso. Und der Ladendiener griff zu dem Harnglas, das sich in seiner Nähe befand. Als der Meister die Hände in den Kasten steckte, um das Gefäß herauszuziehen, tauchte er mit den Fingern in den Urin; denn es war bis zum Rande voll. Er zog es heraus, wunderte sich und sagte: »Seitenstechen hast du scheint's nicht«, und als er sah, daß der Biedere eine Bewegung nach seinem Kruge hin machte, den er unterm Mantel hatte, fragte er: »Was hast du dort?« »Das ist der Rest des Wassers, das ich abschlug«, lautete die Antwort. Als der Meister dies sah, fragte er: »Was hast du gestern gemacht?« Und jener antwortete, er habe mit seinen Kumpanen gekneipt. Da sagte der Arzt: »Geh und mach drei Tage hintereinander, was du gestern gemacht hast und sei ohne Sorge; denn wenn du irgendein Leiden hast, wird es durch den Urin fortgeschwemmt werden.«

Der Ladendiener nahm seine Gefäße und machte sich damit auf den Heimweg, doch als er auf der Piazza di Santo Martino war, leerte er sie in eine Schleuse der Wollfabrikanten aus, so daß es ein Bächlein von mehr denn 20 Ellen Länge gab, worauf er nach Hause ging und das ausführte, was Meister Tommaso ihm verordnet hatte. Messer Tommaso di Neri fragte ihn am gleichen Tage, was Meister Tommaso zu ihm gesagt habe. Und er antwortete: »Er trug mir etwas auf, was sehr leicht auszuführen ist, worauf ich geheilt sein würde.« »Oh, das ist ja erfreulich!« rief da Messer Tommaso.

Als der Meister zufällig am Dienstag dem Messer Tommaso begegnete, fragte er ihn: »Messer Tommaso, bin ich Orseillefabrikant?« »Wie?« fragte dieser zurück. Und der Arzt erzählte, daß sein Handlungsdiener in seinem Namen zu ihm gekommen sei und ihm eine erstaunliche übermäßige Urinprobe in Gestalt eines vollen Uringlases und eines halben Kruges gebracht habe. Messer Tommaso fiel beinahe vom Stengel, als er die Geschichte von der Sonntagskneiperei und von dem Heilmittel Meister Tommasos hörte. »Ei, da hol ihn doch gleich der Henker!« rief er, »kein Wunder, daß er heute nicht im Laden erschienen ist, er wird in den Kneipen Euern Rat befolgen«, und damit ging er lachend weiter. Und Messer Tommaso hielt alles, was er gehört, seinem Ladendiener vor und tadelte ihn nicht wenig, aber doch nicht so, daß dieser die Verhaltungsmaßregeln des Arztes nicht weiter befolgt hätte. Und er versicherte, das Mittel helfe ihm gut. Und wenn er zuerst ein Trinker war, wurde er nun ein Säufer, und Messer Tommaso zuckte dazu die Achseln.

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Und doch war das Trinken die Ursache der Kopfschmerzen, und es gibt viele, die so viel trinken, daß ihnen nicht nur der Kopf schmerzt, sondern daß sie paralytisch und wassersüchtig werden und an dem Übel des Tropfens leiden, das man vielmehr das Übel des Schoppens nennen könnte, und so weit hat dieses Laster um sich gegriffen, daß alle jungen Leute sich dadurch verderben, da sie schon morgens immer häufiger Malvasia und andere Weine zu trinken pflegen und sich dann in Ausschweifungen stürzen, und so wird der Körper ruiniert und geschwächt.

 

8.

Meister Gabbadeo bewirkt durch eine schöne Kur, daß einem Bauern eine Bohne aus dem Ohr herausgeht, die ihm beim Bohnendreschen auf der Tenne hereingeflogen war.

Ich bleibe auch in dieser Geschichte noch bei der Medizin und kehre zum Meister Gabbadeo zurück, von dem weiter oben in einer schönen Novelle erzählt wurde. In der Umgebung von Prato lebte ein Bauer von starker Konstitution, genannt Gliederstark. Als dieser einmal im Monat Juli Bohnen drosch, flog ihm eine Bohne ins Ohr, und er versuchte sie mit seinen dicken Fingern herauszubekommen, aber je mehr er sich bemühte, sie zu entfernen, desto tiefer trieb er sie hinein, bis ihm schließlich nichts weiter übrig blieb, als seine Zuflucht zu Meister Gabbadeo zu nehmen. Als dieser sich den Fall angesehen hatte, sagte er: »Hier heißt es einen Entschluß fassen – es wird wehtun, aber es darf dich nicht kümmern.«

»Tut, was Euch gefällt«, versetzte der Bauer, »wenn sie nur rausgeht.« Darauf tat der Meister, der groß und stark war, um einen günstigen Augenblick zu erhaschen, als schaue er sich das eine Ohr und dann das andere an, worauf er plötzlich ausholte und dem Bauern auf die andere Seite, dort wo sich die Bohne nicht befand, einen gewaltigen Faustschlag versetzte, so daß er mit der Bohnenseite auf die Erde fiel, und die Bohne teils durch den Schlag, teils durch den Fall auf den Boden, aus dem Ohr heraussprang. Nachdem der Bauer diesen Puff weg hatte, jammerte er über den Faustschlag und den Fall, ohne mehr an die Bohne zu denken.

Da sagte Meister Gabbadeo: »Laß mich das Ohr sehen!« Jener zeigte es ihm stöhnend und er sah, daß die Bohne heraus war. Der Bauer beklagte sich über einen großen Stoß, den er bekommen zu haben meinte, aber Meister Gabbadeo sagte: »Du Tor, weißt du denn nicht, daß, wenn dir etwas in die Scheide deines Messers kommt, du sie umdrehst und so lange klopfst, bis es draußen ist. So mußte ich es auch mit dir machen. Ich mußte dir den Stoß auf die andere Seite geben, damit jenes Ohr, in dem die Bohne stak, auf die Erde stieße, und auf diese Weise ist die Bohne herausgegangen. Andere Ärzte hätten dir einen Monat lang Pflaster aufgelegt und deine ganze Ernte wäre dabei flöten gegangen. Geh und bemühe dich, etwas zu verdienen, und wenn es dir gelungen ist, so bringe mir ein paar Kapaunen.«

Der Bauer tröstete sich, denn er hatte befürchtet, der Arzt würde sich zu dem Faustschlag, den er ihm verabreicht, noch obendrein teuer bezahlen lassen und sagte: »Ich habe keine Kapaunen, aber ich werde Euch, wenn Ihr sie mögt, ein paar junge Gänse bringen.« »Bring sie mir nur und geh mit Gottes Segen. Und sollte es geschehen, daß in deinem Dorfe irgend jemand etwas fehlt, so erzähle ihm die schöne Kur, die ich an dir ausgeführt habe und schicke ihn zu mir.«

Der Bauer erklärte, er wollte es tun und ging ziemlich schmerzerfüllt davon, hatte er doch, um eine Bohne loszuwerden, einen derartigen Schlag bekommen, daß er mehrere Tage lang nicht dreschen konnte. Und als er seinen Schmerz los war, brachte er dem Meister Gabbadeo die jungen Gänse. Dieser gelangte durch die schöne Kur auf dem Land zu großem Ruf; denn sie stellte etwas ganz Neues und noch nie in Anwendung Gebrachtes dar.

Und unser Gliederstark war stets sein bester Freund, und das Sprichwort sagt mit Recht: Hau den Bauern und er wird dein Freund sein!

 

9.

Der Possenreißer Gonnella kommt nach Boncastaldo und betrügt als Arzt verkleidet einige Kropfbehaftete und dazu den Podestà von Bologna, worauf er sich mit vollem Beutel aus dem Staube macht und die Opfer mit dem Schaden und dem Spott sitzen läßt.

Unter allen Possenreißern, die es je gegeben hat, finde ich keinen, der so mannigfaltige Listen und außergewöhnliche Mittel, nicht um Geld zu verdienen, sondern um die Leute zu plündern, in Anwendung gebracht hätte, wie Gonnella. Dieser hielt sich die längste Zeit seines Lebens bei dem Markgrafen von Ferrara auf und kam hie und da nach Florenz. Und als er wieder einmal dorthin ging und eines Morgens, nachdem er durch Bologna gekommen war, in Boncastaldo in der Herberge Scaricalasino zum Mittagessen eintraf, entdeckte er im Saale und im Erdgeschoß einige Bauern mit Kröpfen. Kaum hatte er dies gesehen, so instruierte er auf seinem Zimmer sofort seinen Diener, ließ ihn einen Arzttalar, den er im Koffer hatte, hervorholen und zog ihn an. Und als er an die Wirtstafel gekommen war und sich zum Essen niedergesetzt hatte, näherte sich sein Diener einem kropfbehafteten Landmanne, der sich im Saale befand und sagte zu ihm: »Lieber Mann, jener tüchtige Arzt, der dort an der Tafel sitzt, ist ein großer Meister im Heilen dieser Kröpfe, und es gibt keinen noch so großen, den er nicht schon geheilt hätte, wenn er gewollt.«

Da rief der Landmann: »Ei, lieber Bruder, es gibt deren in dieser Gebirgsgegend sehr viele, bring doch bitte, wenn er gespeist hat, in Erfahrung, ob er nicht einige, die für Alpenbewohner recht wohlhabend sind, davon kurieren will.« Der Bauer predigte wahrscheinlich nicht tauben Ohren, denn, als Doktor Gonnella gegessen hatte, nahm ihn der Diener beiseite, zog ihn in die Kammer und erstattete ihm Bericht, worauf der Arzt den Landmann rufen ließ und zu ihm sagte: »Mein Diener teilte mir das und das mit, aber um deinen Kropf allein zu heilen, kann ich mir die vielen Umstände nicht machen; denn es würde mir allzu unbequem sein, deswegen nach Bologna zurückzukehren und die mancherlei dazu erforderlichen Sachen zu besorgen. Aber wenn du dich getraust, acht oder zehn Leute zusammenzubringen, so geh ungesäumt und bring sie hierher. Aber wähle solche, die 4 oder 5 Florinen pro Person ausgeben können.«

Der Bauer erklärte, es sofort tun zu wollen, machte sich auf und brauchte nicht weit zu gehen, da hatte er auch schon acht oder mehr zusammengebracht. Diese kamen sogleich zu Meister Gonnella und nachdem sie eine gute Weile mit ihm gesprochen hatten, sagte der Arzt: »Es tut mir leid, daß ich an keinem Ort bin, wo sich die nötigen Sachen nicht beschaffen lassen. Aber da dem nun einmal so ist, werde ich nach Bologna zurückkehren und zu dem Zweck ist es erforderlich, daß jeder von Euch zwei Florinen zahle, worauf ich Euch vorschreiben werde, was Ihr zu tun habt, bis ich zurückkehre. Meinen Diener werde ich während meiner Abwesenheit hier lassen. Wenn Ihr einverstanden seid, sagt's und ich werde die nötigen Anstalten treffen.« Da antworteten alle: »Ja, bei Gott und das Geld ist sofort zur Stelle.« Worauf der Arzt: »Habt Ihr kein geeignetes Haus, wo Ihr Euch alle in einem Saal aufhalten könnt und jeder sich ein gesondertes Feuer machen kann?«

»Ja, gewiß«, antworteten sie. »Dann verschaffe sich jeder einen Wassereimer, oder einen großen Kessel aus Kupfer, oder ein entsprechendes irdenes Gefäß, bringe darin Zirneichenkohle und Kastanienholz in Glut, worauf jeder ein hohles Rohr nehme und damit in die Kohlen und ins Feuer blase. Dieses Blasen, unterstützt durch eine Einreibung des Kropfes, die ich Euch machen werde, wird die Materie Eures Gebrechens stark vermindern. Mein Diener wird diese Herberge nicht eher verlassen, als bis ich wieder zurück bin.«

Wie gesagt, so getan. Der Arzt bekam zwei Florinen pro Kropf und installierte die Leute, bevor er fortging, in einem Hause, einen jeden vor ein Feuer mit einem Blasrohr versehen, salbte ihnen die Kröpfe und befahl ihnen, nicht eher das Haus zu verlassen, als bis er wieder da sei. Und die Bauern erklärten, danach zu handeln. Meister Gonnella aber zog ab und ging nach Bologna.

Er hatte ausgeforscht, daß dort ein junger Podestà amtierte, der sehr ehrgeizig war. Zu diesem ging er und sprach: »Herr Podestà, ich glaube, daß Ihr um Ehre einzuheimsen, vor keiner Ausgabe zurückscheuen würdet. Wenn Ihr mir, der ich ein armer Mann bin, 50 Florinen geben wollt, so habe ich für Euch etwas, was Euch die größte Ehre eintragen wird, die Euch je geworden ist.« Das eifrige Stadthaupt erklärte sich einverstanden und bat Gonnella ihm zu sagen, worum es sich handle, »Ich will es Euch sagen«, erwiderte Gonnella, »in einem Hause befindet sich eine Bande, die falsches Geld macht. Gebt Eurem Häscheranführer eine ausreichende Anzahl Leute mit, und ich werde ihn an Ort und Stelle führen, allerdings so, daß ich, wenn ich sie hingeführt habe, meiner Wege gehe; denn es sind Leute aus guter Familie, deren Feindschaft ich nicht auf mich laden möchte.«

Dem Podestà gefiel die Sache, und nachdem er dem Anführer der Häscher eine genügende Anzahl Leute zugeteilt und ihn informiert hatte, daß er einen weiten Weg vor sich habe, gab er Gonnella 50 Florinen und schickte die Häscher mit ihm während der Nacht aus, und sie gingen, bis sie an das Haus kamen, wo die Kröpfe präpariert wurden. Und als Gonnella seinen Diener gefunden hatte, der sich bereit gehalten, sagte er: »Hier sitzt die Bande, Gott behüt Euch, ich will nicht, daß es scheine, ich hätte ihnen dieses eingebrockt.«

»Geh nur!« sagte der Anführer, worauf er an die Tür schlug und rief: »Aufgemacht!« »Seid Ihr der Meister?« antworteten sie drinnen. »Was, Meister? öffnet!« »Seid Ihr der Meister?« »Welcher Meister?« Und sie brachen die Tür auf und drangen ein und fanden die ganze Gesellschaft ohne Blasebälge ins Feuer blasen. Die Häscher packten zu und ergriffen sie alle miteinander, bevor sie noch: »Gott steh uns bei« sagen konnten – und wenn sie auch etwas hätten sagen wollen, man hätte nicht auf sie gehört. Ihre Kröpfe waren noch einmal so groß geworden, wie es solchen Leuten oft passiert, wenn sie Furcht haben, oder in plötzlichen Zorn geraten. Kurz, sie wurden mit Ungestüm nach Bologna geschleppt. Und als sie vor dem Podestà standen, und dieser sah, daß sie alle mit Kröpfen behaftet waren, wunderte er sich und sagte bei sich selbst: »Das ist doch sehr merkwürdig.« Und bevor er sie auf die Folter spannen ließ, sonderte er sie voneinander und verhörte sie einzeln und fragte sie, was für Geld sie machten. Sie erzählten alles der Wahrheit gemäß, und überdies trafen der Wirt und andere aus Scaricalasino ein und berichteten ordnungsgemäß, wie sich die Sache verhielt. Und die Aussagen jedes einzelnen und die der Angekommenen stimmten darin überein, daß ein Kropfarzt dort eingetroffen sei, der ihnen Heilung verheißen und sie zurechtgesetzt und ihnen befohlen habe, ins Feuer zu blasen – just so, wie man sie fand. Und dann habe er gesagt, er müsse nach Bologna, um allerlei Notwendiges zu beschaffen, sie sollten ihn in jenem Hause erwarten und inzwischen auf die angegebene Weise ins Feuer blasen.

Als der Anführer der Häscher dies hörte, zog er den Podestà beiseite und sagte: »Das muß seine Richtigkeit haben; denn als ich an die Tür des Hauses kam, in dem sie saßen, und klopfte und rief, sie sollten aufmachen, fragten sie: ›Seid Ihr der Meister?‹, und dann sind sie, wie Ihr seht, alle mit Kröpfen behaftet; das stimmt sehr gut zusammen; denn es ist ausgeschlossen, daß sich unter acht Falschmünzern kein einziger befände, der keinen Kropf hätte. Aber soll ich Euch etwas sagen? Dieser Arzt muß eher ein Dünnermacher von Börsen als von Kröpfen sein, und so hat er die Börsen dieser armen Teufel erleichtert und die Eure dazu; führt die Sache zu einem guten Ende – Christus selbst konnte sich nicht vor Verrat schützen – und schickt die Leute zu ihren Familien und bemüht Euch, in Erfahrung zu bringen, wer dieser schlechte Mensch ist, der sie und Euch zum besten gehalten hat, und wenn es Euch irgend gelingt, so gebt ihm oder laßt ihm geben, was er verdient.«

Die Gesellschaft wurde in Freiheit gesetzt und kehrte vollzählig nach Scaricalasino zurück. Der Podestà aber konnte lange suchen, um herauszubringen, wer der Betrüger gewesen war – Erfolg hatte er nicht.

Ich will nicht, daß jemand glaube, Gonnella sei damals nach Florenz gegangen, er kehrte vielmehr um und suchte eine andere Stadt auf. Und bald war er Edelmann, bald Arzt, bald Richter, bald Hofnarr und bald Tauschhändler, je nachdem er am besten auf seine Rechnung zu kommen dachte, so daß man seine Spur nicht zu verfolgen vermochte, zumal er bei solchen Unternehmungen stets auf der Hut war.

Als die kropfige Gesellschaft wieder in Scaricalasino war, erwartete sie trotz des Vorgefallenen mehrere Tage den Arzt, im Glauben, er würde zurückkommen. Und als er nicht wiederkam, betrachteten sie gegenseitig ihre Kröpfe und sagten voll Verwunderung ungefähr: »Sie sind alle kleiner geworden« oder »der eine ist mehr abgeschwollen als der andere.« Dann gaben sie schließlich das Warten auf, aber als rohe Bergbewohner kamen sie nie hinter den Zusammenhang der Sache und meinten, irgendein Übelwollender habe, damit sie ihre Kröpfe nicht loswürden, jene Häscher herbeigeführt. Und indem sie bald das bald jenes dachten, wurden sie, wenn sie erst einfältig gewesen waren, nun ganz dumm und verbaast. Und was noch besser war: es hatte den Anschein, als ob ihre Kröpfe, von anderem abgesehen, dadurch größer wurden.

Denn wer dumm und kropfig geboren wird, bleibt beides sein Leben lang.


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