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Johannes Pauli

1.

Der Streit um den Vortritt.

Es war einmal zu Pavia Uneinigkeit zwischen den Doktoren der Rechte und der Arzenei und es wollte jegliche Fakultät der andern vorgehen. Sie rechteten miteinander vor dem Herzog von Mailand, der sollte das Urteil aussprechen, ob die Juristen sollten vorgehen oder die Ärzte. Der Herzog hielt Rat mit gelehrten Leuten, sie konnten jedoch nicht daraus kommen. Der Herzog hatte einen Narren, der hörte davon reden und sprach: »Die Sach könnt ich wohl aussprechen.« Der Fürst sprach: »Wohlan, wie?« »Also«, sprach der Narr: »es ist gewöhnlich, wenn man einen ausführt, so geht der Übeltäter voran und geht der Henker hintennach.«

 

2.

Die nicht befolgte Diät.

Es war ein Bürger krank, dem verbot der Arzt Schweinefleisch, Milch, Fisch, Obst, usw. Da sprach der Bürger: ich möcht es wohl meiden, ausgenommen, die Fische, ich bin ein Fischmann. Der Doktor sprach: »Von dem Schwanzstück erlaub ich Euch zu essen; denn es ist gesund, es bewegt sich stets in dem Wasser.« Der Bürger sprach: »So sollt' wohl meiner Frauen Zungen gut zu essen sein; denn sie bewegt sich stets, sie geht Tag und Nacht«, und er folgte dem Doktor nicht.

 

3.

Von einem Trinker.

Es war einer, der hatte zuviel getrunken, also daß er krank ward und nach dem Arzte schickte. Der Arzt kam und griff ihm den Puls, da sah er wohl, daß er sich übersoffen hätte und sprach: »O lieber Sohn, der Becher hat dich gestochen.« Da sprach der Kranke: »O lieber Herr, hätt' ich es gewußt, so wollt' ich aus einem Glas getrunken haben.« Das Geschirr mißfiel ihm, aber der Wein nicht.«

 

4.

Durch Lachen kuriert.

Es war ein Edelmann krank und schickte nach dem Arzt in eine andere Stadt. Der Arzt kam zu ihm, besah seinen Harn, griff ihm den Puls und fand daß ihm nichts gebrach als Lachen. Wenn er einmal vor Freuden lachen würde, so würd' er genesen. Er sagt es seinen Knechten und fragt' sie, ob sie ihn nicht könnten lachen machen. Sie aber wußten nichts. Der Doktor legt es mit den Knechten an, sie sollten ihrem Herrn sagen von einem Bauern in einem Dorf, der war' ein bewährter Arzt, er sollte nach ihm schicken. Der Junker tat es. Der Doktor legte Bauernkleider an, kam zu dem Junker und sprach: »Ich muß das Wasser besehen.« Der Junker schlug das Wasser ab. Der Bauer stellt' sich ans Fenster, besah den Harn und sprach: »Junker, mich wundert nicht, daß Ihr krank seid, Ihr habt einen Karren mit Mist und zwei Pferd und einen Knecht mit einer eisernen Gabel im Leib stecken.« Der Junker sprach: »Ich hab den Teufel!« Der Arzt sprach: »Es ist wahr, wollt Ihr es nicht glauben, so kommt her und beseht es selber.« Der Junker stand von dem Bett auf und besah das Wasser, da sah er es auch also; er lugt zu dem Laden hinaus, da sah er, wie der Knecht im Hof stand und Mist lud, und von der groben Auslegung fing der Junker an zu lachen von ganzem Herzen und konnte nicht mehr aufhören und ward gesund.

 

5.

Durch Zorn geheilt.

Als Vespasianus und Titus vor Jerusalem lagen, da schickten die Römer nach Vespasiano; als er kam, da wählten sie ihn zum Kaiser. Da kam einer zu Tito gen Jerusalem und gewann das Botenbrod, daß sein Vater Kaiser wär'. Da hatte er eine solche herzliche Freude, daß er krank ward. Man schickte nach dem Arzte. Der Arzt fand, daß ihm nichts fehlte: wenn er nur einmal von Herzen zornig würde, so würde er genesen, und er fragte, ob keiner unter seinem Kriegsvolk wäre, dem er feind wär'. Man sagte ihm von einem Ritter, der hieß auch Titus, den wollte er weder sehen noch hören, das sollte man nicht tun. Da man den Ritter zu Tito brachte, da ward er so zornig, daß er sein Schwert ihm in den Leib stoßen hieß. Es wollt' es niemand tun, und alle taten, als hörten sie es nicht. Hierauf fuhr Titus selber vor großem Zorn aus dem Bett und wollte dem Ritter zu Leibe, da hoben sie ihn und wiesen den Ritter zum Zelt hinaus. Und da ihm der Zorn vergangen war, da war er gesund. Da sagte der Arzt ihm, wie der Ritter ihn gesund gemacht hatte, da gewann er den Ritter so lieb und konnte nichts ohne ihn schaffen.

 

6.

Durch Hoffnung gesund geworden.

Es war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Sohn, der war ein Schüler. Der Vater nahm eine andere Frau, die haßte den Schüler. Er konnte ihr nichts recht machen und sie verklagte ihn bei dem Vater. Der Sohn sprach: »Ich will der Schule nach ziehen.« Der Vater gab ihm Geld. Der Sohn studierte und warf sich auf die Arznei, so daß er in kurzen Jahren ein Doktor ward in Medicinis. Da er wiederum heimkam, hielt er nun Haus und wurde berühmt im Lande und erntete großes Lob. Es fügte sich, daß sein Vater krank wurde. Der Sohn kam zu ihm und gab ihm einen Trank, daß in kurzen Tagen sein Vater gesund wurde. Nicht lange danach wurde seine Stiefmutter auch krank, eben an der Krankheit, an der der Vater krank gewesen war. Der Vater berief seinen Sohn, den Arzt, und bat ihn, er wolle ihm seine Hausfrau gesund machen, sie hätte dasselbe, was er gehabt hätte. Der Doktor sprach: »Vater, ich traue mir nicht zu helfen; denn was ich dir gegeben hab', das hast du gern angenommen und hast Hoffnung zu mir gehabt, daß ich dir nichts gebe, als was dir gut sei und nützlich. Die Hoffnung hat dich mehr gesund gemacht als die Arznei. Aber meine Stiefmutter, die traut mir nicht, sondern sie fürchtet, ich gebe ihr etwas Schädliches, darum so mag ich sie nicht gesund machen. Darum die Hoffnung, die ein kranker Mensch zu dem Arzte hat, das ist eine große Ursache der Gesundheit.

 

7.

Der überlistete Kranke.

Hugo de Prato schreibt in einer Predigt, wie ein Mann sei gewesen, der war in eine Phantasie gekommen, er wäre ein Hahn und krähte, und niemand konnte ihn dazu bringen, daß er etwas einnähme oder täte, was ihm gut wäre, daß ihm wiederum recht würde. Zuletzt kam ein bewährter Arzt zu ihm, und der sprach zu ihm, er wäre auch ein Hahn. Und wie er tat, so tat der Arzt auch. Da nahm der Sieche von demselben Arznei an, so daß er wieder rechtsinnig ward.

 

8.

Der einfältige Kranke.

Ein Siecher schickte zum Arzte, daß er zu ihm komme. Als er zu ihm kam, klagt' er ihm seine Not und sprach: »Lieber Doktor, ich kam an einen Ort, ich weiß nicht wo, und es geschah mir, ich weiß nicht wie, und es tut mir weh, ich weiß nicht was.« Der Arzt sprach: »Lieber Freund, schickt in die Apotheke und kauft, ich weiß nicht was und eßt es, ich weiß nicht wie, so werdet Ihr gesund, ich weiß nicht wann.«

 

9.

Von einem Arzt, der ein Astrolog war.

Rupertus de Licio Ordinis Minorum schreibt von einem Arzte, der war ein gar großer Sternenluger. Er war in einer Gesellschaft der Kaufleute zu Florenz und Genua, und er hatte für sein Teil, ohne der anderen Anteil, wohl 600 Dukaten angelegt in Safran und andern Gewürzen, die sie auf dem Meer in andere Lande schicken wollten. Da wollte der Arzt, daß sie nicht von Land sollten fahren, bevor er es ihnen nicht geheißen; denn er wüßte wohl, in welchem Zeichen des Himmels und Aspekt es glücklich wäre auszufahren. Als er sie fahren hieß, da fuhren sie davon und fuhren nicht eine Meile oder zwei, da ging das Schiff unter infolge eines Ungewitters und verdarb das Gut alles miteinander.

Der selbige Arzt war ein Witwer, hatte sich aber eine Frau ausgesucht, die er nehmen wollte, aber den Handschlag wollt' er nicht tun, bis daß es ihm gefiel an den Gestirn; denn, sprach er, ich weiß ein Aspekt und Zeichen, welcher darin Hochzeit macht, der würde langen Frieden und große Freude haben in der Ehe und Kinder bekommen. Als er meinte, es wäre gut, da hielt er Hochzeit, aber ehe das halbe Jahr um war, da war nichts andres da als Zanken und Kriegen. Nicht lange danach, da starb das Weib. Danach wollte der Doktor keinen Glauben an das Gestirn nimmer haben.

 

10.

Die verwechselten Medizinen.

Für je gelehrter die Doktores und Ärzte gehalten oder geachtet sind, desto mehr Kranke haben sie zu arzneien und zu warten und desto mehr Zulauf bekommen sie. Und je mehr einer Kranke zu warten hat, je minder mag den Kranken von dem Arzte geschehen, es sei denn, daß er etwa irre in der Arznei würde. Also geschah diesem Arzt auch: es war ein Arzt, der hatte zwei Kranke oder Bresthafte angenommen und wollte ihnen beiden helfen, wiewohl ihr Gebresten sehr ungleich war; denn der erste Kranke war ein alter betagter Bürger, der hatte ein schönes junges Mädchen zur Ehe genommen. Der kam zu dem Arzt und bat ihn, er sollt ihm eine Arznei machen, damit er der jungen Braut auf die erste Nacht wohl gefiele. Der gute Arzt tat das Beste und verordnete dem alten Mann ein Rezept zu machen in der Apotheke, daß er der Braut wohlgefalle, wie denn einem jeden Verständigen wohl bekannt ist, womit man den Bräuten wohlgefällt.

Des andern Kranken Siechtum war also, er könnt' nicht Stuhl gehen oder seine Notdurft tun, langer Krankheit halber. Darum verordnet ihm der Arzt ein Rezept, das ihm den Stuhlgang brächte und ihm den Magen weichte; und als diese beiden Rezepte gemacht wurden von dem Apotheker, ging der Doktor zu Gast essen, und sagt' dem Apotheker, die zween Kranken würden diese zwo Latwergen holen, daß er sie ihnen überließe. Aber der Apotheker ward, als der Arzt fort war, irr in den zweien Latwergen und gab dem Kranken, der nicht könnt' zu Stuhl gehen, die Arznei, die dem alten Mann zugehörte, der gern mit der jungen Braut fröhlich gewesen war. Aber als er diese Arznei oder Latwerg einnahm, ward ihm seine Notdurft von Nöten. Darum fragte er die Braut, wo das heimliche Gemach war, und als er einmal oder zwei darauf gewesen, so könnt' er doch kein Ruh haben, sondern er trieb das die ganze Nacht, als daß die gute junge Braut seiner gar wenig froh war in dieser Nacht, darum sie sehr traurig war; denn sie besorgt, es wäre allweg seine Weis, er hatte auch schier das Bett voll hofiert.

Der andere Kranke aber, dem die Arznei ward, die dem alten Mann geworden sein sollte, der lag die ganze Nacht und wartete, daß ihm der Stuhlgang kommen würde, aber seine Arznei wirkte in ihm einen andern Weg; denn er hätte lieber eine Frau bei sich gehabt, als daß er zu Stuhl gegangen war, und hatte seiner Arznei halber gleich große Pein als der alte Mann mit dem Stuhlgang.

Des Morgens kam der Arzt zuerst zu dem alten Mann und wollte sehen, was er ihm zu Trinkgeld wollt' schenken, aber der gute alte Mann lag noch und ruhte; denn er hatte die ganze Nacht nicht viel geschlafen und war so schwach geworden, daß er kaum reden könnt' und sagt' zum Arzte: »Führwahr Herr, Ihr habt mir ein böses Stück getan, wenn ich stärker wär, als ich bin, Ihr solltet es keinem Pfaffen beichten dürfen.« Der Arzt fragt wieso? Der Alte sagt ihm, wie er die ganze Nacht das Auslaufen gehabt hätt' und die Braut durch ihn gar wenig wär' erfreut worden. Da erkannt' der Doktor erst, daß der Apotheker die Arznei verwechselt hätt' und entschuldigte sich bei dem alten Mann dafür. Aber er lacht heimlich in seine Faust und dacht wohl, wenn ihm auch die Arznei geworden war, daß sie ihm nicht viel geholfen hätt; denn welcher Arzt diese Kunst wahrlich könnte, der würde bald reich. Danach ging er zu dem andern Kranken und fragt' den auch, wie ihm wär' geschehen. Der war ebenso zornig wie der andere und sprach: »O lieber Herr Doktor, Ihr habt mir ein Rezept gemacht zu einer Weichung des Bauches inwendig, aber es hat gewirkt zu einer Härtung des Bauchs auswendig; darum wär ich lieber mit einer schönen Frau zu Bett gegangen, als daß ich zu Stuhl gegangen war. Darum lernt die Arznei besser; denn diese hat falsch gewirkt.« Der Doktor sah wohl, daß er an den beiden Kranken nicht viel Danks verdient hätt', darum heischte er von ihnen nichts zum Lohn, auch dankten sie ihm nicht sehr; denn es war nicht großen Dankens wert.


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