Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Giovanni Sercambi

1.

Von maßlosem Geize

In der Stadt Florenz lebte ein reicher Mann namens Messer Bertoldo Adimari, der aber so knauserig und filzig war, daß er nicht nur niemand bei sich zum Essen zurückbehalten wollte, sondern seine eigene Familie hungrig zu Bette gehen ließ, so sehr beherrschte ihn der Geiz; ja, er wollte sogar, daß man ohne Licht zu Abend esse, und wenn wirklich Licht gemacht werden mußte, ließ er eine Ölfunzel anzünden, und wenn man zu Bett gegangen war, wurde die Funzel ausgelöscht, damit das Öl nicht verbraucht werde. Dieser Messer Bertoldo hatte einen Diener, der Rospo genannt wurde. Dem gab er einen halben Florin im Monat und die Kost. So standen die Dinge, als besagter Messer Bertoldo infolge des erbärmlichen Lebens, das er führte, und auch weil er alt war, erkrankte. Und er ertrug diese Krankheit lange Zeit, weil er aus Geiz keinen Arzt zu Rate ziehen wollte, bis das Übel sich so sehr verschlimmerte, daß er das Bett nicht mehr verlassen konnte.

Als seine Frau und andere Verwandte Messer Bertoldo krank sahen, sagten sie, sie wollten, daß Meister Tommaso del Garbo ihn besuchen komme. Messer Bertoldo wollte es wohl auch, wegen der Kosten sagte er jedoch: »ich brauche ihn nicht«. Da die Verwandten wohl merkten, daß Messer Bertoldo das mehr aus Geiz als aus anderen Gründen sage, beschlossen sie, der Meister solle ihn dennoch besuchen. Und so besuchte ihn Meister Tommaso, erkannte die Krankheit und sagte: »Wenn er nicht ein wenig purgiert und dann mit guten Speisen gestärkt wird, ist er des Todes.«

Die Frau und die Verwandten baten ihn, alles Nötige im Laden zu bestellen; sie würden es bezahlen; ihm selbst würde sie das gebührende Honorar geben, ohne jedoch Messer Bertoldo etwas davon wissen zu lassen; denn er wäre lieber gestorben, als daß er Geld ausgegeben hätte.

Nach Verordnung eines Sirups, den der Diener Rospo abends holte und einiger einfacher Klistiere, die nach dem Einnehmen des Sirups verabreicht werden sollten, ging der Arzt fort. Als der zweite Abend gekommen war, ging Rospo wieder den Sirup holen. Der Apotheker, der viel zu tun hatte, konnte den Sirup nicht vor dem Läuten der großen Glocke fertigstellen. Als Rospo die große Glocke hörte, sagte er: »Wie soll ich nun ohne Licht heimkommen?« Worauf der Apotheker: »Wenn du eine Kerze willst, so werden wir sie dir auf die Rechnung schreiben; denn Messer Bertoldo hat uns sagen lassen, daß ihm außer dem Sirup und der Medizin nichts auf die Rechnung gesetzt werden dürfe und daß er anderes nicht zahlen würde.« Da gab Rospo zur Antwort: »Ich habe nicht soviel Gehalt, daß ich dies haben möchte; aber Ihr habt mich zu lange aufgehalten und Ihr könnt mir nicht dafür bürgen, daß ich nicht verhaftet werde.«

Der Apotheker gab ihm ein Lichtstümpfchen, und Rospo begab sich nach Hause, entschlossen, den Sirup später abzuholen.

Messer Bertoldo hatte, als der Tag vorüber war, ein Klistier genommen; da er zuvor viel Grünzeug gegessen hatte, waren in seinem Leibe viele Würmer entstanden, von denen genanntes Klistier viele dicke Exemplare zutage förderte. Als der Diener die Kammer, in der Messer Bertoldo sich erleichtert hatte, fegte, geschah es, daß einer dieser Würmer in den zusammengekehrten Staub eingehüllt in einer Ecke des Saales zurückblieb. Als Rospo, der davon nichts wußte, diesen Wurm im Saale liegen sah, meinte er, es sei eine Kerze und schob ihn in seinen Geldbeutel mit den Worten: »nun werde ich nachts doch mit Licht heimgehen können.«

Einige Tage nach Einnahme des Sirups kam Meister Tommaso, um nach Messer Bertoldo zu sehen. Als er ihm den Puls gefühlt und gehört hatte, daß der Kranke aus Geiz nicht hatte zugeben wollen, daß eine Latwerge gekauft würde, sagte er: »Wenn der Kranke keine Medizin zur Reinigung des Körpers einnimmt, wodurch die verdorbene Materie, die er im Leibe hat, hinausbefördert wird, und sich dann nicht durch gute Speisen kräftigt, so ist es um ihn geschehen.« Die Gattin und die Verwandten sagten, er möge ihm die Medizin verordnen; die Kräftigungsmittel sollen dann gekauft werden. Nachdem sie darauf Meister Tommaso einen Florin gegeben hatten, verordnete dieser die Medizin für die Nacht. Als Rospo, der ausgesandt worden war, um die Medizin zu holen, sah, daß der Apotheker alle Hände voll zu tun hatte, sagte er: »Ich kann mich ein wenig verweilen; denn ich habe eine Kerze, und wenn die große Glocke läutet, wenn ich unterwegs bin, kann ich sie anzünden.« Er wartete also auf die Medizin, und sie wurde kurz vor dem Läuten der Glocke fertig. Rospo nahm sie, und als er den Laden verlassen hatte, begann die große Glocke zu läuten. Rospo, der auf seine Kerze hoffte, die er im Geldbeutel zu haben meinte, schritt wacker aus, und da Messer Bertoldos Haus weit von der Apotheke entfernt war, hörte die Glocke zu läuten auf, bevor er es erreicht hatte. Rospo griff in seinen Beutel, zog statt der Kerze den Wurm heraus und näherte sich einer Obstverkäuferin, um das Ding anzuzünden.

»Madonna«, sagte er zu ihr, »zündet mir bitte diese Kerze an ...« »Gerne«, erwiderte die Hökerin und hielt ihm ihr Licht hin. Rospo nahm den Wurm, und da es ihm vorkam, als sei der Docht nicht sichtbar, nahm er sein Ende zwischen die Zähne, biß ein Stückchen ab und näherte ihn dann dem Licht. Als die Hökerin sah, daß er sich krümmte, sagte sie: »Diese Kerze ist sicherlich aus schlechtem Wachs.« Rospo, der den Wurm knistern hörte, dachte, das komme von dem Staube oder von der Feuchtigkeit, biß noch ein Stückchen davon ab und kaute darauf herum, wie man es wohl zu tun pflegt, wenn man eine frische Kerze anzünden will, und meinte, das werde gut sein, um das Faß zu verspunden. Wie er nun den Rest anzünden will, da knistert dieser um so stärker, je mehr er ihn dem Lichte nähert, und zieht sich zurück. Die Hökerin, der es merkwürdig vorkommt, daß die Kerze sich nicht entzünden will, so nahe sie auch an die Flamme gehalten wird, sagt: »Gib sie mir.« Rospo öffnete die Hand und gab der Hökerin den Wurm, im Glauben, es sei eine Kerze. Die Hökerin, die schon einen andern Wurm in der Hand gehalten hatte, rief, nachdem sie ihn befühlt: O Rospo, was bist du doch für ein Dummkopf, daß du dies für eine Kerze gehalten und zweimal mit dem Munde die Probe gemacht und doch nicht erkannt hast, was das ist!«

Rospo, der immer noch kaute, im Glauben, es sei Wachs, fragte: »Ja, was ist es denn?« Da antwortete ihm die Hökerin: »Das ist ein Wurm oder ein Blutegel«, und sie zeigte ihm denselben offen. Rospo, der lustig weiterkaute und wohl wußte, wo er ihn gefunden hatte, spuckte beschämt aus und warf dann zornig das Medizinglas Messer Bertoldos gegen die Mauer, indem er rief: »Da ich so behandelt worden bin, soll er auch die Medizin nicht trinken!«

»Was willst du damit sagen?« fragte die Hökerin. Da erzählte ihr Rospo das ganze Verhalten Messer Bertoldos. Die Hökerin hatte Mitleid mit ihm, und da sie sah, daß er jung war, sagte sie zu ihm: »Damit du nicht verhaftet wirst, sollst du heut nacht bei mir bleiben; denn wenn du deinen Weg fortsetztest, könntest du festgenommen werden.« Rospo war's zufrieden. Im Bett zeigte ihm die Hökerin, wie sie jenen Wurm als solchen erkannt habe, indem sie ihm seinen eigenen sehen ließ, den sie in der Hand hielt.

»Wahrhaftig, Madonna, Ihr seid sehr klug«, erwiderte Rospo; und so ließen sie sich's wohl sein.

Messer Bertoldo nahm die Medizin also nicht und wurde infolge der schweren Krankheit, und weil die schlechten Stäfte stark zunahmen, von Schmerzen überfallen. Als am andern Morgen Meister Tommaso erschien und nach der Medizin fragte, sagte Rospo: »Die Medizin hat fünfmal abgeführt.« Worauf Messer Tommaso: »Wenn er sie genommen hat, so ist er geheilt.« »Das glaube ich auch«, bestätigte Rospo. Und während sie diese Worte wechselten, hörten sie Schreien und Weinen. Meister Tommaso, der eben die Treppe hinauf wollte, sagte darauf: »er ist gewiß gestorben.« »Da Ihr es sagt, glaube ich es auch«, erwiderte Rospo ...

Meister Tommaso verließ das Haus. Als Rospo in den Saal trat, sprach die Frau zu ihm: »Die Medizin, die du nicht gebracht hast, hat Messer Bertoldo getötet.« »Nein«, antwortete Rospo, »sein Geiz hat ihn getötet, denn ich weiß, wie viel ich von dem Meinigen habe draufgehen lassen, um ihn am Leben zu erhalten, und unsre Hökerin gegenüber weiß es, daß ich mehr als fünf Batzen drangegeben habe, um meinen Herrn zu retten.« Die Frau verstand die Anspielung nicht; sie sorgte dafür, daß Messer Bertoldo begraben wurde; sein Besitz aber ging auf Leute über, die ihn zu genießen wußten, während er aus Geiz um einer Kerze willen sein Leben verlor.

 

2.

Von einem Ehebruch und einem guten Rat.

In der Stadt Siena lebte ein Volksparteiler namens Giorgio Acciai, der von seinen Renten lebte, ohne ein Gewerbe zu betreiben. Er hatte eine Tochter namens Nicolosa, die an einen reichen Kaufmann namens Sandro verheiratet war, und ein kleines zwölfjähriges Töchterlein, das auf den Kosenamen Pippa hörte. Nun geschah es, daß besagter Giorgio von diesem Leben Abschied nahm und neben einem kleinen Sohne die genannten beiden Töchter zurückließ. Und die ganze Sorge für den Knaben und das Mädchen hinterließ er seinem Schwiegersohn Sandro und dessen Frau Nicolosa. Als Giorgio, Nicolosas Vater, gestorben war, nahmen Sandro und seine Frau Nicolosa den kleinen Sohn und Pippa zu sich ins Haus. So lebten sie zusammen ein Jahr lang nach dem Tode des Vaters, und Madonna Nicolosa gab sich alle Mühe, aus der Pippa ein schönes Mädchen zu machen, wie die Seneserinnen es so gut verstehen, und sie sah auch wirklich aus wie die liebe Sonne. Als sie nun ihr dreizehntes Jahr vollendet hatte, nahm Madonna Nicolosa sie an einem hohen Feiertage, nachdem sie sie aufs schönste geschmückt und geputzt hatte, mit sich aus dem Hause und führte sie in die Kirche. Dort stach sie einem reichen jungen Kaufmann namens Cione so sehr in die Augen, daß er sich erkundigte, wessen Tochter sie sei, und man sagte ihm, wer sie war. Cione, dem sie auf den ersten Blick gefallen hatte und der nun wußte, wer ihr Vater war und bei wem sie wohnte, war auch schon in sie verliebt und dachte daran, sie zum Weibe zu nehmen. »Ich bin reich«, sprach er bei sich selber, »und aus gutem Hause, während sie nicht viel hat, doch von guter Herkunft ist; wenn ich um sie anhalte, werde ich sie ohne Schwierigkeit erhalten.«

Sandro und seine Gattin, die in Siena keine bessere Verbindung hätten schließen können, sagten, ohne sich lange zu besinnen, ja. Nachdem er ihr den Ring angesteckt hatte, sagte Cione zu ihr: »Ich habe meine Ware, bestehend aus Schleiertuch, ins Ausland gesandt und bin im Begriffe noch vier Ballen fortzusenden; da ich ein Weib genommen habe, will ich meine Geschäfte liquidieren. Laß es dir darum nicht leid sein, Sandro und Madonna Nicolosa zu sagen, daß ich mindestens ein Jahr brauchen werde, um meine Geschäfte zum Abschluß zu bringen, dann aber werde ich die Möglichkeit haben, mich dauernd in Siena aufzuhalten.« Sandro und seine Gattin erklärten, er habe recht und bei seiner Rückkehr werde Pippa ein wenig widerstandsfähiger sein; denn gegenwärtig sei sie recht zart. Als Cione dies hörte, sagte er: »Ihr sprecht wahr«, traf alle Anordnungen zum Aufbruch, verließ Siena mit seinen Ballen und ging über die Alpen.

Pippa blieb unter Sandros und seiner Gattin Obhut zurück. Madonna Nicolosa war so entzückt, die Schwester an einen so reichen Kaufmann verheiratet, und so erfreut, sie so schön zu sehen, daß man sie selten ohne Pippa erblickte. Diese aber nahm mit jedem Tage an Schönheit zu. Eines Tages nun, als Madonna Nicolosa in die Predigt gegangen war und Pippa im wohlverschlossenen Hause zurückgelassen hatte, kehrte Sandro heim, und da er einen Schlüssel hatte, öffnete er, im Glauben, es sei niemand im Hause, die Eingangstür. Als er aber hinauf in die Kammer kam, fand er Pippa vor dem Spiegel in einer Unterjacke von dünner Seide. Sandro, der sie eher bemerkte als sie ihn, betrachtete Pippa, die ihm so schön und fein erschien wie eine Perle, und sagte lachend: »Pippa, was machst du?« »Ich betrachte mich im Spiegel«, erwiderte sie, »und mache mir selber den Hof.« Dabei wandte sie sich nach Sandro um, der aber trat an den Spiegel heran, umschlang sie mit seinen Armen und bewunderte sie im Spiegel, und ohne sich darum zu kümmern, daß sie seine Schwägerin war, fing er an, sie zu küssen, indem er sagte: »O Pippa, findest du die süßen Sachen nicht gut?« »Gewiß, Herr«, erwiderte Pippa. Worauf Sandro: »Dann sollst du davon haben.« Pippa verhielt sich still. Nun fing Sandro an, sie zu umarmen, küßte sie auf den Mund und sagte zu ihr: »Pippa, diese Küsse sind der Anfang der Süßigkeit.« Pippa, das Gesicht mit Röte Übergossen, sagte nichts, aber ihr ganzes Antlitz leuchtete wie von Flammen. Sandro, dem das Blut bereits in die Augen gestiegen war, hob die Pippa empor, legte sie aufs Bett und ließ sie die Süßigkeit kosten, die er ihr bereits angekündigt hatte. »Oh, wie köstlich ist der Verkehr mit dem Manne!« sagte Pippa, und Sandro erwiderte ihr: »sei vergnügt, Pippa, und sage Nicolosa nichts davon.« Pippa, der das Spiel behagt hatte, entgegnete: »Ich werde nichts sagen.« Und wie sie angefangen hatten, fuhren sie dann fort, so daß Pippa sich nach Verlauf weniger Monate schwanger fühlte. Das erfüllte sie mit großer Besorgnis und sie sagte Sandro, daß sie sich schwanger fühle. Als Sandro dies hörte, dachte er, er sei des Todes und wußte nicht, was er sagen sollte. Als er sich dann wieder gefaßt hatte, sagte er: »O Pippa, verheimliche es, ich werde bewirken, daß du ein falsches Wochenbett bekommst, laß mich nur machen.« Und sogleich ging er zu einem Apotheker, der sein Gevatter war, bekannte ihm den begangenen Fehltritt und wie die Sache gegangen war und bat ihn, ihm doch ein Abtreibungsmittel zu geben. »Gevatter«, erwiderte ihm der Apotheker, »selbst wenn's um mein Leben ginge, würde ich das nicht tun; ich werde es aber meinem Oheim, Meister Alessio, dem Arzt, sagen, daß er uns zu einem Ausweg verhilft, ohne daß die Frucht abgeht.« »Ich bitte Euch darum«, sagte Sandro, »lieber Gevatter, ich wäre sonst der entehrteste Mann von Siena.«

Um dem Gevatter zu dienen, berichtete der Apotheker dem Meister Alessio alles, was Sandro ihm gesagt hatte. »Wir werden das Kind retten«, erklärte der Arzt, »und Mittel und Wege finden, die Sache so geheimzuhalten, daß sie nie offenbar wird.« Und er ließ alsbald Sandro zu sich kommen und als er da war, fragte er ihn, ob das Mädchen alles tun wolle, was er ihr sagen werde. Sandro bejahte es. Darauf gab ihm der Meister gewisse Pulver und trug ihm auf, das Gesicht des Mädchens damit einzuräuchern, ohne daß jemand etwas davon merke. Danach solle er ihn holen lassen, er werde dann dafür sorgen, daß sie ohne Schädigung ihrer Ehre davonkomme. Sandro nahm die Pulver, eilte nach Hause und übergab Pippa, was ihm der Arzt gegeben hatte, worauf Pippa ihr Gesicht damit einräucherte. Als dies geschehen war und sie sich in den Spiegel sah, gewahrte sie, daß sie ganz quittengelb geworden war. Sofort stieß sie in wohlberechnender Absicht einen lauten Schrei aus und warf sich auf ein Ruhebett. Nicolosa, ihre Schwester, lief auf den Schrei herbei und sah Pippa ganz gelb im Gesicht auf dem Ruhebett liegen. »O weh! was ist denn das?« rief sie und erhob ein Jammergeschrei. Alsbald schickte sie nach Sandro, damit er nach Hause komme. Dieser wartete bereits darauf, kehrte heim, und als er nach der Ursache fragte, weshalb er so eilig habe kommen sollen, sagte seine Frau: »Siehst du denn nicht, was mit Pippa geschehen ist, die fast in meinen Armen gestorben ist? Geh schnell und hol einen Arzt!«

»O Pippa«, sagte Sandro, »wer dieses Übel über dich hat kommen lassen, wird dich auch wieder davon heilen, sei getrost und habe keine Angst.« Sich verstellend erwiderte Pippa: »Um Gottes willen, geht schnell, ich fürchte, ich sterbe, bevor Ihr wieder zurück seid.« Auch Madonna Nicolosa dringt in den Gatten, daß er sich beeilt. Sandro kehrte binnen kurzem mit dem Arzte zurück. »Wo ist das Mädchen?« fragte dieser, als er erschienen war. Sandro führte ihn in die Kammer. Dort fand er Pippa, die ihre Arme um den Hals der Schwester geschlungen hatte. Er fühlte ihr den Puls, blickte ihr sodann ins Gesicht und sprach bei sich selbst: »Die Medizin hat gut gewirkt.« Darauf verließ er die Kammer, rief Madonna Nicolosa und sagte ihr, Pippa habe eine Krankheit, die man weiche Schwangerschaft nenne; diese sei sehr gefährlich, da sie eine beständige Anschwellung aller Glieder und vor allem des Leibes verursachen werde, aber er denke das Mädchen zu retten, wenn Pippas Natur die Kraft haben werde, Nahrung und die Medizinen aufzunehmen, die er ihr bereiten lassen wolle. Es werde allerdings ein mühseliges Stück Arbeit sein, sie durchzubringen, man müsse es indes versuchen. »Wohlan Meister«, sagte Nicolosa darauf, »laßt es an nichts fehlen, auf die Kosten kommt es nicht an.«

Der Arzt ging fort mit der Versicherung, daß er alles anordnen werde und begab sich mit Sandro in die Apotheke. Von dort ließ er Pippa einen herzstärkenden Julep und etwas Latwerge bringen mit der Anweisung Tag und Nacht davon zu nehmen und sich von guten Kapaunen und Hennen und von Zeit zu Zeit von etwas Hammelfleisch zu nähren.

Sandro schärfte seiner Frau all das ein, und mindestens einmal am Tag kam der Arzt, um Sandros Gattin ein x für ein u zu machen.

Auf diese Weise verharrte Pippa bis zum siebenten Monat ihrer Schwangerschaft, und sie und Sandro versäumten nicht, wenn Madonna Nicolosa nicht zu Hause war, die Schwängerung fortzusetzen, vielmehr taten sie ihr Bestes. Und stets erneuerte Pippa die Einräucherung. Als sie nun in den siebenten Monat eingetreten war, sagte Sandro zum Arzte: »Meister, die Pippa hat einen so dicken Leib, daß er mir manchmal, wenn ich sie besteige, scheint, als wolle das Kind heraus, und darum fürchte ich, sie möchte eine von denen sein, die nach sieben Monaten gebären, seid daher so gut und findet einen andern Ausweg.« Da erwiderte der Meister: »Ich will kommen und du wirst sehen, daß ich eine gute Medizin für diesen Fall haben werde.« Er machte sich also auf, begab sich zu Sandros Hause und fand dort Pippa mit dickem Leib und gelbem Gesicht die Schwerkranke spielen. »O Meister«, sagte ihre Schwester, Madonna Nicolosa zu ihm: »ich bin es müde, Pippa so lange Zeit zu pflegen, ich kann nicht mehr. Und darum wünschte ich, wenn sie schon sterben muß, daß sie sich beeilt, wenn es aber Medizinen gibt, die sie gesund machen können, daß Ihr sie anwendet.« Der Arzt, der erkannte, daß Pippas Krankheit der Schwester Beschwer machte, nahm Sandro beiseite, bat Nicolosa, sie ein wenig allein zu lassen und ging mit Sandro hinter eine Bretterwand, um mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Madonna Nicolosa stellte sich auf die andere Seite, um zu hören, was der Arzt ihrem Gatten Sandro sagen wollte. Und Meister Alessio begann: »O Sandro, ich erkenne, daß Pippas Krankheit unheilbar ist und bin überzeugt, daß mir keine Ehre daraus erwachsen kann. Nachdem ich sie heute gesehen habe, glaube ich sicher zu sein, daß das Übel, an dem sie leidet, einen ansteckt, ehe man's glaubt. Und darum sage ich dir jetzt, daß ich nicht mehr täglich kommen will, wie bisher, und rate dir, wenn dir dein Leben lieb ist, komm ihr nicht zu nahe, wenn anders du gesund und ohne Schaden leben willst. Und da du deine Frau über alles lieben mußt, wird es gut sein, wenn du sie ebenfalls der Pippa nicht zu nahe kommen läßt; denn diese Krankheit befällt die Weiber noch leichter als die Männer. Wenn du aber außerhalb der Stadt eine Besitzung und eine Person hast, auf die du dich verlassen kannst, so möchte ich dir raten, die Pippa dorthin zu schicken. Du wärest dann der Gefahr entronnen und deine Frau auch, die du mehr lieben mußt als dich selbst.«

Sandro, der sofort gemerkt hatte, daß es dem Arzte nicht entgangen war, daß Madonna Nicolosa auf der andern Seite horchte, antwortete dementsprechend und sagte: »Meister, ich erkenne, daß Ihr die Wahrheit sprecht und Pippas Krankheit sehr ansteckend ist. Auch scheint mir, daß ich seit einigen Tagen ganz entstellt bin. Auch sehe ich, daß meine süße Nicolosa infolge Pippas Krankheit ganz elend aussieht. Ich versichere Euch aber, daß ich für meine Person ihr durchaus nicht nahe kommen werde, und ich hoffe, daß Nicolosa sie nicht wird verlassen wollen. Darum fürchte ich, daß sie ebenso Schaden an ihrer Gesundheit nimmt, wie Pippa und weiß nicht, was ich machen soll.«

Da erwiderte der Arzt: »Ich höre, du hast ganz in der Nähe eine Besitzung.« »Jawohl«, entgegnete Sandro, »und auch eine Tante, die sich mit Nicolosa so schlecht steht, daß diese es, wie ich glaube, nicht zugeben würde, daß Pippa in ihre Pflege käme, eine andre habe ich aber nicht.« Worauf der Arzt: »Du mußt deine Frau mehr lieben als die Tante; denn das Evangelium sagt: › Erite duo in una carne,‹ und es wird ein Weib und ein Mann sein in einem Fleische. Und darum muß es dir lieber sein, daß der Tante Leid widerfahre als deiner Frau.« »Wenn nun aber«, erwiderte Sandro, »meine Frau hingehen und nicht zugeben will, daß jemand anders hingeht, was soll ich dann tun?« Da antwortete ihm der Arzt: »Du wirst dann schnell einen finden, der dir ein Mädchen mit vielen Florinen geben wird, und wenn deine Frau sich die Krankheit zuzieht und es nicht deine Schuld ist, so wird dir niemand etwas vorwerfen können. Da wäre z. B. gleich die Vezzosa di Tolomei, die eine von den schönen Mädchen von Siena ist.«

Und nachdem sie diese Worte gesprochen hatten und wieder zum Vorschein kamen, funkelte Nicolosa, rot bis zu den Augenbrauen, den Arzt und den Gatten an, als ob sie ihnen ins Gesicht springen wollte und sagte: »Meister, ich will wissen, was mit der Pippa geschehen soll und will andre nicht lieber haben als mich; sagt mir's sofort!« Worauf der Arzt: »Verlassen wir die Kammer und ich werde Euch ganz zufriedenstellen.« »Ich will, daß Ihr mir hier alles sagt«, erklärte Nicolosa. Da sagte ihr's der Arzt, und Nicolosa wollte vor Angst umkommen, als sie es hörte.

Da ließ sich Pippa vernehmen: »O Meister, ich möchte lieber zugrunde gehen, als daß meiner lieben Schwester ein Nagel am Fuß weh täte.«

Der Arzt wiederholte, es wäre gut, wenn Pippa aufs Land hinaus käme. Nicolosa ließ Meister Alessio nicht ausreden und sagte: »Sandro, ich erkläre dir, du mußt Pippa aufs Land hinaus schicken, und schick nur auch deine Tante hinaus; denn kaum kommt das Geringste vom Gut ins Haus, so sagst du: ›bring das meiner Tante.‹ Wie du ihr also das Gute schickst, so schicke ihr jetzt die Pippa, damit sie sie pflege.«

Sandro, der erreicht hatte, was er wollte, erwiderte ihr: »Du weißt, daß ich nicht möchte, daß du sie für die kurze Zeit, die sie noch zu leben hat, verläßt; du hast es bisher ja auch nicht getan.« Worauf Nicolosa: »Nun sehe ich, daß du mich wenig liebst; denn du möchtest, daß ich stürbe, und dann würdest du Vezzosa de' Tolomei nehmen, Hund, der du bist! Nein, ich gehe nie und nimmer hin, ganz gewiß nicht!«

»Ich werde tun, was du willst«, erwiderte Sandro darauf. Und alsbald ging er zur Tante, und nachdem er ihr alles erzählt hatte, brachte er Pippa und die Tante aufs Gut, wo er sich dann öfter sehen ließ, um sich und andere zu befriedigen.

Pippa war noch nicht lange auf dem Lande, als Cione, ihr Gatte, nach Siena zurückkehrte. Auf seine Frage nach seiner Gattin Pippa wurde ihm alles gesagt und erzählt. Voll Verlangen, sie wiederzusehen, erklärte Cione, er wolle hinaus aufs Land und sie besuchen. Sandro meinte, es werde gut sein, wenn der Arzt mitkäme. Er holte also Meister Alessio und sie stiegen zu Pferde. Sie hatten Pippa sagen lassen, daß sie kämen, und diese, die es meisterhaft gelernt hatte, die Kranke zu spielen, räucherte sich gründlich ein und sah nun, gelber als je und reichlich im achten Monat schwanger, aus wie eine Wassersüchtige.

Cione, der Arzt und Sandro langten auf dem Gute an und traten an das Bett, in dem Pippa lag. Und als Cione, nachdem die Lichter angezündet waren, sie so entstellt sah, kam er ihr nicht zu nahe, weil der Arzt es ihm verboten hatte. Sie verließen die Kammer sehr bald, und Cione fragte den Arzt: »Ist diese Krankheit heilbar oder nicht?« »Sie ist in Todesgefahr«, antwortete ihm dieser, zeigte ihm in seinem Buche das Kapitel über diese Krankheit und schloß, indem er wiederholte, sie sei sehr übel dran, er werde aber tun, was ihrem Heile dienen könne. Damit verließen sie das Gut und kehrten nach Siena zurück.

Zuvor hatten der Arzt und Sandro zu Sandros Tante gesagt, wenn Pippa niederkomme, solle sie dafür sorgen, daß ein Becken mit einer gelben Flüssigkeit bereitstehe, worauf die Tante sagte: »Laßt mich nur machen!«

Da Cione gehört hatte, wie gefährlich es sei, sich Pippa zu nähern, gelüstete es ihn nicht mehr, aufs Gut hinauszugehen, und er bat den Arzt dringend, aufs beste für sie zu sorgen, und so verging die Zeit. Und ab das Ende des neunten Monats gekommen war, gebar Pippa ein Knäblein, das heimlich zum Aufziehen fortgegeben wurde. Als man das Sandro mitteilte, wäre er fast gestorben vor Angst. Der Arzt erklärte Cione, Sandro und Madonna Nicolosa, Pippas Krankheit sei in der Tat die sogenannte weiche Schwangerschaft. Und die Tante fragte er: »Was hat sie denn von sich gegeben, als die Krisis kam?« Die kluge Tante ließ darauf ein Becken, das gefüllt war mit einer gelben Flüssigkeit untermischt mit Menstruationsblut, hereinbringen. Da sagte der Arzt: »Sie ist gerettet, da dieser Eiter aus ihrem Körper herausgekommen ist.«

Als die Schwester den Inhalt des Beckens sah, versicherte sie: »Gewiß, Meister Alessio hat stets gesagt, wenn Pippa diesen Eiter ausscheiden könne, würde sie geheilt sein.« Nach Besichtigung der gelben Materie, gingen sie in die Kammer, wo der Arzt Pippa den Puls fühlte und dann sagte: »Jetzt ist sie in der Tat gesund.« Und alsbald ordnete er an, sie mit guten Kapaunen, Tauben und Zuckerwerk zu nähren und erklärte allen, er habe nur die beste Hoffnung. So wurde denn Pippa mehr als zwanzig Tage mit Kapaunen, guten Bandnudeln und Zuckerwerk gestärkt, bis sie genau so aussah, wie eine gelbe Rose; denn die Wirkung der Einräucherung hatte sich noch nicht verflüchtigt. Voll Verlangen, ihr schönes Antlitz in seiner früheren Farbe zu sehen, sagte Cione: »Ich sehe, daß Pippa nunmehr in guter Verfassung ist, abgesehen von der Farbe. Wenn diese sich verloren hat, möchte ich sie heimführen.« Worauf der Arzt bemerkte: »Das größere Werk haben wir vollbracht, so werden wir auch das kleinere vollbringen.« Und er verschrieb Pippa eine Salbe und ein Wasser, nach deren Anwendung Pippa in weniger als drei Tagen wieder rot war wie eine Rose.

Als Sandro dies sah, sagte er zu ihr: »Da du nun bald zu deinem Gatten gehen wirst, will ich diese so schönen Rosen pflücken, nachdem ich so viele gelbe gepflückt habe.« Als Cione vernahm, Pippa habe eine Farbe schöner als eine Rose, besuchte er sie, und sie gefiel ihm so gut, daß er sie fragte, ob sie einverstanden sei und sich kräftig genug fühle, von ihm heimgeführt zu werden, er würde sie gerne zu sich nehmen. Und Pippa antwortete ihm: »Ganz wie Ihr befehlt, ich wünsche mir nichts Besseres.« Da traf Cione alle erforderlichen Vorbereitungen, richtete die Hochzeit zu und ließ die Einladungen ergehen.

Sandro aber fragte Meister Alessio: »Wie stellen wir es an, daß Cione überzeugt ist, daß Pippa noch Jungfrau ist?« »Dies zu bewirken wird nur eine ganz kleine Sünde sein«, erwiderte der Arzt. Und er verordnete ein zusammenziehendes Bad nebst einigen Räucherungen, so daß sich Pippas Scheide so stark verengte, daß Cione, als er sie heimgeführt hatte und bei ihr im Bette lag, um die Ehe zu vollziehen, fand, daß Pippa enger gebaut sei als ein zehnjähriges Mädchen und sagte: »Nie noch habe ich ein Mädchen gefunden, das eine so ehrbare Jungfrau gewesen ist, wie Pippa.« Als Pippa dies hörte, sagte sie: »Da hast du recht, lieber Mann«, und so genossen sie einander fortab.

 

3.

Von einem großen Geizhals

Zur Zeit des Krieges zwischen Florenz und Pisa lebte in der Stadt Pisa ein Arzt namens Meister Pacie aus Barbaricina, der von Natur so geizig war, daß er sehr oft nicht aß, um kein Geld ausgeben zu müssen, und ebenso hatte er seine Frau und seine übrige Familie so gut im Geiz abgerichtet, daß sie fast ebenso geizig geworden waren wie er. Eine der Äußerungen des Geizes besagten Meisters Pacie war, daß er sich auch nicht einen Diener hielt. Als ihm seine Freunde mehrmals über den Geiz, der ihn beherrschte, Vorhaltungen machten und ihn besonders deswegen tadelten, daß er nicht, wie es sich für seinesgleichen gebühre, ein oder zwei Pferde und zum mindesten einen Diener halte, antwortete er ihnen, er könne sich kein Pferd halten, ohne daß es ihn mehr als dreißig Florinen im Jahr koste, für den Diener aber müsse er, abgesehen vom Lohn, wenigstens fünfzehn Florinen bezahlen, so daß er jährlich mehr als hundert Florinen auszugeben hätte. Übrigens brauche er keinen Diener; denn wenn er zu einem Kranken außerhalb Pisas müsse, würde man ihm zu diesem Zwecke ein Pferd und einen Diener leihen, in Pisa aber liege ihm wenig an Pferd und Diener; denn er würde stets den Ladenjungen des Apothekers zu seiner Verfügung haben, und es sei besser, daß er jährlich das erspare, was die Pferde und der Diener verzehrten, als daß er für nichts und wieder nichts die hundert Gulden ausgebe, um sie für diejenigen zur Verfügung zu halten, die ihrer bedürften.

Als die Freunde diese Erklärungen Meisters Pacie hörten, erkannten sie, daß lediglich der Geiz ihn zu einer solchen Lebenshaltung veranlaßte und beschlossen, nicht mehr auf diesen Punkt zurückzukommen und ihn auf seine Weise Geld machen zu lassen. Und der Gewinn genannten Meisters Pacie wuchs dermaßen an, daß er schließlich mehrere tausend Florinen zurückgelegt hatte. Mit der Zunahme seines Geldes nahm auch sein Geiz zu, so daß in der ganzen Toscana die Runde verbreitet war, Meister Pacie sei steinreich und habgieriger als Midas, daß man sein Eigentum wohl sehen, aber nichts davon erlangen könne.

So lagen die Dinge, als einige Männer aus der Gegend von Recanati, die sich aufs Rauben verstanden und im Dienste der Stadt Florenz standen, von Meister Pacies Reichtum und Geiz hörten und den Beschluß faßten, sich auf listige Weise in einen großen Teil seines Vermögens zu setzen. Und nachdem sie sich über die Art der Ausführung geeinigt hatten, verkleideten sie sich als Kaufleute und ritten ehrbar gekleidet über Siena nach Pisa. Dort angelangt, kehrten sie in der Herberge zum Hut ein und sagten dem Wirt, er möge für sie alles bequem und aufs beste herrichten, indem sie durchblicken ließen, daß sie große Kaufleute seien und viele Waren hätten. Der Wirt, der sie wohl gekleidet und im Besitze guter Pferde sah, auch gute Zahlung von ihnen empfing, ließ ihnen nichts abgehen. Nachdem sie sich einige Tage in der Herberge aufgehalten hatten, stellte sich einer von ihnen, der in seiner Magerkeit Ähnlichkeit mit Meister Pacie hatte, in wohlberechneter Absicht krank. Die Genossen sagten dem Wirt, sie bedürften eines Arztes wegen der Krankheit ihres Genossen. Der Wirt erklärte, Meister Pacie sei ein guter Arzt. Die Kaufleute, die nichts anderes suchten, sagten dem Wirte, er möge soweit mit ihnen gehen, bis sie den Weg selbst finden könnten, und dieser führte sie zum Hause und Laden Meister Pacies. Sie fanden ihn dort vor und geleiteten ihn zu ihrem Kameraden, der sich krank stellte. Meister Pacie befühlte seinen Puls und sagte zu ihm: »Mir scheint, daß dir nicht viel fehlt.« Worauf der Kranke: »Wahrhaftig, wenn Ihr mich von der Krankheit, die mich befallen hat, nicht heilt, so weiß ich nicht, wer mich davon kurieren soll und kann.« Und seine Gefährten sagten: »Wohlan, Meister Pacie, studiert eifrig im Galen und Avicenna, im Mezuè und Hippokrates nach und vergeßt auch die andern Bücher nicht, damit unser Genosse durch Euch kuriert werde; und damit Ihr in den genannten Büchern studieren könnt, nehmt hier fürs erste diese zehn Florinen, auf daß Ihr uns bald wieder froh und guter Dinge macht.«

Als Meister Pacie die zehn Gulden sah, sagte er erfreut: »Mich dünkt, daß ich allerdings vorhin etwas Falsches gesagt habe und daß du in der Tat die Krankheit hast, die du nennst. Ich werde dir also gute Mittel verordnen, damit ich dich deinen Kameraden mit Gottes Beistand bald wieder gesund zurückgebe.« Damit ging er und verordnete im Laden eine Menge Latwergen und eingemachte Früchte.

Die Genossen bezahlten alles und baten den Arzt, den Kranken möglichst oft zu besuchen. Der Arzt tat es und besuchte den Kranken um der Florinen willen, die er täglich erhielt, so eifrig, daß er innerhalb von acht Tagen mehr als 25 Florinen einnahm, der Apotheker mehr als zehn und der Wirt mehr als zwanzig, so daß die Kaufleute nichts hätten verlangen können, was sie nicht auch bekommen hätten.

Als die Genossen eines Tages sahen, daß schon eine gute Zeit hingegangen war, sagten sie zu Meister Pacie, es scheine ihnen, der Kranke könne sich nunmehr zufrieden geben und man könne ihn auf einer Tragbahre mitnehmen. »Mir will es auch so scheinen«, bestätigte der Arzt. Sie sagten daher dem Herbergswirt, er möge ihnen die Rechnung schreiben, und nachdem sie ihn, den Arzt und den Apotheker bezahlt hatten, richteten sie eine Tragbahre für den folgenden Tag her und baten den Arzt, er möge den Kranken vor der Abreise noch einmal besuchen, um ihm Verhaltungsmaßregeln für unterwegs und einiges Konfekt zur Stärkung zu geben.

Als nun alles vorbereitet und der nächste Tag gekommen war, ließen die Kumpane die Gäule satteln, banden eine Tragbahre fest und sicher auf zwei Pferde, und legten eine kleine Matratze und ein Kopfkissen darauf, damit der Kranke bequem unter einer Decke, die nur den Kopf freiließ, darin liegen konnte. Als dann alles in Ordnung war, begab sich einer von ihnen zu Meister Pacie und sagte ihm, er möge kommen und den Kranken noch einmal ansehen. Der Arzt, der gar keinen Diener hatte, ging mit jenem in die Herberge, und als die andern Meister Pacie kommen sahen, sagten sie zu dem Wirte, er möge mit einem von ihnen zum Apotheker gehen um Konfekt zu holen, nachdem sie diesem ihren Kumpan aufgetragen hatten, den Wirt so lange aufzuhalten, bis sie ihren Plan ausgeführt. Und so ging der Wirt mit einem der Kumpane zum Apotheker.

Meister Pacie wurde in die Kammer geführt, in der sich niemand befand als die Kumpane, kaum aber war er eingetreten, als sie ihm die Kehle zusammendrückten, ihm einen Knebel in den Mund steckten und ihn an Händen und Füßen fesselten. Dann warfen sie ihm einen großen Pelz über, hüllten ihn in ein Leintuch und trugen ihn statt des angeblichen Kranken die Treppe hinunter, legten ihn auf die Bahre und deckten ihn sehr sorgsam zu, daß niemand ihn sehen konnte, worauf sie zu Pferde stiegen. Als sodann der Wirt mit dem andern Kumpan mit dem Konfekt aus der Apotheke zurückkehrte, nahmen sie von der Wirtsfamilie Abschied und baten den Wirt, sie bis zum Tor zu begleiten, um ihnen den Weg zu zeigen, wozu dieser sich gern bereit erklärte. So brachen sie von der Herberge auf, ritten nach dem Sankt Markustor, und als sie dort angelangt waren, sagte der Wirt zu den Wächtern, der Mann auf der Tragbahre sei ein Kranker und erhielt Durchlaß. Da griff einer der Kumpane in seinen Beutel, zog zwei Florinen hervor und sagte: »Einer davon gehört dir für ein Paar Hosen, und den andern gib Meister Pacie, daß er sich auch ein Paar kauft.« Und mit einem »Gottbefohlen!« ritten sie nach Marti zu.

Als sie in der Nähe von Castel del Bosco waren, wo sie sich sicher glaubten, da sie das Pisaner Gebiet fast hinter sich hatten, entfesselten sie Meister Pacie und setzten ihn auf ein Pferd, ohne ihm den Knebel aus dem Munde zu nehmen. Dann führten sie ihn ins Arnotal, wo sie ihm den Knebel aus dem Munde zogen und ihn gut bewachten, ihm jedoch alle Ehre erwiesen, damit er eine gute Summe Geldes kommen lasse.

Als der Wirt nach Pisa zurückgekehrt war, und Meister Pacie aufsuchen wollte, um ihm den erhaltenen Florin zu übergeben, fand er den Arzt nicht vor und hinterließ bei dem Apotheker, wenn er zurückkehre, so habe er ihm einen Florin auszuhändigen. Und so verging der ganze Tag. Als es Nacht wurde und Meister Pacie immer noch nicht erschien, schickte seine Familie, in der Meinung, er befinde sich dort, in den Laden, während der Apotheker die vielen Leute, die nach dem Arzte fragten, nach seinem Hause sandte, um zu erfahren, was mit ihm sei. Da er sich dort aber nicht fand, gingen seine Leute in die Herberge, wo der Wirt ihnen sagte, er sei nicht wieder dagewesen, seit der Kranke fortgeschafft wurde. Da man also nichts über ihn erfahren konnte, verbrachten sie die Nacht in großen Sorgen.

Meister Pacie, der sich in einer bösen Klemme sah, bat die Gesellen, die ihn gefangen fortgeschleppt hatten, sie möchten ihm das Leben schenken, Geld wolle er ihnen soviel geben, daß sie ein bequemes Leben führen könnten. »Ich habe aus Geiz keinen Diener halten wollen und bin wie ein Knabe in die Falle gegangen«, sagte er.

Die Kumpane, die wohl wußten, daß Meister Pacie ohne Schwierigkeit sechstausend Florinen bezahlen konnte, sagten zu ihm: »Wir sind unser sechs und daher wollen wir schnellstens tausend Florinen für jeden.« Der Meister, den es danach verlangte, ihren Händen zu entrinnen und nach Pisa zurückzukehren, erklärte sich dazu bereit, schrieb einen Brief nach Florenz, daß die 6000 Florinen ausgezahlt und nach Pisa an seine Familie und seine Verwandten gesandt werden sollten. Sie wurden auch schnell bezahlt, und Meister Pacie kehrte nach Pisa zurück und erzählte, was ihm begegnet war. Das Erlebnis bewog ihn, sich beständig zwei Diener zu halten, die ihn überallhin begleiten mußten, damit man ihn nicht mehr mit Gewalt zurückbehalten könne. So verschloß er den Stall, nachdem der Esel verloren war.

 

4.

Von einem betrogenen Gatten.

In der Stadt Pisa lebte ein hübscher junger Mann und großer Weiberverehrer namens Curradino von Sansavino. Dieser liebte eine Nachbarin namens Madonna Antoniella, die Gattin des Pächters Ranieri, eine sehr schöne Frau, und da er keine Möglichkeit sah, ohne Ranieris Argwohn zu erregen, mit ihr zu sprechen oder vertraut zu werden, beschloß er, da sie sich in gesegneten Umständen befand, Ranieris Gevatter zu werden. Und es bedurfte auch nicht vieler Worte, bis die Gevatterschaft vollzogen war. Als nun Curradino Madonna Antoniellas Gevatter geworden war und den Eindruck hatte, als würde diese sich ihm nicht versagen, erzählte ihr Curradino einige Tage später, was er sich dachte und wünschte, und sie, der zuvor im Schlummer dergleichen Gedanken keineswegs fremd geblieben waren, ließ sich denn auch nicht lange bitten, und so fröhnten sie, nachdem Curradino die Gevatterschaft hatte auf sich beruhen lassen und sie ihre nackten Leiber vereint hatten, gemeinsam der Lust. Und als junger Mensch besorgte Curradino das, wozu der Gatte acht Tage brauchte, mit Antoniella in einem, was sie mit großer Befriedigung erfüllte und Gott dafür preisen ließ, daß er diese Gevatterschaft gestiftet hatte.

Nachdem sie eine Weile auf diese Weise miteinander verkehrt hatten, geschah es, daß Curradino nach Bologna ging, und nachdem er sich dort längere Zeit aufgehalten hatte und Arzt geworden war, nach Pisa zurückkehrte. Heimgekehrt, glaubte er nicht, daß Madonna Antoniella sich seiner noch erinnere und begann, nachdem er seine ärztliche Gewandung ausgezogen und sich in den alten lustigen Vogel von ehedem verwandelt hatte, ein vergnügtes Leben mit Gesang und Tanz, während Madonna Antoniella sich dessen erinnerte, was sie gar oft mit Curradino getrieben hatte, als er noch nicht Arzt war. Sie tat jedoch, als denke sie nicht mehr daran, um ihn stärker zu reizen, wieder zu seiner Arbeit zurückzukehren. Eines Tages aber, als Ranieri nicht zu Hause war, rief sie ihn unter dem Vorwande, mit ihm über eine Krankheit zu sprechen. Meister Curradino ging, an nichts Arges denkend zu ihr. Während er aber noch unterwegs war, erinnerte er sich der gemeinsam mit Madonna Antoniella begangenen Streiche und des Vergnügens, das er genossen und fing an so aus vollem Halse zu lachen, daß er sich noch nicht beruhigt hatte, als er bei Madonna Antoniella anlangte.

Als sie ihn so lachen sah, sagte sie: »Wahrhaftig, Meister Curradino, ich glaube, daß Euer Lachen einen Grund hat, der auch mich lachen macht.« Da entgegnete ihr Meister Curradino: »Wenn Ihr ihn erratet, so will ich ihn Euch eingestehen.« Darauf sagte Madonna Antoniella, nicht wie eine Taube, sondern wie ein Hahn, mit erhobenem Haupte, funkelnden Augen und spitzer Zunge: »Ihr lachtet, da Ihr Euch des Vergnügens erinnert, das wir einst gemeinsam genossen haben, nämlich der Liebeslust, der ihr mit Eurer Gevatterin Antoniella gefröhnt habt, und ebenso erinnerte ich mich dieser Liebeslust; dann aber bekam ich Herzklopfen; denn ich dachte mir, nun da Ihr Arzt geworden, würdet Ihr Euch nicht mehr so mit mir vergnügen können, wie wir es einst getan, und dies aus zwei Gründen, einmal wegen der Gevatterschaft und dann, weil ich glaube, daß wer von der Universität zurückkehrt, sich um diese Dinge nicht mehr kümmert. Aber ich versichere Euch, hätte ich an diese Möglichkeit gedacht, bevor Ihr Euch von mir trenntet, so hätte ich meine Lust an Euch so gründlich gebüßt, daß ich bis heute genug daran gehabt hätte.«

Als Meister Curradino ihre Worte vernahm, dachte er, sie trage Verlangen danach, zu der früheren Übung zurückzukehren, und obwohl er den Namen Arzt angenommen, hatte er sein Pfund doch nicht vernachlässigt, fühlte es vielmehr derart wachsen, daß es aussah, als wolle es sich den Weg aus den Hosen erzwingen. Und zu Antoniella gewandt, sagte er: »Richtig geraten, aber Ihr denkt doch nicht, daß ich, weil ich Arzt geworden bin, den Willen und die Kraft verloren habe, Ihr werdet im Gegenteil mehr Willen und Kraft denn zuvor in mir finden.« Da rief Madonna Antoniella: »O, solltet Ihr zurückgekehrt sein, um meine Börse mit Eurem Gelde zu befriedigen, trotzdem Ihr wißt, daß ich Eure Gevatterin bin?« Und während sie dies sagte, rückte sie dem Arzte immer näher. Dieser aber erwiderte: »Nun, so sagt mir doch, wer ist näher mit Euerm Söhnchen verwandt – Ranieri, der ihn zeugte, oder ich, der ihn über die Taufe gehalten hat?« »Ranieri«, erwiderte die Frau. »Nun wohl«, fuhr der Arzt fort, »besorgt Ranieri Euch's nicht? Wenn er näher mit dem Kinde verwandt ist als ich, warum kann ich es nicht wie er?« Worauf die Frau: »Ihr habt's viel besser gemacht als er, und ich sage Euch, hätte ich in der Zeit, da Ihr fern von Pisa weiltet, eine so schöne Begründung gewußt, so hätte ich mich zur Gevatterin eines Mannes gemacht, der Euch geglichen hätte; nun aber, da Ihr mich hellhörig gemacht habt, bitte ich Euch, befriedigt mich, Ihr seht ja, daß ich förmlich vergehe, indem ich nur davon spreche.« Damit nahm sie ihn bei der Hand, gab ihm einen Kuß und trennte sich nicht eher von ihm, als bis er sie nach ihrem Willen dreimal mit dem Seinigen zufriedengestellt hatte.

Froh, daß er sie, ohne erst lange bitten zu müssen, gut aufgelegt gefunden hatte, nahm Curradino, nachdem er sie dreimal mit dem Nötigen versorgt hatte und die Abrede zwischen ihnen getroffen worden war, sich häufig zusammenzufinden, von ihr Abschied.

Madonna Antoniella und Meister Curradino setzten den Handel lustig fort und genossen zusammen die höchste Lust. Eines Sommerabends nun, als eine große Hitze herrschte, geschah es, daß Madonna Antoniella, um sich mit Meister Curradino zu erfrischen, ihn durch eine sehr junge Magd rufen ließ, die von allem Bescheid wußte, was zwischen ihnen vorging. Und als sie in der Schlafkammer beisammen waren und sich ein wenig mit Konfekt und Weinen gestärkt und die Magd aus dem Hause geschickt hatten, schloß sich Antoniella mit dem Arzte und dem Söhnchen ein, worauf sie sich auszogen und nackt ins Bett begaben. Wie sie sich hier nun vergnügten und bereits einmal den Beischlaf vollzogen hatten und sich gerade anschickten, es zum zweitenmal zu tun, erschien überraschend Ranieri und trat ins Haus, worauf die Magd an die Tür der Kammer gestürzt kam und rief: »O Madonna, Ranieri kommt herauf!«

Da sagte Antoniella zu ihr: »Halte dich in der Nähe und bestätige, was ich sage.« Die Magd verschwand. Ranieri erschien vor der Kammertür und fand sie verschlossen. Als sie ihn klopfen hörte, sagte Antoniella zum Arzte: »O weh! ich bin des Todes, nun wird er hinter unser Verhältnis kommen.« »Ihr habt recht«, erwiderte der nackte Curradino, »wäre ich nur angezogen, dann würde sich schon ein Ausweg finden; öffnet Ihr ihm aber, so findet er uns in diesem Zustande und wir werden keinerlei Entschuldigung haben.« »So zieht Euch schnell an«, flüsterte ihm Antoniella zu, »und wenn Ihr angekleidet seid, so nehmt das Kind in Eure Arme und paßt genau auf das, was ich sage, damit Eure Worte mit den meinigen übereinstimmen, im übrigen laßt mich machen.« Nun sagte die Frau zu dem Gatten, der unterdessen nicht aufgehört hatte zu rufen: »Ich komme, ich komme«, sprang aus dem Bett, öffnete mit unbefangenem Gesicht die Tür und sagte, ohne ihn einzulassen: »Lieber Mann, ich sage dir, es ist ein wahres Glück, daß Meister Curradino auf die Universität gegangen und unser Gevatter geworden ist und daß Gott ihn uns geschickt hat; denn wenn er ihn uns nicht geschickt hätte, so hätten wir heute unser Söhnchen verloren.«

Als der Gatte dies hörte, fragte er ganz bestürzt: »Was ist denn geschehen?« »Es ist ganz plötzlich von einem Unwohlsein befallen worden. Zum Glück kam Meister Curradino, nahm es in seine Arme und sagte: »Gevatterin, das sind Würmer, die sich dem Herzen des Kindes nähern und es unfehlbar töten würden, aber seid unbesorgt, ich werde sie beseitigen und unschädlich machen.« Und da die Magd nicht zu Hause war, da sie ein Vaterunser beten wollte, mußte ich die Tür hier schließen, damit die Amme nicht hereinkommen könne, was für das Kind gefährlich gewesen wäre. Noch hat es der Meister in seinen Armen und ich glaube, daß er nur noch auf die Magd wartet, die hoffentlich bald mit ihren Vaterunsern fertig ist; denn das Kind ist wieder ganz zu sich gekommen.«

Der Gatte glaubte das alles und war von seiner Liebe zu dem Kinde so hingenommen, daß er sich des Betruges seiner Frau gar nicht versah, sondern tief aufseufzend sagte: »Ich will zu ihm gehen und es ansehen.« »Nein«, sagt da seine Frau, »geh nicht hin, du würdest sonst verderben, was der Arzt erreicht hat; warte noch, ich will erst nachsehen, ob du schon kommen kannst und dich dann rufen.«

Meister Curradino, der alles gehört und sich inzwischen in aller Gemütsruhe angekleidet hatte, rief, nachdem er mit seinen Vorbereitungen fertig war: »O Gevatterin, höre ich da nicht den Gevatter?« Worauf ihm Ranieri antwortete: »Ja, ich bin's, wenn du den Ranocchio meinst.« »So kommt her«, rief der Arzt zurück. Ranocchio kam. Der Meister sagte zu ihm: »Da nehmt Euern Sohn, ich hätte nicht geglaubt, daß er zur Vesper noch lebendig wäre; da habt Ihr ihn, heil und gesund und dankt Gott dafür.«

Der Vater nahm den Kleinen auf den Arm und fing an, ihn mit Küssen zu bedecken, wie wenn er ihn aus dem Grabe hervorgeholt hätte.

Die Magd, die sich mit einem jungen Burschen verlustiert hatte, während ihre Herrin sich mit dem Arzte vergnügt hatte, sagte: »Nicht ein Vaterunser habe ich gebetet, sondern alle vier, die Ihr mir aufgetragen.« »Du hast einen guten Atem, liebe Schwester«, sprach der Arzt zu ihr, »und hast deine Sache gut gemacht; denn ich für meine Person hatte, als der Gevatter kam, knapp zwei gebetet, aber Gott hat sich uns um unserer vereinten Anstrengungen willen gnädig erwiesen.«

Ranieri ließ guten Wein und Konfekt kommen und ehrte seinen Gevatter, seine Frau und die Magd und verabschiedete ihn, indem er ihn der Hut Gottes empfahl. Die Frau und der Arzt aber kamen, nachdem sie sich von Ranieris Ahnungslosigkeit überzeugt hatten, noch sehr oft zusammen, ohne daß dieser Frosch je etwas merkte.

 

5.

Von der gerechten Strafe, die einer unanständigen jungen Frau zuteil wurde.

Zur Zeit, da Lucca die Oberhoheit über das Nievoletal hatte, lebte in der Stadt Pescia eine junge Frau aus der Familie Orlandi namens Fiorita, die Gattin eines Einwohners von Pescia namens Rustico, der so schüchtern war, daß er sich nichts zu sagen, noch zu tun getraute. Und seine Frau hatte so sehr Oberwasser gewonnen, daß alles nach ihrer Pfeife tanzen mußte, der Gatte natürlich auch, so daß Rustico sich mit seinem Essen oder Trinken danach richten mußte, ob es seiner Frau genehm war oder nicht. Infolge der Keckheit, die sie sich ihrem Gatten gegenüber herausnahm, übertraf sie alle Frauen von Pescia an Freude am Sticheln und machte bei ihren unziemlichen Reden keinen Unterschied der Person, meinte sie doch, es in aller Sicherheit tun zu können. Eine ihrer Lieblingsredensarten, mit denen sie Weiber wie Männer bedachte, war: »Es scheint, du hast Ameisen im Arsch«, und ähnliche Worte, die nicht nur einer verheirateten Frau, sondern auch jeder Magd übel anstehen.

Diese Art, ihr Maul spazieren zu führen, hatte sie bereits mehr als vier Jahre betrieben, als eines Tages in Pescia anläßlich der Hochzeit eines Pesciatiners, der ein schönes Mädchen von Lucca aus dem Hause der Rosinperi geheiratet hatte, ein schönes Fest veranstaltet wurde. Zu diesem Feste wurden viele Lucchesen, Verwandte der Braut und auch einige Freunde, die mit der Braut nach Pescia reisen mußten, eingeladen, desgleichen eine große Menge Männer und Frauen aus Pescia, darunter die Dreckschleuder Fiorita.

Als nun die Braut eines Maientages mit ihrer zahlreichen Begleitung nach Pescia gekommen war, wurde sie dort ehrenvoll empfangen samt jenen Männern und Jünglingen aus Lucca, worunter sich ein junger Student der Medizin namens Federigo befand, ein schöner in allen Sätteln gerechter Jüngling, der trefflich zu fechten und zu tanzen, die Laute zu schlagen und zu singen verstand, der mit den ehrbaren Damen ehrbar, mit den lustigen lustig, mit den verliebten verliebt, mit den Spötterinnen überlegen spöttisch sein konnte und dazu als Mediziner sich wohl auf die Eigenschaften und Kräfte der Pflanzen verstand und noch viele andre Dinge konnte. Nachdem der Ehebund geschlossen war, wurde die Braut von den Damen aus Pescia und den andern angesehenen Frauen der Gegend freudig empfangen. Madonna Fiorita, die dabei war, fing gleich an, derb loszulegen und sagte: »Mir scheint nicht, daß die Braut mehr Kerben im Arsch hat als die Pesciatinerinnen.« »Sei still, Törin!« riefen die Damen, die dabei standen, »schweig! siehst du nicht, wie viele angesehene Lucchesen mit ihr gekommen sind? Behandle sie nicht so, wie du uns zu behandeln pflegst; wir kennen dich ja, sie aber werden sich das vielleicht nicht von dir gefallen lassen.« »Pah!« erwiderte Fiorita, »geht und wischt Euch den Arsch und wenn er Euch juckt, so kratzt ihn. Wie! Soll man denn zu diesen Lucchesen nicht dasselbe sagen können wie zu den Andern? Wenn ich den Florentinern und Andern meine Meinung gesagt habe, wie sollte ich sie da nicht den Lucchesen sagen?« Und als sie nicht aufhörte, in Gegenwart der Braut und der andern Damen, im Beisein der Männer und Jünglinge von Lucca, in Gegenwart des Arztes Federigo ihre gemeinen Reden zu führen, dachte sich Letzterer, sie müsse im Kopfe nicht richtig sein und antwortete nichts.

Nachdem alles sich die Stiefel ausgezogen und mit neuen Kleidern schön herausgeputzt hatte, begab man sich in das Haus des Ehemannes, wo viel Konfekt und Wein herumgereicht wurde, bevor man zum Mittagessen ging. Während man sich so ein wenig stärkte, fing Fiorita von neuem an: »Mir scheint nicht, daß die Braut, weil sie aus Lucca, vier Arschbacken hat, auch nicht, daß diese Lucchesen, die mit ihr gekommen sind, gescheiter sind als die Unsrigen. Diese Steißwipper, die in solchem Haufen, wie Ihr seht, hinter einer hergezogen sind, müssen wenig Grütze im Kopfe haben; ich als Pesciatinerin würde mich von keinem von ihnen begleiten lassen, so unnütz kommen sie mir vor.« »Fiorita, du redest übel«, sagten ihre Gefährtinnen, woher kannst du das wissen, was du von ihnen sagst?« »Sehe ich es ihnen vielleicht nicht an, daß sie schwachsinnig sind? sie reden ja nicht«, entgegnete Fiorita. Worauf die Gefährtinnen: »Daran kannst du erkennen, daß sie klug sind; denn sie wollen keinen Unwillen zeigen über die häßlichen Worte, die du zu ihnen gesagt hast.« »Sie sollen schon noch einiges hören, was ihnen noch schlechter schmeckt, bevor ich gehe«, antwortete Fiorita.

Die Lucchesen, die alles hörten und sich wenig geehrt fühlten, sagten untereinander: »Die da ist nicht verrückt, wie wir dachten; sie spricht so unverschämt von der Braut und von uns, daß sie unbedingt dazu angestiftet sein muß, uns diese Gemeinheiten zu sagen.« Federigo, der alles gehört hatte, was von ihnen und der Braut, die seine Verwandte war, gesagt worden war, sprach zu den Genossen: »Laßt mich nur machen, ich werde sie mit der Münze bezahlen, mit der sie uns zu bezahlen sucht.« Und sogleich ging er in den Garten des Mönchsklosters, holte dort als Meister, der die Arzneipflanzen kannte, eine Meerzwiebel, besorgte sich von einem Apotheker Federalaun und lieh sich einen Mörser, worauf er den Federalaun staubfein stieß, die Meerzwiebel auspreßte, das Ganze zusammenrührte und in das Haus der Neuvermählten zurückkehrte, wo er die Braut, seine Verwandte, mit den andern Frauen im Saal vorfand. Fiorita fuhr immer noch fort, gemeine Reden zu führen, und als Federigo zurückkehrte, sagte sie: »O Braut, ist das einer von diesen superklugen Zierärschen, die in deiner Begleitung von Lucca gekommen sind?« Die Braut gab keine Antwort. Die Frauen, die sie nicht davon hatten abbringen können, so übel daher zu reden, sagten zu Federigo, er möge es nicht übelnehmen; denn es sei nun einmal ihre Gewohnheit, jedermann zu beschimpfen. »Madonna«, erwiderte Federigo, »ich kenne sie von meinem ersten Besuch in Pescia her und kann Euch sagen, daß sie jedesmal, wenn sie mich nach dem Mittagessen erblickte, von einem so heftigen Jucken befallen wird, daß sie sich in einemfort den Hintern scheuert und kratzt, und dies begegnet ihr jedesmal, wenn sie meiner ansichtig wird; seid daher nicht betrübt und laßt sie reden, was sie mag.«

Fiorita, die ihn behaupten hörte, er habe sie schon einmal gesehen, rief: »Noch nie hab' ich dich gesehen!« Worauf Federigo: »Ihr tut wohl daran, daß Ihr Euch jetzt in Gegenwart dieser Gesellschaft entschuldigt, aber sie wird es leicht merken, ob Ihr mich liebt, wenn Ihr Euch voller Hitze den Hintern kratzt.« Fiorita warf ihm eine Grobheit an den Kopf und sagte dann: »Ich werde dennoch nicht davon ablassen, die Wahrheit über Euch zu sagen.«

Federigo rief die Braut in die Kammer und sagte zu ihr: »Du hast gesehen, welche Schimpfreden diese verrückte Pute gegen dich und uns losgelassen hat, ich will es ihr daher heimzahlen, wie sie's verdient. Komm bitte mit.« Damit führte er sie zum Abort, wo er die Brille mit dem Safte der Meerzwiebel und dem Federalaun ganz einrieb und der Braut sodann einschärfte, sie solle sich hüten, sich selbst dort niederzulassen, aber Fiorita mit List dorthin führen und sehen, daß sie etwas dort verweile. Und wenn sie dann sage, sie möge doch einmal nachsehen, was die Ursache dieses Juckens sei, so möge sie sich gern dazu bereit erklären, und wenn sie ihr dann diesen Liebesdienst erweise, so solle sie den Lappen nehmen, den Federigo ihr gab und mit dem er die Zwiebel abgerieben, und Fiorita damit stark am Hintern frottieren. Das genüge. Die Braut, die sich von Fiorita hatte beschimpfen hören, erklärte sich bereit, Federigos Anweisungen zu befolgen.

Als dann die Stunde des Mittagessens gekommen war, wurde üppig getafelt und Fiorita blieb dabei, die Braut und die Jünglinge aus Lucca mit unangenehmen Sticheleien zu bedenken, und es nützte nichts, daß andere sie zurechtwiesen; denn sie tat, was sie nicht lassen konnte. Nachdem man fertiggetafelt hatte, begannen die Tänze. Fiorita wurde dabei sehr warm, teils infolge der genossenen Speisen und Getränke, teils vom Tanzen, so daß sie am ganzen Körper schwitzte. Federigo, dem nicht entgangen war, daß sie sich stark erhitzt hatte, sagte zu der Braut, sie möge Fiorita in die Kammer führen.

Die Braut, die Bescheid wußte, sagte zu Fiorita: »O Fiorita, du mußt wissen, wo die Kammer ist, ich möchte einen Augenblick verschwinden.« »Gehen wir!« erwiderte Fiorita, »ich muß auch etwas besorgen.« Nachdem sie allein in die Kammer getreten waren und die Tür hinter sich abgeschlossen hatten, hob Fiorita, heiß wie sie war, die Röcke bis zum Gürtel auf, setzte sich auf die Brille des Aborts, um ihr Geschäft zu besorgen, und blieb dort eine ganze Weile sitzen, bis sie plötzlich ein äußerst heftiges Jucken befiel. Da sagte sie zu der Braut: »Ach, schau doch nach, ob am Hintern irgend ein Ausschlag entstanden ist.« Die Braut, die wohl wußte, was sie zu tun hatte, sagte: »nur einige Bläschen, aber wenn ich sie mit einem Tüchlein reibe, werden sie, denke ich, verschwinden.« »Geh, beeil' dich«, drängte Fiorita. Die Braut nahm das Tuch, das Federigo ihr gegeben hatte, und die starke Reibung schien Fiorita Linderung zu verschaffen. Nachdem sie eine Weile gerieben hatte, begannen die Instrumente zu ertönen. »Die Musik fängt wieder an«, rief da Fiorita, »gehen wir zum Tanzen!« Alsbald verließ die Braut mit Fiorita das Kämmerlein und Fiorita begann zu tanzen. Kaum aber hatte sie einen Tanz absolviert, als der Hintere ihr dermaßen zu jucken begann, daß sie bei jedem Schritt mit der Hand hinlangte und sich dort so oft kratzte, daß alle anwesenden Frauen sagten: »Fiorita, es scheint, du hast etwas am Hintern, das dich bei jedem Schritt so juckt, daß du es nicht aushalten kannst, ohne mit der Hand hinzufassen.« »Ich weiß nicht, was passiert ist«, erwiderte Fiorita, und je mehr sie sich kratzte, desto heftiger juckte ihr der Hintere. Und da sie nicht mehr weiter zu tanzen vermochte, rutschte sie auf den Bänken hin und her, bis die Frauen, die sich der Worte Federigos erinnerten, sagten: »O Fiorita, du hast heute morgen gestichelt, und jetzt sehen wir, daß das, was Federigo gesagt hat, wahr ist; denn wenn du ihn siehst, juckt dich der Hintere so heftig, daß du nicht ruhig sitzen kannst.«

Das Beißen verursachte Fiorita so große Pein, daß sie nicht aus noch ein wußte und sich immerfort kratzen mußte. Ja, sie fuhr sich mit der Hand unter die Kleider, im Glauben, auf diese Weise das Beißen zu vertreiben, aber es half ihr nicht. Und so ging es den ganzen Tag, so daß sie nicht nur nicht mehr auf die andern sticheln, sondern auch nicht essen noch trinken, noch ruhig sitzen konnte, so heftig biß es sie. So blieb es den Tag über und auch während der Nacht. Als das Beißen auch am anderen Morgen nicht aufhören wollte, sagte Federigo zu der Braut, sie solle Fiorita sagen, er wolle sie heilen, wenn sie es wünsche. Die Braut richtete ihren Auftrag aus und Fiorita, die sich entehrt glaubte und nie wieder gesund zu werden meinte, sagte: »Ich werde alles tun, was Federigo will.« Sie ging auf Federigos Aufforderung mit der Braut in die Schlafkammer, und als sie über ihr Unglück klagte, ließ Federigo die Braut etwas bei Seite treten und sagte: »O Fiorita, ich verlange zweierlei von dir, wenn du willst, daß ich dich heile.« »Fordere«, erwiderte Fiorita, »aber beseitige mir dieses Jucken am Hintern.« Worauf Federigo: »Zuerst will ich, daß du zu der Braut nie wieder etwas Häßliches sagst und sie wert hältst wie eine Schwester und dich ihrer annimmst; und dann sollst du einwilligen, daß ich, solange ich in Pescia weile und so oft ich dorthin komme, Nachts bei dir liege. Und damit du mir das Versprechen hältst, will ich, daß wir diese Nacht damit beginnen. Ich werde dich so heilen, daß du nie wieder einen solchen Ausschlag bekommen sollst.« Da erwiderte Fiorita: »Ei, warum machen wir das nicht gleich, jetzt bei Tage, damit ich wieder tanzen und die Schande verwischen kann, die ich gestern und heute erduldet habe und noch fortwährend erdulde?« Um ihre Beschämung zu vergrößern, sagte Federigo: »Diese Heilung kann nur des Nachts erfolgen, richte es daher so ein, daß ich heute Nacht mit dir zusammen bin.« Damit gab er ihr einen Kuß und Fiorita versprach alles. Abends vertrieb ihr Federigo mit einer Salbe, die er bereitet hatte, das äußerliche Jucken, und dann befreite er sie teilweise von dem innerlichen Jucken. Auf diese Weise wurde sie, die durch Sticheleien ihre Überlegenheit zu zeigen glaubte, geduckt und sagte der Braut nie wieder etwas Häßliches.


 << zurück weiter >>