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Giovanni Sabadino degli Arienti

1.

Der Arzt Meister Nicolao von Massa, genannt Portantino, kauft ein Schwein. Dieses wird ihm von einigen Studenten gestohlen. Der Arzt führt darüber beim Podestà Klage. Dieser schickt die Häscher in das Haus der Studenten, damit sie es nach dem Schwein durchsuchen. Sie finden es im Bett. Man sagt ihnen, es sei ein Pestkranker, worauf sie Reißaus nehmen. Hierauf wird das Schwein zum Schaden des Arztes von den Studenten verzehrt.

Vor nicht langer Zeit befanden sich auf der Universität Siena vier adlige und lustige Studenten. Der eine hieß Messer Antonio von Città di Castello und studierte das Kirchenrecht, der zweite hieß Messer Giovanni von San Gemignano und studierte Jurisprudenz, der dritte nannte sich Meister Antonio di Paolo di Valdarno von Arezzo und studierte die freien Künste, der vierte und letzte, Meister Micael di Cosimo mit Namen war aus Arezzo und gehörte der Familie der Grafen von Palazzo an und war damals ein junger Studierender der freien Künste. Er war ein sehr lustiger Gesell und führte den Beinamen il Bacica. Wiewohl er gegenwärtig ein vortrefflicher Doktor an der Universität Bologna und an Jahren, Ernst und Tugenden reif ist, verleugnet er doch nicht die reiche Phantasie, die ihn damals auszeichnete, und alle Leute jener Stadt erinnern sich noch mit lebhaftem Vergnügen der prächtigen Äußerungen seiner edlen Natur. Diese Studenten hatten ihr Quartier im Hause Messer Francescos da Urbino, der damals Rektor der Schule der freien Künste zu Siena war. Neben dessen Hause wohnte ein Arzt, der in seiner Einbildung so gelehrt war, daß er Avicenna und Galen übertraf, während er in Wirklichkeit äußerst unwissend war. Sein Name war Meister Nicoiao von Massa, er hatte aber den Beinamen Portantino, weil er so gravitätisch einherschritt. Dieser kaufte im Februar, als der Karneval nahe war, ein Schwein, das er schlachten, in sein Haus tragen und an einen Holzpflock aufhängen ließ, um es, wie man es bei uns zu tun pflegt, vor dem Einpökeln vier oder fünf Tage abhängen zu lassen.

Als unsere Studenten dies erfuhren, beschlossen sie, ihm das Schwein zu stehlen, da sich ihnen just eine günstige Gelegenheit bot. Die Schule war nämlich geschlossen, weil ein Student namens Meister Piero di Beri Martini, ein Freund des genannten Meister Michele, Grafen von Palazzolo, an der Pest gestorben war. Nachdem sie also diesen Beschluß gefaßt hatten, verschafften sie sich heimlich in das Haus des Arztes Einlaß und stahlen ihm zu ihrem größten Vergnügen das Schwein.

Als der Arzt sich am andern Morgen frühzeitig erhob und sich nach seinem Schwein, das ihm sehr am Herzen lag, umsah, entdeckte er alsbald den Diebstahl und empfand darüber großen Schmerz. Er vermutete alsbald, daß die Studenten die Täter gewesen seien, da diese ihm bereits verschiedene andere Streiche gespielt hatten. Er ging daher sogleich zu Messer Amadio von Città di Castello, der damals der sehr würdige Stadtrichter von Siena war, um bei ihm Klage zu führen.

Nachdem dieser den Fall vernommen hatte, schickte er ungefähr dreimal zu den Studenten und ließ ihnen befehlen, das Schwein zurückzuerstatten, widrigenfalls er sich gezwungen sehe, kriminaliter gegen sie vorzugehen. Da die Studenten jedoch leugneten, es gestohlen zu haben, und behaupteten, sie wüßten nicht, wo es geblieben sei, beschloß der Podestà, weil der Arzt ihm beständig in den Ohren lag, den Dingen auf den Grund zu gehen. Er wollte eine Haussuchung bei ihnen vornehmen und, wenn das Schwein gefunden würde, sie verhaften und ins Gefängnis werfen lassen.

Als dies den Studenten zu Ohren kam, wurde ihnen doch bedenklich zumute und sie fürchteten, ihr Spaß könnte sich am Ende in Mißbehagen verwandeln. Die Kumpane riefen daher den Kleriker Messer Antonio von Città di Castello zu sich, um seine Meinung zu hören. Als der Priester, ein sehr witziger, erfindungsreicher Mann, der bei jeder Unternehmung gleich dabei war, die Genossen einigermaßen verlegen sah, weil sie dem Podesta nicht gehorcht hatten, sagte er zu ihnen: »Habt keine Angst, meine Freunde; denn wenn Ihr tut, wie ich Euch sage, werden wir uns sichern und obendrein noch einen Riesenspaß haben. Was ich vorschlage, ist folgendes: Laßt uns in der Kammer, die auf den Saal hinausgeht, einen Tisch herrichten und ihn mit Fläschchen und Salbenbüchschen vollstellen, wie man es in den Krankenstuben mit den erforderlichen Medizinen zu machen pflegt. Wenn dann jemand in den Saal kommt und in die Kammer hineinwill, um nach dem Schwein zu suchen, so sollt Ihr Euch im Saal aufhalten und so tun, als seiet Ihr betrübt und niedergeschlagen, und wenn man Euch nach dem Grunde Eurer Traurigkeit fragt, so sagt, daß einer von den Unsrigen an der Pest erkrankt sei. In der Kammer aber wollen wir das Schwein an Stelle des Kranken ins Bett legen. Für das weitere laßt mich sorgen. Ich bin überzeugt, daß wer seine Nase hereinsteckt, wünschen wird, nicht hergekommen zu sein; Ihr wißt ja, daß die ganze Stadt bereits voller Angst und Schrecken ist infolge des Todes unseres Studiengenossen, der in diesen Tagen gestorben ist.

Als die Studenten den Rat ihres Gefährten vernahmen, waren sie wieder guter Dinge und riefen lachend: »Wohlan denn ans Werk! um so mehr als es in dieser Angelegenheit nicht ums Leben geht.« Mit diesen Worten richteten sie alsbald den Tisch in der oben angegebenen Weise her, packten das Schwein ins Bett mit einem Barett auf dem mit einem Tuche umwickelten Kopf, legten die Vorderfüße auf der Decke zurecht, nachdem sie sie durch zwei Hemdsärmel gesteckt, so daß sie aussahen, wie zwei gelähmte menschliche Arme.

Sie waren kaum damit fertig, als die ganzen Häscher des Gerichts mit ihren Anführern erschienen und an die Tür klopften. Man öffnete ihnen, wie vorgesehen, sie drangen ins Haus, eilten die Treppen hinauf und traten in den Saal, wo sie die Studenten fanden. Der eine stützte leidvoll das Gesicht in die Hand; der andere seufzte; der dritte rang vor Schmerz die Hände; der vierte jammerte und rief: »Ach, mein lieber Bruder!«

Die Häscher wunderten sich sehr darüber, vermuteten ein Unglück und fragten, was sie hätten. Da antwortete ihnen Meister Micaele: »Ach Gott, mein Bruder ist an der Pest erkrankt und liegt dort in der Kammer.« Als der Anführer dies hörte, steckte er sogleich den Kopf durch die Tür der Kammer, um sich zu überzeugen, und als er zur Linken den Priester Messer Antonio mit einem Buch in der Hand und einer brennenden Kerze erblickte, wie er das Kreuz über dem Schwein schlug, machte er entsetzt kehrt und verließ ohne Abschied das Haus. Ganz niedergeschmettert und kaum fähig, ein Wort hervorzubringen, sagte er, zum Podestà zurückgekehrt:

»O Messere, wohin habt Ihr mich geschickt?«

»Wieso?« fragte der Podesta.

»Ja«, erwiderte der Häscherhauptmann, »Ihr habt mich an einen Ort geschickt, wo ich einen gefunden habe, der über einem Pestkranken, dem Bruder eines dieser Studenten, das Kreuz schlägt. Die Studenten sind alle voll Schmerz und Jammer.«

Als der Podestà diese Kunde vernahm, bekam er's gewaltig mit der Angst, geriet in Zorn, jagte den Hauptmann samt den Häschern hinaus und befahl ihnen, nicht mehr in seine Nähe zu kommen, wenn ihnen das Leben lieb wäre.

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Nachdem der Hauptmann mit den Sbirren Fersengeld gegeben, hatte der Priester Messer Antonio sich umgekleidet, während die Studenten sich ausschütten wollten vor Lachen, hatten sie ihre Rolle doch noch weit besser gespielt, als ihnen aufgetragen worden war. Messer Antonio begab sich nun schnell zum Podestà, um ihm die ganze Komödie zu erzählen, damit er nicht auf den Bericht des verängstigten Hauptmanns etwas zu ihrem Schaden unternehme. Nachdem er diesen gefunden, der eben im Begriffe war, sich in die Signorie zu begeben und den versammelten Signoren über den Fall zu berichten, damit sie zum Heile der Stadt Vorkehrungen trafen, erzählte er ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende. Seine Magnifizenz hatte darüber seine herzliche Freude und dies um so mehr, als er hörte, daß von Pest keine Rede sei. »O ihr Teufelsstudenten!« rief er; »ich glaube, es gibt keine Spitzbüberei, die Ihr nicht kennt, und wehe dem, der in Eure Netze hineingerät.« Und da er bereits ganz in der Nähe des Signorenpalastes war, beschloß er, ihre Herrlichkeiten in seiner Freude aufzusuchen und ihnen diesen lustigen Spaß zu erzählen. Diese vernahmen ihn denn auch mit dem größten Vergnügen und Gelächter und sprachen den Wunsch aus, den Hergang von den Studenten selbst zu hören.

Sie ließen sie also kommen und nachdem sie sich satt gelacht hatten, ermahnten sie die Studenten, das Schwein wieder zurückzugeben. Diesen aber behagte der Ton nicht und sie antworteten, Ihre Herrlichkeiten möchten sie nicht zur Rückerstattung zwingen, sie würden sonst zu erkennen geben, daß sie keinen Unterschied zwischen gebildeten und ungebildeten Leuten machten; denn wenn der Arzt kein Ignorant wäre und die Tüchtigkeit der Gebildeten nicht verachtete, würden sie es nicht gewagt haben, ihn auf diese ulkige Weise zum besten zu haben. Die Herren möchten geruhen, zum Dank für das gehabte Vergnügen, die Studenten nicht zur Rückgabe zu zwingen. Diese aber wiederholten als gerechte und würdige Staatslenker, das Schwein müsse unter allen Umständen zurückgegeben werden. Die Studenten aber weigerten sich dessen, indem sie auf ihrer lustigen Begründung beharrten. Schließlich überwog auch richtig die Freude an dem Spaß und das Schwein wurde nicht zurückerstattet, und die Studenten verzehrten es in Gesellschaft einiger Genossen mit gutem Appetit und in fröhlicher Stimmung zu Ehren des Doktors Portantino und begossen es mit süßem Wein.

 

2.

Ein Edelmann am Hofe Giovannis Bentivoglio stellt sich, als sei er von einer Natter gestochen worden. Ein Arzt gibt ihm Medizin zu trinken, um ihn zu heilen. Der Jüngling tut, als könne er sie nicht bei sich behalten und spuckt sie dem Arzt ins Gesicht. Sodann zeigt er ihm an Stelle der Kreishimmelskugel seinen Vollmond, damit er in der Bestimmung des Mondes nicht fehlgehe.

Als Messer Giovanni Bentivoglio, der berühmte Ritter, einmal mit einem stattlichen und fröhlichen Gefolge von Edelleuten und Rittern zur Rebhuhnjagd nach Ponte Poledrano geritten war, das jetzt mit Recht Bentivoglio heißt, da es dank seiner Munifizenz großartig mit Gräben, Wasserleitungen, Brücken, starken Mauern, würdigen Wohnungen und schönen, prunkvollen Schmuckbauten ausgestattet und durch schöne und wertvolle Besitzungen erweitert worden ist, da kam ein bologneser Arzt zu ihm, der sich zwar selbst für den hervorragendsten unter allen Ärzten hielt, der aber wohl gelehrter und glücklicher in seinen Kuren sein könnte. Seinen Namen will ich mit Stillschweigen übergehen, um seiner Ehre nicht Abtrag zu tun. Nun gibt es in jeder großen Gesellschaft stets Leute, die mehr oder weniger auf die Worte anderer acht haben, mögen sie nun klug oder dumm sein, und die sich darüber ärgern oder ihren Spaß daran haben, je nach ihrem Temperament. Zufälligerweise befand sich damals bei dem Bentivoglio ein lustiger junger Edelmann, der schon zuvor und damals mehr denn je die Vortrefflichkeit oder, genauer ausgedrückt, die Unwissenheit und Anmaßung des Arztes kennengelernt hatte und nun den Beschluß faßte, sich einen Spaß mit ihm zu machen und ihm ohne jede Rücksicht einen Possen zu spielen, wie ihr hören werdet.

Er verabredete sich mit einem Freunde über das, was er tun wollte, und nachdem sie alle Einzelheiten des Plans durchgesprochen hatten, wählten sie zu seiner Ausführung einen Abend aus, an dem Messer Giovanni mit seinem Gefolge von der Vogeljagd zurückgekehrt war und viele Vögel erlegt hatte. Man aß fröhlich zusammen, unterhielt sich über die Beute der Jagdfalken und spielte, sang und musizierte nach dem Abendessen in lustigster Stimmung, bis, als die Stunde gekommen war, da man dem Körper Ruhe gönnen mußte, alles schlafen ging.

Nachdem der junge Edelmann überzeugt war, daß alles im Bett sei und er selbst auch sein Lager aufgesucht hatte, fing er plötzlich aus Leibeskräften zu schreien an und rief: »Weh mir! weh mir! ich bin des Todes! Hilfe! Hilfe! um Gottes willen!« Dieses Geschrei schallte durch den ganzen Palast, so daß alles erschreckt aus den Betten sprang und die einen im Hemd, die andern mutternackt herbeigestürzt kamen, um zu hören, was es gibt. Als sie in die Kammer des Jünglings traten, die links neben dem oberen Saal lag, fragten sie: »Was fehlt Euch denn? was ist denn los? Ihr schreit ja, als ob Ihr ans Kreuz geschlagen würdet!« Allmählich war so die ganze Gesellschaft zusammengeeilt, die einen mit, die andern ohne Licht.

»Ach Gott«, antwortete er, mit ersichtlicher Mühe die Worte hervorbringend, »kaum hatte ich mich aufs Bett geworfen, da bin ich hier auf der Innenseite des linken Oberschenkels gestochen worden.« Damit deutete er mit der Hand auf die Stelle, die aussah, als sei er dort von einer Schlange gebissen worden; denn sie war schwarzblau und zeigte eine kleine Ritzung. »Und das Schlimme ist, daß es, wie ich fürchte, eine Natter gewesen ist, die hier in dem neuen Stroh gelegen haben muß, das man erst heute in diese Bettstelle getan hat.« Bei diesen Worten tat er, als schwelle ihm die Brust und der Leib auf, verdrehte die Augen, warf sich unruhig hin und her und wimmerte wie ein von Schmerzen gepeinigter Kranker. Die auf sein Jammergeschrei Herbeigeeilten wurden von Mitleid erfaßt, da sie seinen Worten glaubten und seine angstvollen, heftigen Schmerz ausdrückenden Gebärden sahen. Sie riefen daher sogleich den Arzt herbei, der sich für so gelehrt und weise hielt, damit er komme und dem Kranken ein Heilmittel verabreiche, bevor das Gift zum Herzen dringe.

Er kam, und als er den Jüngling so in Qualen sich winden sah, fürchtete er, der Arme müsse sterben. Dennoch sprach er ihm Mut ein, nahm ohne zu säumen zwei Schnürbänder, band sie zusammen und schnürte ihm damit den Schenkel oberhalb der Bißwunde fest zusammen, damit das Gift nicht zu dem Fürsten der lebenswichtigen Organe empordringe.

Als er damit fertig war, setzte er ihm statt eines Schröpfkopfes ein Glas auf die Bißwunde, damit es das Gift an sich ziehe, und sagte: »Fürchtet nichts, meine Herren, ich will jetzt gehen und einige Kräuter suchen, deren Kraft sicherlich dem Gift entgegenwirken und den jungen Mann sogleich von diesem Übel befreien wird, obgleich es äußerst gefährlich ist.«

Da antworteten ihm die Umstehenden: »Ihr müßt unverzüglich gehen, Meister, denn wenn man schnell ein Heilmittel herbeischafft, wie Eure Exzellenz sagt, so wird man nicht fürchten müssen, daß die Sache schlimm wird.«

Der Arzt begab sich augenblicklich, mit einer brennenden Kerze in der Hand, von dem Freunde des Kranken begleitet, auf die Suche. Dieser sagte zu ihm: »O Meister, wendet dieses Mal um Gottes willen all Euern Verstand und Eure Kunst auf, damit dieser junge Mann nicht auf so unglückselige Weise zugrunde gehe. Gelingt es Euch, ihn zu retten, so werdet Ihr Euch zu dieser Kur mehr beglückwünschen können als zu irgendeiner, die Ihr je ausgeführt habt; denn wie Ihr wißt, ist er ein an Gütern, Freunden und Verwandten reicher Edelmann, der unserm erlauchten Messer Giovanni sehr teuer ist.«

Der Arzt erwiderte ihm auf diese Rede, er möge unbesorgt sein; denn wenn er das Kraut findet, so würde er ihn schnell heilen. Der andere regalierte ihn fortwährend mit dem dümmsten Geschwätz von der Welt, während er innerlich vor Lachen schier platzen wollte.

Der Arzt fand das Kraut, das er suchte. Ich hörte später – wenn ich mich nicht irre – daß es Morabium war. Nachdem er es gepflückt, im Mörser zerstoßen und im Umsehn ein gutes Glas Saft daraus bereitet hatte, brachte er es voller Freude dem Kranken, der immer noch den Schmerzgepeinigten spielte und ausrief: »O ich Unglücklicher, ach daß ich so jung sterben muß! O meine Brüder, meine liebe Mutter, die du in meinen Krankheiten so voller Mitleid gegen mich zu sein pflegtest, wärst du doch wenigstens hier und könnte ich dich einen Augenblick sehen, ich würde beruhigt sterben! O Bentivoglio, zu meinem Unheil habe ich dich diesmal besucht! O Herr und Gott, verlaß' mich nicht in dieser Not!«

Der Arzt redete ihm freundlich zu, er möge keine Angst haben; denn er habe ein treffliches Mittel zur Wiederherstellung seiner Gesundheit gefunden und in dem Glase, das er ihm zeigte, mitgebracht. Er möge das bißchen Saft, das es enthalte, trinken, er werde dann schnell wieder gesund sein. Der Jüngling aber tat, als sei er todmatt und leide Schmerzen, bewegte die Zunge im Munde hin und her, verdrehte die Augen wie einer, der heftige Qualen leidet und sagte: »Ich möchte mein Testament machen und für das Heil meiner Seele sorgen, lieber Meister.«

Bei diesen Worten schloß er schweratmend die Augen, als ob es mit ihm zu Ende ginge.

Da sagte der Arzt, indem er sich an die trostlosen Umstehenden wandte: »Edelleute, hebt ihn vom Kopfkissen hoch und sehen wir zu, daß wir ihm diesen Saft einflößen, ich bin beim wahren Gott überzeugt, daß er außer aller Gefahr ist, sobald er ihn im Magen hat.«

Voll Verlangen, den Jüngling wieder gesund zu sehen, richteten diese ihn schnell im Bette auf und redeten ihm mit dringenden Bitten zu, er möge doch die Medizin zu sich nehmen; er könne dann um so besser für das Heil seiner Seele sorgen und sein Testament machen. Dieser antwortete, indem er tat, als könne er den Kopf nicht aufrecht halten und könne infolge Anschwellens seiner Organe keine Luft bekommen: »Ach, ich kann nicht mehr!«

Da sagte sein lustiger Kumpan als guter Heuchler erbarmungsvoll: »Komm, lieber Bruder, bemühe dich mir zuliebe, diese Medizin zu nehmen, die dir unser Arzt so liebreich und hoffnungsvoll geben will; andernfalls würdest du an deinem Tode schuld sein und die ewige Verdammnis auf dich laden. Auf! mein Bruder, keine Zeit verloren! schließe die Augen und trinke, wenn nicht alles, so doch ein wenig.«

Kaum hatte er dies gesagt, so ergriff der Jüngling wie verzweifelt das Glas, setzte es an den Mund, entfernte es aber sofort wieder, indem er mit großer Anstrengung die Worte hervorbrachte: »Ach, das ist eine unerträgliche Qual!« und als der Arzt zu ihm sagte: »Trink getrost, Stoffel, der du bist; du siehst aus wie ein Hektor und fürchtest dich, dieses bißchen Medizin zu schlucken!«

Endlich trank er auf das Zureden der ganzen Gesellschaft den gesamten Saft, behielt ihn aber im Munde, indem er sich stellte, als könne er ihn nicht herunterbringen, während der Arzt, der vor Angst starb, er könne ihn wieder von sich geben, rief: »Runter damit, nur keine Furcht, runter damit!« Und indem er ihm durch Gebärden des Kopfes und der Hände zeigte, wie er's machen sollte, näherte er sich dem Jüngling mit dem Gesicht und öffnete dabei den Mund weit, wie wenn er die Medizin schlucken wolle; denn er wollte ihm dadurch Mut machen. Der Jüngling aber, der nichts anderes erwartete, tat, als müsse er sich erbrechen und spie ihm den ganzen Saft in die Gurgel, so daß kein Tropfen danebenging. Gleich darauf ließ er sich zurücksinken und stöhnte qualvoll, während wenig fehlte, daß der Arzt infolge der Wucht, mit der ihm der bittere Trank in den Hals schoß, vom Bett auf den Boden gefallen wäre. Er fand jedoch alsbald das Gleichgewicht wieder und bemühte sich nicht ohne starke Grimassen, seinen Mund von dem bitteren Geschmack zu befreien. Heftig spuckend sagte er wiederholt zu der Gesellschaft: »Es ist recht ärgerlich, daß er den Saft nicht getrunken hat; denn er wäre sofort von dem Gifte befreit worden. Ich habe aber dennoch Hoffnung; denn er muß notwendigerweise ein wenig davon bei sich behalten haben.« Damit fühlte er dem Kranken den Puls und die Stirn und fragte ihn, wie er sich befinde. Er antwortete mit kaum vernehmbarer Stimme, er fühle sich beklommen und wisse nicht, ob er lebe oder tot sei. Der Arzt, der noch immer spuckte, weil der bittere Trank seine Zunge beleidigte, tröstete ihn, er solle sich nicht fürchten, er werde ihn sicherlich wieder gesund machen. Sein gegenwärtiger ernster Zustand komme daher, daß Vollmond nahe sei.

Als der Jüngling diesen Hinweis auf den Mond vernahm, zog er sich sogleich mit großer Behutsamkeit, indem er so tat, als ziehe er sich unter den Leintüchern vor Schmerz zusammen, die Hosen aus und streckte auf sehr geschickte, wiewohl höchst unschickliche Weise die unanständigen Teile des Rückens zum Bett heraus, die aussahen wie ein grimmiges Gesicht mit aufgeblasenen Backen und sagte ächzend wie ein Schwerkranker: »Oh Meister, schaut ihn Euch an, den Himmelsglobus, damit Ihr Euch um Gottes willen in bezug auf diesen Vollmond nicht irrt, es könnte sonst schief mit mir gehen.«

Als der Arzt den Hintern sah und die Worte hörte, merkte er, daß er zum besten gehalten wurde und spuckte, seine Scham verbergend, zornig in den rückwärtigen Spiegel. Da sagte der Jüngling, nicht wenig belustigt: »Meister, beim Steißloch, Ihr hättet einen guten Bolzenschützen abgegeben und gleich beim ersten Mal ins Schwarze getroffen!« Damit sprang er, mit der ganzen Gesellschaft unbändig lachend aus dem Bett, und rief: »Lieber Meister, Ihr seid gewißlich ein guter Arzt, Ihr habt nicht wie so viele Eure Zeit mit Studieren verloren. Gott schenke Euch ein langes und ruhiges Leben! Ihr könnt bei Gott keine trefflichere Kur vollbringen, als Ihr es in Gegenwart so vieler Edelleute in diesem militärischen Palaste getan habt. Unsere Vaterstadt kann sich wahrhaftig zu einem so tüchtigen Arzte beglückwünschen!«

Als dann der Morgen gekommen war, fürchtete der Arzt, man möchte mit Schimpf von ihm sprechen, er schützte daher Geschäfte vor, die ihn nach Bologna riefen und verschwand. Daran tat er gut; denn die Gesellschaft redete den ganzen Tag, ohne sich Zwang aufzuerlegen, von dem Vorgefallenen, und auch noch so lange sie an jenem Orte blieben. Sie konnten sich nicht genug über die Schlauheit des Jünglings wundern. Ich vor allem bin immer noch voll Staunens, der ich ihn seine Rolle so listig habe spielen sehen, daß nicht allein der Arzt, der in der Tat keiner von den Schlauesten war, sondern Avicenna ihm ins Netz gegangen wäre, wenn er ihn so recht eigentlich unter heftigen Schmerzen sterben gesehen hätte.

Als der erlauchte Messer Giovanni dies nachher mit allen Einzelheiten hörte, mußte er zuerst wohl gewaltig lachen, als weiser und besonnener Mann tadelte er dann jedoch den jungen Spaßvogel mit herben Worten in allem Ernste, fürchtete er doch, der Arzt möchte sich über ihn beklagen, um so mehr, als der Streich in seinem Hause verübt worden war, das allein ehrbaren Vergnügungen und Siegen und der freundlichen und ehrenvollen Aufnahme von Gästen geweiht war.


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