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Martin Montanus

1.

Ein Scherer schlägt einer Jungfrau eine Ader.

War einst eine gute junge Tochter, die sich selbst schön, züchtig und fromm schätzte, aber die Sache hatte mit ihr eine gar andre Gestalt. Sie kam in eines Scherers Haus und wollte sich eine Ader schlagen lassen.

Der Scherer, der wohl um ihre Frömmigkeit wußte, gedachte es zuwege zu bringen, daß sie öffentlich vor jedermann bekennen sollte, was für eine sie wäre. Er hub also an und sagte: »Jungfrau, ich habe zweierlei Eisen; eines, damit man die Jungfrauen lässet, das andre gehört zu den Weibern. Und wenn Ihr keine Jungfrau seid, so sagt es mir! So will ich das Frauen-Eisen nehmen. Sonst wird Euch Schaden daraus entstehn, also daß Ihr um den Arm kommen werdet. Darum seht zu, was Euch zu tun ist!« Die Jungfrau, die eine solche Rede verdroß, fragte, ob er sie für eine Hure halte, er solle das Jungfrauen-Eisen nehmen. »Meinethalben«, sagte der Scherer, »es gilt mir gleich, will Euch ebenso gern mit dem kleinen Eisen schlagen als mit dem Großen. Ich will mich aber jetzt verwahrt haben, wiederfährt Euch etwas am Arm, daß ich keine Schuld haben will.« Also das Eisen nahm, ihr solches auf die Ader setzet und nochmal fragte, ob er schlagen sollt. Da fragte die Jungfrau den Barbier, ob er meine, daß ihr das Jungfrauen-Eisen Schaden bringen möchte. »Ja«, sagte der Scherer, »Ihr hört mich wohl. Meint Ihr, daß ich mit Euch scherze?« »Wohlan«, sagte die gute Tochter, »so nehmet gleich das Frauen-Eisen, und mög' es gut damit ausgehn!«

Als solches der Scherer samt den Umstehenden hörten, fingen sie an zu lachen. Dessen sich die gute Dirne heftig zu schämen begann, hätte gewollt, sie hätte geschwiegen und sich mit dem Jungfrauen-Eisen schlagen lassen; heim nach Hause zog und fürderhin sich nicht mehr fröhlich auf der Gassen durft sehen lassen.

 

2.

Vieriockers kauft ein Bauer in der Apotheke.

Einmal ward einem Bauern eine Kuh krank; dem riet man, er sollt' in die Apotheke gehn und sich Driockers (Theriak) geben lassen. Der Bauer zog hin, und auf dem Weg dachte er bei sich selbst: Soll es ein gut Ding sein, so will ich mir lassen Vieriockers geben, damit meiner Kuh desto besser geholfen werde.«

Und als er in die Apotheke kam und gefragt wurde, was er wolle, sagt er: »Ich soll Driockers kaufen. So gebt mir Vieriockers, wenn derselbige besser ist.« Der Apotheker sah wohl, was er für einen Vogel hatte, gab dem Bauern Driockers in ein Büchslein, nahm dasselbige doppelt bezahlt und ließ den Bauern hinziehen.


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