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Tommaso Costo

1.

Ein einfältiger Bauernbursche wird von einer plötzlichen Geschwulst befallen und findet bei einem Arzt Hilfe. Die Geschwulst tritt von neuem auf, der Bursche sucht den Arzt auf und findet statt seiner dessen Frau, die ihm besser hilft als dieser.

Es war einmal ein Bauernbursche aus Vornio, der dort in der Umgegend einige Schafe hütete. Einmal hatte er sich im Schatten niedergelegt, und wie er so lag, schwoll ihm sein Gemächt an. Darob befiel den armen Tropf große Angst; denn er war überzeugt, die Schwellung rühre von einer ihm unbekannten Krankheit her. Er fing an zu jammern, und während er so klagte, kam zufälligerweise ein in der Nähe wohnender Arzt vorüber, näherte sich ihm und fragte, was ihm fehle. »Schauet her«, antwortete er ihm, »was mir widerfahren ist«, und zeigte ihm weinend den Schaden. Der Arzt, der wohl merkte, weß Geistes Kind er war, sagte zu ihm: »Versprich mir einen kleinen Rundkäse und ich werde dich heilen.«

»Ich gebe dir ihrer zwei«, entgegnete der Bursche.

Der Arzt entnahm einer Pfütze, die er in der Nähe sah, ein wenig Wasser, begoß ihm damit zwei oder dreimal die Geschwulst, indem er einige Worte darüber murmelte, und brachte sie wie durch Zauber zum Abschwellen. Da holte der Bursche voller Freude die beiden Käse und gab sie dem Arzte, der zu ihm sagte, wenn das Übel ihn wieder befallen solle, möge er nur zu ihm ins Haus kommen, doch solle er etwas Besseres mitbringen; denn es schien ihm noch zu wenig, was er dem einfältigen Gesellen ungebührlicherweise abgenommen hatte. Doch er sollte es zu seinem nicht geringen Schimpf zu bereuen haben.

Einige Tage darauf nämlich begegnete dem Burschen das gleiche Mißgeschick. Er nahm daher einen Hammel und suchte damit den Arzt auf. Statt seiner fand er indessen die Gattin desselben. Dieser hatte der Arzt zufälligerweise den Fall erzählt, um ihr ein Vergnügen zu bereiten, wie das manche unüberlegte Männer zu tun pflegen, die ihren Gattinnen Dinge anvertrauen, die sie für sich behalten sollten. Wie diese also vernahm, was der Bursche begehrte, sagte sie zu ihm: »Komm her, Dummkopf, ich will dich besser heilen, als der Arzt es getan.« Damit zog sie ihn in die Schlafkammer und applizierte (vielleicht mehr denn einmal) dem leidenden Gliede des Burschen mit Anstand jenes Pflaster, das die Natur dafür bestimmt hat, und gewann sich damit den Hammel, um ihrem Gatten zu zeigen, daß sie es besser verstehe als er, dergleichen Tiere zu enthammeln. Da nahm der Arzt den Hammel, entfernte ihm, weil er an der ihm widerfahrenen Schmach Schuld war, die Hörner und gab seiner Frau den Rest mit den Worten: »Das Fleisch ist dein, die Hörner sind mein.«

 

2.

Giannina, deren Mann krank liegt, geht zum Arzte und spricht mit ihm. Da sie alles verkehrt versteht, macht sie viele lächerliche Dinge.

In einem Dorfe im Sienesischen lebte eine Bauersfrau, namens Giannina, die infolge ihrer Einfalt manchen drolligen Streich beging. Ihr Mann war nicht weniger einfältig als sie, und als er einmal am Fieber darniederlag, schickte er sie aus, einen Arzt zu holen, der in einem andern nicht weit entfernten Dorfe wohnte. Sie fand den Arzt, sagte ihm, was sie auf dem Herzen hatte und während sie so ihre bäuerischen Reden wechselten, fragte sie der Arzt, ob ihr Mann Stuhlgang habe? »Wie soll ihm wohl der Stuhl gehen«, erwiderte Giannina, »wenn seine Beine nicht einmal gehen wollen?«

»Oh, ich frage dich, ob er kackt«, sagte der Arzt, »wenn du willst, daß ich es so grob heraus sage.«

»Oh, da dürft Ihr ganz beruhigt sein«, entgegnete sie; »denn es geht so dünn ab, daß Ihr es im Notfall trinken könnet.«

»Du bist ein Tier«, sagte der Arzt und schickte sie, um sie sich vom Halse zu schaffen, zurück, damit sie ihm den Urin hole. Giannina ging und erzählte, zu Hause angekommen, ihrem Gatten, was zwischen dem Arzte und ihr vorgefallen war. Am andern Tage machte sie sich also mit dem fast vollen Uringlas auf, und als sie unterwegs war, verschüttete sie, ich weiß nicht, wie es kam, den ganzen Urin. Doch war sie nicht so arm an Verstände, daß sie den Schaden nicht wieder gut zu machen gewußt hätte. Denn während sie noch bei sich selbst jammerte und sagte: »Ach, ich Unselige, es nützt mir ja nichts, ohne den Urin zum Arzte zu gehen!« kam ihr eine Erleuchtung und sie rief: »Sieh doch, wie töricht ich bin! stehe ich da und jammere, weil ich ein bißchen Urin verschüttet habe, wie wenn ich nicht selbst solchen hätte!« Sprach's, hob ihren Rock und ergänzte mit ihrem eigenen Harn im Uringlase die Menge, die sie von dem des Gatten verschüttet hatte. Als sie dann im Hause des Arztes angelangt war, zeigte sie ihm den Urin. Dieser, der in seiner Kunst sehr erfahren war, sagte: »O, Giannina, ist dein Gatte vielleicht schwanger, wie der Urin zu zeigen scheint?« Sie, von der er stammte, war nämlich schwanger.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie, »es könnte aber schon sein; denn da wir beide zusammen schlafen und uns herumwälzen, so daß bald er, bald ich oben liege, ist es nicht möglich daß einer von uns es nicht sei.«

Den Arzt wandelte die Lust an, laut aufzulachen, schließlich aber sagte er zu ihr, um sie los zu werden: »Geh, Giannina und koch ihm Dinkelmus, das wird ihm gut tun. Ich komme später und sehe nach ihm.«

»Das will ich gerne tun«, entgegnete sie und kehrte nach Hause zurück. Als sie daheim anlangte, fragte der Gatte sie, was der Arzt gesagt habe.

»Er hat mir gesagt, du seist schwanger, ich solle dir daher eine gute Dinkelsuppe kochen, die würde dir sehr gut tun.«

Als der gute Kerl, der ein wenig kurz von Verstand war, das hörte, glaubte er's und fing in Gedanken an diese schlechte Suppe und die Schmerzen, die die Weiber beim Gebären auszustehen haben, laut an zu jammern.

Als Giannina ihn wegen seines mangelnden Mutes tadeln wollte, indem sie sagte, er sei ein Feigling, daß er die Fassung verliere wegen etwas, was so viele arme Weiblein alle Tage tun, geriet er in Zorn und rief: »Schweig, schlechtes Weib, das Gott strafen möge! Du erfrechst dich, große Reden zu führen und trägst doch die Schuld an meinem Übel.«

»Ei, schau!« versetzte darauf Giannina, »warum ist es denn kein Übel, wenn du es mir tust?«

»Meiner Treu, meiner Treu!« rief da der Gatte, »wenn ich aufstehen könnte, ich wollte dir so viel auf die Schnauze und auf die Rippen geben, daß du deine losen Worte ernstlich bereuen würdest. Komm mir nur nie wieder damit, daß du auf mir liegen willst, wie du es zu tun pflegst. Der Teufel soll dich holen, Sau, die du bist, mit deiner verdammten Geilheit. Tue jetzt, was der Arzt gesagt hat, zum Henker! und zwar schnell und laß mich kein Wort mehr hören, wenn du nicht willst, daß ich zu deinem Unheil niederkomme.«

Giannina ging brummend und voller Zorn, setzte einen Kessel aufs Feuer und warf alles Eisengerät, das ihr Gatte besaß, wie Hacken, Spaten, Schaufeln und dergleichen, hinein, damit es gesotten würde, gab Salz dazu und brachte es zum Kochen, wobei sie immer wieder sagte: »Wenn dir's nur schlecht bekäme, schlechter Kerl, der du bist, da du mir nie dankbar bist für all das, was ich dir tue.«

Nachdem das Gericht schon lange auf dem Feuer gestanden hatte, verlangte der arme Kranke, der fast ohnmächtig vor Schwäche war, zu essen, und Giannina probierte alle Augenblicke, ob das Eisenzeug noch nicht gar sei.

Als sie es aber immer härter fand, sagte sie endlich: »ich weiß wahrhaftig nicht, was das für eine Suppe werden soll.«

So mußte der arme Mann, wenn er essen wollte, ein Stück harten Brotes kauen, trotz seiner Krankheit; und es bekam ihm gut; denn die Diät pflegt das Fieber zu beseitigen. Das hatte er Giannina zu verdanken, die, als sie den Arzt konsultierte, alles verkehrt verstand und ihrem Manne verkehrt wieder sagte.

 

3.

Ein Chirurg wird zur Behandlung eines Verwundeten gerufen und auf lustige Weise gefoppt.

Meister Giovanni von Ravenna war ein Chirurg, der sich keines besonderen Ansehens erfreute, doch den Leuten viel Spaß machte durch die große Einfachheit seiner Behandlung. So wurde er denn in der Ausübung seines Berufes auch oftmals zum besten gehalten. Einmal aber wurde ihm ein Streich gespielt, den er sehr übelnahm. Einige junge Leute riefen ihn nämlich, damit er einen Verwundeten verbinde. Um die Sache glaubhafter zu machen, hatte dieser sich ins Bett gelegt und die Fensterläden fast ganz verschlossen. Als der Chirurg zu ihm kam, sagte der Verletzte, er sei an einem seiner Hinterbacken verwundet. Meister Giovanni wollte die Wunde betasten, aber er konnte nichts sehen und es wurde auch nicht Befehl gegeben, Licht anzuzünden. Dies geschah absichtlich. Der vorgebliche Kranke aber sagte zu ihm: »Gebt mir die Hand, ich will Euch die Wunde fühlen lassen.«

Der Arzt gab ihm in dem herrschenden Zwielicht die Hand, der andere ergriff einen ihrer Finger und indem er tat, als näherte er ihn der Wunde (eine solche war gar nicht vorhanden), steckte er ihn sich direkt ins Hintertürchen und sagte: »Hier ist die Wunde.«

Da sagte Meister Giovanni, um als ein guter Arzt dazustehen: »Beiß die Zähne zusammen, wir Ärzte dürfen kein Mitleid mit Verwundeten haben.«

»Nur zu«, entgegnete der andere, und der Arzt gab dem Finger einen Ruck und versenkte ihn damit ganz und gar in das Loch. »Donnerwetter!« rief er aus, »die ist aber tief, bringt Licht herbei, wenn Ihr wollt, daß ich sie behandle; denn sonst bringen wir nichts Gescheites zustande.« Der Patient und die Umstehenden vermochten aber nicht länger an sich zu halten und brachen in ein schallendes Gelächter aus. Sie ließen die Läden öffnen und bewirkten dadurch, daß Meister Giovanni merkte, daß man ihn gefoppt hatte.

 

4.

Von zwei gemütlichen und witzigen Kranken.

Ein Fieberkranker wurde, wie dies zu geschehen pflegt, infolge der Fieberhitze arg von Durst geplagt. Der Arzt verordnete ihm, er solle in Wasser eingeweichte Zwetschgen nehmen, die Frucht essen und den Kern im Munde zurückbehalten, das würde ihm gegen die große Trockenheit helfen.

Als er nun den Kern nicht nur von einer, sondern von drei, vier Zwetschgen im Munde zurückbehalten hatte, der Durst aber nicht weichen wollte, ließ er sich von seiner Frau eine Handvoll Erde und eine Flasche voll Wasser bringen, nahm die Erde in den Mund und griff nach der Flasche, um zu trinken. Wie nun seine Frau ausrief: »Mann, was willst du tun?« antwortete er: »Ich will die Erde bewässern, damit der Kern der Zwetschge zum Keimen komme und frische Zwetschgen hervorbringe.« Auf diese Weise wollte er seinen Durst vertreiben.

Ein anderer hatte es in den Beinen. Er saß am Feuer – denn es war Winter – mit einer gefüllten Weinflasche in der Hand, den Kopf nach unten und die Beine emporgestreckt und gegen die Mauer gelehnt, eifrig der Flasche zusprechend. Als man ihn fragte, warum er in dieser Lage dasitze erwiderte er: »Der Arzt hat mir gesagt, der Wein bekomme meinen Beinen schlecht, daher leite ich ihn in den Kopf.«

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5.

Burlesker Vorschlag eines Kranken und ebensolche Antwort seines Arztes

Bernardo von Ferrara, ein Spaßvogel, wurde von Schüttelfrost gepeinigt. Da dieser ihn nicht eine Stunde lang in Ruhe ließ, schickte er nach dem Arzte, der ihn einige Tage zuvor kuriert hatte. Dieser kam und gab ihm die Mittel ein, die das Übel linderten. Da es Sommer war, fragte ihn der Arzt: »Fühlt Ihr diese Bärenhitze? Ich für meine Person möchte am liebsten im Hemde gehen, wenn ich mich nicht schämen müßte.«

Da antwortete ihm Bernardo: »Soll ich Euch ein Geheimnis verraten, wie Ihr solche Hitze nicht spürt?«

»Nun?« fragte der Arzt.

»Hüllt Euch von Kopf bis zu Fuß in Eisen«, erwiderte Bernardo, »dann kann Euch die Hitze nicht auf den Leib rücken.«

Der Arzt, der nicht weniger witzig war als er, antwortete: »Auf diese Weise müßtest du, der du an Schüttelfrost leidest, ihn dir für allemal vertreiben lassen, indem wir dich in einen gut geheizten Backofen stecken. So würde dir die Kälte alsbald aus dem Körper gehen.«

 

6.

Ein Apotheker findet einen Haufen Unrat und entdeckt auf sinnreiche Weise den Urheber desselben.

Ein reicher Apotheker hatte viele Gehilfen. Einer von diesen hatte eines Abends übermäßig viel gegessen, und so kam ihn um Mitternacht eine derartige Kolik an, daß er genötigt war, schleunigst das Bett zu verlassen. Er lief zum Ausgang des Ladens und erleichterte dort ohne jede Rücksicht seinen Darm. Der Meister, der früher aufzustehen pflegte als die andern, bemerkte am andern Morgen die Untat und fragte seine Gehilfen voller Zorn, wer von ihnen das getan habe. Da jedoch alle erklärten, sie seien es nicht gewesen, sagte er: »So bin ich's wahrscheinlich gewesen; nun wohl, dann will ich auch der erste sein, der Hand an diesen Dreck legt, helft alle mit, dann haben wir ihn schnell beseitigt.« Als die Gehilfen dies hörten, murrten alle diejenigen, die unschuldig daran waren, und wollten sich nur sehr ungern dazu verstehen, während der Täter, um gehorsam zu erscheinen und sich die Gunst des Meisters zu erringen, sagte: »Der Meister hat recht, ich will der Erste sein, der mit Hand anlegt.«

Da rief der Apotheker, der ein kluger Mann war: »Ha! du nichtsnutziger Schelm, indem du dich freiwillig zur Buße meldest, beweist du unzweifelhaft, daß du der Urheber der Schweinerei bist!« Damit ließ er den Stock tüchtig auf seinem Rücken tanzen und ihn die Arbeit ganz allein besorgen, worauf er ihn davonjagte.

 

7.

Antwort, die Meister Dino dem Herzog von Mailand über den Neid gibt.

Der Arzt und Philosoph Meister Dino dal Garbo war ein Mann von großer Gelehrsamkeit, ein angenehmer und witziger Gesellschafter und bei hochgestellten Leuten, vor allem bei Galeazzo Vesconte, der damals Herzog von Mailand war, sehr beliebt. Einmal befand er sich wieder an dessen Hofe, und als er eines Tages mit ihm plauderte, wie er häufig zu tun pflegte, gedachte der Herzog der Kriege, die im mailändischen Staate einander abgelöst hatten, der Widerwärtigkeiten, die er dank seinen Nebenbuhlern hatte durchmachen müssen und all Jener, die ihn um seinen Ruhm beneideten. »Meister Dino«, sagte er darauf, »es ist wahrhaftig erstaunlich, daß dieser verwünschte Neid die Menschen immer und immer beherrscht. Die Sintflut hat die ganze Welt bedeckt und niemand blieb übrig als der durch seine tiefe Frömmigkeit ausgezeichnete Noah mit seiner kleinen Familie und dennoch ist dieses schreckliche Laster nicht ausgetilgt worden, sondern ist heute lebendiger und beherrscht die Menschen mehr denn je.«

Da antwortete ihm Meister Dino und sprach: »Laßt Euch sagen, durchlauchtigster Herr, als Gott die Welt erschuf und nach allen anderen Dingen den Menschen bildete, sagte er, er mache ihn nach seinem Bilde und ihm selber ähnlich. Dieser Mensch nun hat in Erinnerung an seinen Ursprung und ein so großes Vorrecht stets danach getrachtet und trachtet mit aller Macht, seinem Schöpfer ähnlich zu werden, und da er infolgedessen die Überlegenheit anderer ihm ähnlicher Wesen nicht zu ertragen vermag, empfindet er Schmerz, wenn ihm solche begegnen. Daher wird der Neid mit den Menschen geboren und wird erst mit ihnen sterben. Auf Eure Exzellenz aber läßt sich das Wort des Titus Livius anwenden, daß der Neid und das Feuer stets nach dem streben, was zu höchst steht, und das Wort des Probus, daß der Neid stets der Gefährte des Ruhmes ist.«


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