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Poggio Bracciolini

1.

Von einem Arzt, der Narren und Irrsinnige heilte.

Es gab einmal in Mailand einen Arzt der Irren und Blödsinnigen, der es übernahm, die ihm anvertrauten Kranken innerhalb einer bestimmten Frist zu heilen. Sein Verfahren aber war folgendes: Er hatte in seinem Hause einen Tümpel voll stinkenden und schmutzigen Wassers, in welchem Pfähle standen, an die er die ihm zugeführten Geisteskranken band; einige kamen bis an die Knie hinein, andere bis zu den Hüften, einzelne noch tiefer, je nach der Schwere des Übels, und er weichte sie dort so lange durch Wasser und Hunger ein, bis sie ihm wieder gesund zu sein schienen. Unter andern wurde ihm einmal einer gebracht, den er bis zu den Oberschenkeln ins Wasser tauchte, und der nach vierzehn Tagen wieder zu Verstand zu kommen begann und den Arzt bat, ihn aus dem Pfuhl herauszulassen. Dieser befreite ihn von der Marter, doch unter der Bedingung, daß er den Hof nicht verlasse. Und als er einige Tage lang gehorcht hatte, erhielt er die Erlaubnis, im ganzen Hause frei umherzugehen, durfte jedoch nicht aus der Haustür heraustreten. Seine Leidensgenossen, und es war eine größere Anzahl da, mußten im Wasser bleiben. Er selbst aber beobachtete sorgfältig die Befehle des Arztes.

Als er eines schönen Tages in der Haustür stand und aus Furcht vor dem Wasserloch nicht auf die Straße herauszutreten wagte, sah er einen jungen Reiter mit einem Falken auf der Faust und von zwei Spürhunden gefolgt nahen und rief ihn, erstaunt über das Neuartige des Anblicks – denn er erinnerte sich nicht mehr der Dinge, die er vorher, als er noch geisteskrank war, gesehen hatte – heran. »He du!« rief er dem Reiter zu, als dieser herankam, »hör, bitte einen Augenblick und antworte mir, wenn's dir gefällig ist: was ist das für ein Ding, auf dem sitzest, und zu welchem Zwecke hältst du dir's?« »Das ist ein Pferd«, antwortete der Reiter, »und ich brauche es zur Vogeljagd.« »Und wie nennt man das, was du auf der Hand trägst, und wozu ist es gut?« fragte der Narr weiter. »Das ist ein Falke, abgerichtet zur Jagd auf Wildenten und Rebhühner.« »Und deine Begleiter, was ist mit denen, sag, und wozu dienen sie dir?« »Das sind Jagdhunde, und man stöbert mit ihnen die Vögel auf.« »Ja, und wieviel sind diese Vögel, zu deren Jagd du soviel Dinge bereit hältst, wert, wenn du die Beute eines ganzen Jahres zusammenrechnest?« »Das kann ich nicht recht sagen, aber ich glaube kaum mehr als sechs Dukaten.« »Und wieviel gibst du für das Pferd, die Hunde und den Falken aus?« »Fünfzig Dukaten.«

Da rief er erstaunt über die Narrheit des jungen Reiters: »Ho! ho! Mach, daß du schnell von hier wegkommst, bevor der Arzt nach Hause zurückkehrt; denn wenn er dich hier findet, wird er dich als den närrischsten aller Menschen zu den übrigen Verrückten in den Tümpel tun, um dich zu heilen, aber noch tiefer als alle andern – bis ans Kinn – ins Wasser stecken.«

 

2.

Von einem Kurpfuscher, der durch Pillen Esel wiederverschaffte.

Vor nicht langer Zeit lebte zu Florenz ein Mann voll Selbstvertrauen und Unternehmungsgeist, der keinerlei Profession ausübte. Als dieser einmal in dem Buche eines Arztes von dem Namen und der Wirkung gewisser Pillen las, die gegen viele Übel gut sein sollten, kam er auf den närrischen Gedanken, allein mit diesen Pillen leichtlich den Arzt spielen zu können. Nachdem er sich eine große Anzahl davon hergestellt hatte, verließ er die Stadt und begann Flecken und Dörfer als Arzt abzugrasen. Für jede Krankheit verabreichte er diese Pillen, und zufällig wurden einige davon wieder gesund.

Als der Ruf des Kurpfuschers sich daraufhin bei den Dummen verbreitet hatte, fragte ihn eines Tages einer, der seinen Esel verloren hatte, ob er nicht ein Mittel zur Wiedererlangung des Tieres habe. Er bejahte und gab ihm sechs Pillen zu schlucken. Am folgenden Morgen zog dieser Mann aus, seinen Esel zu suchen. Da mußte er infolge der Wirkung der Pillen die Straße verlassen, um seinen Darm zu entleeren, und geriet zufällig in ein Röhricht, wo er den Esel weidend fand. Da sang er das Lob des Arztes und seiner Pillen in allen Tonarten, woraufhin die Bauern in Scharen, wie zu einem zweiten Äskulap, zu ihm pilgerten, dessen Medizinen sogar zum Wiederauffinden von Eseln gut waren.

 

3.

Von einem Arzte.

Cecchino, ein Arzt aus Arezzo, wurde einmal gerufen, um einem schönen jungen Mädchen zu helfen, das sich beim Tanzen das Knie verrenkt hatte. Als er, um es einzurenken, das Bein und den äußerst weißen und weichen Schenkel berühren mußte, regte er sich dabei dermaßen auf, daß ihm das Beinkleid zu eng wurde. Als er sich dann seufzend erhoben hatte und das Mädchen ihn fragte, was er für seine Mühe bekäme, antwortete er, sie sei ihm nichts schuldig. Auf ihre Frage, warum? sagte er: »Wir sind quitt; denn ich habe dir ein ausgerenktes Glied eingerichtet, und ebenso hast du mir ein anderes aufgerichtet.«

 

4.

Von der Pfiffigkeit eines Arztes beim Besuch von Kranken.

Ein unwissender aber pfiffiger Arzt pflegte seine Kranken in Gesellschaft eines Schülers zu besuchen. Er fühlte ihnen, wie es üblich ist, den Puls, und wenn er merkte, daß es mit einem schlimmer stand als sonst, schob er die Schuld auf den betreffenden Kranken und machte ihm Vorwürfe, daß er eine Feige oder einen Apfel oder sonst etwas, was er ihm verboten, gegessen habe. Da die Kranken das sehr häufig zugeben mußten, erschien er ihnen als ein göttlicher Mann, der auch die geheimen Verfehlungen seiner Patienten erriet. Hierüber geriet der Schüler sehr oft in Erstaunen und fragte eines Tages den Arzt, auf welche Weise er dahinterkomme, ob durch den Puls oder durch die Berührung, oder durch welche andere höhere Wissenschaft. Zum Dank für seine hohe Meinung enthüllte ihm der Arzt daraufhin sein Geheimnis. »Wenn ich in das Zimmer des Kranken trete«, sagte er, »schaue ich mich zuerst sorgfältig um, ob nicht der Rest irgendeiner Frucht oder eines anderen Genußmittels auf dem Boden liegen geblieben sei, ob nicht z. B. die Schalen von Kastanien, Nüssen, Äpfeln, die Haut von Feigen oder dergleichen zu sehen. Ist dies der Fall, so nehme ich an, daß der Kranke davon gegessen habe, und wälze bei Krankheiten, die sich verschlimmern, alle Schuld auf dessen Unenthaltsamkeit, so daß man mich nicht dafür verantwortlich machen kann, wenn die Sache schiefgeht.«

Kurze Zeit darauf machte es der Schüler, der nunmehr selbst die Heilkunst ausübte, bei den Kranken vielfach ebenso, indem er sagte, sie hätten gegen seine Diätvorschriften verstoßen und das und das gegessen, was er gerade aus den Überresten schließen konnte. Einmal kam er zu einem armen Bauern, dem er sehr schnelle Heilung versprach, wenn er seine Anordnungen befolge, schrieb ihm eine bestimmte Menge Nahrung vor und versprach am folgenden Tage wiederzukommen. Als er aber wiederkam, fand er den Zustand des Kranken verschlimmert. Da ließ dieser törichte und ungebildete Mann, der die Ursache der Verschlimmerung nicht kannte, seine Augen hierhin und dorthin schweifen, fand aber zu seiner Verwirrung keinerlei verdächtige Reste. Endlich entdeckte er unter dem Bette den Packsattel eines Esels. Da fing er an loszuwettern, er begriffe jetzt endlich, warum es dem Kranken schlechter gehe; er habe sich einen groben Exzeß zuschulden kommen lassen, und es sei ein Wunder, daß er nicht schon gestorben sei, da er trotz seiner Krankheit einen Esel verspeist habe. Er meinte, der Sattel sei der Überrest eines gekochten Esels, wie die Knochen die Überbleibsel des Fleisches. So in seiner ganzen Dummheit entlarvt, machte sich dieser Tropf bei allen, die davon erfuhren, unsterblich lächerlich.

 

5.

Von einem unwissenden Arzte, der nach Prüfung des Urins feststellte, daß eine Frau des Beischlafs bedürfe.

Eine Frau aus Florenz, die ich gekannt habe, war krank. Der herbeigerufene Arzt, der ebenso gerieben wie unwissend war, verlangte, wie üblich, nach dem Urin, dessen Aufbewahrung der jungen unverheirateten Tochter anvertraut worden war. Das Mädchen hatte aber vergessen, ihn beiseite zu stellen, und zeigte daher dem Arzte ihren eigenen Urin, anstatt den der Kranken. Sofort erklärte der Arzt, die Frau bedürfe des Beischlafs. Dies wurde ihrem Manne gemeldet, und nachdem er sich den Magen beim Mahle gehörig gefüllt hatte, legte er sich zu seiner Gattin. Dieser war die Sache wegen ihrer Schwäche jedoch höchst lästig (sie wußte ja nicht um den Rat des Arztes), und sie klagte wiederholt über dieses neue Verfahren. »Was tust du, lieber Mann!« rief sie, »du wirst mich töten!« »Schweig!« antwortete der Gatte, »nach Ansicht des Arztes ist dies das beste Mittel, dich zu heilen; auf diese Weise wirst du von deinem Übel befreit, und wird deine Gesundheit wieder hergestellt werden.« Und er täuschte sich darin nicht; denn nachdem er sie viermal übermannt hatte, war am folgenden Tage das Fieber vollständig gewichen. So wurde der Umstand, daß der Arzt hintergangen worden war, die Ursache der Genesung.

 

6.

Hübsches Erlebnis eines Arztes.

Der Kardinal von Bordeaux erzählte mir, ein Landsmann von ihm habe, als er eines Abends nach Hause gekommen sei, angefangen zu schreien, er verspüre heftige Schmerzen im Bein. Seine Frau salbte ihm das Bein mit Rosenöl, bedeckte es mit Werg und Wolle und wickelte eine Leinenbinde darum. Der Mann klagte aber, daß die Schmerzen andauerten und verlangte ächzend nach einem Arzte. Dieser kam, und nachdem er ganz allmählich und sachte (denn der Kranke äußerte heftige Schmerzen) das Bein entblößt und abgetastet hatte, erklärte er, daß alles in Ordnung sei, worauf der Bauer sagte: »Also habe ich an dem da (womit er das andere Bein hinstreckte) Schmerzen.«

Sehr belustigende Dummheit, von seinem Arzt darüber aufgeklärt werden zu wollen, wo man Schmerzen fühlt!

 

7.

Von einem Arzte, der die kranke Frau eines Schneiders vergewaltigte.

Ein Schneider in Florenz bat einen ihm bekannten Arzt, zu seiner kranken Frau zu kommen. Dieser kam, während der Schneider fort war, in dessen Haus und vergewaltigte, so sehr sie sich auch wehrte, die im Bette liegende Frau. Als der Mann heimkehrte, traf er den Arzt, der gerade fortging und ihm sagte, daß er seine Frau wieder gesund gemacht habe. Doch er traf diese in Tränen aufgelöst und ganz außer Fassung. Als er die Treulosigkeit des Arztes erfahren hatte, schwieg er. Acht Tage später aber versah er sich mit einem Stück wertvollen Stoffes, suchte die Frau des Arztes auf und sagte ihr, er sei von ihrem Manne geschickt, um ihr ein Untergewand (es führte den Namen cotta) zu machen. Damit die Maße ihres Körpers zur Anfertigung besagten Kleidungsstückes besser genommen werden könnten, war es nötig, daß sich die Frau, die sehr schön gewachsen war, fast ganz entkleidete. Als sie nun ausgezogen und niemand in der Nähe war, vergewaltigte sie der Schneider, dem Arzte Gleiches mit Gleichem vergeltend, und verfehlte nicht, es ihm später zu erzählen.

 

8.

Lustige Geschichte von einem gewissen Petrillo, der ein Spital von den Bresthaften befreite.

Der Kardinal von Bari, ein Neapolitaner, besaß zu Vercelli, in der Gallia citerior, ein Hospital, das ihm infolge der Ausgaben, die dort für die Armen gemacht wurden, wenig einbrachte. Er schickte daher einen seiner Leute, namens Petrillo hin, damit dieser die Sache gewinnbringender gestaltete. Nachdem Petrillo das Spital, mit verschiedenen Kranken und faulem Volke, das dessen Einkünfte verzehrte, angefüllt gefunden hatte, verkleidete er sich als Arzt, erschien im Spital und rief, nachdem er sich die verschiedenartigen Wunden angesehen hatte, alle zusammen und sagte: »Es gibt kein Heilmittel, das geeignet wäre, eure Schäden zu heilen, als eine Salbe aus Menschenfett. Darum werde ich heute einen unter euch auslosen, der zum Heile der übrigen lebendig ins Wasser gesteckt und gekocht werden soll.« Und siehe da, jeder, der irgend laufen konnte, machte sich, entsetzt über diese Worte, davon, damit das Todeslos nicht auf ihn falle. Auf diese Weise befreite Petrillo das Spital von den Ausgaben für die Bresthaften.

 

9.

Merkwürdige Redensart eines Arztes, der seine Heilmittel verabreichte, wie es der Zufall fügte.

Es ist in Rom Sitte, daß die Kranken dem Arzte den Urin senden und dazu eine oder zwei Silbermünzen, auf daß er ihnen etwas verschreibe. Ein Arzt, den ich selbst gekannt habe, pflegte abends verschiedene Medizinen für Krankheiten auf Zettel (die man Rezepte nennt) zu schreiben und sie alle in einen Beutel zu tun. Wenn ihm nun am andern Morgen die Urinproben gebracht und Heilmittel verlangt wurden, fuhr er mit der Hand in den Beutel, nahm den Zettel, der ihm gerade in die Finger kam, und sagte dabei zu dem Patienten auf italienisch: »Prega Dio te la mandi buona«, d. h. »bitte Gott, daß du den richtigen erwischst!«

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Schlimm ist dran, wem nicht die Vernunft, sondern der Zufall helfen soll.

 

10.

Von einem Trinker.

Ein bekannter Weintrinker ward vom Fieber gepackt, wodurch sein Durst noch viel größer als gewöhnlich wurde. Als nun die herbeigerufenen Ärzte über die Beseitigung des Fiebers und auch des heftigen Durstes verhandelten, sagte der Kranke: »Beschäftigt euch gefälligst nur damit, das Fieber zu brechen, für die Beseitigung des Durstes aber laßt mich selber sorgen!«

 

11.

Wunderbare Wirkung von Medizinen

Nun will ich etwas Lustiges erzählen, was weiland unserm Bischof Angelo von Arezzo, aus der Familie der Ricasoli, begegnete. Er wurde von einer schweren Krankheit gepeinigt und die zugezogenen Ärzte rieten ihm, von ihren Heiltränken Gebrauch zu machen, da er sonst sein Leben in Gefahr bringen würde. Er weigerte sich jedoch, sie zu nehmen, da er von Natur einen Widerwillen davor hatte. Endlich aber erklärte er, durch die Bitten seiner Freunde bewogen, er wolle dem Rat der Ärzte Folge leisten. Diese sandten nun dem Bischof, wie üblich, einige Tage hintereinander ihre Tränke. Er aber schüttete sie sämtlich in eine Schüssel, desgleichen die sogenannte Medizin, und stellte sie unter sein Bett. Am Morgen darauf besuchten die Ärzte den Kranken, und als sie ihn fast frei von Fieber fanden, schrieben sie das ihren Mitteln zu und machten ihm Vorwürfe, daß er nicht schon vorher von ihren Tränklein hatte Gebrauch machen wollen, die ihm doch seine Gesundheit wiedergegeben hätten. Da antwortete er, ihre Kraft und Wirkung sei in der Tat wunderbar, da sie ihn wieder gesund gemacht, obwohl er sie unters Bett gestellt hätte; »was hätten sie erst für eine Wirkung gehabt«, sagte er, »wenn ich sie getrunken hätte? Sie würden mich gewiß unsterblich gemacht haben.« Darauf befahl er, diesen ganzen Heilmittelaufwand der Ärzte hinauszutragen und in den Abtritt zu werfen.


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