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Giovanni Boccacci

1.

Meister Alberto von Bologna beschämt auf eine feine Weise eine Dame, die ihn wegen seiner Liebe zu ihr hatte beschämen wollen

Vor noch nicht langer Zeit lebte in Bologna ein großer fast in der ganzen Welt bekannter Arzt, der vielleicht noch am Leben ist und Meister Alberto hieß. Obgleich dieser bereits sechzig Jahre alt war, besaß er dennoch eine solche Lebhaftigkeit des Geistes, daß, nachdem bereits alles natürliche Feuer aus seinem Körper gewichen war, er doch noch eine Liebesflamme in sich entzündete, als er an einem Fest eine wunderschöne Witwe sah, die nach einigen Donna Malgherida da Ghisolieri hieß. Da ihm diese außerordentlich gefiel, so wurde er verliebt wie ein Jüngling, so daß er nicht mehr gut schlafen zu können glaubte, wenn er nicht den Tag über das reizende Gesicht der schönen Dame gesehen hatte. Deshalb gewöhnte er sich, bald zu Fuß, bald zu Pferde, je nachdem ihn die Lust ankam, vor dem Hause dieser Dame vorüber zu gehen. Sowohl dieses selbst, als andere Damen errieten bald den Grund und scherzten oft untereinander darüber, wie dieser an Jahren und Verstand so alte Mann sich noch verlieben könne; wie wenn diese angehende Leidenschaft der Liebe nur in den törichten Herzen der Jünglinge und nicht auch bei andern Eingang finden könnte.

Da nun Meister Alberto fortwährend an dem Hause der besagten Witwe vorbeikam, geschah es an einem Festtage, daß die Dame, welche mit vielen anderen Damen vor ihrem Hause saß, Meister Alberto in der Ferne auf sich zukommen sah. Daher verabredeten sie sich untereinander, sie wollten ihn empfangen und Ehre erweisen und nachher in Witzreden seine Verliebtheit durchziehen, und so taten sie. Sie erhoben sich alle, gingen ihm entgegen, luden ihn ein, führten ihn in ein kühles Zimmer, wo die herrlichsten Weine und Backwerk aufgetragen wurden, und endlich fragten sie ihn in feinen, verständigen Reden, wie es denn möglich sei, daß er sich in diese schöne Dame verlieben könne, da er doch wisse, daß sie von vielen schönen, edlen und liebenswürdigen Jünglingen geliebt werde.

Der Meister antwortete auf diese feinen Witzreden mit heiterer Miene folgendermaßen: »Madonna, daß ich liebe, kann keinem Verständigen wunderbar vorkommen, und zumal Euch nicht, die Ihr es so sehr verdient; und obgleich alten Männern die Kräfte genommen sind, die zur Ausübung der Liebe erforderlich sind, so ist der gute Wille nicht genommen und die Erkenntnis dessen, was geliebt zu werden verdient, sondern dies verstehen sie um so besser, eine je größere Erfahrung sie der Jugend gegenüber haben. Die Hoffnung, die mich dazu bewegt, als alter Mann Euch zu lieben, die Ihr von vielen Jünglingen geliebt werdet, besteht darin: ich bin schon oft dabei gewesen, wenn Damen ihr Vesperbrot verzehrten und Wolfsbohnen und Lauch aßen, und obgleich am Lauch überhaupt nichts Gutes ist, so ist doch der Kopf desselben weniger schädlich und schmackhafter als die Blätter. Aber aus Verderbtheit des Geschmacks nehmt Ihr in der Regel den Kopf in die Hand und esset die Blätter, die nicht nur gar nichts wert, sondern sogar sehr unschmackhaft sind. Und was weiß ich, Madonna, ob Ihr es nicht bei der Wahl Eurer Liebhaber ebenso macht, und wenn dies der Fall wäre, so wäre ich gerade derjenige, der von Euch gewählt würde, und die anderen ließe man laufen.«

Die edle Dame schämte sich zugleich mit den andern und sprach: »Meister, sehr gut und fein habt Ihr uns unseres vermessenen Spottes wegen gezüchtigt. Eure Liebe ist mir stets teuer, wie sie es mir von einem so edlen und verständigen Manne sein muß, und Ihr könnt nach Eurem Gutdünken über mich gebieten, ohne meiner Ehrbarkeit zu nahezutreten.« Der Meister erhob sich mit seinen Begleitern, dankte der Dame und nahm lächelnd und vergnügt von ihr Abschied. So wurde die Dame, die den, welchen sie verspotten wollte, nicht genau kannte, besiegt, während sie zu siegen glaubte; wovor Ihr Euch, wenn Ihr vernünftig seid, werdet hüten müssen.

 

2.

Julie von Narbonne heilt den König von Frankreich von einer Fistel und verlangt Beltram von Roussillon zum Gemahl. Dieser muß sie wider seinem Willen zur Frau nehmen, geht aus Unmut darüber nach Florenz; und verliebt sich hier in eine junge Dame. Julie, als diese junge Dame vorgestellt, schläft bei ihm und erhält von ihm zwei Kinder, wodurch sie ihm teuer wird und er sie zum Weibe nimmt

Es lebte im Königreich Frankreich ein Edelmann, mit Namen Isnard Graf von Roussillon. Dieser hatte, weil er fast immer krank war, stets einen Arzt um sich, den man Meister Gerard von Narbonne nannte. Der genannte Graf hatte nur einen einzigen Sohn, mit Namen Beltram, einen schönen anmutigen Jungen, mit welchem noch andere Kinder seines Alters erzogen wurden, unter denen sich auch eine Tochter jenes Arztes befand mit Namen Julie. Diese faßte zu jenem Beltram eine übermäßige glühende Liebe, wie sie ihrem Alter gar nicht eigen zu sein schien. Als der Graf starb und Beltram dem König überlassen blieb, mußte er nach Paris gehen, worüber das Mädchen ganz untröstlich war; und als ihr Vater bald darauf starb, wäre sie unter einem anständigen Vorwande gern nach Paris gegangen, um Beltram zu sehen; allein sie wurde, da sie sehr reich und das einzige Kind war, scharf bewacht. Schon hatte sie das Alter der Mannbarkeit erreicht, und noch hatte sie Beltram nicht vergessen, und wies viele Männer zurück, mit denen sie sich nach dem Wunsch ihrer Verwandten vermählen sollte, ohne einen Grund für ihre Weigerung anzugeben. Nun geschah es, daß, während sie noch mehr denn je von Liebe zu Beltram brannte, von dem sie gehört hatte, daß er ein schöner junger Mann geworden sei, die Nachricht ihr zu Ohren kam, der König von Frankreich habe eine Geschwulst auf der Brust gehabt, und da diese schlecht geheilt worden sei, so sei eine Fistel zurückgeblieben, die ihm außerordentlich viel Schmerz und Beschwerde verursache und für die man noch keinen tüchtigen Arzt aufgefunden habe, so viele es auch mit der Heilung versucht hätten; alle diese hätten vielmehr die Sache verschlimmert, worüber der König ganz in Verzweiflung sei und nun von keinem mehr Rat und Hilfe annehmen wollte. Über diese Nachricht war die junge Dame sehr erfreut und glaubte dadurch nicht nur einen guten Grund zu erhalten, um nach Paris zu reisen, sondern wenn die Krankheit wirklich die wäre, für die sie sie der Beschreibung nach hielt, so dachte sie, es könne ihr bei dieser Gelegenheit leicht gelingen, Beltram zum Mann zu erhalten. Da sie nun von ihrem Vater vieles gelernt hatte, so bereitete sie aus verschiedenen Kräutern, die gegen das Übel, das sie sich vorstellte, gut sind, ein Pulver, stieg zu Pferde und kam nach Paris. Das erste war, daß sie sich Mühe gab, Beltram zu sehen; dann trat sie vor den König und bat sich die Gnade aus, daß er ihr sein Übel zeigen möge. Als der König die schöne, anmutige und junge Dame sah, konnte er ihr ihren Wunsch nicht versagen und zeigte es ihr. Nachdem sie es gesehen hatte, faßte sie sogleich die sichere Hoffnung, es heilen zu können und sprach: »Gnädigster Herr, wenn es Euch gefällt, so will ich Euch, ohne alle Mühe und Beschwerden für Euch, innerhalb von acht Tagen von diesem Übel heilen.«

Der König mußte über die Worte des Mädchens innerlich lachen und dachte: »Was die Ärzte der Welt nicht gewußt und nicht gekonnt haben, wie soll das eine junge Dame können?« Er dankte ihr daher für ihren guten Willen und antwortete: er habe sich vorgenommen, keinen Rat eines Arztes mehr anzunehmen.

Hierauf sprach die Dame: »Gnädigster Herr, Ihr verschmäht meine Kunst, weil ich jung und ein Frauenzimmer bin; aber ich erinnere Euch, daß ich nicht mit meiner Wissenschaft heile, sondern mit der Hilfe Gottes und der Wissenschaft Gerards von Narbonne, der mein Vater und zu seinen Lebzeiten ein berühmter Arzt war.« Hierauf sprach der König zu sich selbst: »Vielleicht ist mir dieses Weib von Gott zugesandt; warum soll ich ihre Kunst nicht erproben, da sie doch sagt, sie könnte mich, ohne Beschwerde für mich, heilen?« Er entschloß sich daher, eine Probe anzustellen und sprach: »Meine junge Dame, und wenn Ihr, nachdem ich Euch zu Liebe meinen Vorsatz gebrochen habe, mich doch nicht heilet, was soll ich dann tun?«

»Gnädiger Herr«, sprach die Jungfrau, »laßt mich nur machen, und wenn ich Euch innerhalb von acht Tagen nicht heile, so laßt mich verbrennen; wenn ich Euch aber gesund mache, was soll mir dann werden?«

Hierauf antwortete der König: »Ihr scheint noch ohne Mann zu sein; wenn Ihr Euer Versprechen haltet, will ich Euch gut und vornehm verheiraten?« Die Jungfrau sprach darauf: »Gnädigster Herr, das gefällt mir, daß Ihr mich verheiraten wollt; aber ich will gerade den zum Mann, den ich mir auswähle; wobei ich jedoch keinen von Euren Söhnen oder aus dem königlichen Hause überhaupt wählen werde.«

Der König versprach ihr dieses augenblicklich. Die Jungfrau begann nun ihre Kur, und in kurzer Zeit, noch ehe der Termin abgelaufen war, hatte sie den König gesund gemacht. Als sich der König geheilt fühlte, sprach er: »Meine junge Dame, Ihr habt einen Mann wohl verdient.« – »Dann, gnädigster Herr«, sprach die Jungfrau, »habe ich Beltram von Roussillon verdient, in den ich mich schon in meiner Jugend verliebte, und den ich seitdem stets aufs glühendste liebte.«

Es schien nun zwar dem König nichts Geringes, ihr diesen zum Manne zu geben; aber da er es einmal versprochen hatte, wollte er doch sein Versprechen halten, ließ ihn rufen und sprach zu ihm: »Beltram, Ihr seid jetzt groß und ein vollendeter Edelmann; wir wollen daher, daß Ihr zurückkehrt und die Herrschaft über Eure Grafschaft übernehmet und daß Ihr eine junge Dame mit Euch führet, die wir Euch zur Gattin ausersehen haben.«

Beltram sprach: »Und wer ist diese junge Dame, gnädigster Herr?« Hierauf antwortete der König: »Das ist dieselbe, die mir durch ihre Arznei die Gesundheit zurückgegeben hat.« Beltram, der sie kannte und gesehen hatte, fand sie nun zwar schön; da er jedoch wußte, daß sie nicht von einem Geschlechte sei, dessen Verwandtschaft seinem Adel anstehe, sagte er ganz unwillig: »Gnädigster Herr, Ihr wollet mir also eine Arzneimischerin zur Frau geben? Das wolle Gott nicht gefallen, daß ich je eine solche Frau nehme!«

Hierauf sprach der König: »So wollt Ihr also, daß wir unser Wort brechen sollen, das wir, um unsere Gesundheit wieder zu erlangen, der Dame verpfändeten, die zum Lohne dafür Euch zum Manne verlangte.«

»Gnädigster Herr«, sprach Bertram, »Ihr könnt mich zwingen und mir als Eurem Lehensmann geben, wen Ihr wollt; aber das versichere ich Euch, daß ich mit dieser Heirat nie zufrieden sein werde.« »Das werdet ihr schon sein«, sprach der König, »denn die Dame ist schön und sehr verständig und liebt Euch sehr; daher hoffen wir, Ihr werdet mit ihr noch glücklicher sein, als mit einer Dame von noch so vornehmem Adel.«

Beltram schwieg, und der König ließ große Anstalten zum Hochzeitsfeste treffen. Und als der bestimmte Tag kam, heiratete Beltram, so sehr sich auch sein Herz dagegen sträubte, im Angesicht des Königs die Dame, die ihn mehr als sich selbst liebte. Er hatte jedoch bereits bedacht, was zu tun sei; er erklärte daher, daß er in seine Grafschaft zurückkehren und dort seine Ehe vollziehen wollte, und beurlaubte sich bei dem König. Er stieg zu Pferde, reiste jedoch nicht in seine Grafschaft, sondern nach Toskana, und als er erfuhr, daß die Florentiner mit den Senesern im Kriege begriffen waren, entschloß er sich, den Krieg mitzumachen. Man nahm ihn ehrenvoll und mit Freuden auf, machte ihn zum Hauptmann einer Heeresabteilung, und da er von den Florentinern gut gehalten wurde, blieb er bei ihnen und hatte gute Tage.

Die Neuvermählte, hiermit nicht zufrieden, ging, in der Hoffnung, ihn durch ihr gutes Benehmen in seine Grafschaft zurückzurufen, nach Roussillon, wo sie von allen als ihre Herrin empfangen wurde. Als sie sich überzeugte, daß durch die lange Abwesenheit des Grafen alles verwirrt und vernachlässigt worden war, brachte sie, als eine verständige Dame, alles mit größter Mühe wieder in Ordnung, worüber sich die Untertanen sehr freuten und sie darum auch sehr teuer hielten und große Liebe zu ihr faßten, so daß sie den Grafen hart tadelten, daß er mit ihr nicht zufrieden sei.

Nachdem die Dame alles in Ordnung gebracht hatte, zeigte sie es durch zwei Edelleute dem Grafen an und bat ihn, wenn an ihr die Schuld liege, daß er nicht in seine Grafschaft käme, so möchte er es ihr kundtun, dann werde sie sich, ihm zu Liebe, entfernen. Der Graf gab ihnen aber die harte Antwort: »Damit mag sie es halten, wie sie will; ich werde dann erst zu ihr zurückkehren, wenn sie diesen Ring am Finger und ein von mir erzeugtes Kind auf den Armen tragen wird.« Der Ring war ihm außerordentlich teuer, und er trennte sich nie von ihm, weil er eine gewisse Eigenschaft hatte, durch die man alles erfahren konnte.

Die Edelleute sahen aus seiner Antwort deutlich genug die Unmöglichkeit, ihn zurückzuführen; und da sie sich überzeugt hatten, daß sie nicht imstande seien, ihn durch ihre Vorstellung zu bewegen, kehrten sie zu der Dame zurück und brachten ihr seine Antwort. Diese war sehr betrübt, und nach langem Nachdenken entschloß sie sich, alles zu versuchen, ob sie nicht jene zwei Bedingungen erfüllen könnte, um dadurch ihren Mann zu sich zurückzuführen. Nachdem sie ihren Entschluß gefaßt hatte, versammelte sie einen großen Teil der edelsten und besten Männer der Grafschaft, erzählte ihnen der Reihe nach und mit beweglichen Worten, was sie dem Grafen zu Liebe schon getan hätte, zeigte ihnen den Erfolg davon und sagte ihnen am Schlusse, es sei nicht ihre Absicht, den Grafen durch ihren Aufenthalt in der Grafschaft in beständiger Verbannung zu erhalten, vielmehr beabsichtige sie, den Rest ihres Lebens der Pilgerschaft und frommen Werken zum Heil ihrer Seele zu widmen; auch bat sie dieselben; die Verwaltung der Grafschaft zu übernehmen und es dem Grafen anzuzeigen, sie habe ihm seine Besitzungen frei und im geordneten Zustande zurückgelassen und sich entfernt, in der Absicht, nie mehr nach Roussillon zurückzukehren.

Während sie so sprach, vergossen die trefflichen Männer reichliche Tränen und baten sie inständig, sie möchte doch ihren Entschluß ändern; aber vergebens. Nachdem sie ihre Untertanen Gott empfohlen hatte, machte sie sich mit einem Vetter und ihrer Kammerfrau in Pilgerkleidung, wohl versehen mit Gold und kostbaren Juwelen, auf den Weg, ohne daß jemand wußte, wohin sie ging, und reiste, ohne sich aufzuhalten nach Florenz. Hier kam sie zufällig in eine kleine Herberge, die von einer rechtschaffenen Witwe geführt wurde und quartierte sich dort wie eine arme Pilgerin ein, begierig, Nachrichten von ihrem Herrn zu erfahren.

Da geschah es, daß sie des andern Tages Beltram zu Pferde mit seinen Soldaten vorüberziehen sah; und ob sie ihn gleich auf der Stelle recht wohl erkannte, fragte sie gleichwohl die rechtschaffene Witwe, wer es sei. Die Wirtin gab ihr zur Antwort: »Es sei ein fremder Edelmann, mit Namen Graf Beltram, ein anmutiger, ritterlicher, in dieser Stadt sehr beliebter junger Mann, der in unsere Nachbarin, eine edle Dame, die aber sehr arm ist, außerordentlich verliebt ist. Es ist eine sehr ehrbare junge Dame, die nur wegen ihrer Armut noch nicht geheiratet hat, sondern bei ihrer Mutter, einer klugen und rechtschaffenen Frau, lebt; und vielleicht hätte sie, wenn ihre Mutter nicht gewesen, dem Grafen schon seinen Willen getan.«

Die Gräfin überlegte diese Worte genau, und nachdem sie alles recht gefaßt, setzte sie ihren Entschluß fest; und nachdem sie das Haus und den Namen der Dame, deren Tochter von dem Grafen geliebt wurde, erfahren hatte, ging sie eines Tages in der Stille in Pilgerkleidung dahin. Sie fand die Dame und ihre Tochter in sehr ärmlichen Umständen, grüßte sie und sagte zu der Mutter: sie möchte, wenn sie es erlaube, mit ihr sprechen. Die vornehme Dame erhob sich und erklärte sich bereit, sie zu hören; und nachdem sie in einem Zimmer allein waren und Platz genommen hatten, begann die Gräfin: »Gnädige Frau, es scheint, Ihr seid auch keine Freundin des Glückes, wie ich; allein, wenn Ihr wollet, könntet Ihr wohl mich und Euch selbst trösten.« Die Dame versetzte: sie wünsche nichts sehnlicher, als sich auf ehrbare Weise aus der Not zu helfen. Die Gräfin fuhr fort: »Mir ist Euer Vertrauen nötig; wenn ich mich auf dieses verlasse und Ihr betrübt mich, so verderbt Ihr Eure und meine Sache.« Die edle Dame antwortete: »Saget mir getrost alles, was Ihr wollt; von mir werdet Ihr niemals betrogen werden.«

Nun erzählte die Gräfin den ersten Anfang ihrer Liebe, wer sie sei und was ihr bis auf diesen Tag begegnet war, und erzählte dies alles auf eine Weise, daß die vornehme Dame ihren Worten glaubte, da sie schon durch andere davon gehört hatte und Mitleid mit ihr fühlte. Dann fuhr die Gräfin fort: »Ihr habt nun, außer meinen übrigen Beschwerden, auch die zwei Bedingungen gehört, die ich erfüllen muß, wenn ich meinen Mann wieder erhalten will: und hierzu kann mir auf der Welt niemand verhelfen, ausgenommen Ihr, wenn es wahr ist, was ich gehört habe, daß nämlich der Graf, mein Gemahl, in Eure Tochter sterblich verliebt ist.«

Hierauf sprach die Dame: »Ob der Graf meine Tochter liebt, weiß ich nicht; aber er tut so. Was kann jedoch ich in dieser Sache tun?« – »Gnädige Frau«, antwortete die Gräfin, »ich will es Euch sagen; zuerst aber will ich Euch bemerken, was die Folge davon sein soll, wenn Ihr mir dient. Ich sehe, daß Eure Tochter schön und mannbar ist; und so viel ich gesehen und gehört habe, behaltet Ihr sie nur deshalb zu Hause, weil Ihr kein Vermögen habt, um sie auszustatten. So will ich denn für den Dienst, den Ihr mir leisten werdet, von meinem Gelde Ihr ein solches Heiratsgut aussetzen, wie Ihr selbst es für angemessen achten werdet, um sie anständig zu verheiraten.«

Dieses Anerbieten gefiel der Dame, die sehr bedürftig war; dennoch aber sprach sie, weil sie einen hohen Sinn hatte, folgendermaßen: »Gnädige Frau, sagt mir nur, was ich für Euch tun kann, und wenn es schicklich für mich ist, werde ich es gerne tun, und Ihr möget dann tun, was Euch beliebt.« Die Gräfin antwortete: »Für mich ist es notwendig, daß Ihr durch eine Person, der Ihr vertrauen könnt, meinen Gemahl, dem Grafen, sagen lasset, Eure Tochter sei bereit, ihm ganz seinen Willen zu tun, wenn sie überzeugt sein dürfe, daß er sie wirklich so liebe, wie er vorgebe, dies werde sie jedoch nicht eher glauben, als bis er ihr den Ring sende, den er an der Hand trage, und von dem sie wisse, daß er ihm sehr teuer sei. Wenn er Euch nun diesen Ring sendet, so gebet ihn mir und lasset ihm dann sagen, Eure Tochter sei bereit, ihm seinen Willen zu tun. Hierauf lasset ihn hierher kommen, und anstatt Eurer Tochter legt Ihr in der Stille mich an seine Seite. Vielleicht schenkt mir Gott seine Gnade, daß ich schwanger werde, und wenn ich dann seinen Ring am Finger und ein Kind von ihm im Arm habe, werde ich ihn zum Manne zurückerhalten und als sein Weib bei ihm wohnen, wozu dann Ihr die Veranlassung seid.«

Der Edeldame schien dies eine schwierige Sache, denn sie fürchtete, es möchte Schande für ihre Tochter daraus entstehen; da sie jedoch bedachte, daß die Dame mit allem Recht ihren Mann zurückerhalte und daß sie sich also für eine gerechte Sache tätig erweise, gab sie im Vertrauen auf ihre ehrbare Neigung nicht nur das Versprechen, sondern verschaffte sich auch nach wenigen Tagen auf vorsichtige und geheime Weise den Ring, so schwer dies auch dem Grafen fiel, sorgte auch aufs trefflichste dafür, daß die Gräfin statt ihrer Tochter zu dem Grafen zu liegen kam.

Nach dem Willen Gottes wurde die Dame von dieser ersten Umarmung, die der Graf aufs zärtlichste ausübte, mit zwei Knäbchen schwanger, wie sich bei der Geburt, als diese erfolgte, zeigte. Und nicht bloß einmal verschaffte die Edeldame der Gräfin die Umarmung ihres Gatten, sondern oft; und die Sache ging so herrlich vonstatten, daß man kein Wort davon erfuhr und der Graf stets der Meinung war, er sei bei der Dame, die er liebe, nicht bei seiner Gattin. Des Morgens bei der Trennung gab der Graf ihr immer wertvolle Juwelen, welche die Gräfin sorgfältig aufbewahrte.

Als sie sich schwanger fühlte, wollte sie die Edeldame nicht auch mit diesem Dienst belästigen, sondern sprach: »Gnädige Frau, Gott und Euch sei es gedankt, ich habe meinen Zweck erreicht, deshalb ist es jetzt Zeit, daß ich Euch nach Eurem Wunsche beschenke und mich dann entferne.« Die Edeldame antwortete, wenn sie ihr ein Geschenk geben wolle, so sei sie damit zufrieden, übrigens habe sie das, was sie getan habe, nicht nur in der Hoffnung auf eine Belohnung getan, sondern, weil sie es für recht gehalten habe. Die Gräfin antwortete: »Ihr sprecht ganz nach meinem Willen; und so will ich denn das, was Ihr von mir verlangen werdet, Euch nicht als Belohnung geben, sondern um ein gutes Werk zu tun, und so muß ich auch handeln.« Hierauf genötigt, bat die Edeldame ganz verschämt um hundert Lire, um ihre Tochter zu verheiraten. Die Gräfin, die ihr ansah, wie sie sich schämte, und ihre bescheidene Forderung hörte, gab ihr 500 und so viele und schöne und wertvolle Juwelen, daß sie wohl noch soviel an Wert betrugen, worüber die Edeldame hocherfreut war und der Gräfin aufs innigste dankte, die von ihr Abschied nahm und in eine Herberge zog. Die Edeldame, um Beltram die Veranlassung, in ihr Haus zu kommen oder zu senden, zu nehmen, ging ebenfalls mit ihrer Tochter aufs Land zu Verwandten, und Beltram reiste bald darauf, von seinen Untertanen aufgefordert, nach Hause, als er hörte, daß die Gräfin sich entfernt hatte.

Als die Gräfin erfuhr, daß er Florenz verlassen habe und in seine Grafschaft zurückgekehrt sei, war sie hocherfreut; sie blieb in Florenz bis zu ihrer Entbindung, gebar zwei Knäbchen, die ihrem Vater ganz ähnlich waren, und ließ sie aufs sorgfältigste behandeln. Als es ihr Zeit schien, machte sie sich auf den Weg und kam, ohne erkannt zu werden, nach Montpellier. Hier ruhte sie mehrere Tage aus; und als sie erfuhr, wie es dem Grafen gehe und wo er sich aufhalte, und hörte, daß er am Allerheiligentage in Roussillon ein großes Fest für Ritter und Damen halte, reiste sie, wie gewöhnlich als Pilgerin gekleidet, dahin.

Als sie die Damen und Ritter im Palast des Grafen versammelt glaubte, um zur Tafel zu gehen, begab sie sich, ohne ihre Kleidung zu ändern, mit ihren Knäbchen im Arme, in den Saal, ging durch Männer und Frauen hindurch, bis zu dem Grafen, warf sich vor ihm auf die Knie und sprach weinend: »Mein Herr, ich bin deine unglückliche Gattin, die, um dich in deine Grafschaft zurückkehren zu lassen, lange gramvoll durch die Welt gereist ist. Ich bitte dich bei Gott, daß du jetzt die Bedingung mir haltest, die du mir durch die zwei Edelleute, welche ich an dich sandte, hast stellen lassen, sieh auf meinen Armen nicht einen sondern zwei Knaben von dir; siehe hier auch deinen Ring. Jetzt ist es also Zeit, daß ich von dir als Gattin aufgenommen werde, wie du versprochen hast.«

Als der Graf dies hörte, fiel er fast in Ohnmacht; er erkannte den Ring und auch die Kinder, so ähnlich waren sie ihm. Dennoch sagte er, wie kann das sein? Nun erzählte die Gräfin, zur großen Verwunderung des Grafen und aller Anwesenden, der Ordnung gemäß alles, was geschehen war. Als nun der Graf erkannte, daß sie die Wahrheit sprach, und ihre Standhaftigkeit und Liebe, sowie die zwei Knaben sah, legte er, um sein gegebenes Wort einzulösen und aus Willfährigkeit gegen alle seine Ritter und Damen, die ihn sämtlich baten, er möchte sie jetzt als seine rechtmäßige Gattin aufnehmen und verehren, seine übermäßige Grausamkeit ab, hieß die Gräfin sich vom Boden erheben, umarmte und küßte sie, erkannte sie als seine rechtmäßige Gemahlin und die Kinder als seine Söhne an. Hierauf ließ er sie anständige Kleider anziehen und veranstaltete, zur größten Freude aller Anwesenden, wie derer, welche davon hörten, ein großes Fest, das diesen und noch mehrere Tage dauerte; ehrte sie von diesem Tage an als seine Frau und Gattin und schätzte und liebte sie ungemein.

 

3.

Die Frau eines Arztes legt ihren Geliebten, den sie, da er in tiefem Schlafe liegt, für tot hält, in einen Kasten, welchen zwei Wucherer heimtragen. Er erwacht und wird als Dieb gefangen genommen. Die Dienerin der Dame erzählt vor Gericht, sie selbst habe ihn in den Kasten der Wucherer gelegt, auf diese Weise entgeht er dem Galgen und die Wucherer werden zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie den Kasten gestohlen haben

Vor noch nicht langer Zeit lebte in Salerno ein Arzt, der in der Chirurgie außerordentlich geschickt war und Meister Mazzeo della Montagna hieß. Dieser hatte bereits das höchste Alter erreicht, als er eine schöne und edle Jungfrau seiner Stadt zur Gattin nahm, die er mit edlen und reichen Kleidern, mit Edelsteinen und mit allem, was einer Dame gefallen kann, aufs beste versah. Freilich ward sie in sonstiger Beziehung sehr kühl behandelt, und wie Ricciardo von Chinzica, von dem wir erzählt haben, der seinigen die Feste vorrechnete, so machte dieser seiner Frau vor, wenn der Mann bei seiner Frau schlafe, so müsse er sich, ich weiß nicht mehr wie viele Tage, erholen und ähnliche Albernheiten mehr, womit sie natürlich keineswegs zufrieden sein konnte. Da sie nun eine verständige und großherzige Frau war, entschloß sie sich, um ihren Mann zu schonen, auf die Straße zu gehen und nach anderen zu schauen. Und nachdem sie viele junge Männer betrachtet hatte, hatte sich endlich einer in ihrem Herzen festgesetzt, auf den sie alle Hoffnungen baute und dem sie ihr ganzes Wesen und ihre ganze Seele widmete. Als der junge Mann dies bemerkte, gefiel es ihm sehr und er wandte ihr gleichfalls seine ganze Liebe zu. Dieser junge Mann mit Namen Rugieri von Jeroli, war von edlem Stande, hatte aber ein schlimmes tadelnswürdiges Leben geführt, so daß weder ein Verwandter noch ein Freund ihm geblieben war, der Wohlwollen für ihn gehegt oder ihn nur hätte sehen mögen. In ganz Salerno war er durch Spitzbübereien und ähnliche Niederträchtigkeiten berüchtigt, aber um alles dies bekümmerte sich die Dame nichts, da er ihr vor allen andern gefiel, und sie wußte es auch durch ihre Dienerin so einzurichten, daß sie zusammenkamen. Nachdem sie sich eine Zeitlang miteinander vergnügt hatten, fing die Dame an, sein vergangenes Leben zu tadeln und ihn zu bitten, er möchte ihr zu Liebe dasselbe aufgeben, und um ihn dazu zu ermuntern, unterstützte sie ihn von Zeit zu Zeit mit Summen Geldes.

Während sie nun auf diese Weise mit viel Vorsicht ihr Verhältnis fortsetzten, geschah es, daß dem Arzte ein Kranker unter die Hände kam, der einen Schaden am Bein hatte. Als der Meister dasselbe gesehen hatte, erklärte er den Verwandten des Kranken, wenn man nicht einen verdorbenen Knochen im Beine herausnehme, so müsse man das ganze Bein abnehmen oder der Kranke müsse sterben. Wenn er ihm den Knochen herausnehme, könne er ihn heilen; allein, er übernehme den Kranken nur, sofern er ihm wie ein Toter überliefert werde. Und so gaben ihn ihm seine Verwandten hin. Der Arzt sah ein, daß der Kranke, ohne in tiefem Schlaf zu liegen, den Schmerz nicht aushalten und sich nicht heilen lassen werde, und da er die Operation des Abends vornehmen wollte, bereitete er sich des Morgens nach seinem eigenen Rezepte einen Schlaftrunk, soviel er glaubte, daß er nötig habe, und stellte das Fläschchen in sein Zimmer ohne irgend jemand zu sagen, was es sei. Als es Abend geworden war und der Meister zu dem Kranken gehen sollte, erhielt er eine Aufforderung von einigen sehr nahen Freunden aus Malfi, er solle sich durch nichts abhalten lassen, sogleich zu ihnen zu kommen; denn es habe eine große Rauferei gegeben, bei der viele verwundet worden seien. Der Arzt verschob deshalb die Operation des Beines auf den folgenden Tag, stieg in ein Boot und fuhr nach Malfi. Da deshalb die Dame wußte, daß er diese Nacht nicht nach Hause zurückkehren werde, ließ sie, wie gewöhnlich, Ruggieri kommen und schloß ihn in ihr Zimmer ein, bis die anderen Personen, die im Hause wohnten, zu Bett gegangen waren. Als nun Ruggieri in diesem Zimmer war und auf die Dame wartete, verspürte er, sei es infolge der Anstrengung im Laufe des Tages, oder gesalzener Speisen, die er genossen, oder vielleicht aus Gewohnheit einen großen Durst, und als er das Fläschchen, das der Arzt für den Kranken bestimmt hatte, an dem Fenster stehen sah und es für Wasser zum Trinken hielt, setzte er es an den Mund, trank es aus und verfiel bald darauf in einen tiefen Schlaf. Die Dame kam, sobald es ihr möglich war, in das Zimmer, und als sie Ruggieri schlafend fand, rüttelte sie ihn und sagte ihm mit leiser Stimme, er müsse aufwachen. Allein dies war vergebens, er antwortete nicht und blieb bewegungslos, weshalb die Dame, etwas beunruhigt, ihn stärker schüttelte und rief: »Wach auf, du Langschläfer, wenn du hast schlafen wollen, so hättest du zu Hause bleiben und nicht hierher kommen sollen. Ruggieri, auf diese Weise gerüttelt, fiel von einer Kiste, auf der er lag, zur Erde nieder, ganz wie ein Toter. Dadurch etwas erschreckt, wollte ihn die Dame wieder aufheben, sie rüttelte ihn noch stärker, faßte ihn an der Nase, zupfte ihn am Bart, aber alles war vergebens; er schlief fest. Die Dame fing daher zu befürchten an, er möchte gestorben sein; dennoch begann sie noch einmal, ihn ins bloße Fleisch zu kneipen, ihn mit einem angezündeten Lichte zu brennen, alles vergebens; daher glaubte sie denn, die nichts von der Medizin verstand, obwohl ihr Mann Arzt war, er sei unfehlbar gestorben. Da sie ihn nun über alles liebte, so war sie natürlich darüber sehr betrübt, und da sie keinen Lärm zu machen wagte, begann sie, leise ihn zu beweinen und ihr Unglück zu beklagen. Nach einer Weile bedachte jedoch die Dame, man müsse, um zu verhüten, daß ihr Verlust ihr auch noch Schande bringe, unverzüglich Mittel ausfindig machen, um den Toten aus dem Hause zu bringen, und da sie sich hierin nicht zu raten wußte, rief sie in der Stille ihre Dienerin, zeigte dieser ihr Unglück und bat sie um Rat. Die Dienerin war hoch verwundert; als sie ihn jedoch ebenfalls geschüttelt und gekniffen, und ihn bewußtlos gefunden hatte, sagte sie dasselbe, was die Dame sagte, nämlich, er sei wahrhaftig tot und gab den Rat, ihn aus dem Hause zu bringen. Die Dame sprach zu ihr: »Aber wohin könnten wir ihn legen, daß nicht morgen früh, wenn man ihn sieht, der Verdacht entstünde, er sei von hier aus weggebracht worden?«

»Madonna«, antwortete ihr die Dienerin, »ich sah diesen Abend spät, gegenüber von der Werkstätte unseres Nachbars, des Tischlers, einen nicht allzu großen Kasten, der, wenn ihn der Meister nicht ins Haus zurückgebracht hat, uns sehr gute Dienste leisten könnte. In diesen könnten wir ihn hineinlegen, ihm zwei bis drei Messerstiche geben und ihn dort liegen lassen. Wer ihn darin findet, der kann nicht vermuten, daß er da oder dorther komme; vielmehr, da er ein schlimmer junger Mann war, wird man glauben, er sei auf eine schlechte Tat ausgegangen und der Feind habe ihn ermordet.«

Der Dame gefiel der Rat der Dienerin, außer was die Verwundung des Leichnams betraf; sie sagte nämlich, um keinen Preis könne sie dies zugeben. Die Dienerin wurde abgesandt, um zu sehen, ob der Kasten noch an seinem Fleck stehe und kehrte mit der bejahenden Antwort zurück. Nun nahm die Dienerin, die noch jung und rüstig war, mit Hilfe der Dame Ruggieri auf ihre Schultern; die Dame ging voraus, um zu sehen, ob nicht jemand um den Weg sei, und so kamen sie zu dem Kasten, legten ihn hinein, schlossen den Kasten wieder zu und ließen ihn stehen.

Wenige Tage zuvor waren zwei Jünglinge nach Hause zurückgekehrt, die auf Wucher ausliehen; diese, die sehr gern gewinnen und doch nichts ausgeben mochten, hatten, da sie Hausgerät benötigten, und tags zuvor den Kasten gesehen hatten, den Entschluß gefaßt, ihn in ihr Haus zu schaffen, wenn er bei Nacht noch an seiner Stelle stände. Sie verließen um Mitternacht ihr Haus, fanden ihn, und ohne weitere Untersuchungen trugen sie ihn, obgleich er sehr schwer schien, nach ihrem Hause, wo sie ihn neben ein Zimmer stellten, in welchem ihre Frauen schliefen, ohne ihn erst lange zurechtzuschieben. Sie ließen ihn hier stehen und gingen zu Bette.

Nachdem Ruggieri lange geschlafen hatte, hatte er den Trank verdaut und die Wirkung desselben ging vorüber. Kurz vor Tagesanbruch wachte er auf; und obgleich der Schlaf abgebrochen war und er seiner Sinne wieder mächtig wurde, blieb ihm doch eine Betäubung im Kopfe zurück, die ihn nicht nur diese Nacht, sondern noch mehrere Tage nachher befangen hielt. Er öffnete die Augen, und da er nichts sah, tappte er mit den Händen herum. Als er sah, daß er sich in einem Kasten befand, wurde er vollends irre und sprach zu sich selbst: »Was ist denn das? wo bin ich? schlafe ich oder bin ich wach? Ich erinnere mich nur, daß ich diesen Abend in das Zimmer meiner Dame kam, und jetzt bin ich, wie es scheint, in einem Kasten. Was soll das heißen? Wäre der Mann zurückgekehrt oder etwas anderes begegnet, und die Dame hätte mich, während ich schlief, hier verborgen? das glaube ich, so wird es wohl sein.« Er hielt sich sehr stille und horchte, ob er etwas höre. Nachdem er lange in dieser Lage geblieben war, wurde sie ihm unbequem, denn der Kasten war klein und die Seite, auf der er lag, schmerzte ihn; er wollte sich daher auf die andere wälzen, und dies machte er so ungeschickt, daß der Kasten, welcher nicht geradestand, mit ihm umfiel; durch das Geräusch, welches dadurch entstand, wurden die Frauen, die daneben schliefen, geweckt, aber aus Furcht schwiegen sie. Ruggieri geriet durch diesen Fall des Kastens in die größte Angst, als er jedoch durch den Fall den Kasten geöffnet sah, wollte er lieber herausgehen, als darin bleiben, und ohne zu wissen, wo er war, tappte er durch das Haus, um irgendeine Treppe oder Türe zu finden, durch die er ins Freie kommen könnte. Als die Frauen, die aufgeweckt worden waren, ihn herumtappen hörten, riefen sie: »Wer ist da?« Da Ruggieri die Stimmen nicht erkannte, antwortete er nicht, daher riefen die Frauen ihren jungen Männern; diese aber lagen, weil sie lange gewacht hatten, in tiefem Schlafe und hörten nichts von allem. Dadurch wurden die Frauen noch ängstlicher, erhoben sich, liefen ans Fenster und riefen: »Diebe, Diebe!« Auf diesen Ruf eilten mehrere Nachbarn von verschiedenen Seiten herzu und drangen in das Haus, und auch die jungen Männer wachten auf jenes Geschrei auf und erhoben sich. Als Ruggieri diesen Vorgang sah, kam er vor Verwunderung fast außer sich; er wußte nicht, wohin er fliehen sollte und konnte, und fiel in die Hände der Gerichtsdiener, die auf den Lärm hinzugelaufen waren. Er wurde vor den Richter geführt, und da er allgemein im Rufe eines schlechten Mannes stand, spannte man ihn unverzüglich auf die Folter, und er bekannte, er sei in das Haus der Wucherer gedrungen, um zu stehlen. Daher beschloß denn der Richter, ihn ohne weitere Umstände am nächsten Tage aufknüpfen zu lassen.

Am anderen Morgen war es bereits in ganz Salerno ruchbar geworden, daß man Ruggieri im Hause der Wucherer auf dem Diebstahl ertappt habe, und als dies die Dame und ihre Dienerin hörten, waren sie so erstaunt darüber, daß sie die Vorgänge der letzten Nacht beinahe für einen Traum hielten; und überdies war die Dame über die Gefahr, in der Ruggieri schwebte, so betrübt, daß sie fast den Verstand verlor.

Gegen Mittag kam der Arzt von Malfi nach Hause zurück und verlangte, daß man ihm sein Wasser bringe, weil er seinen Kranken operieren wollte; als er die Flasche leer fand, fing er einen großen Lärm an, daß gar nichts im Hause auf seinem Flecke bleibe. Die Dame, durch ihren Schmerz gereizt, antwortete erzürnt: »Was würdet Ihr erst von etwas Wichtigem sagen, Meister, wenn Ihr schon wegen einer ausgegossenen Wasserflasche einen solchen Lärm anfangt? Gibt es denn kein Wasser mehr in der Welt?« Hierauf sprach der Meister: »Meinst du denn, Frau, das sei klares Wasser gewesen? das ist nicht der Fall; es war ein destilliertes Wasser und ein Schlaftrunk«; und damit erzählte er ihr, aus welchen Gründen er es bereitet hätte. Als die Dame dies gehört hatte, sah sie plötzlich ein, daß Ruggieri es getrunken haben müsse und ihnen deshalb tot erschienen sei, und sprach: »Meister, das wußten wir nicht; bereitet Euch nun eben ein neues.« Der Meister, der einsah, daß nichts anderes zu tun sei, bereitete sich also ein neues.

Kurz nachher kehrte die Dienerin, welche auf Befehl der Dame weggegangen war, um zu erfahren, was man von Ruggieri spreche, zurück und sprach: »Madonna, jedermann spricht Übles von Ruggieri, und soviel ich merken konnte, ist weder ein Freund noch ein Verwandter da, der sich zu seiner Hilfe erhoben hätte oder erheben wollte; man glaubt ganz fest, daß der Blutrichter ihn noch heute enthaupten lassen werde. Außerdem muß ich Euch noch etwas Neues sagen, ich glaube nämlich entdeckt zu haben, wie er in das Haus der Wucherer gelangte. Höret, auf welche Weise! Ihr wisset den Tischler, vor dessen Hause der Kasten stand, in den wir ihn legten; dieser war kurz vorhin mit einem, dem, wie es scheint, der Kasten gehörte, im größten Streit begriffen; denn dieser verlangte das Geld für seinen Kasten, und der Meister behauptete, er habe den Kasten nicht verkauft, sondern man habe ihn ihm des Nachts gestohlen. Hierauf antwortete der andere: »Das ist nicht wahr; du hast ihn vielmehr an die jungen Wucherer verkauft, wie mir diese heute nacht sagten, als ich ihn in ihrem Hause sah, wo man den Ruggieri festnahm.« Hierauf sprach der Tischler: »Sie lügen; ich habe ihn nie an sie verkauft; sondern sie haben ihn mir in der vorigen Nacht gestohlen; gehen wir zu ihnen«; und so gingen sie in Eintracht nach der Wohnung der Wucherer. Auf diese Weise, seht Ihr nun wohl, muß Ruggieri dahin gekommen sein, wo man ihn gefunden hat; wie er aber dort wieder aufwachte, das weiß ich nicht zu sagen.«

Die Dame begriff nun den Hergang der Sache ganz gut und erzählte der Dienerin, was sie vom Meister gehört hatte, und bat sie, zur Rettung Ruggieris mitzuwirken, da es nur an ihr liege, ob sie zu gleicher Zeit Ruggieri retten und ihre Ehre bewahren wolle.

Die Dienerin sprach: »Madonna, unterweist mich, ich will gerne alles tun.« Die Dame, der nicht wenig daran gelegen war, hatte schnell überdacht, was zu tun war, und unterwies die Dienerin aufs genaueste. Diese ging zuerst zum Arzte und sprach mit Tränen: »Mein Herr, ich muß Euch eines großen Fehlers wegen, den ich gegen Euch begangen habe, um Verzeihung bitten.« Der Meister sprach: »Weshalb denn?« Die Dienerin, fortwährend weinend, antwortete: »Ihr habt von dem jungen Ruggieri von Jeroli gehört; dieser fand Gefallen an mir, und teils aus Angst, teils aus Liebe mußte ich dieses Jahr seine Freundin werden: da er nun wußte, daß Ihr gestern abend nicht zu Hause waret, schmeichelte er mir so lange, bis ich ihn in Euer Haus in mein Schlafzimmer führte. Als er nun Durst hatte, und ich nicht wußte, wohin ich in der Geschwindigkeit nach Wein oder Wasser laufen sollte, da ich nicht wollte, daß Eure Gattin, die im Saale war, mich sehe, erinnerte ich mich, daß ich in Eurem Zimmer eine Wasserflasche gesehen hatte, lief hin, gab sie ihm zum Trinken und stellte die Flasche wieder dahin, wo ich sie weggenommen hatte. Nun höre ich, daß Ihr einen großen Lärm im Hause gemacht habt und bekenne auch, daß ich einen Fehler beging; denn wer macht nicht hie und da einen Fehler? Es tut mir sehr leid, daß ich dies getan habe; gleichwohl aber kann sowohl dies als das, was daraus folgte, Ruggieri das Leben kosten. Daher bitte ich Euch aufs dringendste, daß Ihr mir verzeihet und die Erlaubnis gebet, Ruggieri nach meinen Kräften zu Hilfe zu eilen.«

Als der Arzt dies hörte, antwortete er, trotzdem, daß er noch erzürnt war, scherzend: »Du hast dir selbst die Strafe auferlegt; denn während du diese Nacht einen Jüngling bei dir zu haben glaubtest, der dir den Pelz tüchtig ausschütteln werde, hattest du eine Schlafkappe. Daher gehe nur und sorge für die Rettung deines Geliebten; hüte dich aber in Zukunft, ihn in mein Haus zu bringen; denn ich würde dich dann auch noch für diesmal bezahlen lassen.«

Die Dienerin, zufrieden mit dem Gelingen des ersten Versuchs, begab sich, so schnell sie konnte, in das Gefängnis des Ruggieri und schmeichelte dem Gefängniswärter so lange, bis er ihr eine Unterredung mit Ruggieri gestattete. Nachdem sie ihn unterrichtet hatte, was er dem Blutrichter antworten müsse, wenn er frei werden wollte, brachte sie es auch dahin, vor den Blutrichter zu kommen. Dieser wollte, ehe er sie anhörte, da sie frisch und rüstig war, dem guten Kinde zuvor einen Nagel einschlagen; und um nachher besser gehört zu werden, war sie gar nicht spröde. Nach vollbrachter Arbeit sprach sie: »Mein Herr, Ihr habt Ruggieri von Jeroli als Dieb gefangengenommen, und er ist es doch nicht.« Damit erzählte sie von Anfang an die ganze Geschichte bis zum Ende; wie sie, seine Freundin, ihn in die Wohnung des Arztes geführt habe, wie sie ihm den Schlaftrunk, den sie nicht gekannt, zu trinken gegeben, wie sie ihn für tot in den Kasten gelegt; dann erzählte sie, was zwischen dem Meister Tischler und dem Eigentümer des Kastens verhandelt worden war und zeigte so, auf welche Weise Ruggieri in das Haus der Wucherer gekommen sei. Der Blutrichter, der wohl sah, daß es etwas Leichtes sei, zu erfahren, ob dies wahr wäre, fragte zuerst den Arzt, ob das wahr sei, und fand, daß sich dies so verhalte. Hierauf ließ er den Tischler, den Eigentümer des Kastens und die Wucherer holen und fand nach manchem Hin- und Herreden, daß die Wucherer in der vorigen Nacht den Kasten gestohlen und in ihr Haus gebracht hätten. Zuletzt sandte er nach Ruggieri, und auf seine Frage, wo er Abends zuvor sich aufgehalten habe, antwortete jener: wo er sich aufgehalten habe, das wisse er nicht, er könne sich nur erinnern, daß er bei der Dienerin des Meisters Mazzeo habe bleiben wollen, und in ihrem Zimmer infolge großen Durstes Wasser getrunken habe; was von dort aus mit ihm vorgegangen, wisse er nicht, bis er im Hause der Wucherer aufgewacht sei und sich in einem Kasten befunden habe.

Der Richter fand großen Gefallen an dieser Geschichte und ließ die Dienerin, Ruggieri, den Tischler und die Wucherer ihre Aussagen mehrmals wiederholen. Als er endlich einsah, daß Ruggieri unschuldig war, verurteilte er die Wucherer, welche den Kasten gestohlen hatten, zu einer Strafe von 10 Unzen und setzte Ruggieri in Freiheit. Wie froh dieser war, kann sich jeder vorstellen; und auch seine Dame freute sich außerordentlich, oft noch lachte und scherzte die Dame und ihre Dienerin, die ihm Messerstiche hatte versetzen wollen, mit ihm über den fröhlichen Ausgang, und sie setzten ihr vergnügtes und angenehmes Verhältnis fort.

 

4.

Meister Simon, der Arzt, wird unter dem Vorwande, in eine Gesellschaft aufgenommen zu werden, die auf Kaperei ausgeht, von Bruno und Buffalmacco an einen Ort geschickt, wo er von Buffalmacco in eine Mistgrube geworfen und seinem Schicksal überlassen wird

Ich will euch nun von einem erzählen, der es förmlich darauf anlegte, daß ihm ein Possen gespielt würde, und ich glaube nicht, daß diejenigen, die ihm den Streich spielten, zu tadeln, vielmehr, daß sie zu loben sind. Und der, dem dies geschah, war ein Arzt, der, da er ein Schaf war, von Bologna ganz mit Feh bedeckt nach Florenz kam und sich dort niederließ. Wie wir es alle Tage sehen, kehren unsere Bürger als Richter, Ärzte und Notare in langen weiten Gewändern, in Scharlach und Feh oder sonstwie prunkvoll und stattlich gekleidet, aus Bologna hierher zurück, und wenn ihre Praxis sich gut anläßt, können wir sie so den ganzen Tag sehen.

Unter diesen war auch ein Meister Simon von Villa, reicher an väterlichen Gütern, als an Wissenschaft, der vor noch nicht langer Zeit in Scharlach gekleidet und mit einer großen Kapuze am Doktormantel, als Doktor der Medizin, wie er selbst sagte, nach Florenz zurückkehrte und ein Haus in der Straße bezog, die wir heute die Via del Cocomero nennen. Dieser, wie gesagt, frisch zurückgekehrte Meister Simon hatte, abgesehen von andern bemerkenswerten Gewohnheiten, auch die, denjenigen, der gerade bei ihm war, zu fragen, wer die Leute seien, die er just auf der Straße vorübergehen sah, und gleich als müsse er die Medizinen, die er den Kranken zu geben hatte, nach dem Gehaben der Menschen bereiten, richtete er seine Aufmerksamkeit darauf und merkte sich alles. Unter anderem richtete er sein besonderes Augenmerk auf zwei Maler, nämlich Bruno und Buffalmacco, die man immer zusammen sah und die seine Nachbarn waren. Und da es ihm schien, als machten diese sich weniger Sorgen als irgendwer und lebten vergnügter als andere – was sie auch wirklich taten – fragte er mehrere Leute nach ihren Verhältnissen, und alle sagten ihm, es wären arme Teufel und Maler. Da dachte er, es könne doch wohl nicht gut möglich sein, daß sie von ihrer Armut so vergnüglich lebten, er hielt sie, nach dem, was er von ihnen gehört hatte, vielmehr für listige Vögel, die aus irgend etwas, wovon kein Mensch wußte, große Gewinne ziehen mußten. Darum erwachte in ihm der Wunsch, wenn möglich mit beiden, wenigstens aber mit einem von ihnen vertrauter zu werden, und es gelang ihm auch wirklich mit Bruno in nähere Beziehungen zu treten.

Allein Bruno hatte es schon nach ganz wenigen Malen des Zusammenseins weg, daß dieser Arzt ein dummes Vieh war, und fing an, an ihm und seinen einfältigen Reden den größten Spaß von der Welt zu haben, wie andererseits der Arzt außerordentliches Gefallen an ihm fand. Nachdem er Bruno einige Male zum Essen eingeladen hatte und daher glaubte, schon etwas vertrauter mit ihm reden zu können, gestand er ihm, wie sehr er sich über ihn und Buffalmacco wundere, daß sie, obwohl sie doch arme Leute, so lustig lebten und bat ihn, ihm doch zu sagen, wie sie das anstellten. Bruno, dem diese Frage des Arztes ebenso töricht und sinnlos vorkam wie alle anderen, fing an zu lachen und dachte so zu antworten, wie seine Dummheit es verdiente – er sagte daher: »Meister, vielen Leuten würde ich es gar nicht sagen, wie wir das anfangen, Euch jedoch, der Ihr mein Freund seid und es, wie ich weiß, keinem andern wiedersagen werdet, sage ich es ohne Bedenken. Es ist wahr, wir, mein Kumpan und ich, leben so lustig und gut, wie es Euch vorkommt, ja noch weit besser, doch weder von unserer Kunst noch von dem Ertrage, den wir aus einigen Besitzungen ziehen, könnten wir auch nur das Wasser bezahlen, das wir verbrauchen – Ihr dürft deswegen aber nicht glauben, daß wir aufs Stehlen ausgehen, nein, sondern wir gehen auf Kaperei aus, und aus ihr ziehen wir alles, was uns Vergnügen macht oder was wir brauchen, ohne daß irgendwer Schaden davon hätte, und daher kommt unser vergnügtes Leben, das Ihr seht.«

Der Arzt verwunderte sich nicht wenig, als er dies hörte, und glaubte es ihm aufs Wort, ohne zu wissen, was es damit für eine Bewandtnis habe. Darum erwachte sogleich in ihm der heiße Wunsch, zu erfahren, was das sei: auf Kaperei ausgehen. Er bat ihn daher inständig, es ihm doch zu sagen und versicherte ihm, er würde es keinem Menschen verraten. »Aber Meister!« rief da Bruno, »was verlangt Ihr von mir?! Was Ihr wissen wollt, ist ein zu großes Geheimnis, und wenn es ein Dritter erführe, würde es mich zugrunde richten und mir das Leben kosten, ja mich sogar dem Luzifer von San Gallo in den Rachen jagen. Aber so groß ist die Liebe, die ich zu Eurer Kürbisköpfigkeit aus Holzhausen hege und das Zutrauen, das ich in Euch setze, daß ich Euch keinen Wunsch abschlagen kann, und darum will ich's Euch sagen, aber unter der Bedingung, daß Ihr mir bei dem Kreuz auf dem Dummelsberge schwört, daß Ihr es, wie Ihr versprochen habt, niemals ausplaudert.« Und der Meister versicherte, er würde es nicht tun. »Da sollt Ihr dann also«, begann Bruno, »mein zuckersüßer Meister, wissen, daß vor noch nicht langer Zeit in dieser Stadt ein großer Meister in der Geisterbeschwörungskunst lebte, welcher den Namen Michael Scott führte, weil er aus Schottland war. Von vielen vornehmen Männern, deren heute noch wenige leben, wurden ihm große Ehrenbezeugungen zuteil, und als er Florenz verlassen wollte, ließ er auf ihre dringenden Bitten zwei seiner tüchtigsten Schüler zurück, denen er auftrug, diesen edlen Männern, welche ihn so geehrt hätten, stets und in jeder Beziehung zu Gefallen zu sein. Diese dienten also den genannten Edelleuten in einigen ihrer Liebeshistorien und anderen Sächelchen sehr bereitwillig. Als ihnen dann die Stadt und die Sitten ihrer Bewohner gefielen, beschlossen sie, für immer dazubleiben und knüpften große und enge Freundschaften mit einigen an, ohne danach zu fragen, wer sie wären, ob vornehm oder nicht vornehm, ob reich oder arm – nur darauf kam es ihnen an, daß es Leute wären, welche sich für ihre Lebensart schickten. Um diesen ihren Freunden nun gefällig zu sein, gründeten sie eine Gesellschaft von etwa 25 Männern, die sich wenigstens zweimal in jedem Monat an einem von ihnen bestimmten Orte zusammenfinden sollten, wo ein jeder ihnen seinen Wunsch sagen mochte, den sie dann in derselben Nacht schnell erfüllen wollten. Da ich und Buffalmacco mit diesen beiden nun in ganz besonderer Freundschaft und Vertraulichkeit leben, wurden wir von ihnen in diese Gesellschaft aufgenommen und gehören ihr noch an. Und ich sage Euch, wenn wir uns versammeln ist es ein Wunder, die Wandbehänge in dem Saale, in dem wir speisen, die nach königlicher Weise besetzten Tische, die Menge der edlen und schönen Diener männlichen und weiblichen Geschlechts nach eines jeden Gefallen, der zu dieser Gesellschaft gehört, die Becken, Krüge, Flaschen, Gläser und das andere goldene und silberne Geschirr, von dem wir essen und trinken, und überdies noch die vielen und mannigfaltigen Speisen, die jedem nach seinem Wunsch – eine jede zu ihrer Zeit – vorgesetzt werden, zu sehen. Ich könnte Euch nimmermehr schildern, wie groß und schön die Fülle der Töne aus unendlich vielen Instrumenten und wie melodienreich die Gesänge sind, die man dort zu hören bekommt, noch wieviel mehr Wachskerzen bei diesen Abendmahlzeiten brennen, noch wieviel Konfekt dort verzehrt wird und wieviel köstliche Weine dort getrunken werden. Und ich möchte nicht gerne, meine liebe Salzmetze, daß Ihr glaubt, wir wären dort in diesen Röcken und diesen Kleidern, die Ihr hier seht, nein – keiner ist so schlecht gekleidet, daß Ihr ihn nicht für einen Kaiser halten könntet, mit so kostbaren Gewändern und so schönem Schmuck sind wir angetan. Aber über alle anderen Freuden, die wir dort genießen, gehen noch die an den schönen Frauen, welche so schnell, als es nur einer haben will, dort aus der ganzen Welt zusammenkommen.

Da könntet Ihr Madame Wackelbart, die Königin der Schlaraffen, die Frau des Sultans, die Kaiserin von Osbech, die Plapperschnut von Nirgendland, die Urschel von Faschingsstadt und Runzelpunzel aus Sprungreich versammelt sehen. Doch was zähle ich sie Euch auf! Sämtliche Königinnen der Welt sind da, den Betthasen des Pfaffen Hans nicht ausgenommen, dem die Hörner mitten aus dem Hintern rausstehen.

Doch hört jetzt weiter! Haben sie nun getrunken und Konfekt genascht, einen oder zwei Tänze gemacht, jede mit dem, auf dessen Vorladung sie hin gekommen, so sucht alles seine Schlafkammer auf. Und denkt Euch nun: in diesen Schlafkammern glaubt man ein Paradies zu sehen, so schön sind sie, und nicht weniger wohlriechend sind sie als die Büchsen mit den Spezereien Eurer Apotheke, wenn Ihr den Kümmel stoßen laßt. Und dann sind Betten da, die Euch schöner vorkommen würden als das des Dogen von Venedig, und in diese legt man sich hinein. Ihr könnt Euch denken, wie tüchtig dann die Weberinnen den Zettel treten und wie fest sie den Kamm an sich heranziehen, um das Tuch recht dicht zu machen. Diejenigen aber, die es meiner Meinung nach am besten haben, sind wir beide, Buffalmacco und ich; denn Buffalmacco läßt sich meist die Königin von Frankreich kommen und ich für mich die von England, welches die beiden schönsten Frauen von der ganzen Welt sind; und wir haben es auch dahin zu bringen gewußt, daß sie für keinen andern Augen im Kopfe haben als für uns.

Ihr könnt Euch daher vorstellen, daß wir fröhlicher als andere Menschen leben und sein können, die wir die Liebe zweier solcher Königinnen besitzen, ganz abgesehen davon, daß, wenn wir tausend oder zweitausend Florinen von ihnen haben wollen, wir sie sofort bekommen.

Dies nennen wir nun gewöhnlich: auf Kaperei ausgehen, denn wie die Korsaren einem jeden sein Hab und Gut nehmen, machen wir es zwar ebenso, unterscheiden uns von ihnen jedoch darin, daß, während sie es niemals wiedergeben, wir es zurückerstatten, nachdem wir Gebrauch davon gemacht haben. Nun, mein wackerer Meister, habt Ihr gehört, was wir »auf Kaperei ausgehen« nennen; und Ihr könnt leicht einsehen, wie sehr dies geheimgehalten sein will – und deshalb sage ich Euch nichts weiter darüber und bitte Euch nicht noch einmal darum.«

Der Meister, dessen Wissen vielleicht nicht weiter reichte, als die Kinder vom Grind zu kurieren, schenkte den Worten Brunos solchen Glauben, wie nur die größte Wahrheit ihn verdient hätte, und es erwachte in ihm eine so glühende Sehnsucht, in diese Gesellschaft aufgenommen zu werden, wie sie sich nur nach dem Allerbegehrenswertesten entzünden könnte. Und so gab er Bruno zur Antwort, da wäre es freilich kein Wunder, wenn sie guter Dinge wären. Und nur mit großer Mühe konnte er sich zurückhalten, ihn jetzt schon zu bitten, es doch einzurichten, daß er daran teilnehme, und beschloß zu warten, bis er, nachdem er ihm noch mehr Ehre erwiesen haben würde, seine Bitte mit größerer Zuversicht vorbringen könnte. Indem er nun seinen Wunsch so zurückdrängte, setzte er den Umgang mit Bruno fort, hatte ihn oft zu Mittag und Abend bei sich zum Essen und bewies ihm die denkbar größte Liebe. Und dieser ihr Umgang war so intim und so fortgesetzt, daß es schien, als könne der Meister ohne Bruno gar nicht mehr leben. Da Bruno sich dabei recht wohl fühlte, hatte er ihm, um angesichts der ihm von dem Arzte erwiesenen Ehre nicht undankbar zu erscheinen, in einem Saale die Fasten, über dem Eingang des Zimmers ein Agnus Dei und über der Haustür ein Uringlas gemalt, damit die seines Rates Bedürftigen ihn vor den anderen herauszukennen vermöchten. In einer kleinen Loggia aber hatte er ihm den Mäuse- und Katzenkrieg gemalt, ein Bild, das dem Arzte ganz vortrefflich schien.

Einmal, als er nicht bei ihm zu Abend gegessen hatte, sagte er zu Meister Simon: »Diese Nacht war ich in der Gesellschaft und da ich der Königin von England ein wenig überdrüssig war, ließ ich mir die Gumedra des Groß-Khans von Tarisi kommen.« »Was ist das, Gumedra?« fragte da der Meister, »ich verstehe diesen Namen nicht.«

»Oh, lieber Meister«, antwortete Bruno darauf, »das wundert mich nicht: denn Popokrates und Affenzehn sagen kein Wort davon.« »Du willst sagen Hippokrates und Avicenna«, berichtigte der Arzt. »Wahrhaftig, ich weiß nicht«, antwortete Bruno, »ich verstehe mich ebenso schlecht auf Eure Namen, wie Ihr Euch auf meine. Aber Gumedra will in der Sprache des Groß-Khans soviel sagen, wie Kaiserin in unserer. Oh, sie würde Euch als das schönste Weibsmensch erscheinen, das es gibt! Ich kann Euch versichern, sie würde Euch alle Eure Pulver und Klystiere und Pflaster aus dem Kopfe bringen.« Und nachdem er ihm nochmals ähnliche Dinge erzählt hatte, um seine Begierde noch zu steigern, entschloß sich unser Herr Meister, als er wieder einen Abend mit ihm verbrachte, während Bruno an der Katzen- und Mäuseschlacht malte, und er ihm das Licht dazu hielt, weil er ihn durch seine Ehrungen hinlänglich gewonnen zu haben glaubte, sein Herz zu öffnen, und sagte, als sie allein waren, zu ihm: »Bruno, Gott weiß es, es lebt kein Mensch auf der Welt, für den ich alles so gern täte wie für dich, und wenn du mir sagtest, ich solle von hier bis Peretola gehen – ich glaube fest, ich ginge hin, und darum wundere dich nicht, wenn ich dich ganz freundschaftlich und mit Zuversicht um etwas bitte. Wie du weißt, ist es noch nicht lange her, daß du mir einmal Einzelheiten über Eure lustige Gesellschaft erzähltest und da ist mir ein so lebhafter Wunsch gekommen, mit von der Partie zu sein, daß ich noch nie ein so sehnliches Verlangen gespürt habe. Und das hat seinen guten Grund, wie du sehen wirst, wenn ich einmal an der Gesellschaft teilnehme; denn du sollst mich von jetzt ab einen Narren heißen, wenn ich Euch nicht das schönste Mädchen, das du seit geraumer Zeit gesehen hast, kommen lasse. Ich habe es erst vergangenes Jahr in Cacavincigli gesehen und ihm mein Herz zugewandt. Und beim Leibe Christi, ich wollte ihr 10 Bologneser Dickgroschen geben, wenn sie mir zu Willen wäre, aber sie wollte nicht. Und darum bitte ich dich, so sehr ich kann, lehre mich, was ich zu tun habe, um dabei sein zu können, und mach und bewerkstellige auch du es, daß ich es erreiche, denn Ihr werdet an mir gewißlich einen guten und treuen Kumpanen haben, der Euch Ehre macht. Du siehst vor allen Dingen, was für ein schmucker Mann ich bin und auf was für schönen Beinen meine Gestalt steht: Ich habe ein Gesicht wie eine Rose, und überdies bin ich ein Doktor der Medizin, wie ich nicht glaube, daß Ihr einen habt, und weiß viele hübsche Geschichten und nette Liedchen, von denen ich dir eines vorsingen will.« – Und alsbald begann er zu singen. Bruno hatte so große Lust, zu lachen, daß er sich kaum bezwingen konnte; dennoch aber hielt er an sich.

Nachdem das Lied dann zu Ende war und der Meister fragte: »Was hältst du davon?« sagte Bruno: »Gegen Euch würden die Zithern aus Moorhirschalmen sicherlich nicht aufkommen können, so erstaunlich und über die Maßen lieblich habt Ihr gesungen.« Worauf der Meister: »Ich sage es ja, du hättest es nimmermehr geglaubt, wenn du mich nicht gehört hättest.«

»Ja wahrlich, Ihr habt recht!« entgegnete Bruno.

»Ich weiß auch wohl noch andere«, fuhr der Meister fort, »aber sehen wir jetzt davon ab. So wie du mich hier siehst, war mein Vater ein Edelmann, obgleich er auf dem Lande wohnte, und mütterlicherseits stamme ich von denen von Valecchio. Und wie du wohl bemerkt hast, besitze ich die schönsten Bücher und die schönsten Kleider von allen Ärzten in Florenz. Bei Gott, ich habe Sachen, die alles in allem schon vor mehr als 10 Jahren an hundert Lire in venezianischen Hellern gekostet haben. Und darum bitte ich dich, so sehr ich kann, mach', daß ich in die Gesellschaft hineinkomme, und bei Gott! wenn du es dahin bringst, so magst du krank sein, soviel du willst – ich werde für meine Kunst keinen Heller dafür nehmen.«

Als Bruno dies hörte, sah er sich in seiner Ansicht von der abgrundigen Dummheit des Arztes wieder einmal bestärkt und sagte zu ihm: »Meister, haltet das Licht etwas mehr nach dieser Seite und laßt es Euch nicht verdrießen, bis ich diesen Mäusen die Schwänze gemalt habe, und dann will ich Euch antworten.«

Als dann die Schwänze fertig waren, tat Bruno, als verursache ihm die Bitte große Verlegenheit und sagte schließlich: »Lieber Meister, viel ist's was Ihr für mich tun würdet – ich zweifle nicht daran, dessen ungeachtet aber ist das, was Ihr von mir fordert, wenngleich es für die Größe Eures Verstandes eine Kleinigkeit ist, für mich etwas sehr Großes. Ich weiß keinen Menschen auf der Welt, für den ich es lieber täte als für Euch, wenn ich es vermöchte, teils weil ich Euch in solchem Maße liebe, wie es Euch zukommt, teils um Eurer Worte willen, in denen ein so tiefer Sinn verborgen liegt, daß sie Erzbetschwestern aus den Stiefeln herausziehen, um wieviel mehr mich von meinem Vorsatze abbringen könnten; und je mehr ich mit Euch verkehre, desto weiser kommt Ihr mir vor. Und ferner erkläre ich Euch: wenn auch nichts andres mich veranlaßte, Euch gut zu sein, so will ich Euch darum schon wohl, weil ich sehe, daß Ihr in eine so herrliche Kreatur verliebt seid, wie Ihr sagt. Soviel aber will ich Euch sagen: ich vermag in dieser Sache nicht so viel, wie Ihr meint, und daher kann ich für Euch auch nicht das tun, was geschehen müßte. Aber wenn Ihr mir auf Euer weites und rissiges Gewissen versprecht, es geheimzuhalten, so will ich Euch die Art und Weise angeben, die Ihr beobachten müßt, und dann halte ich es für ganz gewiß, daß es Euch, da Ihr so schöne Bücher habt und auch noch andere Sachen, wie Ihr mir vorhin sagtet, gelingen werde.«

Hierauf ermunterte ihn der Meister, indem er rief: »Sag es nur unbesorgt! Ich sehe schon, du kennst mich doch noch nicht so recht und weißt noch nicht, wie sehr ich dicht halten kann. Nur wenig tat Messer Guasparruolo von Saliceto, als er Richter der Stadthauptmannschaft Forlimpopoli war, was er mir nicht sogleich anvertraut hätte; denn er fand, daß ich ein trefflicher Vertrauter sei. Und willst du sehen, ob ich die Wahrheit spreche? – Ich war der erste Mensch, dem er sagte, daß er im Begriff sei, die Bergamina zu heiraten. Siehst du jetzt?«

»Oh, dann allerdings!« rief Bruno aus – »wenn er Euch darin vertraut hat, kann ich es wohl auch unbesorgt tun. Folgenden Weg also müßt Ihr einschlagen: Wir haben in unserer Gesellschaft immer einen Kapitän und zwei Räte, welche alle sechs Monate wechseln, und ohne Zweifel werden mit dem Ersten Buffalmacco Kapitän und ich Rat werden; denn so ist es beschlossen. Und wer Kapitän ist, hat einen großen Einfluß darauf, daß der, den er wünscht, aufgenommen wird. Und daher meine ich, daß Ihr Euch alle Mühe geben sollt, Freundschaft mit Buffalmacco zu schließen und ihn zu ehren. Er ist ein Mensch, der, wenn er sieht wie weise Ihr seid, Euch sogleich lieb gewinnen wird, und wenn Ihr mit ihm, vermöge Eures Verstandes und durch die schönen Sachen, die Ihr besitzt, werdet vertrauter geworden sein, dann könnt Ihr ihn ja bitten, und er wird es Euch gewiß nicht abschlagen. Ich habe mit ihm bereits über Euch gesprochen, und er will Euch sehr wohl. Und wenn Ihr soweit seid, so laßt mich mit ihm das Weitere bewerkstelligen.« »Dein Vorschlag gefällt mir sehr«, entgegnete darauf der Meister, »und ist er ein Mann, der kluge Leute liebt und redet mit mir dann nur ein paar Worte, so will ich es schon dahin bringen, daß er mich immer besuchen kommt; denn ich besitze so viel Verstand, daß ich einer ganzen Stadt damit aushelfen könnte und doch immer sehr klug bleiben würde.«

Nachdem dies vereinbart war, erzählte Bruno die ganze Geschichte haarklein dem Buffalmacco, und dieser konnte es kaum erwarten, zu tun, was Meister Dummbart begehrte. Der Arzt, der über alle Maßen begierig war, auf Kaperei auszugehen, ließ nicht eher locker, als bis Buffalmacco sein Freund geworden war, und das gelang ihm leicht. Er begann damit, ihm die schönsten Abendessen und die leckersten Mittagsmahlzeiten von der Welt zu geben und gleichzeitig auch Bruno. Und sie machten es ihm gegenüber, wie jene Herren, die, wenn sie treffliche Weiber, fette Kapaunen und andere schöne Sachen wittern, sich in möglichster Nähe halten und, ohne sich lange drängen zu lassen dableiben.

Als der Meister den Zeitpunkt für günstig hielt, richtete er, wie Bruno es ihm geraten hatte, seine Bitte an Buffalmacco. Dieser tat darüber höchst aufgebracht und machte Bruno einen großen Schweinehund, indem er rief: »Ich schwöre es beim Herrgott von Pasignano, daß ich kaum an mich halten kann, dir nicht so über den Schädel zu hauen, daß dir die Nase auf die Hacken fällt, du Verräter! Wer anders als du hat dies dem Meister verraten?« Doch der Meister entschuldigte ihn nach Kräften, sagte und schwor, er habe es anders woher erfahren. Und nach einem großen Aufwand seiner weisen Worte, gelang es ihm endlich, ihn zu beruhigen. Und wieder zum Arzt gewandt, sagte Buffalmacco: »Lieber Meister, da merkt man's, daß Ihr in Bologna gewesen seid und die Verschwiegenheit bis in unsere Stadt mitgebracht habt, ja noch mehr: Ihr habt das ABC gewiß nicht in der Klippschule gelernt, wie das bei vielen Unverständigen der Fall ist, Ihr habt es vielmehr auf der Unversteht gelernt, weil es so lang ist, und sicherlich seid Ihr auch auf einen Sonntag getauft? Und obwohl mir Bruno gesagt hat, Ihr hättet in Bologna Medizin studiert, so will mich's doch bedünken, als hättet Ihr darauf studiert, die Menschen zu fangen, was Ihr besser als irgendein andrer, mit Eurem Verstände und Eurem Reden versteht.«

Der über die Schmeichelei entzückte Arzt, ließ ihn nicht ausreden und sagte zu Bruno gewandt: »Wie herrlich ist es doch mit weisen Männern zu reden und umzugehen! Wer hätte wohl so bald jede Besonderheit meines Verstandes aufgefaßt, wie dieser wackere Mann da? Du hast durchaus nicht so schnell gemerkt, was ich wert war, wie er. Aber sag doch wenigstens, was ich dir gegenüber äußerte, als du mir mitteiltest, daß Buffalmacco an klugen Männern seine Freude habe. Meinst du nicht, daß es mir gelungen ist? »Ganz vortrefflich«, versicherte Bruno. Hierauf wandte sich der Meister zu Buffalmacco und erklärte: »Noch ganz anders würdest du gesprochen haben, wenn du mich in Bologna gesehen hättest, woselbst es keinen Hohen und keinen Niedrigen gab, keinen Doktor und keinen Studenten, der mir nicht wohl gewollt hätte, so sehr wußte ich alle durch meine Unterhaltung und durch meinen Verstand zu fesseln. Ja, ich will dir noch mehr sagen: ich sprach daselbst auch nicht ein Wort, worüber ich nicht jeden Menschen lachen gemacht hätte, so sehr gefiel es ihnen; und als ich wegging, schwammen alle in Tränen und wünschten, daß ich doch nur dableiben möchte, ja sie gingen sogar soweit, daß sie mich, damit ich nur dort bliebe, allein vor allen Studenten, die dort waren, über Medizin lesen lassen wollten. Aber ich wollte nicht; denn ich war fest entschlossen, hierherzukommen, um die sehr großen Erbgüter zu übernehmen, die sich immer im Besitze meiner Familie befunden haben, und also tat ich.«

Da sprach Bruno zu Buffalmacco: »Was sagst du nun? Du glaubtest es mir nicht, als ich es dir sagte. Bei den Evangelien, es gibt in dieser Stadt keinen Arzt, der sich besser auf Eselsurin verstände als dieser, und sicherlich würdest du von hier bis zu den Toren von Paris nicht seinesgleichen finden. Versuch's doch einmal, das nicht zu tun, was er wünscht!«

»Bruno spricht die Wahrheit«, erklärte der Arzt, »aber ich werde hier nicht verstanden. Ihr seid ziemlich ungebildete Leute, aber ich wünschte, Ihr sähet mich einmal unter Doktoren, wo ich in meinem Element bin.« »Wahrhaftig, Meister!« rief da Buffalmacco, »Ihr wißt noch weit mehr, als ich je gedacht hätte. Daher sage ich Euch, so konfus wie man zu weisen Männern sprechen muß, daß ich es ohne Zweifel dahin bringen werde, daß Ihr in unserer Gesellschaft Aufnahme findet!«

Die Ehren, welche der Arzt den beiden erwies, wurden nach diesen Versprechungen immer vielfältiger, und indem sie sie genossen, banden sie ihm die größten Bären von der Welt auf und versprachen, ihm die Gräfin Klosetska zu geben, welches das schönste Geschöpf wäre, das man unter den menschlichen Hemigloben finden könne.

Da fragte der Arzt, wer diese Gräfin sei. »Liebe Familienkerze«, antwortete ihm Buffalmacco, »das ist eine gar große Dame, gibt es doch wenig Häuser in der Welt, wo sie nicht ihre Rechte hätte, selbst die Minoritenbrüder zahlen ihr mit Paukenschall ihren Tribut. Und ich kann Euch wohl versichern, daß, wenn sie herumzieht, sie sich durch ihren Geruch zu erkennen gibt, obwohl sie sich meist verborgen hält. Doch ist es noch nicht lange her, daß sie eines Nachts hier vor der Tür vorbeikam, um sich im Arno die Füße zu waschen und ein wenig frische Luft zu schöpfen: Aber ihren dauerndsten Aufenthalt hat sie im Laterin. Indessen gehen ihre Sergeanten oftmal herum, und alle tragen zum Beweise ihrer Herrschaft Besen und Eimer. Von ihren Baronen sieht man überall eine Menge, als da sind der Nachtwächter am Tore, Ritter Wurst, Herr Besenstiel, der Dünnmeier und andere, die, wie ich glaube, mit Euch befreundet sind, wenn Ihr Euch augenblicklich ihrer auch nicht erinnert. Dieser so großen Dame also werden wir Euch, wenn Ihr die von Cavavincigli werdet haben fahren lassen, in die süßen Arme werfen, sofern sich unser Gedanke verwirklichen läßt.«

Der Arzt, der in Bologna geboren und aufgewachsen war, verstand ihre Bezeichnungen nicht und erklärte sich daher mit der Dame zufrieden. Nicht lange nach diesem Gespräch teilten ihm die Maler mit, daß er aufgenommen werden solle. Und als der Tag kam, da sie sich in der folgenden Nacht versammeln sollten, hatte der Meister sie alle beide zum Mittagessen bei sich, und nachdem sie gegessen hatten, fragte er sie, wie er sich denn zu verhalten habe, um in die Gesellschaft hineinzukommen. Da sagte Buffalmacco: »Seht, lieber Meister, Ihr müßt nur recht beherzt sein: denn würdet Ihr es nicht sein, so könnte sich Euch ein Hindernis in den Weg stellen und könntet Ihr uns den größten Schaden zufügen, und wobei Ihr den größten Mut zeigen müßt, das sollt Ihr nun hören: Ihr müßt ein Mittel finden, daß Ihr Euch diese Nacht, wenn alles im ersten Schlafe liegt, auf einem der Grabhügel einfindet, welche unlängst bei Santa Maria Novella aufgeworfen worden sind, und zwar in einem Eurer besten Gewänder, damit Ihr das erstemal stattlich vor der Gesellschaft erscheint, und auch, weil (nach dem was uns gesagt wurde: denn wir waren nicht dabei) die Gräfin die Absicht hat, da Ihr doch ein Edelmann seid, Euch auf ihre Kosten zum Ritter vom Bade zu schlagen. Dort wartet Ihr dann bis derjenige zu Euch kommt, den wir Euch senden werden. Es wird – damit Ihr von allem unterrichtet seid – ein schwarzes gehörntes, nicht sehr großes Tier erscheinen, auf dem Platze vor Euch gewaltig umherschnaufen und – springen, um Euch zu erschrecken, aber dann, wenn es sehen wird, daß Ihr Euch nicht fürchtet, wird es sich Euch ganz still nähern. Und wenn es sich Euch genähert hat, dann steigt ohne die mindeste Furcht von dem Grabe herunter und setzt Euch, ohne Gott und die Heiligen anzurufen, auf das Tier, und wenn Ihr Euch zurecht gesetzt habt, so kreuzt die Arme über der Brust, als wolltet Ihr eine ehrerbietige Verbeugung machen, ohne das Tier weiter noch zu berühren. Es wird sich alsdann ganz sanft in Bewegung setzen und Euch zu uns bringen. Solltet Ihr aber unterwegs Gott oder die Heiligen anrufen, so könnte es Euch – ich sage es Euch ausdrücklich – wohl an einen anderen Ort werfen oder stoßen, der Euch übel röche. Wenn Ihr Euch daher nicht zutraut, recht beherzt zu sein, so geht nicht hin, denn Ihr werdet Euch schaden, ohne uns irgendwie zu nützen.«

»Ihr kennt mich noch nicht«, erwiderte da der Arzt. »Ihr seht mich wohl zweifelnd an, weil ich Handschuhe und lange Gewänder anhabe. Wenn Ihr aber wüßtet, was ich seinerzeit bei Nacht in Bologna vollführt habe, wenn ich, wie so manchesmal, mit meinen Kumpanen zu den Frauenzimmern ging, so würdet Ihr staunen. Bei Gott, es war mal in einer Nacht, daß eine nicht mit uns gehen wollte (es war ein Hürlein, kaum eine Spanne hoch), da verabreichte ich ihr erst eine Menge Faustschläge, dann hob ich sie hoch und trug sie, glaube ich, einen Bolzenschuß weit, bis ich es dahin brachte, daß sie doch mit uns ging.

Ein andermal, erinnerte ich mich, ging ich, ohne daß noch jemand bei mir gewesen wäre außer meinem Diener, dort kurz nach dem Ave Maria an dem Minoritenfriedhof vorbei, wo am gleichen Tage eine Frau begraben worden war, und hatte trotzdem nicht die mindeste Furcht. Macht Euch darüber also keine Sorgen: denn ich bin sehr beherzt und tapfer. Und sag ich Euch: um dort recht stattlich zu erscheinen, werde ich mein Scharlachgewand anziehen, in dem ich den Doktorhut erhielt, und dann will ich doch sehen, ob die Gesellschaft sich nicht freut, wenn sie meiner ansichtig wird, und ob sie mich nicht über Hals und Kopf zum Kapitän macht. Ihr werdet sehen, wie sich die Sache noch weiter entwickeln wird, wenn ich erst mal dort gewesen bin, da die Gräfin, noch ehe sie mich überhaupt gesehen hat, so in mich verliebt ist, daß sie mich zum Ritter vom Bade machen will. Ob mir dann diese Ritterschaft schlecht anstehen wird und ob ich sie schlecht werde behaupten können oder gut, das laßt nur meine Sorge sein.«

»Vortrefflich gesprochen«, erwiderte Buffalmacco, »aber seht Euch vor, daß Ihr uns keinen Possen spielt und etwa nicht hinkommt oder nicht zu finden seid, wenn wir nach Euch schicken – ich sage Euch das, weil es kalt ist, und Ihr Herren Ärzte Euch sehr vor der Kälte scheut.« »Gott bewahre«, rief der Arzt, »ich gehöre nicht zu diesen Verfrorenen; die Kälte kümmert mich nicht. Kommt es doch selten vor, wenn ich mich des Nachts erhebe, um ein Bedürfnis zu befriedigen, wie das beim Menschen zuweilen der Fall, daß ich mehr als meinen Pelz über das Wams ziehe – ich werde daher ganz bestimmt dort sein.«

Nachdem die beiden nun fortgegangen waren und es Nacht geworden, schützte unser Meister seiner Frau gegenüber allerlei Gründe vor, weshalb er ausgehen müsse, nahm heimlich, als er glaubte, daß es an der Zeit sei, sein schönes Gewand hervor und zog es an, worauf er sich auf eines der genannten Gräber begab und auf einer der Marmorplatten zusammengekauert – die Kälte war nämlich groß – das Tier zu erwarten begann.

Buffalmacco, der groß und von kräftigem Körperbau war, suchte sich eine jener Masken zu verschaffen, die man zu gewissen Spielen zu gebrauchen pflegte, welche heutzutage nicht mehr üblich sind, und zog einen schwarzen Pelz verkehrt an, so daß er wie ein Bär aussah, nur daß seine Gesichtsmaske ein Teufelantlitz zeigte und gehörnt war. In diesem Aufzug begab er sich dem neuen Platze von Santa Maria Novella, während Bruno in einiger Entfernung folgte, um zu sehen, wie die Sache ablaufen würde. Und nachdem er wahrgenommen hatte, daß der Herr Doktor da war, fing er an, gewaltige Sprünge zu machen, auf dem Platze herumzutoben, zu schnauben, zu heulen und zu kreischen, als wenn er vom Satan besessen wäre.

Als der Meister ihn sah und hörte, richteten sich ihm alle Haare zu Berge, und er fing an am ganzen Leibe zu zittern, sintemal er furchtsamer war als ein Weib: in diesem Augenblick wäre er lieber zu Hause gewesen als hier. Allein nicht nur, weil er nun einmal hergekommen war, bezwang er seine Angst, sondern auch infolge seines Verlangens, die Wunder zu sehen, von denen ihm die beiden erzählt.

Nachdem jedoch Buffalmacco, wie gesagt, eine Zeitlang herumgetobt hatte, tat er, als würde er etwas ruhiger, näherte sich dem Grabe, auf dem der Meister saß, und stand dann still. Der Arzt, der vor Furcht am ganzen Leibe zitterte, wußte nicht, was er tun sollte, ob aufsteigen oder abwarten. Schließlich aber, da er besorgte, das Tier möchte ihm etwas Böses zufügen, wenn er nicht aufstiege, verscheuchte er mit der zweiten Furcht die erste, stieg vom Grabe herunter und setzte sich, indem er murmelte: »Gott steh mir bei!« hinauf und zurecht und kreuzte, immer noch heftig zitternd, die Arme über der Brust, wie es ihm geheißen worden war. Buffalmacco nahm nun ganz ruhig seinen Weg nach Santa Maria della Scala zu und trug ihn auf allen vieren bis in die Nähe des Klosters der Frauen von Ripoli. Es befanden sich aber damals in jener Gegend Gruben, in welche die Landleute, welche die Felder dort bebauten, die Leibrenten der Gräfin Klosetska ausleeren ließen, um ihre Äcker damit zu düngen. Als Buffalmacco in ihre Nähe gekommen war, hielt er sich möglichst am Rande einer derselben, um, nachdem er den richtigen Augenblick abgepaßt, einen der Füße des Arztes zu packen und den Unglücklichen mit einem Wuppdich hinunterzuwerfen, so daß er recht eigentlich kopfüber hineinflog.

Drauf fing er wieder an laut zu knurren, herumzuspringen und zu toben: endlich aber ging er davon und an Santa Maria della Scala vorbei nach der Wiese von Ognissanti, wo er Bruno fand, der, da er das Lachen nicht mehr zurückhalten konnte, davongelaufen war. Und beide paßten mit dem größten Vergnügen von der Welt auf, was der im Teig sitzende Arzt machen würde. Sobald der Herr Medikus merkte, daß er sich an einem so abscheulichen Orte befand, bemühte er sich wieder in die Höhe zu kommen und suchte sich auf alle Art zu helfen, um herauszugelangen. Und nachdem er mehrmals wieder zurückgeplumpst war, glückte es ihm endlich, von Kopf bis zu Fuß mit Kot überzogen, traurig und unglücklich, herauszukommen, doch nicht ohne einige Quentlein hinuntergeschluckt zu haben. Seine Kappe ließ er zurück. Er strich sich nun den Teig, so gut er konnte, mit den Händen ab und kehrte, da er keinen andern Rat wußte, nach Hause zurück, wo er so lange klopfte, bis ihm geöffnet wurde.

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Kaum aber war er also stinkend eingetreten und hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, da erschienen auch schon Bruno und Buffalmacco, um zu horchen, wie der Meister von seiner Frau würde empfangen werden. Und als sie nun so lauschten, vernahmen sie, wie die Frau ihm die größten Schimpfworte an den Kopf warf, welche nur je einem Taugenichts zuteil wurden. »Ja, das geschieht dir recht!« schrie sie, »zu einer andern bist du gelaufen und wolltest recht fein im Scharlachgewand vor ihr erscheinen. War ich dir etwa nicht genug? Ich könnte eine ganze Stadt befriedigen, Freundchen, wieviel mehr dich! Oh, hätten sie dich doch ganz und gar erstickt, statt dich nur da hineinzuwerfen, wohin du gehörtest! Sieh mal einer den ehrenwerten Arzt, hat eine Frau und schleicht nächtlicherweise zu den Frauen anderer!« Mit solchen und vielen anderen Reden quälte die Frau den Arzt, der sich inzwischen abwaschen ließ, bis Mitternacht.

Am folgenden Morgen erschienen Bruno und Buffalmacco, welche sich den ganzen Körper, soweit ihn die Kleider bedeckten, so bemalt hatten, als sei er braun und blau geschlagen, im Hause des Arztes und fanden ihn bereits aufgestanden. Als sie aber bei ihm eintraten, drang ihnen ein mächtiger Gestank entgegen: Denn noch hatte nicht alles so gereinigt werden können, daß es dort nicht mehr gestunken hätte. Als der Arzt von ihrem Kommen hörte, ging er ihnen entgegen und sagte: »Gott schenke Euch einen guten Tag!« Bruno und Buffalmacco antworteten hierauf, wie sie sich's vorgenommen hatten, mit zornigem Gesicht: »Den wünschen wir Euch nicht, vielmehr bitten wir Gott, daß er Euch soviel Unglück über den Hals schicke, daß Ihr auf die elendeste Art daran zugrunde geht: Ihr seid ja der treuloseste und größte Verräter, den es gibt. Denn an Euch hat es nicht gelegen, daß man uns, die wir uns Mühe gegeben haben, Euch Ehre und Vergnügen zu verschaffen, nicht wie die Hunde totgeschlagen hat. Um Eurer Treulosigkeit willen haben wir diese Nacht soviel Prügel bekommen, daß ein Esel mit viel weniger nach Rom ginge, ganz davon zu schweigen, daß wir in Gefahr geschwebt haben, aus der Gesellschaft ausgestoßen zu werden, in welcher wir alles für Eure Aufnahme vorbereitet hatten. Und wenn Ihr uns nicht glaubt, so seht Euch einmal unsere Körper an, wie sie aussehen!«

Damit öffneten sie – es herrsche ein gewisses Zwielicht – vorne ihre Kleider und zeigten ihm ihre über und über bemalte Brust, worauf sie sie alsbald wieder zumachten. Der Arzt wollte sich entschuldigen und sein Mißgeschick erzählen, wie und wohin er abgeworfen worden, aber Bruno rief: »Ich wollte, es hätte Euch von der Brücke in den Arno geworfen. Warum dachtet Ihr auch an Gott oder die Heiligen? Seid Ihr vorher nicht gewarnt worden?« »Bei Gott«, sagte der Arzt, »ich dachte nicht daran.« »Was?« rief Buffalmacco, »Ihr dachtet nicht daran? Ihr habt nur zuviel daran gedacht, sagte uns doch unser Bote, Ihr hättet gezittert wie eine Rute und nicht gewußt, wo Ihr wäret. Ja, Ihr habt uns einen schönen Streich gespielt, aber den soll uns kein Mensch wieder spielen, und Euch wollen wir dafür ehren, wie es Euch gebührt.«

Nun fing der Arzt an, demütig um Verzeihung zu bitten und sie bei Gott zu beschwören, ihn doch nicht in Schande zu bringen, und gab ihnen die besten Worte von der Welt, um sie zu beruhigen. Und wenn er sie bisher geehrt und verhätschelt hatte, so ehrte und verhätschelte er sie aus Furcht, sie möchten seine Schande ausplaudern, künftighin mit Gastmählern und anderen Dingen noch viel mehr. Auf solche Art also bringt man, wie Ihr gehört habt, den Leuten Verstand bei, wenn sie in Bologna keinen erworben haben.

 

5.

Meister Simon bildet dem Calandrino auf Bitten von Bruno, Buffalmacco und Nello ein, er sei schwanger; dieser gibt den Genannten Kapaunen und Geld für Medizin und wird gesund, ohne niederzukommen

Es traf sich, daß eine Tante von Calandrino starb und ihm zweihundert Lire an Scheidemünze hinterließ. Da begann Calandrino zu erzählen, er wolle sich ein Gut kaufen und unterhandelte mit allen Maklern von Florenz, als wenn er zehntausend Goldflorinen auszugeben hätte; allein der Handel zerschlug sich immer wieder. Bruno und Buffalmacco, die darum wußten, hatten ihm schon mehrmals gesagt, er täte besser, das Geld mit ihnen zu verjubeln, statt Grund und Boden zu kaufen, als wolle er Lehmkugeln backen. Doch sie hatten ihn nicht mal dazu bringen können, daß er ihnen nur eine einzige Mahlzeit spendierte. Als sie sich nun eines Tages in Gegenwart eines Kameraden, eines Malers namens Nello, der zu ihnen gestoßen war, darüber beklagten, beschlossen sie alle drei, ein Mittel ausfindig zu machen, wie sie zu einem Schmaus auf Calandrinos Kosten gelangen könnten. Nach dem sie untereinander verabredet hatten, was sie tun wollten, zögerten sie nicht lange und lauerten am andern Morgen Calandrino um die Zeit, da er sein Haus zu verlassen pflegte, auf. Und er war kaum einige Schritte gegangen, da kam ihm Nello entgegen und rief: »Guten Tag, Calandrino!« »Gott gebe dir einen guten Tag und ein gutes Jahr dazu!« antwortete ihm Calandrino. Hierauf stand Nello einen Augenblick still und blickte ihm forschend ins Gesicht. »Was schaust du?« fragte Calandrino. »Hast du heute nacht nichts gespürt?« fragte Nello dagegen, »du kommst mir ganz verändert vor.« Sogleich ward Calandrino unruhig und rief: »O weh! wieso? Was glaubst du denn, daß ich habe?« »Hm, ich weiß auch nicht, aber du kommst mir gänzlich verändert vor; indessen ich kann mich täuschen« – womit er ihn gehen ließ. Und Calandrino setzte sehr beunruhigt, obwohl er nicht das geringste verspürte, seinen Weg fort.

Buffalmacco, der nicht weit entfernt stand, ging als er sah, daß er sich von Nello getrennt hatte, auf ihn zu, grüßte ihn und fragte ihn dann, ob er denn nichts merke. »Daß ich nicht wüßte«, antwortete Calandrino, »indessen hat mir Nello soeben gesagt, ich schiene ihm nicht mehr derselbe. Sollte ich wirklich etwas haben?« »Ja, freilich hast du etwas und keine Kleinigkeit, du siehst ja aus, als ob du dem Tode nahe seist«, erwiderte Buffalmacco. Da glaubte Calandrino wirklich schon, er hätte das Fieber. Und siehe, da kam Bruno hinzu und rief, bevor er noch irgend etwas anderes sagte: »Calandrino, wie siehst du aus, du gleichst ja einer Leiche! Was fehlt dir?«

Da Calandrino jeden von den dreien dasselbe sagen hörte, war er selbst davon fest überzeugt, er sei krank und fragte die beiden ganz bestürzt: »Was soll ich tun?« Worauf Bruno: »Ich meine, du kehrtest nach Hause zurück, gingst zu Bett, ließest dich gut zudecken und schicktest deinen Urin zu Meister Simon, der ja mit uns befreundet ist, wie du weißt. Er wird dir sofort sagen, was du zu tun hast – wir wollen mit dir kommen, und wenn irgend etwas nötig ist, so werden wir es tun.« Und nachdem nun noch Nello zu ihnen gestoßen war, kehrten sie mit Calandrino in sein Haus zurück. Sobald er ganz abgemattet in das Zimmer getreten war, sagte er zu seiner Frau: »Komm und deck mich recht gut zu: denn ich fühle mich sehr schlecht.«

Nachdem er ins Bett gesteckt worden war, schickte er sein Uringlas durch eine junge Magd zu Meister Simon, der damals einen Laden am Mercato Vecchio mit einer Melone als Aushängeschild hatte. Bruno aber sagte zu seinem Kumpan: »Bleibt hier bei ihm – ich will selbst zum Arzt gehen, um zu hören, was er sagt, und ihn, wenn nötig, selbst herbringen.« »Ach ja, geh hin, Freund«, sagte Calandrino, »und laß mich dann wissen, was er von meinem Zustand hält; denn ich weiß gar nicht, was das ist, was ich in mir fühle.« Bruno ging also zu Meister Simon und hatte ihn, bevor die Magd eingetroffen war, schon von der Sache unterrichtet. Als daher die Magd erschien, sagte der Meister nach Prüfung des Urins zu ihr: »Geh und richte Calandrino aus, er solle sich ordentlich warm halten, ich würde ungesäumt kommen und ihm sagen, was ihm fehlt und was er zu tun hat.«

Die Magd tat, was ihr geheißen, und es dauerte nicht lange, da erschien der Meister mit Bruno. Der Doktor setzte sich neben den Kranken, fühlte ihm den Puls und sagte nach einer Weile in Gegenwart der Frau: »Schau, Calandrino, ich rede als Freund zu dir, dir fehlt nichts anderes, als daß du schwanger bist.« Als Calandrino dies vernahm, fing er an zu jammern und rief: »Weh mir, Tessa, das hab' ich dir zu verdanken, daß du immer nur oben liegen willst! Ich habe es dir wohl gesagt.« Die Frau, die ein sehr ehrbares Weib war, wurde, als sie ihren Mann so reden hörte, vor Scham über und über rot, schlug die Augen nieder und ging, ohne ein Wort zu antworten, zur Kammer hinaus. Calandrino aber fuhr fort zu wehklagen und rief: »Oh, ich Unglücklicher! Was soll ich nur machen? Wie soll ich das Kind zur Welt bringen? Wie soll's denn raus kommen? Ich sehe schon, die Tollheit meines Weibes, die wird mich noch umbringen – Gott betrübe sie in dem Maße, wie ich fröhlich sein will! – Aber wäre ich so gesund, wie ich krank bin, ich würde aufstehen und sie windelweich prügeln, wiewohl es mir ganz recht geschieht; denn ich hätte sie nicht auf mich hinaufsteigen lassen dürfen. Aber soviel ist gewiß: komme ich davon, so mag sie eher vor Verlangen sterben, als daß ich sie wieder hinauflasse!«

Bruno, Buffalmacco und Nello hätten vor Lachen bersten mögen, als sie Calandrino also sprechen hörten; Meister Pavian aber lachte so unbändig, daß man ihm alle Zähne hätte ausziehen können. Endlich indessen empfahl sich Calandrino der Sorge des Arztes und bat ihn, er möge ihm in dieser Not raten und helfen. »Sei unbesorgt Calandrino«, antwortete Meister Simon; »denn Gottlob haben wir deinen Zustand so früh erkannt, daß ich dich mit geringer Mühe und in wenigen Tagen von deiner Last befreien werde, aber du mußt auch etwas daran wenden.«

Worauf Calandrino: »Ach Gott, lieber Meister! gewiß, hier habe ich 200 Lire, wofür ich ein Gut kaufen wollte, sind sie alle nötig, so nehmt sie alle, wenn ich nur kein Kind kriegen muß, ich weiß ja gar nicht, wie ich das anstellen soll; denn ich höre die Weiber, obgleich sie eine gute und große Öffnung für diesen Zweck haben, wenn sie in den Wehen liegen, schon so gewaltig schreien, ich hingegen würde bei solchen Schmerzen eher sterben, als daß ich niederkäme.« Da beruhigte ihn der Arzt: »Mach dir keine Sorgen! Ich werde dir ein wohl destilliertes Tränklein bereiten, das sehr gut ist und sehr angenehm schmeckt, das wird innerhalb dreier Tage alles auflösen, und du wirst davon gesünder werden als ein Fisch. Aber sieh zu, daß du künftig klüger bist, und verfalle nicht wieder auf solche Narrheiten. Nun braucht es zu diesem Trank drei Paar gute große Kapaunen und für die andern Ingredienzien, die erforderlich sind, gib einem von deinen Freunden fünf Lire Kleingeld, damit er sie kaufe. Laß mir alles in meinen Laden bringen, und dann werde ich dir mit Gottes Hilfe morgen von diesem destillierten Trank schicken, von dem du jedesmal einen tüchtigen Becher voll trinken mußt.« »Lieber Meister«, sagte darauf Calandrino, »ich baue auf Euch«, und nachdem er Bruno fünf Lire und Geld für drei Paar Kapaunen gegeben hatte, bat er ihn, er möchte ihm zu Liebe die Mühe auf sich nehmen, alles zu besorgen. Der Arzt ging fort, ließ ihm etwas Punsch bereiten und schickte ihn ihm. Bruno kaufte die Kapaunen und was zu einem leckeren Schmause sonst noch nötig war, und verzehrte sie zusammen mit dem Arzte und seinen Gefährten.

Calandrino aber trank drei Morgen von dem Punsch, worauf ihn der Arzt mit seinen Freunden besuchte, ihm den Puls fühlte und sagte: »Calandrino, nun bist du ganz gesund und kannst jetzt unbesorgt deinen Geschäften nachgehen; denn du brauchst nicht mehr zu Hause zu bleiben.«

Calandrino stand vergnügt auf, ging an seine Beschäftigung und lobte, wo immer er mit jemand ins Gespräch kam, die treffliche Kur, die Meister Simon mit ihm vorgenommen hatte, indem er ihn in drei Tagen ohne Schmerzen entschwängerte. Und Bruno, Buffalmacco und Nello freuten sich, daß sie Calandrinos Geiz auf so scharfsinnige Art einen Streich zu spielen gewußt hatten, obgleich Monna Tessa, die die Sache durchschaut hatte, mit ihrem Gatten darüber murrte.

 

6.

Ghino di Tacco nimmt den Abt von Cligny gefangen, heilt ihn von einem Magenübel und läßt ihn dann frei. Dieser kehrt an den Hof nach Rom zurück und söhnt jenen mit dem Papst Bonifacius wieder aus, der ihn zum Hospitaliter-Ritter macht

Ghino di Tacco, ein Mann, den seine Grausamkeit und Raubsucht berüchtigt genug gemacht haben, war aus Siena vertrieben worden und wiegelte nun als Feind des Grafen von Santa Fiore, Radicofani gegen die römische Kirche auf, setzte sich hier fest und ließ von seinem Raubgesindel jeden, der durch die umliegende Gegend reiste, aufgreifen und berauben.

Damals war Bonifaz VIII. Papst in Rom, und an dessen Hof begab sich der Abt von Cligny, den man für einen der reichsten Prälaten von der Welt hielt. Dort verdarb er sich den Magen so, daß ihm von den Ärzten geraten wurde, die Bäder von Siena zu besuchen, wo er ohne Fehl genesen würde. Dies erlaubte ihm der Papst, und ohne sich viel um den Ruf des Ghino zu bekümmern, machte er sich nun mit einem prunkvollen, reich mit Saumrossen, Pferden und Dienerschaft ausgestatteten Gefolge auf den Weg.

Ghino di Tacco hörte von seiner bevorstehenden Ankunft, spannte seine Netze aus und schloß, ohne ein einziges Troßbüblein entwischen zu lassen, den Abt mit seiner ganzen Begleitung und ihren Sachen an einer engen Stelle des Weges ein.

Dies getan, schickte er einen der Seinigen, und zwar den Verschmitztesten, mit ausreichender Begleitung zu dem Abte, dem er gar freundlich sagen ließ, daß es ihm gefallen möge, in seinem, Ghinos, Schlosse abzusteigen.

Als der Abt dies vernahm, antwortete er höchst zornig, daß er dies nicht wolle, weil er mit Ghino nichts zu schaffen habe, sondern daß er weiterreisen würde und den sehen wolle, der ihm dies verwehren würde.

Hierauf entgegnete ihm der Abgesandte mit demütigem Tone: »Herr, Ihr seid an einen Ort geraten, wo man, Gottes Allmacht ausgenommen, nichts auf der Welt mehr für uns fürchtet und wo die Exkommunikationen und Interdikte alle längst exkommuniziert sind, und darum gefalle es Euch, zu Eurem eigenen Besten hierin Ghinos Wunsch zu gewähren.«

Während dieses Gesprächs war bereits der ganze Ort von Raubgesindel umzingelt, weshalb sich denn der Abt mit den Seinigen gefangen sah und, obwohl heftig erzürnt, nun mit dem Abgesandten, seiner ganzen Gesellschaft und allem Reisegerät den Weg nach dem Schlosse einschlug. Hier abgestiegen, wurde er, wie Ghino befohlen hatte, ganz allein in ein kleines, ziemlich dunkles und unbequemes Gemach des Schlosses gebracht, während jeder andere nach seinem Range in dem Schlosse sehr behaglich untergebracht und die Rosse nebst dem Gerät in Sicherheit gebracht wurden, ohne daß irgend etwas angerührt worden wäre.

Hierauf begab sich Ghino, den der Abt nicht persönlich kannte, zu diesem und sagte: »Herr, Ghino, dessen Gast Ihr seid, läßt Euch bitten, daß es Euch gefalle, ihm zu sagen, woher Ihr kommt, wohin Ihr Euch begeben wollt und welches der Zweck Eurer Reise ist.«

Der Abt, der als ein verständiger Mann den Hochmut schon abgelegt hatte, eröffnete ihm, wohin er ginge und zu welchem Zwecke.

Als Ghino dies vernommen, schied er und beschloß bei sich, den Abt ohne Bad zu heilen, und während er in der Kammer beständig ein großes Feuer unterhalten und das Gemach wohl bewachen ließ, kehrte er bis zum folgenden Morgen nicht wieder zu ihm zurück. Dann aber brachte er ihm auf einem blendend weißen Tuche zwei Schnitten geröstetes Brot und einen großen Becher weißen Wein von Corniglia, welcher dem Abt selbst gehörte, und sagte zu diesem: »Herr, als Ghino jünger war, studierte er Medizin, und er behauptet, gelernt zu haben, daß gegen das Magenübel keine andere Arznei so gut sei als die, welche er Euch bereiten wird und zu der die Dinge, die ich Euch hier bringe, der Anfang sind, und darum nehmt und stärkt Euch.«

Der Abt, welcher mehr Hunger als Lust zum Wortgefecht hatte, tat dies, wiewohl mit Unwillen, aß das Brot und trank den Wein; dann sprach er vielerlei stolze Dinge, fragte nach vielen, gab mancherlei Ratschläge und verlangte insbesondere, den Ghino zu sehen.

Als Ghino diese Reden hörte, ließ er einige davon als nichtig auf sich beruhen, antwortete auf andere sehr höflich und versicherte, daß Ghino, sobald er nur könne, ihn besuchen werde; danach schied er von ihm. Und nicht eher als am folgenden Tage kehrte er mit ebensoviel geröstetem Brot und ebensoviel Wein zurück. So hielt er ihn nun mehrere Tage, bis er endlich bemerkte, daß der Abt trockene Bohnen, die er absichtlich und heimlich mitgebracht und zurückgelassen, verzehrt hatte, worauf er ihn denn in Ghinos Namen fragte, wie es ihn dünke, daß es mit seinem Magen gehe.

Hierauf entgegnete der Abt: »Ich würde mich völlig wohl befinden, wenn ich nur aus seinen Händen wäre; davon abgesehen aber habe ich keinen lebhafteren Wunsch, als nur zu essen, so gut haben seine Mittel mich hergestellt.«

Ghino, der unterdessen mit des Abtes eigenen Geräten und von dessen eigener Dienerschaft ein schönes Gemach hatte einrichten und ein großes Festmahl bereiten lassen, zu dem außer vielen Männern aus dem Schloß auch die ganze Dienerschaft des Abtes geladen war, ging den folgenden Tag zu ihm und sagte: »Herr, da Ihr Euch nun wieder wohlfühlt, so ist es auch Zeit, das Krankenzimmer zu verlassen.« Dann nahm er ihn bei der Hand, führte ihn in das bereitete Gemach und ließ ihn hier unter seinen Angehörigen, um inzwischen danach zu sehen, daß das Gastmahl recht glänzend würde.

Der Abt erfreute sich eine Weile mit den Seinigen und erzählte ihnen, wie seine bisherige Lebensweise beschaffen gewesen sei, wogegen sie ihm versicherten, daß sie von Ghino auf das herrlichste bewirtet worden seien. Als jedoch die Essensstunde gekommen war, wurden der Abt und die übrigen der Ordnung nach mit herrlichen Speisen und trefflichen Weinen bedient, immer noch, ohne daß sich Ghino dem Abte zu erkennen gab.

Nachdem dieser indessen noch mehrere Tage auf diese Art hier verweilt hatte, trat Ghino, der zuvor in einem Saale sämtliche Sachen des Abtes hatte zusammenbringen und auf dem Hofe alle seine Rosse bis zum elendesten Klepper hatte aufstellen lassen, zu dem Abte und fragte ihn, wie er sich befinde und ob er sich kräftig genug zum Reiten fühle.

Der Abt erwiderte ihm, daß er stark genug sei und sich im Magen ganz hergestellt fühle, wenn er nur aus Ghinos Händen wäre.

Jetzt führte Ghino den Abt in den Saal, wo sein Gerät und seine ganze Dienerschaft vereinigt waren, und indem er ihn an ein Fenster treten ließ, von wo er alle seine Rosse auf dem Hofe übersehen konnte, sprach er: »Mein Herr Abt, Ihr müßt wissen, daß Ghino di Tacco, der ich selbst bin, nur dadurch, daß er als ein Edelmann aus seiner Heimat verbannt und arm ist und dabei zahlreiche und mächtige Feinde hat, nicht aber durch Bösartigkeit dahin gebracht worden ist, ein Straßenräuber und Feind des römischen Hofes zu werden, um sein Leben und seinen Adel verteidigen zu können. Doch weil Ihr mir ein ehrenwerter Herr scheint, denke ich, der ich Euch von einem Magenübel geheilt habe, Euch nicht zu behandeln, wie ich einen andern behandeln würde, von dem ich, wenn er, wie Ihr, in meine Hände gefallen wäre, mir den Teil seiner Sachen nehmen würde, der mir anstünde. Statt dessen denke ich, daß Ihr, mein Bedürfnis berücksichtigend, mir den Teil Eurer Sachen zubilligen werdet, den Ihr selber bestimmt. Sie alle ohne Ausnahme stehen hier vor Euern Augen, und Eure Rosse könnt Ihr von diesem Fenster im Hofe übersehen, und nun nehmet einen Teil oder das Ganze, wie es Euch gefällt, und von Stund an sei das Gehen oder das Bleiben in Euer Belieben gestellt.«

Nicht wenig verwunderte sich der Abt, von einem Straßenräuber so hochherzige Worte zu hören, und diese gefielen ihm so sehr, daß Zorn und Unwille nicht nur augenblicklich verflogen, sondern in Wohlwollen sich verwandelten und daß er, von Herzen Ghinos Freund geworden, ihn zu umarmen eilte und ausrief: »Bei Gott schwöre ich, um die Freundschaft eines Mannes wie du zu gewinnen, gern ein viel größeres Unrecht ertrüge, als das ist, das du mir, wie ich bis jetzt glaubte, angetan hast. Verwünscht sei das Schicksal, das dich zu einem so verdammenswerten Gewerbe zwingt!«

Hierauf ließ er von seinen vielen Sachen und ebenfalls von seinen Rossen für sich nur die wenigstens und notwendigsten auswählen, überwies alle übrigen dem Ghino und kehrte nach Rom zurück.

Der Papst hatte die Gefangennahme des Abtes bereits erfahren, und obwohl sie ihn sehr geschmerzt hatte, so fragte er ihn doch, als er ihn sah, wie ihm die Bäder bekommen wären.

Lächelnd entgegnete der Abt hierauf: »Heiliger Vater, ich fand, bevor ich jene Bäder erreichte, einen trefflichen Arzt, der mich auf das vollständigste hergestellt hat.« Und nun erzählte er ihm die Geschichte, worüber der Papst herzlich lachte. Der Abt aber setzte das Gespräch fort und erbat sich vom Papste eine Gnade, die dem Adel seiner Gesinnung entsprach.

Dieser glaubte, daß er etwas anderes erbitten würde und erbot sich bereitwillig zu tun, was er verlangen würde.

Nun sagte der Abt: »Heiliger Vater, was ich von Euch zu erbitten gedenke, ist, daß Ihr dem Ghino di Tacco, meinem Arzte, Eure Gnade wieder zuwendet; denn unter den tapferen und achtbaren Männern, die ich kennengelernt habe, ist er gewiß einer der ausgezeichnetsten, und das Üble, das er tut, erachte ich mehr für die Schuld des Geschickes als für die seine. Ändert Ihr dieses aber dadurch, daß Ihr ihm verleiht, wovon er seinem Range gemäß leben kann, so zweifle ich keineswegs, daß Ihr in kurzem ebenso über ihn denken werdet wie ich.«

Als der Papst dies vernahm, sagte er als ein Mann von großer Seele, er wolle es gerne tun, wenn Ghino dessen so würdig sei, wie der Abt sage; dieser möge ihn also unter sicherem Geleit nach Rom kommen lassen.

Vertrauensvoll erschien Ghino nun auf den Wunsch des Abtes am Hofe, und nicht lange war er in der Nähe des Papstes, als dieser ihn als einen wackeren Ritter erkannte, sich mit ihm aussöhnte und ihm eines der Groß-Priorate des Hospitalordens, zu dessen Ritter er ihn erhoben hatte, verlieh. Und diese Würde behielt er als ein Freund und Diener der heiligen Kirche und des Abtes von Cligny, so lange er lebte.


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