Joseph Smith Fletcher
Kampf um das Erbe
Joseph Smith Fletcher

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

31. Kapitel.

Das unterbrochene Abendessen.

Triffitt hatte endlich einmal wieder Zeit gefunden, am Sonntag mit Trixie, seiner Braut, auszugehen. Seit er sich mit dem Herapath-Mord beschäftigte, hatte er sie sehr vernachlässigen müssen. Aber nun war der Fall schon etwas abgestanden, und das Publikum würde sich bald überhaupt nicht mehr darum kümmern, wenn nicht bald ein sensationelles Ereignis das Interesse wieder hochpeitschte. Auch sein Chef war nicht mehr so hinter der Sache her wie früher. Man mußte nun warten, bis Barthorpe Herapath, der jetzt in Untersuchungshaft saß, vor die Geschworenen kam, oder bis Burchill verhaftet wurde, und infolgedessen brauchte sich Triffitt nicht mehr so sehr anzustrengen, um täglich sensationelle Artikel für seine Zeitung zu schreiben.

Die beiden hatten sich mit Carver und dessen Braut Letty verabredet, um einen schönen Sonntag zu verleben. Am Abend speisten sie in dem Restaurant Venetia.

Nach dem Essen blieben sie noch bei Kaffee, Likör und Zigaretten sitzen und gaben sich restlos der Freude des Augenblicks hin. Aber plötzlich schrak Triffitt mitten in der Unterhaltung zusammen, ließ seine Zigarette fallen und wurde blaß vor Erregung. Schließlich riß er sich mit großer Anstrengung wieder zusammen und gab Carver ein Zeichen.

»Pst! Sagen Sie nichts, und zeigen Sie nicht, daß Sie aufmerksam werden. Aber drehen Sie sich einmal langsam um und sehen Sie zur Bar hinüber!«

Am Eingang des Restaurants standen ein paar Herren, die ganz in ihre Unterhaltung vertieft waren.

Carver wandte sich vorsichtig um und fuhr dann ebenso heftig zusammen wie vorher Triffitt.

»Donnerwetter, das ist ja Burchill!«

»Ruhe!« befahl Triffitt. »Hauptsache ist, daß sich keiner etwas merken läßt.«

Er sah mit dem Blick eines Lehrers um sich, der eine aufrührerische Klasse zum Schweigen bringen will, aber seine Gedanken arbeiteten bereits. Er war schnell von Entschluß, und in wenigen Sekunden hatte er seinen Plan gemacht. Rasch neigte er sich zu Carver hinüber.

»Sie müssen jetzt genau tun, was ich Ihnen sage. Wenn Burchill das Lokal verläßt, werden Trixie und ich ihm folgen. Sie zahlen die Rechnung, nehmen mit Letty das nächste Auto, das Sie kriegen können, und fahren nach Scotland Yard. Wenn Inspektor Davidge nicht da ist, wenden Sie sich an einen anderen Beamten. Warten Sie dort, bis ich Sie anrufe. Sobald ich sehe, daß Burchill einen Autobus oder einen Wagen besteigt, rufe ich den nächsten Polizisten zu Hilfe und lasse ihn anhalten. Haben Sie mich verstanden? Wenn er dann dingfest gemacht ist, rufe ich Sie an.«

»Eben geht er«, sagte Carver schnell, der Burchill unausgesetzt beobachtet hatte. »Ich habe alles verstanden –«

Triffitt führte Trixie rasch aus dem Lokal, und die beiden folgten Burchill.

»Es trifft sich ausgezeichnet, daß du bei mir bist, Trixie. So falle ich durchaus nicht auf. Wenn er sich umsieht, wird er niemals auf den Gedanken kommen, daß wir hinter ihm her sind, sondern uns für ein gewöhnliches Liebespaar halten. Das ist aber eine erstaunliche Wendung! Was der Kerl für eine Frechheit besitzt! Sich hier in der Öffentlichkeit zu zeigen, während an allen Straßenecken sein Steckbrief angeschlagen ist!«

»Er wird doch nicht auf dich schießen, wenn er dich sieht?« fragte sie ängstlich. »Er erkennt dich doch sicher wieder!«

»Wir kommen nicht in Schußnähe«, entgegnete Triffitt grimmig. »Ich will ihn nur überwachen. Wenn er natürlich in irgendein Auto klettert, muß ich handeln. Wir wollen aber sehen, daß wir etwas aufholen.«

Burchill zeigte jedoch keine Neigung, einen Wagen anzurufen. In größter Seelenruhe ging er die Straße entlang. Es war kurz vor neun, aber Burchill machte nicht die geringste Anstrengung, dem hellen Lichtkegel der Laternen auszuweichen. Er rauchte eine Zigarre und schwang vergnügt seinen Spazierstock. Mehr als ein Polizist sah ihn an und kümmerte sich nicht weiter um ihn. Triffitt lachte ironisch.

Als die Verfolgung ihr Ende erreichte, sah Triffitt seine Braut erstaunt an, denn Burchill war in dem hellerleuchteten Eingang der Herapath-Gebäude in Kensington verschwunden.

 


 << zurück weiter >>