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Fortsetzung der Geschichte vom Nobelpreis

Die Liebe hat ein unbeirrbares Gefühl. Doktor Kaufmann liebte Paul Ernst, und sein Gefühl sagte ihm, daß seinem Paul Ernst irgendein Unglück drohte.

Er fand ihn im Park am See, an der Stelle, wo das Ufer steil abfällt. Paul Ernst war an den äußersten Rand getreten und blickte düster in das dunkle Wasser. Kaufmann wollte sich nicht ganz nach vorn wagen, aber es glückte ihm, noch eben Paul Ernsts Frackschöße zu fassen und an ihnen den Dichter von dem gefährlichen Rand fortzuziehen.

»Das hat man nun von seinem Leben,« rief unmutig Paul Ernst. »Nun habe ich gearbeitet und gearbeitet, ich habe mir keine Ruhe gegönnt ...« »Aber das ist doch kein Grund, um sich das Leben zu nehmen,« erwiderte ärgerlich Kaufmann. »Sie stehen bei mir im Vorschuß, wie soll ich denn das Geld einkriegen, wenn Sie sich plötzlich ins Wasser stürzen!« »Vorschuß?« murmelte Paul Ernst schwermütig. »Ich habe keine Freude mehr am Vorschuß, und an der Abrechnung erst recht nicht.« Kaufmann spürte eine düstere Kraft in ihm und lenkte ein. »Ich habe auf den Nobelpreis gehofft,« sagte er. »Ich drucke die Hochzeit und die Taufe neu, dann habe ich eine dreibändige Novellensammlung, für die kann ich etwas tun. Kurt Wolff soll nicht der Einzige sein, der seine Dichter durchdrückt.«

Paul Ernst schüttelte stumm das Haupt. »Was habe ich denn getan,« rief er, »daß man mich zum Vorsitzenden der Goethegesellschaft macht! Ich will ja meine Werke nicht überschätzen, ich will es wirklich nicht; aber so schlecht, daß man mir eine Ehrung in meinem Vaterland zuteil werden läßt, so schlecht können sie doch nicht sein.« Er faßte Kaufmanns Hand, Tränen überfluteten sein Gesicht, er fuhr fort: »Sie sind mein Freund, Sie werden mir die Wahrheit sagen. Sind sie wirklich so schlecht?«

Kaufmann wurde verlegen. »Man kann doch nicht wissen,« sagte er, »vielleicht haben die Leute gar nichts von Ihnen gelesen.« »Gestehen Sie es nur,« erwiderte ihm kalt Paul Ernst, »Sie halten sie auch für so schlecht, Sie würden mich auch zum Vorsitzenden der Goethegesellschaft machen!« Kaufmann versuchte abzulenken. »Sie sind über fünfzig Jahre alt, vielleicht ist eine Altersehrung beabsichtigt.«

Paul Ernst schüttelte den Kopf, mit einer kraftvollen Bewegung riß er sich los und stürzte auf den Uferrand zu. Kaufmann erfaßte ihn noch rechtzeitig, ein Ringen begann zwischen den beiden Männern, und Kaufmann, welcher jünger und gewandter wie Paul Ernst ist, bekam den Dichter bald unter.

»Jetzt werde ich Ihnen etwas sagen,« begann er wütend, indem er auf der Brust Paul Ernsts kniete, »Sie sind überhaupt gar nicht gemeint. Herr von Brake verwechselt Sie doch immer mit Otto Ernst. Otto Ernst ist gemeint.«

»Lassen Sie mich los,« sagte sanftmütig Paul Ernst, »Sie haben mich überzeugt. Wie konnte ich nur so blind sein! Natürlich. Otto Ernst!«

Die beiden standen auf und begannen sich gegenseitig die Erde abzuklopfen. Ruhig sagte Paul Ernst: »Wir werden es trocknen lassen müssen und dann eine Bürste nehmen.« Nach diesen Worten wendeten sie sich zum Gehen.

Unterdessen waren die folgenden Geschichten erzählt:


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