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Sechzehntes Kapitel.

Hagiographie Frankreichs und Italiens. Adso.

Den fruchtbarsten hagiographischen Schriftsteller hat in diesem Zeitraum Frankreich aufzuweisen: nur sind seine Werke von geringem geschichtlichen Werth. Es ist dies Adso von Montier-en-Der, oder auch von Toul genannt. Opera in Migne's Patrol. lat. T. 137, pag. 597 ff. – – Hist. littér. de la France T. VI, p. 471 ff. Er stammte aus einer vornehmen burgundischen Familie. Gebildet in dem durch Columban gegründeten Kloster Luxeuil, wo er Mönch wurde, zeichnete er sich bald so aus, dass er als Lehrer an die Episcopalschule von Toul berufen wurde (in den fünfziger Jahren). Dort begann er auch seine literarische Thätigkeit. Eine grössere Wirksamkeit eröffnete sich ihm, als er dem neuen Abt von Montier-en-Der, Alberic, der dieses Kloster wiederherzustellen sich bemühte, dorthin folgte, und nach Alberics Tode selbst der Abt desselben wurde (Ende der sechziger Jahre). Adso hatte aber nicht allein an der Reform des eigenen Klosters den bedeutendsten Antheil, er übernahm auch die andrer, wie des Klosters St. Benigne in Dijon, dem er deshalb auch ein 475 paar Jahre vorstand. Auch wurde ihm von dem Bischof von Troies die Verbesserung der Liturgie in der Kirche desselben übertragen. Aber all diese praktische Thätigkeit, die auch von der hohen Achtung zeugt, die Adso sich erworben, entfremdete ihn nicht den Studien. Er sammelte eine beträchtliche Bibliothek und blieb literarisch thätig, wie er denn auch mit Gelehrten, wie Gerbert – dessen Disputation mit Otrich er in Italien beiwohnte – und Abbo von Fleury, in Verbindung stand. Vielleicht war es auch sein Wissenstrieb, der, von frommen Gründen abgesehen, ihn zu einer Pilgerfahrt nach Jerusalem bewog, auf der ihn der Tod während der Ueberfahrt nach Aegypten ereilte (992).

Adso hat eine ganze Anzahl Heiligenleben verfasst; Nur bei einem, der Vita Mansueti, nennt sich Adso selbst als Verfasser; bei den andern, ausser der Vita Waldeberti, wird seine Autorschaft durch den anonymen Mönch des Klosters Montier-en-Der, der Adso's Vita Bercharii ein zweites Buch Mitte des elften Jahrhunderts hinzufügte, im elften Kapitel desselben, wo er überhaupt der Werke und des Lebens des Adso gedenkt, bezeugt. S. Mabillons Acta S. S. s. Benedicti Saec. III, ed. I. pag. 814. Dies Kapitel (auch in den Monum. German. hist., Script. IV, p. 488 edirt) ist auch für die Biographie Adso's eine wichtige Quelle. aber sie sind grösstentheils nur Bearbeitungen älterer, wie sie auch Heilige früherer Zeiten zum Helden haben. Den Hauptwerth seiner Arbeit setzte Adso wie seine Zeitgenossen offenbar in die Darstellung und die stilistische Ausführung; da seine Vorlagen aber meist uns nicht erhalten sind, so sind diese Werke auch stofflich nicht ohne Werth.

So verfasste er auf den Wunsch des Abt von Moutier-la-Celle Odo das Leben des Gründers und ersten Abts dieses Klosters, Frodobert. In der Episcopalschule von Troies und in dem Kloster Luxeuil gebildet, erhielt der durch sein Bibelstudium wie durch seine Frömmigkeit angesehene Frodobert ein sumpfiges, mit Gebüsch bedecktes Terrain in einer Vorstadt von Troies, von Alters her Insula Germanica genannt, von dem König Chlodwig, Dagoberts Sohn, gegen Mitte des siebenten Jahrhunderts, geschenkt, um dort nach Trockenlegung und Reinigung des Bodens eine kleine Zelle und ein Oratorium zu erbauen, wo er mit wenigen Brüdern der Contemplation sich widmete (c. 11 f.). Eins der vielen Beispiele von dem grossen Antheil, den die Gründung der Klöster an der Kultivirung des 476 Landes gehabt hat. – Nachdem Adso noch der mannichfachen Wunder des Heiligen und seines Todes gedacht hat, schliesst er mit einer ausführlichen Erzählung seiner Translation in eine andre Kirche im Jahre 872, ungefähr zwei Jahrhunderte nach seinem Tode.

Diese Vita ist in einem einfachen und für jene Zeit guten Stile geschrieben. Breiter angelegt und mit einem Aufwand von Rhetorik verfasst ist dagegen die Vita Mansueti, Auszüge auch in: Monum. German. hist., Script. T. IV, pag. 509 ff. die der Bischof von Toul (963–994), Gerhard von Adso verlangt hatte. Letzteres erfahren wir aus einem Prolog, worin sich der Verfasser nennt und als Abt bezeichnet. An den Prolog schliesst sich ein Lobgedicht auf den Heiligen in grösstentheils leoninischen Distichen und ein Acrostichon seines Namens in ebensolchen Hexametern. Diese Gedichte zeichnet Gewandtheit in Sprache und Versbildung aus. Die Vita selbst zerfällt in zwei Bücher, von welchen das erste das Leben des Heiligen, das zweite die von ihm nach seinem Tode, insbesondere im Zeitalter des Verfassers vollbrachten Wunder zum Gegenstand hat. Leider ist diese Lebensgeschichte des ersten Bischofs von Toul, der von Geburt ein Schotte, eigentlich Mansui hiess, eine ganz apokryphe, obgleich der Verfasser auf Gesta desselben sich beruft (c. 11 und 14). Wie viel von den Erdichtungen auf Rechnung dieser, die wohl auf alte Sagen sich gründen mochten, wie viel auf seine eigene kommt, lässt sich nicht entscheiden. Nach der Hist. littér. l. l. p. 483 liegt zugleich eine Verwechslung mit einem andern Bischof desselben Namens und des fünften Jahrhunderts vor.

Schon Christ in der Heimath, sucht Mansuetus den Petrus in Rom auf und wird von diesem als Missionar nach Gallien gesandt. Er predigt in Toul und bekehrt den dortigen heidnischen König mit seinem Volke, indem er den in der Mosel ertrunkenen Sohn des Königs nach drei Tagen ins Leben zurückruft, welcher durch eine furchtbare Schilderung von der Hölle (c. 9), in der er so lange verweilt hatte, seine Landsleute schreckt. Weder der Name des Königs, noch des Volkes wird genannt. Die Gründung der alten Kirchen der Stadt wird Mansuetus zugeschrieben (c. 11), und zu seinem Nachfolger der heilige Ammon gemacht. Aus dem zweiten Buche erwähne ich 477 nur, dass nicht bloss bei einer Dürre, sondern auch bei einer Epidemie, einer Bubonenpest, der Leib des Heiligen in Procession herumgetragen wurde (c. 20). Die Pest milderte sich, indem zugleich ein lang ersehnter Regen eintrat.

Adso's Vita Basoli ist grösstentheils nur eine sehr ausgeführte stilistische Bearbeitung einer kurzen älteren anonymen aus dem Ende des neunten Jahrhunderts, die selbst sich auf mündliche Traditionen gründete. S. diese Vita in Mabillons Acta S. S. s. Bened. Saec. II, ed. l. pag. 60 ff. Der Heilige war der Gründer des seinen Namen führenden Klosters von Reims. Adso war auch durch den damaligen Abt desselben, der auch Adso hiess, sowie durch den berühmten Gerbert zu diesem Werke aufgefordert worden.

Basolus, der von vornehmer Geburt war, stammte aus dem Gebiet von Limoges. Sein frommer Sinn trieb ihn schon in früher Jugend an, der Welt zu entsagen. Er zog deshalb zum Grabe des heiligen Remi, indem ein Engel sein Führer auf der Reise war (c. 10). In Reims von dem Bischof Aegidius (569–590), der früher einmal die Gastfreundschaft seiner Eltern genossen, ehrenvoll aufgenommen, trat er in das benachbarte Kloster Verzy ein, wo er in die theologischen Studien eingeweiht wurde (c. 15). Nach längerer Zeit aber erwählte er, um zu höherer Vollkommenheit zu gelangen, das Einsiedlerleben, indem er dort auf der Spitze eines waldigen Berges eine Zelle mit einem Oratorium sich erbaute. Hier lebte und predigte er dem Volke, das zu ihm strömte, 40 Jahre. Er starb um 620, nachdem er noch einen Neffen zu seinem Nachfolger berufen hatte.

Unmittelbar an diese Vita schliesst sich ein Libellus de translatione et miraculis S. Basoli , der nun Adso allein angehört. Die Translation erfolgte unter Hincmar nach der Basolus zugleich mit dem heiligen Martin gewidmeten Kirche. Von den Mirakeln, die zum Theil Flodoards Chronik entlehnt sind, beziehen sich einzelne auf den Einfall der Ungarn 919 (c. 7 ff.).

Wie der Anonymus von Montier-en-Der behauptet, war das letzte Werk Adso's seine Vita des Gründers der Klöster von Hautvillers in der Diöcese von Reims und Montier-en-Der, also auch des ersten Vorgängers Adso's, Bercharius. Auch 478 diese Vita ist aber nur eine Bearbeitung einer älteren von wenig sicherer historischer Grundlage. Der Heilige stammte aus einer edeln Familie Aquitaniens. Der Erzbischof von Reims, Nivard lernte den begabten Knaben auf einer Reise dorthin kennen und bestimmte die Eltern, ihn der Kirche zu weihen. Bercharius kam nach Reims und wurde ein Schüler des heiligen Remaclus (c. 5). Dann trat er in das Kloster Luxeuil ein. Er kehrte aber nach einiger Zeit zu Nivard zurück und gründete dann im Verein mit ihm das Kloster Hautvillers, darauf allein (um 670) ein Frauen- und ein Mönchskloster in dem Dervensischen Walde, indem er sie zuerst mit losgekauften Gefangenen bevölkerte. Nam viam publicam, vulgo Cantillam dictam, expetens, pretio a praetereuntibus suscepit captivas puellas octo, quas in sancta religione edocens, Deo dicatas ibi manere constituit. c. 14. In Betreff des Mönchsklosters s. c. 17. Um Reliquien für diese Klöster zu beschaffen, zog er nach Jerusalem und mehrmals nach Rom (c. 17). Er starb (684), ermordet von einem seiner Mönche, dessen Pathe er war, und wurde deshalb als Märtyrer verehrt.

Beigelegt wird Adso noch mit geringer Wahrscheinlichkeit Gegen unseres Adso Autorschaft spricht zunächst, dass der Verfasser in seinem an die Adressaten gerichteten Prolog sich noch einen zweiten Namen beilegt ( qui et Hermiricus), der sich sonst nicht findet und ihn doch offenbar von andern Adso's unterscheiden sollte. Dazu fällt immerhin ins Gewicht, dass dieses Werk von dem Anonymus (s. oben S. 475, Anm. 1) nicht aufgeführt wird. Für die Autorschaft Adso's macht man geltend, ausser den Beziehungen Adso's zu diesem Kloster, dass der Zuname wohl nur ein ihm in demselben in seiner Jugend beigelegter Beiname (vielleicht eine Art von Kosename) gewesen sei, den er hier wieder in Erinnerung brachte. Vgl. Hist. littér. l. l. pag. 472. das Buch De miraculis S. Waldeberti , das der Verfasser, wie er im Prolog sagt, den Mönchen von Luxeuil zum Dank für seine Erziehung in diesem Kloster gewidmet hat. Obgleich er aber hier ausdrücklich erklärt, sich nur auf die in seinem Zeitalter geschehenen Thaten des Waldebert und auch des Eustasius beschränken zu wollen, auf ihre Acta verweisend, geht er doch auch auf das Leben des ersteren kurz ein, während von den Mirakeln des letztern aus des Verfassers Zeit gar nicht die Rede ist.

Der Autor hebt mit der Vertreibung des Columban an, welchem Eustasius als Abt folgte, der wieder den Waldebert 479 zum Nachfolger hatte. Letzterer war ein vornehmer und reicher Ritter ( miles ); er war auf den Rath des Eustasius in das Kloster, dem er seine bedeutenden Besitzungen schenkte, eingetreten. Der Autor gedenkt dann noch der Schicksale des Klosters in der neueren Zeit, d. h. seit der Mitte des neunten Jahrhunderts (c. 11 ff.), der Einfälle der Normannen, des sittlichen Verfalls, der Beraubung des Klosters durch mächtige Laien. Die entrissenen Güter wiederzugewinnen, wandten die Mönche das eigenthümliche Mittel an, die Reliquien des Heiligen in Procession auf deren Grund und Boden zu tragen, und so ihn durch den Heiligen selbst wieder in Besitz nehmen zu lassen. Die Wunder, die bei solchen Gelegenheiten sich zutrugen, bilden dann den Hauptinhalt der »Miracula«.

Adso hat noch durch eine Prosaschrift andrer Art und zwar in weiteren Kreisen sich bekannt gemacht, welche selbst noch ein paar Jahrhunderte später auf die französische Nationalliteratur ihre Wirkung erstreckt hat: Mindestens indirect: s. weiter unten S. 430, Anm. 1 und Huons de Mery Tornoiement Antichrist, und vgl. hierzu Grebels Dissertation über dasselbe. Leipzig 1883, S. 44. es ist sein Libellus de Antichristo , In Migne's Patrol. lat. T. 101, pag. 1289 ff., unter den Opp. supposita des Alcuin, nach der Ausgabe derselben von Du Chesne, obgleich Migne selbst die Schrift dem Alcuin nicht beilegt. welchen er auf den Wunsch der Königin Gerberg, der Gemahlin Louis' d'Outremer, also noch ehe er Abt war, Noch vor dem Jahre 954, in welchem Gerberg starb; demnach jedenfalls eine der frühsten Schriften Adso's. verfasst hat. Sie wünschte von ihm »über die Gottlosigkeit und Verfolgung, sowie über die Macht und Abstammung« des Antichrist unterrichtet zu werden.

Adso behandelt zuerst den Namen: der Antichrist heisst so als der vollkommene Gegensatz Christi, wie dieser demüthig war, so ist jener stolz, wie Christus die Demüthigen erhöhen wird, so wird der Antichrist sie niederwerfen und die Gottlosen erheben, und wird die Laster lehren, welche das Gegentheil der Tugenden sind; er wird das Evangelium zerstören und den Kultus der Dämonen zurückrufen. – Viele Diener seines Unglaubens hatte er schon, wie Nero, Antiochus Es ist hier offenbar Antiochus Epiphanes gemeint, gegen den die Vision des Daniel sich richtete. Ueber die Beziehung des Nero zum Antichrist s. oben Bd. I, S. 92 f. Warum aber wird gerade Domitian aus dem Kreise der Imperatoren, welche das Christenthum verfolgten, hervorgehoben? und Domitian, 480 und hat sie noch unter den Laien wie Klerikern. Was seine Herkunft betrifft, so wird er in dem jüdischen Stamme Dan geboren werden, und wie andre Menschen Vater und Mutter haben, nicht, wie manche fabeln, von einer Jungfrau allein entspringen. Aber bei seiner Erzeugung wird der Teufel zugleich in den Mutterleib eindringen. Diese Fabeln von der Erzeugung des Antichrist scheinen von Einfluss gewesen zu sein auf die Erzählung von der Geburt des Merlin, wie sie in dem altfranzösischen Roman des Robert von Boron sich findet. Wie Christus in Bethlehem, so wird er in Babylon geboren, und in Bethsaida und Corozain S. Matth. c. 11, v. 21: Vae tibi Corozain, vae tibi Bethsaida, quia, si in Tyro et Sidone factae essent virtutes, quae factae sunt in vobis, olim in cilicio et cinere poenitentiam egissent. auferzogen werden, von Magiern und Zauberern unterrichtet. Dann kommt er nach Jerusalem, verfolgt die Christen, stellt den Tempel wieder her, nimmt dort seinen Sitz, beschneidet sich und lügt, dass er der Sohn des allmächtigen Gottes sei. Er wird zuerst die Könige und Fürsten zu sich bekehren, dann durch sie die Völker. Er besucht die Orte, wo Christus weilte, und sendet seine Boten und Prediger in alle Welt. Er thut Zeichen und Wunder, grosse und unerhörte: Faciet ignem de caelo terribiliter descendere, arbores subito florere et crescere, mare turbari et subito tranquillari, naturas etiam in diversis figuris mutari etc. Auch die Auferstehung der Todten vollbringt er. dann werden selbst die Auserwählten Gottes zweifeln, ob er Christus, der am Ende der Welt wiederkehren wird, sei oder nicht. Er wird durch Schrecken, Geschenke und Wunder die Gläubigen zu bekehren suchen, und die Gott nicht verleugnen, werden qualvoll getödtet. Diese Drangsal wird drei und ein halb Jahr dauern.

Nach dieser Schilderung der Zeit des Antichrist erörtert Adso noch die Frage, wann sie eintreten wird. Er verweist auf die bekannte Stelle in dem zweiten Briefe des Paulus an die Thessalonicher, c. 2, v. 3: Ne quis vos seducat ullo modo, quoniam nisi venerit discessio primum, et revelatus fuerit homo peccati, filius perditionis. die er folgendermassen auslegt. Der Abfall ( discessio ), der der Ankunft des Antichrist vorausgeht, ist der Abfall aller Reiche von dem römischen Imperium, dem letzten Weltreiche. Es ist freilich zum grössten Theil schon 481 zerstört; aber »so lange die Könige der Franken fortbestehen, wird die Würde des römischen Imperium, weil sie in ihnen beharren wird ( stabit ), nicht ganz untergehen.« Der letzte und grösste derselben wie aller Könige wird es aber, ›wie unsere Doctoren sagen‹, wieder ganz haben; er wird nach einer treuen Verwaltung des Reiches zuletzt nach Jerusalem kommen und seine Krone sammt Scepter auf dem Oelberge niederlegen: dies wird das Ende des Imperium der Römer und Christen sein. Alsdann wird der Antichrist sich offenbaren.

Nachdem dann Adso jene Bibelstelle (die folgenden Verse) weiter erklärt hat, kommt er auf den letzten König zurück, um auszuführen, wie er »nach der Aussage der Sibyllinischen Bücher« die im Norden aufgestandenen Völker Gog und Magog niederwirft und alle Heiden und Juden zur Taufe beruft. 112 Jahre wird seine Regierung dauern. Nachdem er aber die von ihm niedergelegte Krone Gott und Christus hinterlassen, werden Elias und Enoch gesandt, um die Gläubigen zum Kampf gegen den Antichrist zu stärken. Dieser wird gegen jene, nachdem sie ihre Sendung erfüllt, sich erheben und sie tödten, sie aber werden nach drei Tagen von dem Herrn wieder erweckt. Der Antichrist überliefert dem Schwerte dann die Gläubigen oder macht sie zu Apostaten, die das Zeichen seines »Charakters« auf der Stirn empfangen.

Noch bleibt dem Autor übrig, das Ende des Antichrist zu berichten. Nach Ablauf der drei und ein halb Jahr wird Christus zum Gericht über ihn erscheinen, und vor dem Glanze seines göttlichen Lichtes wird er aus Furcht sterben, tanta erit eminentia adventus splendoris Christi, ut prae fulgore divini luminis sordibus ventris per excessum emissis totus coinquinatus sic prae timore pereat. oder, wie auch Gelehrte überliefern, auf dem Oelberg auf seinem Throne, an der Stelle, wo Christus zum Himmel auffuhr, von dem Erzengel Michael getödtet werden. Hierauf wird aber der Herr nicht sogleich zum jüngsten Gericht kommen, vielmehr werden, wie wir aus dem Buche Daniels erfahren, noch 40 Tage den Sündern zur Reue gewährt sein, weil sie vom Antichrist verführt worden; wie lange es dann noch dauern wird, steht bei Gott.

Bei dem Einfluss, den diese Schrift gehabt hat, die eine grosse Verbreitung fand, wie die mannichfachen Abschriften 482 derselben zeigen, verdiente sie eine genaue Analyse, welche zugleich zeigt, dass der Gang der Darstellung nicht überall ein sicherer ist. Die Arbeit war eben eine Compilation, von den biblischen Quellen abgesehen, aus verschiedenen Werken, namentlich von Augustin, Alcuin, Raban und Remigius von Auxerre. S. das Monitum praevium pag. 1290 und Zezschwitz, Das Drama vom Ende des römischen Kaiserthums und von der Erscheinung des Antichrist (Leipzig 1880), der namentlich auf Haimo's, von andern dem Remigius zugeschriebenen Commentar der Paulinischen Briefe hinweist, S. 37 und 155; vgl. auch S. 41 und 158 ff. – Eine genauere Quellenuntersuchung der Schrift Adso's wäre recht wünschenswerth, die freilich durchaus mit einer kritischen Ausgabe des Textes, der in den verschiedenen Handschriften mannichfache Abweichungen zeigt, Hand in Hand gehen müsste. –

Nach dem Anonymus von Montier-en-Der hat Adso auch manches in Versen geschrieben, was uns nicht erhalten ist. So einige Hymnen, wie er denn auch Ambrosianische durch Glossen erklärt habe. Dann hat er auch, nach diesem Gewährsmann, auf Bitten des ihm sehr befreundeten Abt von Fleury, Abbo das zweite Buch der Dialoge Gregors des Grossen in Hexametern bearbeitet, eine Dichtung, welche die der Alten übertroffen habe. Vgl. oben S. 348, Anm. Dass Adso metrische Gewandtheit besass, zeigen allerdings die wenigen mit seinen Vitae überlieferten Gedichte. Vgl. oben S. 476.

 

Von einer ganz andern historischen Bedeutung als die hagiographischen Werke Adso's sind zwei von Cluniacensern ihren berühmten Aebten Odo und Majolus gewidmete Vitae unseres Zeitraums. Von den Verfassern war der eine sicher, der andre wahrscheinlich ein Italiener. Ich denke wegen des Namens Syrus, da derselbe meines Wissens nur bei italienischen Heiligen sich findet. Der erstere ist der Autor des Lebens Odo's von Cluny, das meinem oben S. 170 ff., worauf ich in Betreff des Inhalts der Vita hier verweise. gegebenen biographischen Abriss zu Grunde liegt, Johannes. In Mabillons Acta S. S. ord. s. Bened. ed. l. Tom. VII, pag. 148 ff. (vgl. ibid. pag. 122). Er war aus Rom: dort hatte Odo ihn als Canonicus kennen gelernt, Johannes folgte ihm nach Pavia, wo er Mönch wurde. Zwei Jahre war er Odo's Gesellschafter, auf seinen Reisen ihn begleitend. Was er damals von ihm selbst über sein Leben hörte, 483 bildet den Hauptinhalt seines Werkes, das er Mönchen von Salerno, die ihn zur Aufzeichnung seiner Erinnerungen bewogen hatten, gewidmet hat. Die Vita ist ein umfängliches Werk, da es manche, indess mitunter nicht uninteressante, Abschweifungen enthält; so zerfällt es auch in drei Bücher. Das erste geht bis zu Odo's Erwählung zum Abte, während eine chronologische Scheidung des zweiten vom dritten Buche sich nicht erkennen lässt, wie denn überhaupt die Zeitfolge in diesen beiden Büchern wenig beobachtet wird, genauere chronologische Angaben, wie so gewöhnlich in den Vitae, überhaupt fehlen. Im ganzen macht das Werk den Eindruck treuer Berichterstattung, wozu auch der einfache ungesuchte Ausdruck stimmt, und ist so für das Leben des berühmten Klosterreformators eine sehr wichtige Quelle, die zugleich manche kulturgeschichtlich interessante Mittheilungen enthält.

Mit viel grösserer literarischen Prätension ist dagegen die andre Vita verfasst, welche einen Mönch Syrus zum Autor hat, In Mabillons Acta S. S. ord. s. Bened. ed. l. Tom. VII, pag. 764 ff. (Prolegg.). – – Hist. littér. Tom. VI, pag. 498 ff. – In Bezug auf den Werth als histor. Quelle s. Schultze in: Forschungen zur deutsch. Gesch. Bd. 24, S. 153 und Sackur, N. Arch. Bd. XII, S. 505. der dem Nachfolger des Majolus, Odilo nahe stand, wie er auch an diesen sein Werk adressirt hat. Aus dieser Zuschrift erfahren wir, dass er dasselbe erst auf den Wunsch Odilo's vollendete, nachdem er es wegen einer Reise nach Italien unvollständig zurückgelassen. Aber auch in dieser Gestalt sollte es nicht definitiv edirt werden, indem, wie eine spätere Nachricht mittheilt, nach dem Tode des Syrus ein sonst nicht bekannter Adebald es ergänzte. Dieser Text ist publicirt in den Acta S. S., Mai. T. II, pag. 668 ff.

Auch die Vita des Majolus ist in drei Bücher getheilt, von welchen das erste bis zu seiner Erwählung zum Abt von Cluny geht. Majolus stammte aus einer sehr vornehmen und reichen Familie Avignons. Frühe verwaist, zog der Jüngling, da die väterlichen Güter durch einen Einfall der Sarazenen verwüstet waren, zu einem Verwandten nach Mâcon, wo der Bischof, der ihn kennen lernte, ihn für den geistlichen Stand gewann und zum Canonicus seiner Kirche machte. Nun begab sich Majolus zu seiner weiteren wissenschaftlichen Ausbildung nach Lyon, wo der Abt von Ile-Barbe, Antonius, »ein in der 484 Philosophie wohl unterrichteter Mann«, als Lehrer glänzte. Nach unserem Autor zeichnete sich Lyon damals als Sitz der liberales artes vor allen andern Städten jener Gegend aus, in welchen im Gegentheil die Studien zugleich mit dem sittlichen Leben darniederlagen. Offensa namque sapientia, quae propter se ipsam tantum appetenda est, quorundam lucris turpibus, multorum indisciplinata vita, omnium postremo tepide se appetentium inhonesta desidia, praeceptorum inopia intercedente priorumque studiis collapsis, huius nostrae exitialiter perosa regionis, Lugduni sibi aliquamdiu familiare consistorium collocavit. c. 5. Ein in kulturgeschichtlicher Beziehung mehrfach interessanter Satz! Nach Mâcon zurückgekehrt, stieg Majolus bis zur Würde des Archidiaconus auf; seine Freigebigkeit gegen die Armen sowie sein Eifer, seine wissenschaftlichen Kenntnisse durch Unterrichten junger Kleriker, die ihm von verschiedenen Seiten zuströmten, zu verwerthen, vermehrten seinen Ruf, sodass er bei Erledigung des Erzbisthums von Besançon einstimmig von Klerus und Volk auf diese hohe Stelle berufen wurde. Majolus aber schlug sie aus. Vielmehr trat er jetzt (um 942) in das Kloster Cluny unter dem Abt Heimard ein, wo er das Amt eines Bibliothekars und Apocrisiarius erhielt, also eine Stellung, die seiner wissenschaftlichen Neigung und Bildung entsprach. Doch wollte er von der profanen Poesie des Alterthums nichts mehr wissen, die »göttlichen Poeten« sollten genügen (c. 14). Noch gedenkt Syrus in diesem ersten Buche einer Reise seines Helden nach Rom.

Das zweite Buch beginnt mit seiner Erhebung zum Abte (948). Sie erfolgte noch bei Lebzeiten des Heimard, der erblindet selbst sie veranlasste. Der Autor verbreitet sich dann (c. 3 ff.) über die Lebensweise und Thätigkeit des Majolus: wie eifrig er im Studiren war, sodass er selbst reitend auf der Reise las; und wie er dabei auch nicht »die Philosophen Ob die heidnischen? – Wir erfahren nur von Syrus gelegentlich, dass Majolus die »Hierarchias« des Dionysius Areopagita las. l. III, c. 17. und die Bücher der weltlichen Weisheit« verschmähte, wenn er auch nur das, was ihm, dem Kleriker, nützlich war, sich aneignete; ungemein unterrichtet war er in der Bibel, dem canonischen Recht sowie über die Einrichtungen des Mönchswesens. Er war zugleich ein vortrefflicher Redner und wusste viele dadurch dem geistlichen Leben zu gewinnen. In den ihm untergebenen Klöstern stellte er die Disciplin wieder her. Er selbst wusste auch an den Höfen, die er nicht selten besuchte, seine 485 geistliche Würde in jeder Beziehung zu wahren. Doch beobachtete er ein Mass in der Askese, in der Kleidung wie in den Speisen (c. 7): er verschmähte es, wie manche andre, mit der Enthaltsamkeit zu prahlen. Gern zog er sich auf Tage ganz von den Menschen zurück, um Gott näher zu sein. Alle Charakterzüge, wie sie Syrus hier aufführt, lassen uns in seinem Helden einen durch feine Bildung hervorragenden Mann erkennen, eine Bildung, an welcher offenbar auch das klassische Alterthum seinen Antheil hatte. Sie gab sich auch, wie unser Autor zeigt, in seinen Disputationen kund. Syrus gedenkt dann der von dem Heiligen vollbrachten Wunder, unter welchen er in erster Reihe seine Bekehrungen, Wiederbelebungen von im Geiste Gestorbenen, nennt; von den andern sehen wir hier, wie billig, ab. Nur sei bemerkt, dass auch hier einmal wieder, wie bei Gerald (s. oben S. 200) das Waschwasser eine Rolle spielte, indessen gegen den Willen des Heiligen (c. 13). – Das letzte Kapitel dieses Buchs behandelt die nahen Beziehungen des Majolus zu Otto dem Grossen, der ja die Klosterreform sehr begünstigte, und zu seiner Gemahlin, Adelheid, die eine ausserordentliche Verehrung dem Abte zollte und ihm die Wiederherstellung und Leitung eines ihrer Klöster bei Pavia übertrug.

Das dritte Buch beginnt mit der Erzählung eines gefährlichen Abenteuers, das der Abt auf der Reise von Italien hatte, als er nach längerer Zeit von dort nach Cluny zurückkehrte (973). Schon hatte er die Gipfel der Alpen überstiegen und befand sich im engen Thale der Dranse unfern von Orsières, als er, den viel Volks wegen seiner Heiligkeit begleitete, von den in Fraxinetum noch immer hausenden Sarazenen plötzlich überfallen und mit der Menge seiner Begleiter gefangen genommen wurde. Er wurde sogar, indem er einen seiner Diener schützen wollte, durch einen Pfeilschuss an der Hand verwundet. Erst ein bedeutendes Lösegeld, das von Cluny herbeigeschafft wurde, befreite ihn und sein ganzes Gefolge. Dieser Ueberfall, der einen so hoch angesehenen Mann traf, hatte aber die gute Folge, dass die Sarazenen endlich aus Fraxinetum verjagt wurden, von dem Grafen Wilhelm von Arles und dem Markgraf Arduin von Turin in einem Treffen besiegt, Vgl. Dümmler, Otto der Grosse S. 485. in dessen pomphafter Beschreibung unser Verfasser sozusagen schwelgt.

486 Auch bei Otto II. stand Majolus in hoher Gunst; der junge Kaiser bot zugleich mit seiner Mutter ihm die päpstliche Tiara (975) an, die er aber ausschlug (c. 8); er vermittelte später die Versöhnung des Kaisers mit seiner Mutter (980), indem er ihm ins Gewissen sprach (c. 9). Er war es auch, der ihn warnte nach Rom zu gehen, wo er sonst sein Grab finden werde. c. 10. Auch zeigte ihm ein Traum, worin er einen Löwen von einer eisernen Kette strangulirt sah, den Tod Otto's I. an. Ibid. – Es folgt dann noch eine Reihe von Mirakeln des Heiligen, bis c. 19 sein Tod erzählt wird, der ihn im hohen Alter auf einer Reise nach dem Kloster St. Denis, das zu reformiren er aufgefordert worden war, erreichte (994).

Der Verfasser hat mit seiner Vita offenbar ein Kunstwerk leisten wollen, um auch dadurch seinen Helden zu ehren. So ist der Ausdruck öfters rhetorisch gesucht und blumig, hier und da geht die Prosa in Hexameter über (die aber meist nicht gereimt sind), Da derselbe Autor die Reimprosa liebt, ein rechtes Zeugniss dafür, dass die leoninischen Hexameter ausserhalb Deutschland noch nicht Mode waren. oder wird Reimprosa. Letztere erscheint schon in der an Odilo gerichteten Epistel. z. B. Recte vero disputare non praevalet de virtutibus, quisquis hic fuerit vacuus, quoniam mens, cui caret intelligentia, id discere nequit scientia. Haec idcirco aggredi cunctabar, quibus me nulla virtute dignabar. etc. etc.

 

Sicher ist das Werk eines Italieners, ja eines Römers noch eine bedeutende Vita, die unserm Zeitraum angehört: das Leben des Böhmen Adalbert, des Apostels von Preussen. Es ist geschrieben von einem Mönch des Klosters der heiligen Alexius und Bonifatius in Rom auf den Wunsch Otto's III., des innigen Freundes des Heiligen, noch bei Lebzeiten des Kaisers, um das Jahr 1000. Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Verfasser Johannes Canaparius, In: Monum. German. histor., Scriptores T. IV, pag. 574 ff. (Praef.). – Lohmeyer, St. Adalbert, Bischof von Prag. Separatabdruck aus der Zeitschr. für preuss. Geschichte und Landeskunde. 1872. – Wattenbach, Deutsche Geschichtsqu. Bd. I, S. 330 f. und 402. der dem Abt Leo in der Regierung des Klosters folgte und im Jahre 1004 starb.

Der Heilige war der Sohn eines der vornehmsten und mächtigsten Männer Böhmens, das zum grössten Theil noch von 487 Heiden bewohnt war, während seine Christen meist blosse Namenchristen waren. Er erhielt in der Taufe den nationalen Namen Woitech (d. i. Heerestrost). Als kleines Kind schwer erkrankt, wurde er von den Eltern, sein Leben zu retten, der Kirche geweiht. Nachdem er zu Hause den ersten Unterricht empfangen (durch einen Priester Radla), Wir wir aus einer andern, später (um das Jahr 1004) unter Benutzung des Canaparius verfassten Vita Adalberts erfahren, welche das Werk eines früheren Schülers der Domschule Magdeburgs, Brun ist, der auch als Missionsbischof in Preussen den Tod (1009) fand. S. die von ihm verfasste Vita in den Monum. German. a. a. O. pag. 596 ff. (S. über ihn selbst die Praefatio S. 577 ff.) und vgl. hier c. 15. sandte ihn sein Vater zum Erzbischof Adalbert nach Magdeburg, dessen Domschule der berühmte Magister Otrich vorstand. Durch eine Menge von Schülern wie durch eine Fülle von Büchern zeichnete sie sich damals aus (c. 3). Der Erzbischof nahm den Knaben sehr freundlich auf und gab ihm bei der Firmelung seinen eignen Namen. Die Eltern sparten nichts um Adalberts Studien zu fördern: so erhielt der Magister Gold und Silber und die schönsten Geschenke. Der talentvolle Schüler eignete sich leicht die weltliche Wissenschaft an, die er später in nicht geringem Grade besass.

Nach einer Reihe von Jahren, nachdem Otrich an den kaiserlichen Hof berufen und der Erzbischof gestorben war (981), kehrte Adalbert in die Heimath zurück, wo er nun die Priesterweihe empfing. Bald danach starb der Prager Bischof. Sein Tod, bei dem er die heftigsten Anklagen gegen sich und sein Volk erhob, und die Hölle schon vor sich sah, machte auf Adalbert eine tief erschütternde Wirkung (c. 6). Und nur um so mehr, als er trotz seiner Jugend von Fürst und Volk zum Nachfolger des Bischofs erwählt wurde (982). Wohl mag damals eine innere Wandlung bei ihm sich vollzogen haben, Vgl. Bruno l. l. c. 7. der von nun an dem asketischen Leben immer mehr sich ergab. Nachdem er in Verona die kaiserliche Belehnung und von dem Erzbischof von Mainz die Weihe erhalten (983), widmete sich Adalbert seinem Amte mit dem grössten Eifer, indem er sich namentlich auch in Werken der Barmherzigkeit hervorthat. Trotz seiner christlichen Humanität aber und trotz seiner Predigten beharrte das rohe Tschechenvolk in seiner Unsittlichkeit, 488 einer ungezügelten Sinnenlust ergeben. Die Erfolglosigkeit seines Wirkens bestimmte Adalbert sein Bisthum zu verlassen. Insbesondere bewogen ihn dazu drei Missstände, die er vergeblich bekämpfte: die Vielweiberei, die Priesterehe und die Verkaufung christlicher Gefangenen an Juden (c. 12). Zunächst begab er sich nach Rom, um den Papst um Rath zu fragen. Dieser billigte seinen Entschluss und rieth ihm, sich einem contemplativen Leben zu widmen. Adalbert hatte im Sinne, Christi Grab zu besuchen, und »unter einer andern Sonne ein Leben der Armuth zu führen«. So gab er den Armen all sein Geld, entliess seine Diener und trat, nachdem er seine Kleidung geändert, nur in Begleitung seines Bruders Gaudentius und zweier Kleriker die Reise an, die ganze Habe auf einen Esel geladen. In Montecasino aber, wo sie Halt machten, redete der Abt Adalbert seinen Plan aus: der stete Wechsel des Orts vertrage sich schlecht mit dem contemplativen Leben. Der Abt hoffte aus egoistischen Gründen den Bischof an sein Kloster zu fesseln. Adalbert durchschaute ihn, gab zwar seine Pilgerfahrt auf, wandte sich aber zu dem damals so berühmten Asketen Nilus, dessen Kloster er in zwei Tagen erreichte. Dieser wies ihn an den Abt des Alexiusklosters, Leo in Rom. Dort wurde dann Adalbert, nach der Probezeit und erhaltener päpstlicher Genehmigung (die er als Bischof bedurfte), als Mönch aufgenommen 990 (c. 16).

Schon nach vier Jahren aber, in denen er manche innere Kämpfe zu bestehen hatte, musste er in die Welt zurückkehren. Sein Metropolitan, der Erzbischof von Mainz, Willigis verlangte seine Rückkehr in das verwaiste Bisthum: die Böhmen schickten deshalb eine Gesandtschaft, und eine Synode in Rom entschied zu ihren Gunsten (994). Adalbert wurde auch in Prag freudig aufgenommen; das Volk gelobte sich zu bessern. Doch die Besserung hielt nicht lange an. Ein Ereigniss führte bald zu einem neuen Bruche. Eine verfolgte Ehebrecherin suchte ein Asyl bei dem Bischof, der sie in die Kirche eines Nonnenklosters einschloss; sie zu beschützen gelang aber Adalbert nicht, obwohl er in Person dem Volke entgegentrat: er wurde geschmäht und die Schuldige, vom Altar weggerissen, enthauptet. Darauf kehrte Adalbert nach Rom in sein Kloster zurück (995) (c. 20). Einen Versuch, den er mit der Bekehrung der Ungarn während der zweiten Verwaltung seines Bisthums machte, theilt Bruno folgendermassen mit: Non tacendum quod iuxta positis Ungariis nunc nuncios suos misit, nunc se ipsum obtulit; quibus et ab errore suo parum mutatis umbram christianitatis impressit. c. 16.

489 Im folgenden Frühjahr kam Otto III. zur Krönung dorthin: damals war es, wo er mit dem Heiligen zuerst in einen näheren Umgang trat. Mit dem Kaiser aber erschien auch Willigis, der von neuem die Rückkehr des Bischofs forderte und auch beim Papst durchsetzte, nur mit der Einschränkung, dass, wenn Adalbert in seinem Sprengel keine Früchte erzielen könne, er als Prediger zu den Heiden gehen dürfe. So zog er wieder nach Deutschland. Nach Bruno, l. l. c. 19, mit dem Kaiser zusammen: dem widerspricht die Darstellung des Canaparius, der ihn mit dem Bischof Notger reisen lässt und dann fortfährt (c. 23): Cumque velut duorum mensium iter agerent, venerunt Moguntiam, ubi regressus ab ltalicis oris imperator commoratus est. Hiernach befand sich der Kaiser schon in Mainz, als Adalbert dort anlangte. Dort lebte er eine Zeitlang mit dem Kaiser, den er in Mainz traf, im intimsten Umgang, indem er den schwärmerischen jugendlichen Fürsten durch seine religiösen Gespräche entzückte, in welchen er ihn zur Liebe des himmlischen Vaterlands entzünden wollte, die Vergänglichkeit des Irdischen zeigend, während er aber zugleich auch die Pflichten seines hohen Amtes ihm eindringlich vorhielt. Ein Zug des Herzens verband in der That beide. Um sich aber gegen den Hochmuth zu schützen, unterzog sich Adalbert heimlich den niedrigsten Diensten im Schlosse, indem er z. B. die Schuhe aller bei Nacht wichste.

Auf seine Missionsthätigkeit und ein sie krönendes Martyrium waren damals schon ganz seine Gedanken gerichtet, wie ein Traumbild, das er damals hatte, erweist (c. 24). Gewiss um zu dieser Aufgabe sich zu stärken, reiste er in jener Zeit nach Frankreich und besuchte dort die wichtigsten Heiligthümer, das Grab des heiligen Martin in Tours, die Reliquien des heiligen Benedict in Fleury, in Paris die des heiligen Dionys und in St. Maur die des heiligen Maurus. Die beiden letzten Orte erwähnt nur Bruno c. 19. Nur zu wohl wusste er, dass er auf seinen Bischofsitz nicht in Frieden zurückkehren könne, hatten doch mittlerweile die Böhmen vier seiner Brüder ermordet. Adalbert begab sich deshalb jetzt 490 zunächst nach Polen, um durch Gesandte des Herzogs Boleslaw erst zu erforschen, welche Aufnahme er in seiner Heimath finden würde. Die zornige Antwort, die sie erhielten, entband ihn seiner oberhirtlichen Pflichten. Er konnte nunmehr unbehindert sich der begehrten Missionsthätigkeit widmen. Er entschloss sich (c. 27) nach einiger Ueberlegung, in das Land der Preussen zu ziehen, der Polenherzog unterstützte sein Unternehmen durch ein Schiff mit Kriegern. So gelangte Adalbert, von seinem Bruder Gaudentius und einem Presbyter begleitet, nach Danzig, das unmittelbar an der Grenze von Boleslaws Reich lag; hier taufte er ganze Scharen. Von dort führte ihn das Schiff in wenigen Tagen in das Preussenland, wo es ihn mit seinen zwei Gefährten absetzte. Hier wurde er aber sogleich feindselig aufgenommen, und da er nach ein paar Tagen schon erkannte, dass hier seine Mission eine fruchtlose sein müsste, so kehrte er um; auf dem Rückweg aber wurde er überfallen und getödtet (997). Diese, wie Adalbert selbst einsah, in unkluger Weise begonnene Unternehmung S. Bruno c. 26. Er erkannte, dass schon ihre geistliche Tracht wie überhaupt das fremdartige ihrer Erscheinung die Heiden abschrecken musste: similes eorum effecti, familiarius eo habitamus, alloquimur et convivimus; laborando quoque manibus propriis, victum quaeremus ad instar apostolorum etc. Er dachte auf solche Weise bei den Liutizen, zu denen er sich nun wenden wollte, eher glücklichen Erfolg zu haben. – Von besonderm Nachtheil war Adalbert bei den Preussen seine Unkenntniss ihrer Sprache, und seine Freundschaft mit den Polen, ihren Feinden. wird von unserm Autor, wie auch in ein paar andern zeitgenössischen Schriften, die ihn ergänzen, Ausser der Vita Bruno's gibt es noch eine um das Jahr 1000 verfasste kurze Passio S. Adalperti, wahrscheinlich von einem Slaven geschrieben, s. dieselbe in Scriptores rerum Prussicarum, Bd. I, pag. 235 ff. und darüber Zeissberg, Die polnische Geschichtschreibung des Mittelalters. Leipzig 1873. S. 19 ff. – Aus der Passio erfahren wir auch noch, wie Boleslaw den Leib des Märtyrers von den Preussen einlöste und in Gnesen feierlich bestattete. ganz detaillirt erzählt.

Canaparius, der aus guten Quellen, zum Theil sogar aus den Mittheilungen seines Helden selbst, dem er nahe gestanden, seine Erzählung schöpfen konnte, hat dieselbe in einem für jene Zeit guten Latein, das den auch durch die Klassiker gebildeten Mann zeigt, vorgetragen: der von Schwulst und Uebertreibung freie und nur durch die innige Theilnahme an dem Heiligen 491 warme Ausdruck gibt seiner Berichterstattung im allgemeinen das Gepräge der Wahrhaftigkeit.

Endlich sei hier noch eines italienischen Werkes von weit geringerem historischen und stilistischen Werthe in der Kürze gedacht; ich meine die von dem Bischof Gumpold von Mantua auf Befehl Otto's II. zwischen 968 und 973 verfasste Vita Venceslavi, des Nationalheiligen der Böhmen. In: Monum. German. histor., Scriptores T. IV, pag. 211 ff. (Praef.). – – Büdinger, Zur Kritik altböhmischer Geschichte, in: Zeitschr. f. österreich. Gymnas. 1857, und vgl. in Betreff des Inhalts Dümmler, Otto der Grosse S. 51 ff. Dieser Böhmenherzog war schon in jungen Jahren unter dem Einfluss seiner Grossmutter Ludmilla ein eifriger Christ geworden und auch wissenschaftlich gebildet, sodass eine doppelte Kluft ihn von seinem rohen und grösstentheils heidnischen Volke trennte, während dagegen die Kirche und der Klerus an ihm den grössten Gönner fanden. Nach dem Bilde, das unser Autor von ihm entwirft, war er eine sehr milde sanfte Natur, die immer mehr der Askese sich ergab, aber nur um so weniger zur Regierung, zumal seines Volkes, sich eignete. Er pflegte selbst das Brod und den Wein zum Abendmahl zu bereiten, indem er zu dem Zweck sogar heimlich Nachts das Korn schnitt und die Trauben las (c. 8). Ja er hatte schon die Absicht gefasst, die Krone niederzulegen, nach Rom zu wandern und Mönch zu werden (c. 16): als er auf Anstiften seines Bruders Boleslaw, der hernach als ein sehr kräftiger Herrscher sich bewährte, bei seiner Rückkehr von der Frühmesse ermordet wurde (935). Die Blutspuren an der Kirchenwand waren, wie Gumpold versichert (c. 21), nicht zu tilgen und noch zu seiner Zeit sichtbar. Kurz vorher hatte er noch den Bau der Kirche des heiligen Vitus, wo er ruhen sollte, vollendet und dieselbe durch den Bischof von Regensburg einweihen lassen. Alle seine Anhänger traf die Verfolgung. Der Verfasser schliesst, indem er einiger Wunder, die von dem heiligen Märtyrer nach seinem Tode ausgingen, gedenkt.

Diese auf hohe Bestellung gemachte Vita, deren Stoff aus kärglicher mündlicher Ueberlieferung geschöpft erscheint, S. c. 21–23, 25: so sagt der Verf. z. B. c. 22: ut veracium saepe nobis relatu patefactum est etc. – An eine Aufzeichnung des Cubicularius Wenceslaws, die Büdinger auf Grund des c. 26 annimmt, kann ich nicht glauben. ist 492 recht ein Werk gelehrter Rhetorik, die sich oft in schwierigen Constructionen und weitläufigen Perioden genugthut, wie dies sogleich der geschraubte Prolog ankündigt: trotzdem ist sie, rasch verbreitet, die Hauptgrundlage der späteren Lebensbeschreibungen des Heiligen geworden und schon hierdurch literargeschichtlich von Bedeutung.

 


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