Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel.

Hrotsvith. Epik: Historische Gedichte.

Unter den erzählenden Dichtungen Hrotsviths sind die bei weitem werthvollsten die beiden in Hexametern verfassten historischen Gedichte, welche das letzte Buch einnehmen; sie sind ebenso bedeutend durch ihren Inhalt, der sie zu wichtigen Geschichtsquellen macht, Vgl. darüber auch: Maurenbrecher, De historiae decimi sec. scriptoribus qui res ab Ottone gestas memoriae tradiderunt. (Dissert.) Bonn 1861. S. 57 ff. wie anziehend in formaler Hinsicht, in dieser wohl die reifsten Früchte ihres Schriftthums. Das erste »Carmen«: De gestis Oddonis I imperatoris Auch herausgeg. von Pertz in: Monum. Germ. hist., Script. IV, p. 317 ff. Ich folge in der Verszählung Baracks Ausg. – S. über das Werk ausser Maurenbrecher und Köpke: Zint, Ueber Roswitha's Carmen de gestis Oddonis. (Diss.) Königsberg 1875. ist uns nur mit zwei grösseren Lücken im Innern überliefert, die nach der Berechnung von Pertz A. a. O. zusammen 678 Verse betragen, sodass die Dichtung, die heute 912 Verse zählt, ursprünglich gegen 1600 Hexameter umfasste. Auch in den historischen Gedichten sind diese Verse durchaus leoninisch gereimt.

Das Werk wurde nach der Kaiserkrönung Otto's I. (962) und mindestens vor dem Herbst 965 begonnen, Da Bruno, Otto's I. Bruder, als noch am Leben dargestellt wird. und bald nach der Kaiserkrönung Otto's II. (Weihnachten 967), so wie es vorliegt, abgeschlossen. Vielleicht in einer zweiten Redaction, in welcher erst die Verse 896 ff. hinzugefügt wären. S. darüber Zint S. 1 ff., dessen Argumenten ich aber nicht überall beistimme. In jedem Fall erfolgte der Abschluss vor dem Tode Wilhelms von Mainz, 1. März 968. S. die folgende Seite und vgl. Köpke S. 87 ff. Verfasst wurde es auf die Aufforderung der Aebtissin Gerberg, der Nichte Otto's des Grossen, wie eine an sie vorausgeschickte Zuschrift lehrt. Wenn Gerberg aber verlangt hatte, dass Hrotsvith »die Thaten des Caesar Augustus in Versen durchlaufen« sollte, so hat sich diese, wie sie hier sagt, zunächst nur auf seine Regierungszeit als deutscher König beschränkt, indem sie die Erhabenheit der kaiserlichen Herrlichkeit ohne eine Führung zu erzählen nicht wagte; hatte sie 306 doch bis dahin nur mit grösster Schwierigkeit selbst sich den Weg suchen müssen. Doch hofft sie solche Führer in der Kunst der Darstellung noch zu erhalten; sie gedachte also, das Werk dann fortzusetzen. Von einer Fortsetzung aber wissen wir nichts: die Erzählung erstreckt sich in der einzigen Handschrift eben nur bis zur Besteigung des kaiserlichen Thrones durch Otto. Wie wir aus derselben Zuschrift ferner erfahren, so waren die Quellen der Verfasserin nur zerstreute quia haec eadem nec prius scripta repperi, nec ab aliquo digestim sufficienterque dicta elicere quivi. mündliche Mittheilungen. Indem sie dort noch im Hinblick auf ihr Geschlecht und den ihr gewordenen Befehl Nachsicht für ihr Werk beansprucht, legt sie doch nur Werth auf das Urtheil ihrer Aebtissin und des ihr vertrauten Erzbischofs Wilhelm von Mainz (eines natürlichen Sohnes Otto's I.), dem Gerberg das Werk vorlegen wollte.

Der Erzählung gehen zwei Widmungen in Hexametern (zusammen 73 V.) voraus, von denen die erste an den Kaiser Otto I., der, wie die Dichterin hier sagt, alle früheren Auguste an Frömmigkeit übertrifft, die andre, offenbar später hinzugefügt, an Kaiser Otto II. gerichtet ist. In jener bestätigt die Verfasserin, dass kein Buch über seine Thaten ihr als Muster und Quelle gedient; der Grund ihres Werks sei ihre Hingebung ( devotio ); sie habe immer nur, versichert sie, die Wahrheit sagen wollen, so wie sie ihre Autoritäten ihr mittheilten. Die andre Widmung beruft sich darauf, dass der junge Kaiser ein Exemplar des Werkes gewünscht habe; Hrotsvith hofft von dem Namen desselben, den sie unsern Salomo nennt, einen Schutz gegen die Unbill der Kritik.

In der Erzählung selbst lassen sich, wie Köpke A. a. O. S. 97. zuerst richtig bemerkt hat, sechs Stoffgruppen oder Abschnitte unterscheiden. Der erste (v. 74–197) bildet die Einleitung: nachdem im Eingang der Uebertragung der Herrschaft des Reichs von den Franken auf die Sachsen durch Anordnung des Königs der Könige gedacht ist, wird ein Charakterbild des ersten deutschen Königs aus sächsischem Stamme, Heinrichs I. gegeben, dessen Gerechtigkeit den inneren Frieden schützte. Aus seiner Ehe mit der »unvergleichlichen« Mathilde entsprangen 307 drei Söhne, unter welchen der erste, Otto, wie der aufgehende Morgenstern, glänzte, welcher jetzt die stolze Roma, das Haupt des Erdkreises, mit vollem Rechte besitzt und die Heiden bändigt. Auch Heinrich, der zweite Sohn, wird als ein Schirm der Kirche gepriesen; ihrem Dienst weihte sich aber ganz der dritte, Brun, dem Christus die herrlichsten Gaben der Weisheit verlieh, worin er alle Sterblichen übertrifft (v. 138). Hierauf erzählt die Dichterin in diesem Abschnitt noch ausführlich die Vermählung Otto's mit der Tochter des angelsächsischen Königs Edward, Eaditha, die durch ihre Herzensgüte wie durch den reinen heitern Ausdruck ihres Angesichts sogleich einnahm, was nicht verwundern kann, da sie vom heiligen Oswald stammte. Sie gebar Otto den Liudolf, den das Volk mit Recht so zärtlich liebte.

Mit dem zweiten Abschnitt (v. 198–539) beginnt die Geschichte des Königthums Otto's; der Abschnitt erstreckt sich vom Tode Heinrichs I. bis zur Vermählung Liudolfs und der Feststellung seiner Nachfolge im Reich, demnach von 936 bis 948. Im Eingang stellt die Dichterin gleichsam Otto als König lobpreisend vor, und zwar als einen von Gott besonders begnadeten und beschützten, einen zweiten David, dem kein Feind widerstehen konnte, der namentlich auch die heidnischen Nationen unterwarf, damit der Frieden der Kirche gesichert wäre. Dann gedenkt sie seines Bruders Heinrich und dessen Vermählung mit Judith, der Tochter Arnulfs von Baiern, also der Eltern der Gerberg (v. 229 f.). Es war eine glückliche Zeit des Friedens. Aber die Bosheit des Menschenfeindes zerstörte ihn: ein Bürgerkrieg brach aus. Und so erzählt denn Hrotsvith darauf die Kämpfe Eberhards von Franken mit Heinrich (938), die Gefangennahme des letztern, und seine Erlösung redemit sagt Hrotsvith v. 271; in der That geschah sie nur indirect, vgl. Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit Bd. I, S. 257. durch den König, der ihm, wie Abraham dem Loth, zu Hülfe eilte. Aber die Hinterlist des Teufels rief noch ein schlimmeres Verbrechen hervor: die Verschwörung Eberhards mit Giselbert von Lothringen gegen Otto, ihn zu entsetzen und Heinrich auf den Thron zu erheben. Und dieser liess sich auch, o Schmerz! zur Theilnahme bereden, die Dichterin hofft sicher, nur gezwungen.         Pro dolor! ipsorum se promisit fore promptum
        Votis ac firmis hoc confirmaverat orsis;
        Sed spero certe, non se sic corde tenere,
        Illis consensum sed vi praebere coactum.
  v. 294 ff.
Die Verfasserin bestätigt also ausdrücklich das Factum, das sich freilich nicht leugnen liess, war doch der Plan vielmehr von Heinrich selbst mit Eberhard geschmiedet, aber sie entschuldigt doch soweit dies nur möglich war.
Der gerechte Gott aber, der so oft Otto beschützte, 308 lässt den Anschlag nur zum Verderben seiner Feinde gereichen. Die Nonne fühlt sich nicht berufen den Krieg zu schildern (v. 316 ff.). Ihr kommt es nur auf die Errettung des frommen Königs damals durch Gott, die einem Wunder glich, an; so deutet sie nur die Ereignisse der Treffen von Birten und Andernach (939), beide combinirend, an, und schliesst daran sogleich die zweite Errettung Otto's durch Christus bei dem Mordanschlag zu Ostern 941. Sie schildert dann die Reue Heinrichs, ohne seine Schuld klar zu bezeichnen, Sie sagt nur:
        – – summoque dolore revolvit,
        Contra iustitiam quicquid perfecerat unquam.
  v. 411 f.
Auch das Büssergewand, in dem Heinrich vor seinem Bruder erschien, wird nur angedeutet: simplicis et tenuis fruitur velamine vestis v. 428.
und die ihm von seinem Bruder gewährte Verzeihung, der ihn »nach kurzer Zeit« (in der That aber war es drei Jahre später) zum Herrscher der Baiern macht. Von da an gab es keine Zwietracht zwischen ihnen mehr. Heinrich schützt jetzt das Reich gegen die »Avaren«, in deren Land er selbst Einfälle macht. Es folgt in diesem Abschnitt v. 468 ff. noch der Tod der Edith, welche als wahre Landesmutter vom Volk tief betrauert ward, und eine lobpreisende Charakteristik der beiden Kinder, die sie hinterliess, des Liudolf und der Liutgarda, namentlich des ersteren, der aller Herzen (und vor allem auch das unserer Dichterin) gewann, sowie die Vermählungen beider.

Der dritte Abschnitt (v. 540–807) ist der Verbindung Otto's mit Adelheid, der Wittwe des Königs von Italien, Lothar, und der Gewinnung der langobardischen Krone gewidmet; er umfasst die Zeit von November 950 bis Anfang 953. Fast die Hälfte des Raumes nimmt die interessante Erzählung der Verfolgung und Rettung der verwittweten Königin vor der Ankunft Otto's in Italien ein (v. 540–660). Die Verfasserin erzählt in fesselnder Weise, wie Berengar II. den Thron usurpirt, Adelheid misshandelt und auf einer Burg einschliessen lässt, wie es ihr 309 aber mit Christi Hülfe gelingt, durch den Beistand einer Dienerin und eines Presbyter, ihrer einzigen Gefährten, welche einen unterirdischen Gang ins Freie graben, zu entfliehen, worauf sie trotz aller Verfolgung nach Reggio, wo der Bischof ihr eine Zuflucht bereitet hatte, glücklich gelangt. Erzählungen von Rompilgern von der Huld der Königin, welche nach Edith allein würdig sei seine Gemahlin zu werden, treiben Otto zuerst zu dem Zuge über die Alpen an. Liudolf zieht ihm voraus. Dieser im ganzen erfolglose Zug Liudolfs wird von der Verfasserin im Gegensatz zu den andern Quellen als ein herrlicher Triumph desselben, der ihm das freudige Lob seines Vaters eintrug, dargestellt. v. 665 ff. Vgl. Dümmler, Kaiser Otto S. 192 f. Er wird alsbald in Pavia als Herrscher anerkannt, und vermählt sich dort mit Adelheid, welcher sein Bruder Heinrich als Brautführer entgegengesandt war. Zwischen dem Schwager und der Schwägerin bildet sich bald ein Band geschwisterlicher Liebe (v. 754 f.), wie denn Heinrich auch der besondern Gunst des Königs sich jetzt erfreut. Die Dichterin gedenkt hier noch der Rückkehr Liudolfs, die, wie sie es darstellt, Abweichend von Widukind, s. darüber Dümmler, Kaiser Otto S. 200, Anm. 1. auf Befehl Otto's erfolgt, dessen eigner Heimkunft und der Unterwerfung Berengars, der als Lehnsmann die Regierung seines Reiches (das aber wesentlich verkleinert wurde) von Otto zurückempfängt, unter der Bedingung einer besseren Behandlung des Volkes (v. 780 ff.). Aber er hält die Bedingung nicht, und Otto, mit Recht erzürnt, vermag nicht sogleich einzuschreiten, da des Teufels Trug von neuem den innern Frieden Deutschlands zerstört.

Von dem vierten Abschnitt, den wir vom Jahre 953 bis 957 rechnen, ist nur der Anfang, 18 Verse, und der Schluss, 48, erhalten, während etwa 388 verloren sind. Hier wurde zunächst, wie der Anfang zeigt, der von Liudolf entzündete Bürgerkrieg erzählt. Nur das Motiv seiner Empörung wird uns mitgetheilt: die Gunst, deren sich der Oheim Heinrich bei Adelheid erfreute, während Liudolf selbst ihre Liebe verloren, liess diesen befürchten, dass er den ersten Platz im Reiche auch verlieren werde; böse Reden vieler täuschten ihn. – Dann folgt die Lücke. Das sich daran schliessende Fragment setzt schon eine vorausgegangene Erzählung der siegreichen Heerfahrt des von dem König wieder begnadigten Liudolf nach Italien voraus, 310 indem hier ein Schreiben Otto's an ihn mitgetheilt wird, worin er ihn deshalb beglückwünscht und ihm zum Lohn für die bewährte Treue die Regierung des italienischen Reichs überträgt. Liudolf rüstet freudig sich schon zur Heimkehr.

Nun findet sich wieder eine längere Lücke von gegen 290 Versen; sie enthielt den fünften Abschnitt, von dem allein der Schluss, nur 4 Verse, erhalten sind, sie zeigen, dass der Abschnitt mit der Kaiserkrönung nicht nur Otto's, sondern auch Adelheids (Februar 962) endete. Damit schliesst aber Hrotsviths Erzählung überhaupt. Der sechste Abschnitt nämlich, den wir mit Köpke noch unterscheiden, ist ein kurzer Epilog (v. 878–912), worin die Dichterin erklärt, dass sie nicht zu beschreiben wage, was Otto als Augustus vollbracht, wie er Berengar besiegt und in die Verbannung gesandt, einen andern Papst eingesetzt und wie er seinen Sohn Otto zur Würde des Kaisers erhöht habe. Diese Thaten verlangten eine vornehmere Darstellung, als sie zu bieten vermöge.

Bei einem Ueberblick über die Geschichtserzählung Hrotsviths ist trotz der Lücken der Ueberlieferung leicht zu erkennen, wie wohl begründet die Ansicht ist, dass wir in ihr eine Familiengeschichte vor uns haben. Wie dies Waitz zuerst entschieden hervorhob: Ueber das Verhältniss von Hrotsuits Gesta Oddonis zu Widukind. Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. IX, S. 336. Im ersten Abschnitt ist, nachdem uns die Familie Heinrichs I. vorgestellt worden, die erste Vermählung des Helden der Erzählung der Hauptgegenstand, im zweiten der Streit und die Versöhnung der beiden Brüder Otto und Heinrich, der Tod Editha's und die Vermählung ihrer Kinder, im dritten die zweite Heirath Otto's, im vierten die Empörung und Begnadigung des Sohnes, im fünften wird gleichsam der zweiten Ehe die höchste Weihe durch die Kaiserkrönung des Paars gegeben. Eine solche Auffassung der Geschichte war aber ganz dem Sinne einer Frau entsprechend und zumal der Nonne Hrotsvith, deren Interesse an den Ereignissen ihrer Zeit durchaus durch ihre und ihres Klosters Beziehungen zu der königlichen Familie bestimmt werden musste, nicht minder aber war sie auch im Sinne ihrer Auftraggeberin, der Aebtissin Gerberg. Was aber wohl zu beachten ist und doch kaum beachtet wurde, diese Auffassung, die das 311 persönliche Moment ganz in den Vordergrund stellte, bot sich auch für eine poetische Behandlung am ehesten dar. Und sie vermochte dem Stoffe eine innere Einheit zu gewähren Dass dabei eine Anzahl denkwürdiger Thatsachen ganz übergangen oder kaum angedeutet werden, ist eine nothwendige Folge dieser Behandlung. sowie der Darstellung eine warme Lebendigkeit. Gerade der subjective Charakter der Darstellung, welcher der objectiven Wahrheit derselben gewisse Schranken setzt, ja mitunter geradezu Eintrag thut, fesselt uns an der Dichtung, auch wo wir die Parteilichkeit der Verfasserin, die aber nicht ein Werk des Verstandes, sondern des Gemüths ist, Daher ist es möglich, dass ihre Parteilichkeit auf zwei, die unter einander Gegner sind, zugleich sich erstrecken kann, auf Heinrich und Liudolf. sogleich erkennen oder mindestens ahnen. Als Dichtung erhebt sich deshalb das Werk über andre seiner Art, wie z. B. den Poeta Saxo, entschieden. Dabei zeigt es wieder den leichten Fluss der Erzählung, die natürliche Ausdrucksweise, die nicht nach der gelehrten Schule schmeckt, und in noch höherem Grad als die Legenden. Das panegyristische Kolorit der Darstellung, das nach dem oben Gesagten bis zu einem gewissen Grade sich von selbst einstellen musste, wurde aber auch schon durch die Art der Ueberlieferung des Stoffes veranlasst. Die Dichterin empfing ja denselben offenbar aus den Kreisen der königlichen Familie und des Hofes. Der Beschönigung der ärgerlichen Familienzwiste, der Empörung des Bruders und des Sohnes, kam aber die religiöse Auffassung des Weltlaufs bei Hrotsvith zu Hülfe, wonach der Hölle wie dem Himmel eine directe Einwirkung auf die irdischen Dinge zugeschrieben ward. Der Teufel ist es, der jene Zwiste hervorruft, wie Gott es ist, der Otto rettet. Wenn also diese Dichtung als historische Quelle nur mit Vorsicht zu gebrauchen ist, so hat sie dennoch auch als solche keinen geringen Werth: Sie aber nur als solche zu beurtheilen, ist eine Ungerechtigkeit, (der sich auch in andern ähnlichen Fällen die deutschen Historiker schuldig gemacht haben); das Werk soll und will doch ein Carmen sein. Und aus diesem Gesichtspunkt ist es zunächst zu beurtheilen. sie bietet nicht nur eigenthümliche Nachrichten von Bedeutung, sondern lässt auch die Motive einzelner wichtiger Entschliessungen besser erkennen. Vgl. Zint a. a. O. S. 26.

312 Das zweite historische Gedicht Hrotsviths, das auch nach dem ersten, ja, wie es scheint, erst nach Otto's I. Tode verfasst ist, Dafür scheint zu sprechen die Art wie hier Otto's gedacht wird v. 77 ff. (namentlich das eius ) und v. 570 ff. – Auf das seinen Thaten gewidmete Gedicht wird v. 87 f. zurückgewiesen. Vgl. auch Köpke S. 118. ist das Carmen de primordiis coenobii Gandersheimensis (600 Hexameter). Auch von Pertz edirt in: Monum. Germ. hist., Script. IV, p. 306 ff. Es behandelt also die Anfänge des Klosters der Dichterin. Zuerst seine Gründung durch Liudolf, den eigentlichen Ahnherrn der sächsischen Königsdynastie, dem das Herzogsamt durch Ludwig den Deutschen zu Theil wurde. Er wurde aber zu der Gründung durch seine Frau Oda veranlasst; ihrer frommen Mutter Aeda war durch Johannes den Täufer verkündet worden, dass ihre Nachkommenschaft ein Nonnenkloster stiften und dafür einst die Kaiserkrone erlangen solle. Was freilich nur indirect angezeigt wird (v. 67 ff.). Die Beschreibung des Aussehens des Täufers (v. 49 ff.) ist vielleicht in Rücksicht auf die bildende Kunst jener Zeit nicht ohne Werth. So wusste die Legende der Nonnen die Bedeutung ihres Klosters zu erhöhen. Jenseits der Ganda, eines Nebenflüsschens der Leine, (zu Brunshausen) gehörte eine kleine Kirche dem Herzog, dort wurde zunächst vorläufig den zu einem gemeinsamen frommen Leben verbundenen Jungfrauen eine Stätte bereitet (v. 110 ff.). Zur Aebtissin aber wurde von Liudolf seine Tochter Hathumod bestimmt, die zu dem Zweck ihrer Ausbildung dem Kloster Herford übergeben wurde. Vgl. Bd. II, S. 294 ff. ihre Vita. Darauf zog das fromme herzogliche Paar nach Rom, um vom Papste Sergius (er war es von Januar 844 bis Januar 847) Reliquien für das zu gründende Kloster zu erbitten und ihm dasselbe unmittelbar zu unterwerfen.         Hoc rectoris apostolici solum ditioni
        Tradimus ad defendendum pariterque regendum.
  v. 160 f.
Dem entspricht auch die Antwort des Papstes v. 184 ff.
Sie erlangten die Erfüllung ihrer Wünsche. Mit Reliquien der Heiligen Anastasius und Innocenz kehrten sie zurück. Auch wird bald der geeignete Platz für das Kloster und seine Kirche in einem von Hügeln eingeschlossenen Walde bei einer Villa Liudolfs (nicht weit von Brunshausen) gefunden (v. 192 ff.). Viele Lichter in dem Walde des Nachts zur Zeit des Allerheiligenfestes – Irrlichter offenbar – zeigten ihn an. Der Wald wird ausgerodet und der Bau 313 begonnen; aber es stellt sich mit der Zeit ein Mangel an Steinen ein und ein neues Wunder muss helfen: eine weisse Taube zeigt der jungen Aebtissin den Weg zu einem verborgenen Steinbruch. Liudolf erlebte die Vollendung des Baues nicht, aber er empfahl ihn seinen Söhnen (später wird er auch in der neuen Kirche bestattet), eine Unterstützung gewährte auch die Tochter Liutgarde, die mit Ludwigs des Deutschen Sohn, dem jüngern König Ludwig vermählt war. Auch als Hathumod zehn Jahre nach dem Vater starb (874), war das Werk noch nicht vollendet; die Einweihung erfolgte erst 881 unter ihrer Nachfolgerin Gerberg I. (v. 381 ff.). Diese Tochter Liudolfs war mit einem Grossen, Bernhard verlobt worden, hatte sich aber im geheimen Christus geweiht. Bernhard wollte darum den Bund nicht lösen, da zerriss ihn sein Tod, indem er im Kriege fiel. Die wahre Leiterin des Klosters aber war von Anfang und blieb auch unter Gerberg und selbst nach ihrem Hintritt (897) unter ihrer Schwester Christina, die alte Herzogin Oda, ein Muster einer deutschen Frau, S. namentlich v. 415 ff. und v. 496 ff. die auch die Güter des Klosters sehr vermehrte, durch eigne Schenkungen sowohl, als durch von ihr veranlasste ihrer Familie. Namentlich gewann sie dem Kloster die Gunst ihres Sehwiegersohns, des Königs Ludwig. Bei diesen Bemühungen befand sie sich im vollen Einklang mit ihrem Sohn, dem frommen Herzog Otto, dessen Tod (912) von den Nonnen auf das tiefste beklagt wurde, wie die Dichterin ausführlich erzählt. Acht Tage zuvor hatte er noch die Geburt seines Enkels Otto (des Grossen) erlebt. – Es wird dann noch des Todes der 107jährigen Oda (913) und der Aebtissin Christina (919) gedacht, und mit einem Gebet für ihre und ihrer Schwestern Seligkeit geschlossen.

Mit Recht endet hier Hrotsvith die Primordia des Klosters: mit dem Tode Christinens war ein Abschnitt gegeben, ihr folgte zunächst (bis auf Gerberg II.) keine Aebtissin aus dem Liudolfschen Hause mehr. Bis dahin war die Leitung des Klosters ganz in den Händen der Familie, die es gegründet, insbesondere in denen des weiblichen Hauptes derselben, der Mutter Oda gewesen. Indem die Verfasserin auf diesen Abschnitt der Klostergeschichte sich beschränkt, bekundet sie einmal wieder das nahe persönliche Interesse, das sie an dem Königshause nimmt, 314 aber auch den Sinn für eine einheitliche Komposition, wodurch auch dieses Werkchen sich von manchen älteren historischen Dichtungen und den späteren Reimchroniken wohl unterscheidet. Auch in ihm zeigt sich wieder das Erzählungstalent der Verfasserin, namentlich in den mit Vorliebe ausgemalten Sagen. Dass es als historische Quelle von mannichfachem Werthe ist, bedarf kaum der Erwähnung.

 


 << zurück weiter >>